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Publius Ovidius Naso

Metamorphosen - Verwandlungen

6. Buch - deutsch

1. Arachne (1-143), 2. Niobe (146-312), 3. Lykische Bauern (313-381), 4. Marsyas (382-400), 5. Pelops (401-411), 6. Tereus, Procne und Philomela (412-674), 7. Boreas und Orithyia (675-721)

 
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  1. Arachne (1-143)
Achtsam hatte gelauscht Tritonia dieser Erzählung
Und den Gesang und den Zorn der aonischen Mädchen gebilligt.
"Loben ist wenig", begann sie für sich, "selbst muss ich gelobt sein,
Und schwer büße die Schuld, wer Hohn spricht unserer Gottheitl"
Auf der Arachne Geschick, der Maionerin, sinnt sie im Geiste,
Die, wie sie hatte gehört, an Lob in der Wollebereitung
Nicht nachstand ihr selbst. Nicht Ort, noch edele Herkunft,
Kunst nur brachte ihr Ruhm. Ihr Vater, aus Kolophon Idmon,
Tauchte die saugende Woll' in den Saft phokaiischer Schnecken.
Tot war die Mutter bereits, doch die auch war aus dem Volke
Und mit dem Mann ganz gleich. Doch rings in den lydischen Städten
Hatte sich jene durch Fleiß denkwürdigen Namen erworben,
Ob auch niedrer Geburt sie bewohnte das kleine Hypaipa.
Oftmals, dort zu besehn die bewunderungswürdige Arbeit,
Kamen die Nymphen herzu von den Weinhöhn ihres Timolos,
Kamen, entstiegen dem Fluss, herzu die paktolischen Nymphen,
Und nicht sahen sie bloß mit Ergötzen die fertigen Zeuge,
Auch die Fertigung selbst - es paarte Geschick sich mit Anmut –
Wenn zum Ballen zuerst sie vereinte die gröbere Wolle,
Wenn mit den Fingern den Stoff sie schlichtete oder geschmeidig
Machte mit häufigem Strich dem Nebel vergleichbare Flocken
Oder mit gleitendem Daumen umschwang die gerundete Spindel
Oder wenn stickend sie saß; sie lernte, so schien es, von Pallas.
Doch sie leugnet' erzürnt, dass Meisterin wäre die Göttin:
"Streite sie", sprach sie, "mit mir! Nichts will ich bezwungen verweigern."
Greisengestalt nimmt Pallas und fügt sich verstellt an die Schläfen
Trügliches Grau und stützt mit dem Stab die gebrechlichen Glieder.
Drauf hob also sie an: "Nicht bringen die höheren Jahre
Unannehmliches nur; es kommt mit dem Alter Erfahrung.
Unseren Rat nicht achte gering. Bei den Sterblichen magst du
Immer den größten Ruhm in der Wollarbeit dir erstreben;
Weiche der Göttin jedoch und reuig erbitte Verzeihung
Für das vermessene Wort. Der Bittenden wird sie verzeihen."
Grimm schaut jene sie an und lässt vom begonnenen Faden,
Und kaum haltend die Hand und Zorn in den Mienen bekennend
Gibt sie folgender Art der verkleideten Pallas zur Antwort:
"Arm an Verstand und geschwächt vom lastenden Alter erscheinst du.
Schlimm, wer gar zu lange gelebt. So fades Gerede
Höre, wenn eine du hast, die Schnur an oder die Tochter.
Rat schon find' ich genug bei mir selbst. Dass deine Vermahnung
Fruchtet, wähne du nicht; wir bleiben bei unserem Sinne.
Warum kommt sie nicht selbst? Warum scheut jene die Wette?"
"Wohl", sprach Pallas, "sie kam." Und der Greisengestalt sich begebend,
Stand als Göttin sie da. Ihr zollen die Nymphen Verehrung
Und die mygdonischen Fraun; frei nur vom Schreck ist die Jungfrau.
Aber sie ward doch rot, und von selbst ging über ihr Antlitz
Plötzliche Glut und schwand gleich wieder hinweg, wie in Purpur
Pflegt zu erscheinen die Luft, wenn früh Aurora heraufzieht
Und nach geringem Verzug verblasst von den Strahlen der Sonne.
Doch sie beharrt im Entschluss, und nach törichter Palme begierig
Rennt sie in ihren Verderb. Nicht weigert sich Iupiters Tochter,
Noch auch warnt sie mehr und verschiebt nicht länger den Wettstreit.
Ohne Verzug nun nehmen sie Stand an gesonderten Stellen,
Und jedwede bespannt mit feinstem Gespinste den Webstuhl.
Fest ist der Zettel am Baum und vom Rohre geschieden der Aufzug.
Zwischengefügt wird jetzt vom spitzigen Schiffchen der Einschlag,
Den abwickelt die Hand, und quer durch die Fäden gezogen
Von des gestoßenen Kamms durchbrochenen Zähnen verdichtet.
Beide beeilen das Werk und rühren, am Busen gegürtet,
Während die Müh' ihr Eifer verkürzt, die kundigen Arme.
Dort wird Purpur gewebt, der tyrischen Kessel empfunden,
Schatten dazu so zart und kaum zu gewahrenden Wechsels,
Wie beim Regenguss, wenn die Strahlen sich brechen, ein Bogen
Pflegt mit gewaltigem Rund zu zeichnen die Weite des Himmels;
Licht erglänzten darin zahllose verschiedene Farben,
Doch die Veränderung selbst entgeht dem betrachtenden Auge:
So ist, was sich berührt, ganz gleich, das Entferntere ungleich.
Dort durchwirken sie auch mit geschmeidigem Golde die Fäden,
Und im Gewebe erhebt sich ein altertümlicher Inhalt.
Auf der kekropischen Burg stellt Pallas den Felsen des Mavors
Dar und aus früherer Zeit den Streit um den Namen des Landes.
Harrend in würdigem Ernst auf erhöhten Sesseln, in Mitten
Iupiter, sitzen die zwölf Unsterblichen. Jeden der Götter
Zeichnet besondre Gestalt. Hochherrlich ist Iupiters Aussehn.
Stehend erscheint der Beherrscher des Meers, und mit mächtigem Dreizack
Stößt er auf rauhes Gestein und lockt aus der Wunde des Felsens
Springende Flut, durch solchen Beweis die Stadt zu gewinnen.
Doch sich gibt sie den Schild und mit schneidender Spitze die Lanze
Und auf dem Haupte den Helm; die Brust ist beschützt von der Aigis.
Dar dann stellt sie im Bild, wie getroffen von ihr mit dem Speere
Zeugte das Land samt Beeren den Schoss des graulichen Ölbaums
Und wie die Götter gestaunt. Ihr Sieg ist das Ende der Arbeit.
Dass an anderen auch des Ruhms Mitwerberin lerne,
Was sie zu hoffen als Lohn für dies unsinnige Wagnis,
Fügt vier Wetten sie bei in gleichviel Ecken des Werkes,
Sichtlich in farbigem Glanz und in zierlichen Bildchen gezeichnet.
