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Die seelische Heilkraft der Philosophie und Widerspruch zwischen ethischer Theorie und Lebenspraxis
Cicero: Gespräche in Tusculum
Cic.Tusc.2,11-12
Die seelische Heilkraft der Philosophie und Widerspruch zwischen ethischer Theorie und Lebenspraxis
11,1
[Cic.Tusc.2,11,1] M: Minime mirum id quidem. Nam efficit hoc philosophia: medetur animis, inanes sollicitudines detrahit, cupiditatibus liberat, pellit timores.
M: Kein Wunder! Dies bewirkt die Philosophie: sie heilt die Seele, nimmt nichtigen Kummer, befreit von Begierden, treibt alle Furcht aus.
11,2
[Cic.Tusc.2,11,2] Sed haec eius vis non idem potest apud omnes; tum valet multum, cum est idoneam complexa naturam.
Aber diese ihre Kraft vermag nicht dasselbe bei allen; doch dann hat sie größten Einfluss, wenn sie eine empfindliche Natur traf.
11,3
[Cic.Tusc.2,11,3] "Fortes" enim non modo "fortuna adiuvat", ut est in vetere proverbio, sed multo magis ratio, quae quibusdam quasi praeceptis confirmat vim fortitudinis.
Denn dem Mutigen hilft nicht bloß das Glück, wie das alte Sprichwort sagt, sondern noch weit mehr die Vernunft, die durch gewisse Grundsätze die Kraft des Gutes befestigt.
11,4
[Cic.Tusc.2,11,4] Te natura excelsum quendam videlicet et altum et humana despicientem genuit, itaque facile in animo forti contra mortem habita insedit oratio.
Dir hat die Natur Größe und Höhe der Seele und Verachtung des Zeitlichen gegeben; darum haftete leicht in dem mutigen Geist die gegen den Tod gerichtete Rede.
11,5
[Cic.Tusc.2,11,5] Sed haec eadem num censes apud eos ipsos valere, nisi admodum paucos, a quibus inventa, disputata, conscripta sunt?
Aber meinst du, dieselben Grundsätze hätten, sehr wenige ausgenommen,, selbst bei den Männern diese Wirkung, die sie erfanden, verfochten und in Schriften niederlegten?
11,6
[Cic.Tusc.2,11,6] Quotus enim quisque philosophorum invenitur, qui sit ita moratus, ita animo ac vita constitutus, ut ratio postulat? qui disciplinam suam non ostentationem scientiae, sed legem vitae putet? qui obtemperet ipse sibi et decretis suis pareat?
Wie viele Philosophen gibt es denn, deren Charakter, Denk- und Handlungsweise mit den Forderungen der Vernunft übereinstimmt, denen ihr System nicht zur Schau der Wissenschaft, sondern zum Gesetz des Lebens dient, die sich selbst gehorchen und sich ihren Grundsätzen unterwerfen?
12,1
[Cic.Tusc.2,12,1] Videre licet alios tanta levitate et iactatione, ut eis fuerit non didicisse melius, alios pecuniae cupidos, gloria non nullos, multos libidinum servos, ut cum eorum vita mirabiliter pugnet oratio.
Das sieht man einige so leichtsinnig und Spreche Rische, dass es besser für sie gewesen wäre, nichts gelernt zu haben. Andere sind geldgierig, manche ruhmsüchtig, viele Sklaven ihrer Lüste, so dass mit ihrem Leben ihre Rede in erstaunlichemWiderspruch steht.
12,2
[Cic.Tusc.2,12,2] Quod quidem mihi videtur esse turpissimum. Ut enim, si grammaticum se professus quispiam, barbare loquatur, aut si absurde canat is, qui se haberi velit musicum, hoc turpior sit, quod in eo ipso peccet, cuius profitetur scientiam, sic philosophus in vitae ratione peccans hoc turpior est, quod in officio, cuius magister esse vult, labitur artemque vitae professus delinquit in vita.
Das Schmählichste, was ich mir denken kann! Wie derjenige, der sich für einen Sprachkünstler ausgibt und schlecht spricht oder der für einen Tonkünstler gelten will und abgeschmackt singt, umso schmählicher ist, weil er gerade darin fehlt, worin er sich für einen Kenner ausgibt, so ist der Philosoph, der sich in seiner Lebensweise verfehlt umso schmählicher, weil er sich in der Pflicht, deren Lehrer er sein will, verfehlt und die Kunst des Lebens, deren Meisterschaft er sich rühmt, im Leben verletzt.
