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Publius Ovidius Naso

Metamorphosen - Verwandlungen

4. Buch - deutsch

1. Perseus und Phineus (1-235), 2. Proetus und Polydectes (236-249), 3. Pallas und die Musen (250-678), 4. Pyreneus (269-293), 5. Die Pieriden im Wettstreit mit den Musen (294-678), 6. Typhoeus (318-331), 7. Ceres und Proserpina (332-661), 8. Pluto und Proserpina (359-571), 9. Raub der Proserpina (385-424), 10. Cyane (409-437), 11. Stellio (438-461), 12. Ceres' weitere Suche und Arethusas Bericht (462-532), 13. Ascalaphus (533-550), 14. Sirenen (551-563), 15. Iupiters Entscheidung (564-571), 16. Arethusas Erzählung (572-641), 17. Triptolemus und Lyncus (642-661), 18. Verwandlung der Pieriden (662-678)

 
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  1. Perseus und Phineus (1-235)
Als noch solches erzählt inmitten der Schar der Kephenen
Danaes göttlicher Sohn, füllt plötzlich ein drängender Haufe
Tosend den fürstlichen Saal. Doch nicht hochzeitliche Feier
Kündet der steigende Lärm, er deutet auf grimmige Waffen;
Und das erheiterte Mahl, im Nu zum Getümmel verwandelt,
War zu vergleichen dem Meer, das wild aus ruhiger Glätte
Rasender Winde Gewalt aufregt zu erhobenen Wogen.
Phineus, allen voran, der Fehde verwegener Stifter,
Schwingend den eschenen Speer mit der erzbeschlagenen Spitze,
Ruft: "Hier sieh mich genaht, den Radier entrissener Gattin!
Dich soll Iupiter nicht, zum erlogenen Golde gewandelt,
Noch das Gefieder entziehn!" Ausholt er zum Wurfe; doch Kepheus
Ruft: "Was machst du?" ihm zu. "Was treibt für ein Geist dich, o Bruder,
Wütend zu frevelnder Tat? Wird also gelohnt dem Verdienste?
Willst du mit solchem Geschenk der Geretteten Leben vergelten,
Die, wenn das Wahre du suchst, nicht Perseus, sondern des Nereus
Töchter im Zorn dir geraubt und Ammon, der doppelgehörnte,
Und das Getier, das groß, mein Fleisch und Blut zu verschlingen,
Kam aus der Tiefe herauf! Damals ward dir sie entrissen,
Als zum Verderben sie ging, wenn nicht im Herzen gefühllos
Grad' ihr Verderben du willst und an unserer Trauer dich weidest.
Traun, nicht ist es genug, dass müßig, wie jene man anschloss,
Du es gesehn und nicht ihr geholfen, der Ohm und Verlobte:
Ärgern willst du dich gar, dass irgendwer sie gerettet,
Und ihm entreißen den Preis! Wenn der so groß dir geschienen,
Konntest du wohl von dem Fels, daran er geschmiedet, ihn holen.
Lass ihn, der ihn geholt, der nicht mein Alter verwaist ließ,
Nehmen, wozu ihn Verdienst und Versprechen berechtigt, und denke:
Vorzug ward ihm ja nicht vor dir vor sicherem Tode."
Jener entgegnete nichts. Auf ihn abwechselnd und Perseus
Blickend besinnt er sich nur, ob diesen, ob jenen er treffe.
Kurz nur war der Verzug, und er schwang die Lanze mit Kräften,
Wie sie der Zorn ihm gab, und warf vergeblich auf Perseus.
Fest stak jene im Pfühl. Da erst sprang grimmig vom Lager
Perseus auf, und er hätte dem Feind mit der wiedergesandten
Waffe die Brust durchbohrt, wenn rasch nicht hinter den Altar
Phineus trat; und der Herd - unwürdig! - beschützte den Frevler.
Doch nicht fruchtlos fuhr in die Stirne des Rhoitos die Spitze.
Als der lag und den Stahl aus dem Schädel gerissen die Seinen,
Strampelt er noch und bespritzt mit Blut die stehenden Tische.
Da nun aber entbrennt in dem Volk unbändiger Ingrimm;
Speere versenden sie rings, und den Tod, sagt mancher, verdiene
Kepheus selbst mit dem Eidam zugleich. Doch über die Schwelle
War schon Kepheus hinaus, als Zeugen die Götter des Gastrechts
Rufend und Recht und Treue, dass er nicht schuld an dem Aufruhr.