Rhodope zeigt ein Winkel dem Blick und den thrakischen Haimos,
Frostige Höhn nunmehr, doch vormals sterbliche Leiber,
Die sich zu nennen gewagt mit den Namen der obersten Götter.
Aber ein anderer Teil enthält der pygmaiischen Mutter
Trauriges Los. Die musste, besiegt in der Wette, zum Kranich
Werden auf Iunos Geheiß und bekriegen das eigene Völklein.
Auch Antigones Bild ist gewirkt, die sich mit der Gattin
Iupiters einst zu messen gewagt. Die Königin Iuno
Schuf zum Vogel sie um. Nicht Ilion mochte sie schützen,
Vater Laomedon nicht, dass nicht sie in weißem Gefieder
Beifall gebe sich selbst als Storch mit dem klappernden Schnabel.
Die von den Ecken noch frei, nimmt Kinyras auf, den verwaisten:
Der hält jammernd umfasst die Stufen des Tempels, der Tochter
Glieder zuvor, und scheint auf die Steine gesunken zu weinen.
Außen umgibt sie den Rand mit des Ölbaums friedlichen Zweigen.
Das ist der Schluss, und sie endet das Werk mit dem heiligen Baume.
Doch die Maionerin malt Europa, berückt von des Stieres
Trugbild. Wirklich erschien der Stier und wirklich die Meerflut.
Nach dem verlassenen Land - so wähnte man - blickte die Jungfrau,
Und man ersah, wie sie rief die Gefährtinnen und die Berührung
Scheute der hüpfenden Flut und die furchtsame Sohle zurückzog.
Auch Asterie malt sie, gefasst von dem ringenden Adler;
Leda bildet sie auch, wie der Schwan sie deckt mit den Flügeln;
Dann, wie Iupiter sich in der Hülle des Satyrs versteckend
Füllte mit doppelter Frucht die reizende Tochter des Nykteus;
Wie er Amphitryon war, da er dir, Tiryntherin, nahte;
Wie er zu Danae kam als Gold, als Feuer Aigina,
Deos Tochter als Schlange, als Hirt Mnemosyne täuschte.
Dich auch zeigt sie, Neptunus, gesellt zur aiolischen Jungfrau,
Die als grimmiger Stier du gewannst. In Gestalt des Enipeus
Zeugst du Aloeus' Geschlecht, bist Widder der Bisaltide.
Sie auch, golden an Haar, der Frucht allgütige Mutter,
Fühlt dich als Ross; dich fühlt als Vogel die schlangenbehaarte
Mutter des fliegenden Pferds; als Delphin auch fühlt dich Melantho.
Allen verleiht sie getreue Gestalt und bildet die Gegend
Ebenso treu. Da steht auch Phoibos in bäurischer Bildung,
Hier mit der Hülle vom Leu, dort mit dem Gefieder des Habichts;
Wie er berückt als Hirte die Tochter des Makareus, Isse;
Wie als Traube verstellt Erigone Liber betrogen;
Wie Saturnus gezeugt als Ross den zwiefachen Cheiron.
Wo an dem äußersten Rand sich schmal ein Streifen herumzieht,
Webt noch Blumen sie ein durchflochten mit Efeuranken.
Nicht kann Pallas das Werk, nicht kann es verkleinern die Missgunst.
Aber es kränkt der Erfolg die männliche blonde Minerva,
Und sie zerreißt das bunte Gewirk, die himmlischen Laster,
Und wie gerade sie hielt vom kytorischen Berge das Webschiff,
Schlug sie drei, vier Mal auf die Stirne die Tochter des Idmon.
Nicht trägt jene die Schmach, und sie schnürt sich entschlossen die Kehle
Zu mit dem Strick. Mitleidig erlöst die Hangende Pallas:
"Lebe denn", sagte sie, "fort, doch ständig, du Frevlerin, hange,
Und dies selbe Gericht, dass nicht dich getröste die Zukunft,
Sei auch deinem Geschlecht und den spätesten Enkeln gesprochen."
Und sie besprengt mit dem Saft hekateischen Krautes im Weggehn
Jener den Leib, und sofort, wie das traurige Gift sie berührte,
Schwinden die Haare hinweg und die Nase zugleich und die Ohren.
Klein einschrumpfet das Haupt, und klein wird alles am Körper;
Schmächtige Finger bekommt an der Stelle der Beine die Seite;
Sonst ist alles nur Bauch. Aus dem noch sendet sie immer
Fäden und fügt mit Fleiß als Spinne die alten Gewebe.
  2. Niobe (146-312)
Durch ganz Lydien geht und Phrygiens Städte die Kunde
Solchen Geschicks und erfüllt mit Gerede die Weite der Länder.
Niobe hatte gekannt die Gewandelte vor der Vermählung,
Als in Maionien noch am Sipylos wohnte die Jungfrau.
Doch nicht ward sie gemahnt von der Strafe der Landesgenossin,
Himmlischen nachzustehn und minder vermessen zu reden.
Vieles erweckte den Stolz; doch weder die Künste des Gatten,
Noch ihr beider Geschlecht und die Größe des mächtigen Reiches
Freueten so ihr Gemüt, obwohl das alles sie freute,
Wie der Kinder Besitz, und Niobe wäre von allen
Glücklichste Mutter genannt, wenn sie nicht sich selbst es geschienen.
Denn des Teiresias Kind, die zukunftwissende Manto,
Schritt in den Gassen einher, weil göttlicher Drang sie ergriffen,
Mit dem begeisterten Ruf: "Kommt, all' ihr ismenischen Weiber,
Bringt der Latona zugleich und den beiden Latonagezeugten
Rauch mit frommem Gebet, und das Haar durchflechtet mit Lorbeer.
Solches gebietet Latona durch mich." Die thebanischen Frauen
Folgen gesamt, und geschmückt mit gebotenem Laube die Schläfen
Bringen sie heiligem Brand Weihrauch und bittende Worte.
Da kommt Niobe her, umringt von der Schar des Gefolges,
Prächtig im phrygischen Kleid, das reich mit Golde durchwirkt war,
Schön, soweit es der Zorn zuließ; bewegend das schmucke
Haupt mit dem lockigen Haar, das über die Schultern herabfiel,
Stand sie, gehoben das Haupt, und rief, stolz wendend die Blicke:
"Welch ein verblendeter Wahn, den gesehenen Göttern gehörte
Vorzuziehn! Warum ist Latona geehrt an Altären,
Und mir huldigt ihr nicht mit Weihrauch? Mir ist der Erzeuger
Tantalos, welcher allein beim Mahl mit den Göttern gesessen.
Nah den Pleiaden verwandt ist die Zeugerin. Atlas der starke
Ist mein Ahn, der trägt mit dem Nacken die Achse des Aithers.
Iupiter auch ist mein Ahn, und ich rühme mich seiner als Schwähers.