12,3
[Cic.Tusc.2,12,3] A: Nonne verendum est igitur, si est ita, ut dicis, ne philosophiam falsa gloria exornes? Quod est enim maius argumentum nihil eam prodesse, quam quosdam perfectos philosophos turpiter vivere?
A: Wenn es sich denn so verhält,, wie du sagst, sollte man nicht beinahe glauben,, du schmücktest die Philosophie mit falschem Ruhm? Denn wo gibt es einen stärkeren Beweis gegen ihren Nutzen, als das einige verkommene Philosophen schändlich leben?
Aufgabenvorschläge:
Kann Philosophie als Wissenschaft wirklich so tief in die Lebenspraxis eingreifen, dass sie "Seelenwürmchen" heilt, eventuell sogar einen Psychiater ersparen kann?
Muss andererseits ein sich zu philosophischen Prinzipien bekennender Mensch so gefestigt sein, dass er nicht einmal dem Gebot der Stunde folgend A gleich B sein lassen kann?
Wie weit dürfen Leben und Lehre auseinandergehen, ohne eines von beiden unglaubwürdig wird? Nach Seneca (De vita beata 18) ist dieser Vorwurf "Aliter loqueris, aliter vivis" nicht nur ihm selbst, sondern auch Platon, Epikur und dem Stoiker Zenon gemacht worden. Er antwortet darauf: "De virtute, non de me loquor."
Hat das Wissen um das, was richtig gewesen wäre, nicht wenigstens den Vorteil, dass man weiß, was man falsch gemacht hat?
Übersetzung von F.H.Kern, bearbeitet von E. Gottwein
Ob der Schmerz ein Übel ist oder nicht, mögen die Stoiker zusehen.
Cic.Tusc.2,42,3
2035
Appellata est enim ex viro virtus.
"Virtus" kommt nämlich von "vir" (Mann).
Cic.Tusc.2,43,3
2036
Viri autem propria maxime est fortitudo, cuius munera duo sunt maxima, mortis dolorisque contemptio.
Die Haupteigenschaft des Mannes aber ist die Tapferkeit, die beide Hauptrichtungen in sich begreift: Verachtung des Todes und Verachtung des Schmerzes.
Cic.Tusc.2,43,4
2037
Contemno magnitudinem doloris, a qua me brevitas temporis vindicabit ante paene, quam venerit (Epikur).
Ich verachte die Heftigkeit des Schmerzes, von der mich die Kürze der Zeit erretten wird, beinahe noch bevor er gekommen ist.
Cic.Tusc.2,44,3
2038
saepe enim videmus fractos pudore, qui ratione nulla vincerentur.
Denn oft sehen wir durch Scham überwältigt, wer durch keinen Vernunftgrund besiegt werden konnte.
Cic.Tusc.2,48,3
2039
Ferendi doloris consuetudo est non contemnenda magistra.
Im Verachten des Schmerzes ist die Gewöhnung eine nicht zu verachtende Lehrmeisterin.
Cic.Tusc.2,49,4
2023
Omninoque, quae crescentia perniciosa sunt, eadem sunt vitiosa nascentia.
Grundsätzlich ist, was in seinem Wachstum verderblich ist, auch in seiner Entstehung fehlerhaft.
Cic.Tusc.3,41,3
2024
qui vitiis modum apponit, is partem suscipit vitiorum
Wer Fehlern ein Maß setzt, ergreift Partei für die Fehler
Cic.Tusc.4,42,4
2025
iracundiam cotem fortitudinis esse dicunt
Zorn sei der Schleifstein der Tapferkeit, sagen sie
Cic.Tusc.4,43,2
2026
est enim ira ulciscendi libido
Zorn ist Lust, sich zu rächen
Cic.Tusc.4,44,1
2027
ubi quicquid est, quod disci potest, eo veniendum.
wo etwas zu lernen ist, dahin muss man kommen
Cic.Tusc.4,44,5
2028
aegritudo ut taetra et inmanis belua fugienda
den Kummer muss man wie ein hässliches, abscheuliches Ungeheuer fliehen
Cic.Tusc.4,45,1
2029
Impunitas peccatorum data videtur eis, qui ignominiam et infamiam ferunt sine dolore; morderi est melius conscientia.
Die scheinen für ihre Verfehlungen straffrei zu bleiben, die unter Schmach und Entehrung nicht leiden. Besser sind Gewissensbisse.