Pallas, die streitbare, naht und deckt mit der Aigis den Bruder,
Dass sich erhöht sein Mut. Da war aus Indien Athis,
Den in kristallener Flut Limnate, die Tochter des Ganges,
Sagt man, gebar, gar stattlich an Wuchs, den prächtiger Anzug
Steigerte, blühend und frisch ein sechzehnjähriger Jüngling.
Tyrisches Kriegergewand, umsäumt von goldenen Streifen,
Hüllte den Leib; es schmückte den Hals ein goldnes Gehänge
Und ein gewundenes Band das myrrhenbefeuchtete Haupthaar.
Mit dem geworfenen Spieß auch noch so Entferntes zu treffen
War er geschickt, doch mehr noch geschickt, den Bogen zu spannen.
Wie auch jetzt mit der Rechten er bog die geschmeidigen Hörner,
Schlägt auf ihn mit dem Brand, der raucht' auf der Mitte des Altars,
Perseus ein und zerquetscht das Gesicht am zerschmetterten Schädel.
Als ihn, wie er umher im Blut das gepriesene Antlitz
Wendete, Lykabas sah, der Assyrer, ihm als Gefährte
Innig vereint und nie aufrichtige Liebe verleugnend,
Weint er um Athis den Freund, der unter der bitteren Wunde
Schon aushauchte den Geist; dann rafft er den Bogen von jenem
Eben gespannt und spricht: "Mit mir nun sollst du dich messen!
Lange fürwahr nicht soll dich erfreuen des Knaben Verderben,
Das mehr Schimpf dir bringt als Ruhm." Nicht hatt' er die Worte
Alle gesagt, da schwirrt das scharfe Geschoss von der Sehne.
Wohl wich jener ihm aus, doch hing es im faltigen Kleide.
Auf ihn richtet die schon beim Mord der Medusa bewährte Harpe
Akrisios' Spross und durchbohrt ihm die Brust. Und der andre
Sah mit Augen, die schon im verhüllenden Dunkel ihm schwammen,
Sterbend nach Athis sich um, und niedergeworfen zum Freunde
Nahm er hinab zu den Manen den Trost des vereinigten Todes.
Siehe, vom Libyervolk Amphimedon und von Syene
Phorbas, Metions Sohn, in den Kampf zu eilen begierig,
Waren im Blut, das weit den befeuchteten Boden erwärmte,
Gleitend zur Erde gestürzt. Das Schwert wehrt beiden das Aufstehn,
Da es dem Phorbas sich senkt in den Hals, in die Rippen dem andern.
Aktors Sohn jedoch, dem Erytos, welcher als Waffe
Trug ein gewaltiges Beil, naht Perseus nicht mit dem Schwerte;
Mit zwei Händen zugleich aufhebend den riesigen Mischkrug,
Schwer von der Masse des Stoffs und rauh von erhabenem Bildwerk,
Schmettert er los auf den Mann. Der speiet geröteten Blutstrom
Rückwärts fallend und schlägt mit sterbendem Scheitel den Estrich.
Abaris nun, der kam vom Kaukasos, und Polydaimon
Aus der Semiramis Blut und den Spercheiaden Lyketos,
Helikes, der sich das Haupt nie schor, mit Phlegyas Klytos
Streckt er dahin und tritt auf geschichtete Haufen von Leichen.
Phineus, da er dem Feind nicht wagt in der Nähe zu stehen,
Schleudert von ferne den Speer. Der fliegt abirrend zu Idas,
Der sich umsonst enthalten des Kampfs und zu keinem geschlagen.
Dieser, mit finsterem Blick anschauend den grausamen Phineus,
Spricht: "Weil du in den Streit nicht ziehest, erfahre denn, Phineus,
Wen du zum Feinde gemacht, und büße mit Wunde die Wunde!"
Doch, wie er eben zurück die entrissene Waffe zu senden
Trachtete, sank er erschöpft von des Blutes Verlust in die Knie.
Auch vom Kephenengeschlecht nach dem König der erste, Hodites,
Fällt durch Klymenos' Schwert; Prothoenor erlieget vor Hypseus;
Dieser vor Lynkeus' Spross. Emathion war, der bejahrte,
Unter der Zahl, ein Wahrer des Rechts und Verehrer der Götter.