Mich scheut Phrygiens Volk, mir steht zu Gebote des Kadmos
Königsitz, und die Mauern, gefügt von den Saiten des Gatten,
Werden beherrscht von mir und dem Mann mit den Stämmen des Landes.
Wohin immer den Blick in den Räumen des Hauses ich wende,
Stellt unendliches Glück sich dar. Auch blühende Schönheit,
Göttinnen ziemend, ist mein, und Jünglinge sieben und Töchter
Gleichviel rechnet dazu und bald Eidame und Schnuren.
Fragt denn nun, ob der Grund zu meinem Stolze berechtigt,
Und dann wagt es und zieht mir vor die Titane Latona,
Die ein Koios gezeugt, und der die geräumige Erde,
Als in den Nöten sie war, die kärgliche Stätte geweigert.
Himmel und Wasser und Land war euerer Göttin verschlossen,
Und es verstieß sie die Welt, bis der Schweifenden Delos in Mitleid
Zurief: ‚Fremd irrst du auf dem Festland, ich in den Wogen",
Und ihr bewegliche Statt einräumte. Mutter von zweien
Wurde sie dort: das ist von meinen Geburten ein Siebtel.
Mein ist das Glück - wer leugnet es wohl? -, und glücklich verbleib' ich:
Des auch bin ich gewiss. Mich sichert die Fülle des Segens;
Ich bin höher, als dass Fortuna vermöchte zu schaden.
Vieles entreiße sie mir, viel mehr doch muss sie mir lassen.
Über die Furcht ist hinaus mein reicher Besitz. Und gesetzt auch,
Einige könnt' ich vielleicht einbüßen vom Volke der Kinder,
Nie doch werd' ich so arm, dass zwei nur blieben, Latonas
Sämtliche Schar. Wie viel sind die wohl besser als keine?
Lasset den heiligen Dienst! Schnell geht, und leget den Lorbeer
Ab von dem Haupt!" Sie legen ihn ab, verlassen die Feier;
Aber mit stillem Gebet - das dürfen sie - flehn sie zur Gottheit.
Zorn ist der Göttin erregt, und hoch auf dem Gipfel des Kynthos
Trat zu den Zwillingen sie und sprach die folgenden Worte:
"Ich, die Mutter ihr nennt, die stolz auf eure Geburt ist
Und nur Iuno allein, sonst keiner der Göttinnen, nachsteht,
Soll nicht Göttin sein, und von immer geehrten Altären
Werd' ich verdrängt, o Kinder, wenn ihr nicht meiner euch annehmt.
Nicht das kränkt mich allein; auch Schmähungen fügte zum Frevel
Tantalos' Tochter hinzu, und unter die eigenen Kinder
Stellte sie euch, und verwaist - das falle zurück auf sie selber –
Nannte sie mich und bewies, die Verruchte, die Zunge des Vaters."
Bitten mit diesem Bericht noch wollte vereinen Latona.
"Lass", sprach Phoibos, "Verzug nur brächte der Strafe die Klage."
Phoibe stimmt ihm bei, und in schleunigem Flug durch die Lüfte
Hatten, in Wolken gehüllt, sie erreicht die kadmeische Feste.
Weithin dehnte sich aus an den Mauern ein offenes Blachfeld,
Fort und fort von den Rossen gestampft, wo der Räder Getümmel
Und der zermalmende Huf daliegende Schollen gelockert.
Mutige Rosse besteigt von den sieben Erzeugten Amphions
Dort ein Teil, und von tyrischem Stoff rotglänzenden Rücken
Sitzen sie auf und lenken von Gold schwer wiegende Zügel.
Jetzt, wie einer davon, den einst als früheste Bürde
Niobe trug, Ismenos, den Lauf des trabenden Tieres
Hielt im gemessenen Kreis und das schäumende Maul ihm bezähmte,
Rief er: "Weh mir!" aus und trug in der Mitte des Busens
Haftenden Pfeil, und aus sterbender Hand loslassend die Zügel
Sank er vom Bug rechtshin allmählich hinab auf die Seite.
Sipylos, diesem zunächst, der hörte das Klirren des Köchers,
Floh, die Zügel verhängt, wie der Steuerer, ahnend das Wetter,
Flieht, wenn er schaut das Gewölk, und alle die hangenden Segel
Lässt von den Rahen herab, auf dass kein Lüftchen entschlüpfe.
Aber der Jagende ward von dem unvermeidlichen Pfeile
Dennoch erreicht, und zitternd am Schaft saß oben im Nacken
Fest das Geschoss, und nackt stand vor aus der Kehle das Eisen.
Vorgeneigt, wie er war, stürzt über die Mähn' am gestreckten
Hals er hinab und befleckt mit rauchendem Blute die Erde.
Tantalos, der von dem Ahn den Namen geerbt, und der arme
Phaidimos hatten gerad', einstellend bisherige Übung,
Sich zu der Jünglinge Lust, zum glänzenden Ringen gewendet,
Und schon hielten sie sich und rangen in enger Umschlingung,
Brust anstemmend an Brust, als sausend vom schnellenden Strange,
So wie sie waren verschränkt, ein Pfeil durchbohrte die beiden.
Beide stöhnten zugleich; die im Schmerz sich windenden Glieder
Ließen sie sinken zugleich und verdrehten, gestreckt an den Boden,
Sterbend die Augen zugleich und verhauchten die Seele gemeinsam.
Diese gewahrt Alphenor, und wund sich schlagend den Busen
Eilt er hinzu, sie umarmend die kalten Glieder zu heben.
Er auch fällt bei dem liebenden Dienst; denn der delische Jüngling
Bohrt in die innerste Brust ihm das unheilschwangere Eisen.
Mit dem entzogenen geht ein Stück von der Lunge, am Haken
Haftend, heraus, und das Blut strömt aus in die Luft mit dem Leben.
Doch nicht warf in den Staub ein einziger Schuss Damasichthon,
Wallenden Haars. Ihn traf das Geschoss am beginnenden Schenkel,
Wo sich das sehnige Knie einbiegt zur weichen Vertiefung.
Während herauszuziehn er versucht die verderbliche Waffe,
Dringt ihm ein anderer Pfeil in den Hals bis an das Gefieder.
Wieder hinaus stößt diesen das Blut, und im treibenden Sprudel
Spritzt es empor und zerteilt weithin mit dem Strahle die Lüfte.
Der noch übrig allein, Ilioneus streckte die Arme
Flehend umsonst und rief: "O, all ihr Götter gemeinsam", -
Wusst' er doch nicht, dass Gebet nicht wäre vonnöten zu allen, -
"Schonung!" Gerührt war jetzt, da er nicht mehr konnte das Eisen
Hemmen, der schießende Gott; doch litt von gelindester Wunde
Jener den Tod, denn es schnitt in das Herz nur wenig die Spitze.
Jammern des Volks und Gerücht von dem Leid und der Ihrigen Tränen
Brachten vom plötzlichen Fall bald sichere Kunde der Mutter,
Und sie erstaunt, dass solches vermocht die Götter, und eifert,
Dass sie es hätten gewagt, dass soviel Recht sie besäßen.