Weil ihn selber am Kampf sein Alter verhinderte, stritt er
Heftig mit Worten und schalt und verwünschte die frevelnden Waffen.
Dem schlug, wie er sich hielt mit zitternden Händen am Altar,
Chromis hinweg mit dem Schwerte das Haupt; das lag auf dem Herde
Und stieß Worte des Fluchs mit halblebendiger Zunge
Dort noch aus und verhauchte den Geist in die Mitte des Feuers.
Ammon und Broteas drauf, die Zwillingsbrüder, im Faustkampf
Nimmer besiegt, wenn ein Schwert sich ließe besiegen durch Faustkampf,
Sanken von Phineus' Hand; zu jenen der Priester der Ceres,
Ampykos, auch, an den Schläfen umhüllt von schneeiger Binde.
Du, Lampetides, auch, nicht tüchtig zu solchem Geschäfte,
Sondern, ein friedliches Werk, zur Stimme die Laute zu schlagen;
Mahl und Feier mit Sang zu verherrlichen, warst du gerufen.
Als der fern dastand, in der Rechten den harmlosen Schlägel,
Rief ihm Pettalos zu hohnlachend: "Den stygischen Manen
Singe den Schluss!" Und er stößt ihm den Stahl in die linke der Schläfen.
Hinsinkt jener und rührt mit sterbenden Fingern der Leier
Saiten, und während des Falls wird klagende Weise vernommen.
Doch nicht straflos lässt ihn fallen der wilde Lykormas;
Rechts vom Pfosten der Tür losreißend den stämmigen Barren
Schlägt auf den Knochen er ein inmitten des Nackens, und jener
Stürzte zur Erde dahin nach Art des geschlachteten Stieres.
Pelates mühte sich jetzt, der Kinyphier, auch von dem linken
Pfosten zu ziehen das Holz; wie er zog, ward von des Marmaren
Korythos Speer ihm die Rechte durchbohrt und gespießt an den Balken.
Abas stach in die Brust dem Gehaltenen; aber er sank nicht,
Sondern mit haftender Hand hing sterbend er da an dem Pfosten.
Sieh, auch Menaleus fällt, der stand auf Seiten des Perseus,
Dorylas auch, im Gebiet nasamonischer Stämme der reichste,
Dorylas, reich an Gefild, dass mehr kein anderer hatte
Oder nur ebenso viel einbrachte von Spelt in die Speicher.
Ihm stak quer in den Weichen am Bauch das geworfene Eisen:
Dort kommt sicher der Tod. Als diesen der Bringer der Wunde
Sah ausröcheln den Geist und verdrehen die brechenden Augen,
Sprach er, der baktrische Mann Halkyoneus: "Nimm von den Feldern
Allen das Stück, wo du liegst!" und ließ den verbluteten Leichnam.
Auf ihn schwinget den Speer, noch warm aus der Wunde gerissen,
Rächend des Abas Spross, und grad' in die Nase getrieben
Fährt er zum Nacken hinaus und raget nach vorn und nach hinten.
Klanis und Klytios auch, die Söhne der selbigen Mutter,
Fällte gefördert vom Glück sein Arm mit verschiedener Wunde.
Klytios' Hüften durchdrang, vom wuchtigen Arme geschwungen,
Beide der eschene Speer; mit dem Mund biss Klanis den Wurfspieß.
Hinsank Keladon auch, der Mendesier; ebenso Astreus,
Mit palaistinischem Weib erzeugt von bezweifeltem Vater;
Auch Aithion, zuvor ein kundiger Deuter der Zukunft,
Jetzt von der Schau der Vögel getäuscht, und Thoaktes, des Königs
Waffengenoss, und durch Mord des Erzeugers berüchtigt Agyrtes.
Aber zu tun bleibt mehr als geschehn; denn alle den einen
Wollen sie morden im Grimm. Rings stellt der verschworene Haufe
Sich für die Sache zum Kampf, die Verdienst und Treue befehdet.
Hierher wünschen den Sieg der umsonst rechtschaffene Schwäher
Und mit der Mutter die Braut und erfüllen mit Jammern die Hallen.
Aber das Waffengeklirr tönt vor und der Fallenden Ächzen,
Und die Penaten beströmt, da sie doch schon waren geschändet,
Reichlich Bellona mit Blut, und neu stets rührt sie den Streit auf.
Rings um den einen gedrängt sind Phineus und folgend dem Phineus
Hunderte. Rechts und links, zahlreicher als Hagel im Wetter,
Fliegen Geschosse vorbei und sausen um Augen und Ohren.
Perseus lehnt an den Stein der mächtigen Säule die Schultern;
Also den Rücken gedeckt und die Stirn zuwendend den Feinden
Hält er den Drängenden Stand. Eindringt von der Rechten Ethemon
Vom nabataiischen Volk, linksher der chaonische Molpeus.
Wie sich der Tiger besinnt, wenn er hört, vom Hunger gestachelt
Von zwei Herden zugleich das Gebrüll aus verschiedenen Tälern,
Wo er zuerst hinstürz', und brennt, sich auf beide zu stürzen:
So war schwankend der Held, ob rechts, ob links er sich wende.
Molpeus treibt er hinweg, in den Schenkel das Eisen ihm bohrend,
Und es genügt ihm die Flucht. Denn Zeit nicht gönnet Ethemon,
Sondern begierig in Wut, ihm oben den Hals zu verwunden,
Tat er den Stoß mit dem Schwert, doch ohne die Wucht zu ermessen,
Dass es zerbrach; an dem äußeren Rand der getroffenen Säule
Sprang die Klinge entzwei und fuhr in die Kehle dem Eigner.
Aber zum Tod gab nicht hinreichenden Grund die Verletzung.
Während er bebt und umsonst die kampfuntüchtigen Arme
Ausstreckt, stößt ihn der Held mit der Wehr des Kylleniers nieder.
Doch da männlichen Mut sah endlich erliegen der Menge
Perseus, sprach er: "Wohlan! Weil also ihr selber mich zwinget,
Soll mir helfen der Feind. Hinweg kehrt alle das Antlitz,
Wer zugegen als Freund!" Und das Haupt der Gorgo enthüllt er.
"Anderen suche den Sinn mit dem Spuk zu verrücken!" erwidert
Theskelos. Doch wie die Hand zu entsenden den tödlichen Wurfspieß
Trachtete, stand er, ein Bild von Marmor, in dieser Gebärde.
Ampyx, diesem zunächst, dringt gegen des großen Lynkiden
Muterfüllte Brust mit dem Schwert; doch während er eindringt,
Ist ihm die Rechte erstarrt, und zurück nicht kann sie, noch vorwärts.
Nileus drauf, der sich von dem siebenfältigen Nilstrom
Fälschlich nannte gezeugt und auch auf dem Schilde die sieben
Mündungen teils in Gold, teils hatte gebildet in Silber,
Sprach: "Sieh, Perseus, hier von meinem Geschlechte den Ursprung!
Groß wird sein dein Trost bei den schweigenden Schatten des Todes,
Dass solch edlem Mann du erlagst." Das Ende der Rede
Ward ihm versagt inmitten des Rufs, und sprechen zu wollen
Schien der geöffnete Mund, doch Durchgang fehlte den Worten.
Die schilt Eryx und spricht: "Euch bannt nur Mangel des Mutes,
Nicht die gorgonische Kraft. Mir nach zum gemeinsamen Anlauf!
Streckt zu Boden den Mann, der kämpft mit verzauberten Waffen!"
Anlauf tat er bereits; da fesselt die Erde die Füße,
Und er verblieb als starres Gestein ein gewaffnetes Standbild.
Doch die hatten gebüßt nach Verdienst. Als Streiter des Perseus
Focht Akonteus mit, und während für diesen er kämpfte,
Fiel auf die Gorgo sein Blick, und Stein durchdrang ihm die Glieder.
Noch glaubt jenen belebt Astyages, und mit dem Schwerte
Führt er den Streich auf ihn. Hell klirrt abprallend die Klinge.
Während Astyages staunt, trifft ihn die gleiche Verwandlung,
Und in dem Marmorgesicht ist noch des Verwunderten Miene.
Kund die Namen zu tun von den Männern aus niederem Volke
Währte zu lang. Zweihundert zum Kampf noch blieben der Männer,
Und es verkehrt zweihundert in Stein die geschauete Gorgo.
Da nun endlich gereut die rechtlose Fehde den Phineus.