Denn der Gemahl Amphion, die Brust durchstoßen vom Stahle,
Hatte verscheidend zugleich mit dem Leben geendet die Trauer.
Wie war Niobe jetzt der anderen Niobe ungleich,
Die noch eben das Volk wegtrieb von Latonas Altären
Und in der Mitte der Stadt mit erhobenem Nacken einherschritt,
Weckend der Ihrigen Neid, nun mitleidswürdig dem Feinde.
Über die Leichname wirft sie sich hin, und ohne zu wählen
Spendet sie Küsse umher an alle die Söhne zum Abschied.
Dann zum Himmel gestreckt die geröteten Arme beginnt sie:

"Weide dich nun an unserem Schmerz, grausame Latona,
Weide," sagt sie, " dein hartes Herz an unserer Trauer,
Während ein Teil von uns liegt und getragen ich werde in sieben
Leichen zu Grab. Frohlock' und jauchze, du siegende Feindin!
Doch wie, Siegerin du? Mir bleibt mehr übrig im Elend,

Als dein eigen im Glück. Nach soviel Leichen noch sieg' ich."
Niobe sprach's. Da tönt am gespannten Bogen die Sehne,
Dass jedweder erbebt, nur Niobe nicht, vor Entsetzen.
Unglück hat sie gestählt. In schwarze Gewänder gekleidet
Standen mit hangendem Haar an den Bahren der Brüder die Schwestern.
Eine davon, ausziehend den Pfeil, der stak im Geweide,
Starb verblutend dahin, auf den Bruder gesenkt mit dem Antlitz.
Eine, zu trösten bemüht die unglückselige Mutter,
War urplötzlich verstummt, und gekrümmt von verborgener Wunde
Hielt sie die Lippen gepresst, bis dass ihr entflohen der Atem.
Fliehend umsonst sank diese dahin; auf der Schwester verhauchte
Jene den Geist; die hält sich versteckt; die irrt in Verzweiflung.
Sechs nun litten den Tod, an verschiedenen Wunden erlegen;
Nur die Letzte verblieb, die ganz mit dem Leibe die Mutter,
Ganz mit dem Kleide bedeckt, "O, lass mir die eine, die Jüngste!"
Ruft sie, "Eine ja nur von den Vielen, die Jüngste begehr' ich."
Während sie fleht, sinkt auch die Erflehte. Zwischen den Toten
Saß sie vereinsamt da, bei dem Mann, den Söhnen und Töchtern,
Und ward starr von dem Weh. Kein Haar regt wehender Luftzug;
Blutes beraubt ist bleich das Gesicht; aus traurigen Wangen
Stiert untätiger Blick. Nichts Lebendes ist an dem Bilde.
Auch die Zunge sogar wird mit dem erharschenden Gaumen
Innen zu Stein, und den Adern gebricht das Vermögen zu schlagen.
Nicht mehr beugt sich der Hals; nicht dreht sich der Arm im Gelenke,
Noch kann schreiten der Fuß, und Gestein auch sind die Geweide.
Doch hat Tränen sie noch, und ein Wirbel gewaltigen Sturmes
Reißt sie zum Heimatland. Dort fest auf dem Gipfel des Berges
Steht sie und weint, und Zähren verströmt noch heute der Marmor.
  3. Lykische Bauern (313-381)
Da nun fürchten gesamt so Männer wie Frauen der Gottheit
Sichtbar rächenden Zorn, und eifriger dienend verehren
Alle die göttliche Macht der Zwillingsmutter Latona.
Und, wie es geht, man kommt von dem Neuen auf Altes zu sprechen.
Einer von ihnen beginnt: "In des fruchtbaren Lykiens Äckern
Trotzeten auch vordem nicht straflos Bauern der Göttin.
Zwar ist's wenig bekannt ob des niedrigen Standes der Männer,
Doch merkwürdig genug. Selbst sah ich den See und die Stätte,
Wo sich das Wunder begab. Mir hatte der Vater befohlen,
Schon zu alt und zum Weg untüchtig, erlesene Rinder
Herzuholen von dort, und mir als Führer gegeben
Einen vom Lykiervolk. Als wir durchschritten die Triften,
Sieh, da stand inmitten des Sees, von der Asche der Opfer
Schwarz, ein alter Altar, umgeben von schwankendem Rohre.
Stehn blieb jener und sprach: 'Sei gnädig!' mit scheuem Geflüster,
Und ich sprach es ihm nach: 'Sei gnädig!' mit gleichem Geflüster.
Ob den Naiaden der Herd, ob Faunus gehörete, fragt' ich,
Ob einheimischem Gott, und also versetzte der Fremde:
,Diesen Altar hat nicht, o Jüngling, inne ein Berggott:
Für sie steht er erhöht, der Iuno die Königin weiland
Untersagte die Welt, der Zuflucht kaum auf der Irrfahrt
Delos die irrende gab, als leicht noch die Insel umherschwamm.
Dort kam endlich, gestemmt an der Pallas Baum und die Palme,
Der Stiefmutter zum Trotz mit Zwillingen nieder Latona.
Aber von dort auch floh vor Iuno die Wöchnerin, sagt man,
Während sie trug an der Brust die beiden unsterblichen Kinder.
Lykiens Fluren betrat, das Land der Chimaira, die Göttin,
Matt von der langen Beschwer, und sie lechzte, da drückende Sonne
Sengte das Feld, vor Durst von der dörrenden Glut des Gestirnes,
Und leer hatten die Brust ihr gesogen die hungrigen Kinder.
Sieh, da zeigt sich dem Blick mit mäßigem Wasser ein Weiher
Unten im Tal. Dort sammelten ein Landleute mit Binsen
Buschiges Weidengesträuch und sumpfanwohnendes Schilfrohr.
Dahin lenkte den Schritt die Titane und beugte zur Erde
Nieder das Knie, zum Trunk sich kühlende Wellen zu schöpfen.
Aber das Landvolk wehrt. Zu den Wehrenden redet die Göttin:
,Wasser verweigert ihr mir? Zu aller Gebrauch ist das Wasser.
Sonne und Luft schuf nicht die Natur zu besondrem Besitze,
Noch das flüssige Nass. Ich kam zum gemeinsamen Gute.
Dennoch fleh' ich zu euch: o gebt es mir. Nicht ja gedacht' ich
Hier zu spülen den Leib und die abgematteten Glieder,
Sondern zu löschen den Durst. Dem Mund fehlt Feuchte zum Reden;
Trocken ist Gaumen und Schlund, und kaum ist Weg für die Stimme.
Trunk wird Nektar mir sein, und dass ich das Leben empfangen,
Werd' ich bekennen mit Dank. Ihr gebt mir im Wasser das Leben.
Sie auch rühren euch wohl, die an meinem Busen die Ärmchen
Halten gestreckt.' Und eben ausstreckten die Arme die Kleinen.
Wen nicht hätten gerührt die dringlichsten Bitten der Göttin?