Doch was tun? Er erblickt Bildsäulen verschieden in Stellung,
Und er erkennt sie wohl, und jeglichen rufend mit Namen
Fleht er um Schutz und berührt ungläubig die Körper der Nächsten:
Marmor waren sie alle. Er wendet sich ab, und in Demut
Schräg die Arme gestreckt und die siegeinräumenden Hände:
"Perseus", sprach er, "du siegst! Nimm weg dein grässliches Schrecknis,
Nimm, o nimm es hinweg, das versteinernde Haupt der Medusa,
Wer auch immer sie sei! Nicht Hass, noch Trachten nach Herrschaft
Trieb mich ja in den Streit: um die Braut nur hoben wir Waffen.
Dir gab rühmliche Tat, doch Zeit uns höheren Anspruch.
Dass ich sie dir nicht ließ, ist mir leid. O gönne das Leben,
Tapferer, mir, das nur! Dein möge das andere bleiben!"
Als er solches gesagt und nach ihm nicht wagte zu blicken,
Den mit der Stimme er bat, sprach jener: "Verzagender Phineus,
Was ich vermag zu verleihn und dem Feigen ein großer Gewinn ist -
Banne die Furcht -, sei verliehn: dich soll kein Eisen verletzen.
Ja, ich stifte dir auch ein ewig bestehendes Denkmal,
Und stets sollst du geschaut noch werden im Hause des Schwähers,
Dass Trost habe mein Weib an dem Bildnis ihres Verlobten.'
Sprach's und kehrte zugleich dorthin das phorkynische Antlitz,
Wo sein banges Gesicht hinwandte der meidende Phineus.
Wie er den Blick auch jetzt von hinnen zu lenken versuchte,
Starrt ihm der Hals, und zu Stein ist verhärtet die Feuchte der Augen.
Noch ist scheu das Gesicht und flehend am Marmor die Züge,
Schlaff die Hände gesenkt und knechtisch gedrungen die Haltung.
  2. Proetus und Polydectes (236-249)
Mit der Gemahlin betritt als Sieger die heimischen Mauern
Abas' Spross und bekrieget den Proitos, des schuldlosen Ahnes
Retter und Rächer zugleich. Denn es hatte den Bruder mit Waffen
Proitos verjagt und Besitz von Akrisios' Veste genommen.
Doch nicht Waffengewalt, noch die tückisch eroberte Veste
Schützt vor dem grässlichen Blick des schlangenumringelten Schreckbilds.
Doch du warst, Polydektes, du Herr der kleinen Seriphos,
Nicht von des Jünglings Mut, den alle die Kämpfe bewiesen,
Noch von den Leiden erweicht; du übst, im Gemüte verhärtet,
Unerbittlichen Hass, und es wird kein Ende der Feindschaft.
Selber den Ruhm auch schmälerst du ihm, und den Mord der Medusa
Nennst du erdichtete Mär. "Hier ist der Beweis der Wahrheit!
Nehmet die Augen in Acht!" sprach Perseus, und von Medusas
Antlitz ward blutleer zu Kiesel des Königes Antlitz.
  3. Pallas und die Musen (250-678)
Soweit war als Gefährtin dem goldentsprossenen Bruder
Pallas gefolgt. Nun flog sie, geborgen in hüllender Wolke,
Fort von Seriphos und ließ rechts Gyaros liegen und Kythnos;
Über das Meer, wo der Weg am kürzesten, eilt sie gen Theben
Und zu dem Jungfrauenberg, dem Helikon. Dort auf der Höhe
Machte sie Halt und begann zu den neun tonkundigen Schwestern:
"Vom neu sprudelnden Quell traf unsere Ohren die Kunde,
Den mit gehärtetem Huf jüngst brach das medusische Flugross.
Der ist des Wegs Anlass. Ich wollte das Wunderereignis
Schauen; ich sah, wie das Ross entstand aus dem Blute der Mutter."
Aber Urania sprach: "Was auch dich bewogen, o Göttin,
Unsere Wohnung zu sehn, wir freuen uns dessen von Herzen.
Doch das Gerücht ist wahr, und wirklich ist Schöpfer der Quelle
Pegasos." Hin dann führt sie zum heiligen Wasser die Göttin.