Aber der Haufe beharrt bei der Weigerung; scheltende Worte
Fügen sie zu und drohn, wenn nicht sie hinweg sich begebe.
Solches genügt noch nicht; sie machen mit Händen und Füßen
Trübe den See auch selbst, und mit Bosheit übenden Sprüngen
Wühlen sie hier und dort aus dem Grund den weichen Morast auf.
Durst wich nun vor dem Zorn. Nicht flehte die Tochter des Koios
Mehr die Verworfenen an, und unter der Würde der Göttin
Redete länger sie nicht. Zu den Sternen gehoben die Hände
Sagte sie: "Lebt denn hier für ewige Zeit in dem Teiche!"
Und es geschah, wie die Göttin gewünscht. Im Wasser zu weilen
Freut sie und bald mit dem Leib ganz unterzutauchen im Sumpfe,
Bald hervorzustrecken das Haupt, bald oben zu schwimmen,
Oft an dem Ufer des Teichs zu sitzen und oft in die kalte
Lache zurückzuspringen in Hast. Schmähsüchtige Zungen
Üben sie jetzt auch noch und schreien mit schamloser Frechheit;
Ob auch Wasser sie deckt, keck zanken und keifen sie immer.
Heiser erschallt ihr Ruf, und es schwillt der geblähete Hals auf;
Ihr weit offenes Maul schreit Lästerung noch in die Weite.
Schulter berührt sich und Kopf, und der Hals scheint mitten zu fehlen.
Grün ist der Rücken und weiß der Bauch, an dem Leibe das Größte,
Und so hüpfen sie nun als Frösche im schlammigen Wasser."
  4. Marsyas (382-400)
Als das endliche Los der Leute vom lykischen Volke
Also einer erzählt, da gedenkt ein andrer des Satyrn,
Der, auf tritonischem Rohr dem Spross der Latona erlegen,
Züchtigung litt. "Warum entziehst du mich", schrie er "mir selber?
Ach, mich gereut's. Soviel ist ja nicht an der Flöte gelegen."
Während er schreit, ist die Haut ihm über die Glieder gezogen.
Wunden bedecken ihn ganz, und das Blut strömt über und über.
Offen und bloß sind die Nerven zu sehn; die zuckenden Adern
Schlagen, der Hülle beraubt, und die wallend bewegten Geweide
Konnte man zählen genau und der Brust durchscheinende Fasern.
Tränen vergossen des Hains Gottheiten, die ländlichen Faune,
Satyrn, die Brüder, um ihn und der schon ruhmreiche Olympos
Samt dem Nymphengeschlecht, und wer nur dort im Gebirge
Weidete wolliges Vieh und hörnergewaffnete Rinder.
Aber das fruchtbare Land ward feucht, und die fallenden Tränen
Sog es hinab und schlürfte sie ein in die untersten Adern.
Dort ward Wasser daraus; das quoll an die offenen Lüfte;
Dann zu dem stürmischen Meer hinstrebend in hangenden Ufern
Heißt es der Marsyasfluss, von den phrygischen Strömen der klarste.
  5. Pelops (401-411)
Gläubig vernahm es das Volk; dann kehrt man zum nahen Begebnis
Wieder und klagt um den Fall Amphions und seines Geschlechtes.
Niobe nur trifft Hass. Auch jetzt noch ward sie von einem,
Sagt man, von Pelops beweint, der, als er das Kleid von dem Busen
Wegzog, Elfenbein ließ sehn an der linken der Schultern.
Die war früher zur Zeit der Geburt gleichfarbig der rechten
Schulter und auch von Fleisch. Bald, heißt es, zerstückt von dem Vater,
Wurden die Glieder vereint von den Göttern, und alles das andre
Fanden sie, aber das Stück, das zwischen dem Arm und dem Halse,
Fehlete. Elfenbein ward an des verlorenen Teiles
Stelle gesetzt und also ergänzt der verjüngete Pelops.
  6. Tereus, Procne und Philomela (412-674)
Edele kamen zu ihm ringsher, und die Städte der Nähe
Baten, mit Troste zu nahn dem Trauernden, ihre Gebieter:
Argos und Sparta zugleich mit dem Pelopssitze Mykenai,
Kalydon, die noch nicht von der grimmen Diana gehasst war,
Auch Orchomenos, reich an Frucht, und die starke Messene,
Patrai, Korinthos, berühmt durch Erz, und die kleine Kleonai,
Pylos, des Neleus Stadt, noch nicht pittheisch Troizene,
Alle, die sonst abschließt das Doppelgestade des Isthmos,
Oder die außen erblickt das Doppelgestade des Isthmos.
Doch wer hätt' es gedacht? Du nur warst säumig, Athenai.
Krieg hielt dich ab von dem schuldigen Dienst. Auf dem Meere gekommen
Setzte barbarisches Volk in Furcht die mopsopischen Mauern;
Tereus aber, der Fürst der Thraker, mit helfenden Waffen
Trieb sie hinweg und gewann durch den Sieg einen glänzenden Namen.
Ihn, der reich an Gebiet und Mannen vom großen Gradivus
Selber das starke Geschlecht herleitete, wählte zum Eidam
König Pandion und gab ihm Prokne. Doch nicht Hymenaios,
Iuno die ehliche nicht, noch die Grazien standen beim Lager:
Furien hielten vom Brand der Bestattung genommene Fackeln,
Furien richteten zu das Bett. Ein verrufener Uhu
Hockt' auf dem Dach und saß auf dem Giebel der bräutlichen Kammer.
Schrecknis drohte beim Fest, das Prokne vereinte mit Tereus;
Schrecknis droht', als Mutter sie ward. Glück wünschete freilich
Thrakiens Volk, und sie selbst auch dankten den Göttern und hießen
Festlich begehen den Tag, da die Tochter des Königs Pandion
Freite der mächtige Fürst, und jenen, da Itys geboren.
Also ruhet in Nacht, was frommt. Schon war vom Titanen
Durch fünf Herbste geführt die Zeit im Wechsel der Jahre,
Als mit bittendem Mund dem Gemahl so schmeichelte Prokne:
"Hast du mich lieb, lass mich entweder besuchen die Schwester,
Oder sie komme zu mir. In kurzem, versprichst du dem Schwäher,
Kehre sie wieder zurück. Vergönnst du die Schwester zu schauen,
Dank' ich es dir wie ein Göttergeschenk." Er befiehlt in die Meerflut
Niederzuziehen den Kiel und fährt mit Segel und Ruder
In die kekropische Bucht und berührt die piraiische Küste.
Als er zum Schwäher gelangt, fügt sich in die Rechte die Rechte,
Und das Gespräch hebt an, und auf Glück schien alles zu deuten.
Kaum erst hatte den Grund des Besuchs und der Gattin Begehren
Jener gesagt und gelobt der Gesendeten baldige Heimkehr:
Sieh, da kommt glanzreich in prächtigem Schmuck Philomela,
Reicher an Schönheit noch, so wie zu vernehmen wir pflegen,
Dass sich Naiaden ergehn und Dryaden inmitten der Wälder,
Wenn nur ähnliche Tracht und Schmuck du ihnen verleihest.
Wie er die Jungfrau sieht, brennt Tereus ähnlich im Innern,
Wie wenn einer vielleicht anzündete gelbliche Ähren
Oder getrocknetes Laub und Heu auf dem Boden verbrennte.
Lockend ist schon die Gestalt. Doch angeborne Begierde
Stachelt ihn auch; denn geneigt ist das Volk zum Dienste der Venus
Dort in dem Land. Durch Hang des Stamms und durch eigenen glüht er.
Rege ist gleich der Entschluss, zu bestechen die Hut der Begleiter
Und der Erzieherin Treu' und die Jungfrau selbst zu gewinnen
Durch unendliches Gut und sogar sein Reich zu vergeben,
Oder zu rauben das Weib und in trotzigem Krieg zu behaupten.
Nichts ist, was er, gedrängt von dem zügellosen Verlangen,
Scheuete; Raum hat nicht in der Brust die verschlossene Flamme.
Schwer schon fällt ihm Verzug, und er kommt mit begehrlichem Munde
Wieder auf Proknes Wunsch und betreibt für jene den eignen.
Sehnsucht macht ihn beredt, und so oft er drängte mit Bitten
Über Gebühr, gab immer er vor, so wolle es Prokne.
Tränen vergoss er dazu, als heischt' auch diese der Auftrag.
O, ihr Götter, wie blind hält sterbliche Herzen befangen
Finstere Nacht! Da Frevel allein er sinnet, erscheinet
Tereus bieder und treu und gewinnt noch Lob von der Arglist.
Selber begehrt Philomela es auch; um die Schultern des Vaters
Schlingt sie zärtlich den Arm und bittet ihn dringend bei ihrem
Heil und gegen ihr Heil, dass sie dürfe besuchen die Schwester.
Tereus schaut sie an und schwelgt mit Blicken im voraus,
Und wie die Küsse er sieht und die Arme geschmiegt um den Nacken,
Wird das alles für ihn wie Stachel und Zunder und Nahrung
Liebender Wut, und so oft Philomela umarmte den Vater,
Wünscht' er der Vater zu sein; denn so auch sänn' er Verruchtes.
Einigen Bitten der Zwei willfährt der Erzeuger, und freudig
Sagte die Tochter ihm Dank und wähnte, die Arme, gelungen
Ihr und der Schwester zum Heil, was beiden sich wandte zum Unheil.
Schon war wenige Müh noch übrig dem Sol, und die Rosse
tampften mit kräftigem Hufe die Bahn am geneigten Olympos.
Königlich steht auf den Tischen das Mahl, und die Gabe des Bakchos
Blinket in Gold; dann gibt man die Glieder dem friedlichen
Schlummer. Doch der odrysische Fürst, obwohl allein im Gemache,
Lodert für sie, und Gesicht und Bewegung und Hände sich denkend
Bildet er, was noch nicht er gesehn, nach Gefallen und nähret
Selber die brennende Lust, da den Schlaf wegscheuchte die Sorge.
Tag war's. Jetzt empfahl Pandion dem scheidenden Eidam,
Herzlich ihm drückend die Hand, die Gefährtin mit quellenden Tränen:
"Diese, mein teurer Sohn, da mich zwingt nachgebende Liebe,
Da sie beid' es gewollt, du, Tereus, auch es gewollt hast,
Geb' ich dir mit. Bei Treu' und Verwandtschaft und bei den Göttern
Bitt' ich flehentlich dich: wie ein Vater beschütze sie liebreich,
Und, die der süßeste Trost für mich im bekümmerten Alter,
Schicke sie baldigst zurück - lang wird mir jeder Verzug sein.
Du auch kehre mir bald - denn genug, dass fern ist die Schwester –
Wenn du irgend mich liebst, bald kehre zurück, Philomela!"
Also mahnte der Greis und bedeckte mit Küssen die Tochter,
Und mild rannen herab bei dem Auftrag reichliche Tranen.
Dann von beiden verlangt' er zum Pfände der Treue die Rechte,
Nahm und fügete sie in einander und hieß in der Ferne
Grüßen die Tochter von ihm und den Enkel gedenkenden Mundes.
Scheidend sprach er mit Müh: "Leb wohl!", da Schluchzen die Stimme
Drängte zurück, und er erschrak vor den Ahnungen seines Gemütes.
Als Philomela den Bord des bemaleten Schiffes bestiegen
Und durch Rudern das Meer nah kam und die Küste zurückwich,
Rief der Barbar: "Wir haben gesiegt: mit fährt die Ersehnte!"
So frohlockt er und kann dem Gelüst kaum länger verschieben
Seinen Genuss und wendet von ihr nun nimmer das Auge:
Ähnlicher Art, wie wenn mit den Krallen der raubende Vogel
Iupiters niedergesetzt im erhabenen Horste den Hasen –
Nirgends ist möglich die Flucht, und die Beute betrachtet der Räuber.
Nun war zu Ende die Fahrt, und sie waren gestiegen vom müden
Kiel an den heimischen Strand; da bringt zum entlegenen Hofe
Mitten im düsteren Wald Pandions Tochter der König.
Dort, wie sie zagend erblasst und zittert und alles befürchtet
Und schon fragt, wo die Schwester denn sei, mit rinnenden Zähren,
Schließt er sie ein und verstellt sich nicht und bewältigt die Jungfrau,
Wie sie allein, ob auch zum öfteren jene den Vater
Rief und die Schwester umsonst und zumeist die waltenden Götter.
Siehe, sie bebt wie ein ängstliches Lamm, das wund aus des Wolfes
Grimmigem Rachen befreit noch nicht sich sicher bedünket,
Und wie die Taube, benetzt am Gefieder von eigenem Blute,
Noch sich entsetzt und bangt vor den Krallen, darin sie verstrickt war.
Bald, als die Sinne gekehrt, zerrauft sie das fliegende Haupthaar
Nach Leidtragender Art und schlägt wehklagend die Arme,
Streckt die Hände empor und ruft: "Ha, grässliche Schandtat!
Ha, grausamer Barbar! Nicht konnte des Vaters Ermahnung,
Die er mit Tränen dir gab, noch die Sorge der Schwester dich rühren,
Noch die ehliche Pflicht, noch auch jungfräuliche Reinheit!
Du hast alles verstört. Mitbuhlerin ward ich der Schwester,
Du zwiefacher Gemahl, dass Prokne Feindin mir sein muss.
Nimm dies Leben mir auch, auf dass, Treuloser, dir bleibe
Nichts Ruchloses zu tun! O hättest du vor der Entehrung
Schon es getan! Frei wäre von Schuld dort unten mein Schatten.
Wenn die Götter jedoch dies schaun, wenn göttliches Walten
Irgend besteht, wenn nicht mit mir nun alles vorbei ist,
Büßest du mir, wann immer es sei. Selbst will ich verkünden,
Ohne zu achten der Scham, wie du freveltest. Wenn es nur möglich,
Tret' ich unter das Volk, und bleib' ich umschlossen von Walde,
Will ich erfüllen den Wald und bewegen die wissenden Felsen,
Dass es der Aither vernimmt, und wenn irgend ein Gott in dem Aither."