Als sie mit Staunen besehn die vom Hufschlag fließenden Wellen,
Mustert Minerva umher den Hain ehrwürdigen Alters,
Auch die Grotten und voll buntfarbiger Blumen den Rasen
Und nennt ob des Berufs und der Stätte die Mnemoniden
Glücklich im Los, worauf ihr erwiderte eine der Schwestern:
  4. Pyreneus (269-293)
"Du, zur Genossin bestimmt, Tritonia, unserem Chore,
Wenn nicht rüstige Kraft dich riefe zu höheren Werken,
Wahrheit sprichst du und preisest mit Recht die Kunst und die Wohnstatt.
Uns fiel freundliches Los; nur müssten wir sicherer leben.
Aber - dem Frevel ist nichts ja verwehrt - jungfräuliche Herzen
Setzt leicht alles in Schreck. Noch steht mir der grause Pyreneus
Vor dem Gesicht; noch hat mein Gemüt nicht ganz sich gesammelt.
Daulis' Gebiet und das Land der Phoker hatte der Wütrich
Inne mit thrakischem Heer und besaß unrechtliche Herrschaft.
Der sah uns auf dem Weg zum parnassischen Tempel und sagte,
Während, die Mienen verstellt, er huldigte unserer Gottheit:
,Mnemoniden' - er hatt' uns erkannt - o, rastet ein wenig;
Kommt und bedenkt euch nicht, bei mir Unwetter und Regen –
Regen ergoss sich - zu meiden im Haus. In niedere Hütten
Traten ja Himmlische oft." Durch Rede bewogen und Lage
Folgten wir willig dem Mann und traten hinein in das Vorhaus.
Nun war der Regen vorbei, und der Nord, der bezwungen den Südwind,
Scheuchte das dunkle Gewölk hinweg vom erheiterten Himmel;
Und wir verlangten zu gehn; doch Pyreneus, schließend die Pforte,
Wollte Gewalt uns antun, wir aber entkamen mit Flügeln.
Jener, als war' er zu folgen bereit, stand hoch auf der Zinne:
'Wo ihr findet die Bahn, wird mir nicht minder die Bahn sein!'
Ruft er und stürzt sich hinab von der Spitze des Turmes im Wahnsinn
Und fällt auf das Gesicht und schlägt mit zerschmettertem Schädel
Sterbend den Grund, der rot sich färbt mit dem ruchlosen Blute."
  5. Die Pieriden im Wettstreit mit den Musen (294-678)
Während die Muse noch sprach, durchschwirrte die Lüfte Gefieder,
Und das begrüßende Wort ward laut von der Höhe der Äste.
Auf blickt Pallas und forscht, woher so deutlich gesprochen
Töne der Ruf, und vermeint, dass menschliche Zunge geredet.
Vögel waren es, neun an der Zahl, die, klagend ihr Schicksal,
Auf das Gezweig sich hatten gesetzt, nachsprechende Elstern.
"Die auch haben", begann zur verwunderten Göttin die Göttin,
"Neulich gemehrt, in der Wette besiegt, den Schwärm des Geflügels.
Pieros hat sie gezeugt, in Pellas Fluren begütert,
Dem sie Euippe gebar, die Paionerin, die zu Lucina
Neunmal rief, neunmal in Nöten des Kreißens, um Beistand.
Hochmut wegen der Zahl ward rege den törichten Schwestern,
Und das haimonische Land und achaiische Städte durchwandernd
Kamen sie her und riefen zum Streit mit den prahlenden Worten:
,Unverständiges Volk mit den eitlen Klängen zu täuschen
Lasst nur ab! Mit uns, wenn irgend Vertrauen ihr heget,
Thespische Göttinnen, kämpft. An Kunst so wenig wie Stimme
Stehen wir nach, und die Zahl ist gleich. Entweder bezwungen
Räumt den medusischen Quell und Hyantias Born Aganippe,
Oder Emathias Flur bis zu den beschneiten Paionen
Räumen wir selbst. Zu entscheiden den Streit sei Sache der Nymphen.'
Schimpflich erschien's, in den Kampf zu willigen, aber zu weichen
Schimpflicher. Schwur nun tun bei der Flut die erkorenen Nymphen,
Und Sitz nehmen sie rings auf bequem gewachsenen Steinen.