Als darob sich geregt in dem wilden Tyrannen der Jähzorn
Und nicht minder die Furcht, da macht er, gestachelt durch beides,
Frei von der Scheide das Schwert, das er trug vom Gurte gehalten,
Und sie ergreifend am Haar und zurück ihr beugend die Arme,
Zwängt er in Banden sie ein. Da reichte den Hals Philomela,
Die vom gesehenen Schwert den Tod zu empfangen vermeinte;
Aber wie fort und fort sie entrüstet den Namen des Vaters
Ruft und zu reden sich müht, haut weg mit dem Schwert er die Zunge,
Die mit der Zang' er gepackt. Schnell zucket die Wurzel der Zunge;
Aber sie selbst liegt zitternd und lallt zur dunkelen Erde;
Wie sich hüpfend bewegt der Schwanz der zerhauenen Natter,
Zappelt sie noch und sucht hinsterbend der Eignerin Spuren.
Auch nach der schändlichen Tat - kaum kann ich es glauben -, erzählt man,
Hab' er die Lust noch öfter gebüßt am verstümmelten Körper.
Heimzukehren vermag er nach solchem Beginnen zu Prokne.
Die fragt, wie den Gemahl sie erblickt, nach der Schwester, und jener
Seufzt in geheucheltem Schmerz und erzählt ihr erlogenes Ende.
Glauben gewann durch Tränen das Wort. Da reißt von den Schultern
Prokne herab ihr Kleid, das glänzte von goldenem Streifen,
Hüllt sich in schwarzes Gewand und errichtet ein lediges Grabmal
Und bringt Sühnungen dar den erdichteten Manen und trauert
Um der Schwester Geschick, die so nicht war zu betrauern.
Sol, vollendend das Jahr, war durch zwölf Zeichen gegangen.
Was soll tun Philomela? Die Flucht ist versperrt von der Wache;
Fest aus Steinen gefügt stehn starr die Mauern des Hofes;
Stumm ist der Mund und versagt Anzeige der Tat. Doch im Schmerze
Wird sinnreich der Verstand, und erfinderisch machen die Leiden.
Aufzug spannte sie schlau an den Baum des barbarischen Webstuhls,
Und in das weiße Gewebe einfügte sie purpurne Züge,
Kund zu geben den Greuel. Dann gab sie vollendet es einer,
Die mit Gebärden sie bat, es der Herrin zu bringen. Zu Prokne
Trägt sie's, wie ihr Begehr, und weiß nicht, was sie ihr bringe.
Jetzt entfaltet den Stoff des grausen Tyrannen Gemahlin,
Und sie gewahrt und liest die schreckliche Kunde der Schwester,
Und - wer hielt' es für möglich? - sie schweigt. Schmerz schloss ihr die Lippen;
Worte, genügend dem Grimm, kann nicht auffinden die Zunge;
Auch ist der Lauf den Tränen versagt, und sie rast, mit dem Unrecht
Blind zu verwirren das Recht, und lebt in Gedanken an Rache.
Grade genaht war die Zeit, wo sithonische Frauen des Bakchos
Dreijahrfeier begehn. Die Nacht ist Vertraute des Festes.
Nachts hallt Rhodope rings vom Geklirr helltönigen Erzes;
Nachts entschreitet dem Haus die Königin, und sie bequemt sich
Ganz dem göttlichen Brauch und empfängt die wilden Geräte.
Weinlaub deckt ihr das Haupt; ein übergeworfenes Hirschfell
Hängt von der Linken herab, und der Stab ruht leicht auf der Schulter.
Mit dem begleitenden Schwärm rennt Prokne in schrecklicher Wildheit
Durch die Wälder einher, und von Wut des Schmerzes getrieben
Heuchelt sie bacchische Wut. Zu dem einsam liegenden Hofe
Kommt sie zuletzt, heult auf, schreit Euhoi! bricht durch die Türe,
Reißt die Schwester hinweg und stattet sie aus mit des Bakchos
Festlicher Tracht und verbirgt ihr mit Efeuranken das Antlitz
Und zieht fort mit sich die Betäubte zu ihren Gemächern.
Als Philomela gemerkt, dass sie war in der ruchlosen Wohnung,
Bebt die Arme vor Schreck und erblasst im ganzen Gesichte.
Prokne, zur Stelle gelangt, nimmt ab die Zeichen der Weihe,
Und sie enthüllt das verschämte Gesicht der duldenden Schwester,
Ihre Umarmung begehrt sie. Doch nicht wagt jene die Blicke
Aufzuschlagen nach ihr, Mitbuhle der Schwester sich dünkend.
Wie sie, das Auge gesenkt, als Zeugen die Götter zu rufen
Und zu schwören gedenkt, dass Schimpf sie erlitten gewaltsam,
War an der Statt der Stimme die Hand. Da brennt im Gemüte
Prokne und hat nicht Raum für den Zorn, und das Weinen der Schwester
Schilt sie und spricht: "Hier dürfen wir nicht Rat suchen in Tränen,
Sondern im Stahl, und wenn eines du weißt, das über den Stahl noch
Ginge. Zu jeglicher Tat bin ich, o Schwester, entschlossen:
Sei's nun, dass ich das Haus des Königs verbrenne mit Fackeln
Und in die Glut ihn werfe hinein, den tückischen Tereus,
Oder mit schneidendem Stahl ihm die Zung' ausreiße, die Augen
Oder das Glied, das dich entehrte, oder mit tausend
Wunden den schuldigen Geist austreib'. Ein Großes beginn' ich,
Was nur, weiß ich noch nicht." Indes so redete Prokne,
Nahte ihr Itys, der Sohn. Der ward ihr plötzlich Mahnung,
Was sie vermöge zu tun, und mit grimmigem Blick ihn betrachtend
Sagte sie: "Ha, wie dem Vater du gleichst!" Nicht Weiteres redend
Sinnet sie grässliche Tat und wallt von verschwiegenem Zorne.
Doch als näher der Sohn ihr trat und die Mutter begrüßte
Und liebkosend den Hals zu sich mit den Ärmchen herabzog
Und mit Küssen zugleich sein kindliches Schmeicheln vereinte,
Wurde die Mutter bewegt, und es ruhte gebrochen die Rachsucht,
Und von Tränen benetzt ward unwillkürlich ihr Auge.
Aber sobald ihr Herz durch allzu zärtliche Liebe
Wanken sie fühlt, kehrt wieder von ihm zur Schwester sich Prokne;
Dann mit wechselndem Blick hinschauend auf beide beginnt sie:
"Warum schmeichelt der ein' und schweiget die andere sprachlos?
Da er Mutter mich nennt, was nennt nicht jene mich Schwester?
Sieh, wer dich als Gemahl heimführete, Tochter Pandions!
Ha, du entartest? Denn Greul ist's, den Gatten zu lieben in Tereus!"
Ohne Verzug schleppt Itys sie fort, wie ein Tiger am Ganges
Schleppt durch schattigen Wald das saugende Junge der Hindin.
Als sie gelangt zum entlegenen Teil des stattlichen Hauses,
Stößt ihm, während die Händ' ausstreckend und ahnend sein Schicksal
"Mutter, ach Mutter!" er rief und den Hals ihr wollte umfassen,
Prokne das Schwert in den Leib, wo die Brust sich schließt an die Seite,
Ohne zu wenden den Blick. Ihm war zum Tode die eine
Wunde genug; in den Hals noch sticht Philomela das Eisen,
Und sie zerstücken den Leib, der warm noch war und des Lebens
Noch nicht völlig beraubt. Ein Teil wallt kochend im Kessel;
Anderes zischt am Spieß. Das Gemach ist feucht von dem Blute.
Zu so scheußlichem Mahl ruft Prokne den arglosen Gatten.
Heiligen Dienst, von den Vätern vererbt, vorschützend, wobei nur
Zutritt habe ihr Mann, wies Diener sie fort und Begleiter.
Tereus aber, erhöht auf dem stattlichen Sessel der Ahnen,
Schmaust mit Behagen und häuft sein Fleisch in den eigenen Magen,
Und so blind ist der Geist: "Her bringt mir", sagt er, "den Itys."
Prokne vermag nicht mehr zu verhehlen die grausame Freude,
Und von dem Wunsche gedrängt, ihr eigenes Leid zu verkünden,
Sagte sie: "Drinnen ist, was du verlangst." Um schaute sich Tereus
Und fragt, wo er denn sei. Wie er fragt und wieder ihn rufet,
Springt Philomela hervor, wie sie war, bluttriefend das Haupthaar
Von dem entsetzlichen Mord, und wirft dem Erzeuger ins Antlitz
Itys' blutiges Haupt, und niemals hätte sie lieber
Sprache gehabt und die Freude bezeugt durch würdige Worte.
Da stößt weg laut schreiend den Tisch der thrakischc König,
Ruft aus dem stygischen Tal die schlangenumringelten Schwestern
Und ist bemüht, wenn möglich, hervor aus geöffnetem Schlunde
Wieder das grässliche Mahl, die gewürgten Stücke, zu drängen, -
Oder er weint und nennt sich trauriges Grab des Erzeugten;
Jetzt mit gezogenem Schwert verfolgt er die Töchter Pandions.
Fittiche schienen empor die kekropischen Weiber zu heben;
Fittiche hoben sie auch. In den Wald flieht eine; die andre
Birgt sich unter dem Dach. Noch sind von dem Morde die Spuren
Nicht verwischt an der Brust, und Blut fleckt noch das Gefieder.
Jener, von heftigem Schmerz und von Sucht nach Rache beflügelt,
Nimmt des Vogels Gestalt, dem hoch auf dem Scheitel ein Busch steht.
Über die Maßen gedehnt ragt ähnlich dem Schwerte der Schnabel.
Wiedehopf ist er genannt. Sein Haupt sieht aus wie bewaffnet.
  7. Boreas und Orithyia (675-721)
Vor dem Tage bereits und dem Ziel langdauernden Alters
Sandte der Gram Pandion hinab zu des Tartaros Schatten.
Szepter und Herrschergewalt im Staat gewinnet Erechtheus,
Gleich durch rechtlichen Sinn und kräftige Waffen gewaltig.
Vier vom Männergeschlecht und Jungfraun ebenso viele
Hatt' er gezeugt; doch gleich war nur bei zweien die Schönheit.
Davon hatte beglückt den Kephalos, Aiolos' Enkel,
Prokris; vor Boreas warnt des Tereus Tat und die Thraker.
Lang entbehrte der Gott die erkorene Oreithyia,
Wahrend er warb und statt der Gewalt erst Bitten versuchte.
Doch da göttliches Wort nichts fruchtete, tobt' er im Zorne,
Wie er gewohnt und nur zu eigen dem nördlichen Winde:
"Recht so!" sprach er, "warum auch ließen wir unsere Waffen,
Ungestüm und Gewalt und den Grimm und das dräuende Schnauben?
Warum wendet' ich mich zu schlecht mir ziemenden Bitten?
Mir ist gerecht die Gewalt. Mit Gewalt fortjag' ich die Wolken,
Rühr' ich die Fluten empor und stürze die knorrigen Eichen,
Härte den flockigen Schnee und schlage mit Hagel die Erde.
Wenn ich die Brüder erreicht in den Räumen des offenen Himmels, -
Das ist eben mein Feld - dann ring' ich mit wuchtiger Stärke,
Dass von unserem Prall laut dröhnt in der Mitte der Aither
Und von dem Stoß aus hohlem Gewölk das Feuer hervorspringt.
Wenn ich in hohles Geklüft mich unter die Erde begebe
Und mit dem Rücken im Trotz an die untersten Höhlen mich stemme,
Störe die Manen ich auf mit dem Ruck und die sämtlichen Lande.
Also musst' ich mir auch erwerben die Braut, und erzwingen
Hätt' ich sollen, anstatt zu erbitten, den Schwäher Erechtheus."
Als so oder gewiss nicht glimpflicher jener geredet,
Setzt er die Flügel in Schwung, und rings von dem mächtigen Schlage
Spürt die Erde das Wehn, und weit aufschauert die Meerflut.
Über Gebirg' und Höhn nachschleifend den staubigen Mantel
Fegt er den Grund, und um die erbebende Oreithyia
Schlägt er, in Dunkel gehüllt, voll Liebe die gelblichen Flügel.
Wahrend er flog, entbrannte gefacht noch stärker die Flamme,
Und nicht hielt er zurück auf der Fahrt in Lüften die Zügel,
Bis der Kikonen Geschlecht und Mauern erreicht der Entführer,
Wo die Aktaierin ward des frostigen Herrschers Gemahlin
Und bald Zeugerin auch; denn Zwillingssöhne gebar sie,
Die von der Mutter den Leib und Fittiche hatten vom Vater.
Doch nicht wuchsen zugleich, wie es heißt, mit dem Körper die Flügel,
Sondern so lange der Bart nicht kam zu dem rötlichen Haupthaar,
Waren noch Zetes der Knab' und Kalais ohne Gefieder.
Bald dann wurde zugleich nach der Weise der Vögel von Federn
Jede der Seiten bedeckt und gebräunt vom Flaume die Wange.
Nun, da die kindliche Zeit vor dem Jünglingsalter gewichen,
Zog mit den Minyern aus das Paar auf dem ersten der Schiffe
Über entlegenste Flut nach dem Vlies mit der strahlenden Wolle.
   
  Übersetzung nach R.Suchier bearbeitet von E.Gottwein
Text und gegliederte Inhaltsangabe der Metamorphosen Ovids, Bücher I - XV
Lat.-Dt.Txt. I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV lateinisch - deutsch
Kompos. I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV Inhalt
 

 

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