  6. Typhoeus (318-331)
Ohne zu losen beginnt zu singen der Himmlischen Kriege,
Die sich erboten zum Streit, und sie hebt die Giganten zu falschen
Ehren und setzt herab die Taten der mächtigen Götter;
Und sie erzählt, wie entsandt aus den Tiefen der Erde Typhoeus
Schrecken den Göttern erregt und wie sie den Rücken gewendet
Alle zur Flucht, bis dass das aigyptische Land den Erschöpften
Zuflucht gab und der Nil mit den sieben geschiedenen Strömen;
Wie auch da sie verfolgt der erdegezeugte Typhoeus
Und sich die Götter versteckt in trügender Tiere Gestalten.
'Führer des wolligen Viehs wird Iupiter', sagt sie, 'von wannen
Jetzt noch krummes Gehörn er trägt als libyscher Ammon;
Bock wird Semeles Sohn; der Delier wählt sich den Raben,
Iuno die schneeige Kuh, die Schwester des Phoibos die Katze,
Venus den Fisch zum Versteck, der Kyllenier Flügel des Ibis.'
  7. Ceres und Proserpina (332-661)
Somit hatte den Mund sie tonend bewegt zu den Saiten.
Nun trifft uns Aoniden die Reih. Doch fehlet dir Muße
Wohl und die Lust, dein Ohr auch unserem Sänge zu leihen?"
"Zögere nicht", sprach Pallas darauf, "sag' an in der Ordnung
Euer Gedicht!" Und sie saß in dem luftigen Schatten des Haines.
"Eine", versetzte die Muse, "bestand für alle den Wettstreit,
Und Kalliope tritt, mit Efeu gehalten das lose
Haupthaar, vor und versucht mit dem Daumen die klagenden Saiten
Und fügt solchen Gesang hinzu der geschlagenen Leier:
,Ceres teilte zuerst mit gebogenem Pfluge die Schollen,
Gab Feldfrüchte den Ländern zuerst und mildere Nahrung,
Ordnete Sitten zuerst; ja, alles ist Gabe der Ceres.
Ceres gebührt mein Sang. O, dass ich vermöchte der Göttin
Würdig zu singen ein Lied. Sie ist sicher würdig des Liedes.
Auf den gigantischen Leib ist getürmt die trinakrische Insel
Weit sich dehnend und hält mit gewaltiger Wucht den Typhoeus
Niedergedrückt, der gewagt zu erhoffen himmlischen Wohnsitz.
Oft zwar stemmt er sich an und kämpft, in die Höhe zu kommen;
Aber die Rechte bedeckt der ausonische Felsen Peloros,
Du, Pachynos, die Link', und die Schenkel beschwert Lilybaion.
Aitna belastet das Haupt, wo rücklings liegend Typhoeus
Sand ausschleudert und Glut ausspeit aus dem greulichen Schlunde.
Oftmals ringt er, hinweg zu drängen das zwängende Erdreich
Und sich zu wälzen vom Leib die Städt' und mächtigen Berge.
Davon bebet das Land, und es fürchtet der Schweigenden König,
Dass aufbreche der Grund und in gähnendem Spalt sich eröffne
Und der eindringende Tag erschrecke die zitternden Schatten.
  8. Pluto und Proserpina (359-571)
Bang vor solchem Verderb stieg Dis aus dem finsteren Reiche
Jetzto herauf und fuhr, vom Gespann der Rappen gezogen,
Um des siculischen Lands Grundfesten mit spähender Vorsicht.
Als er genügend erforscht, dass nichts dort wankend geworden,
Und sich entschlagen der Furcht, sah jenen die Göttin von Eryx
Schweifen vom heiligen Berg, und umarmend den Sohn mit den Flügeln,
Sagte sie: 'Du mein Schild, o Sohn, mein Arm und Vermögen,
Nimm das Geschoss, Cupido, womit du alle bezwingest,
Und mit schwirrendem Pfeil durchbohre den Busen des Gottes,
Dem vom dreifachen Reich das letzte der Lose gefallen.
Götter der Höhe und Iupiter selbst und die Mächte des Meeres
Bändigest du und ihn, der beherrscht die Mächte des Meeres.
Was soll Tartaros ruhn? Warum nicht dehnest du weiter
Dein und der Mutter Gebiet? Hier gilt's ein Drittel des Weltalls.
Achten sie uns doch schon - dank unsrer Geduld - in dem Himmel
Beide gering, und mit mir wird Amors Stärke verringert.
Siehst du es nicht, wie Pallas bereits und Diana die Schützin
Ab von mir sich gewandt? Und Jungfrau, wenn wir es dulden,
Bleibt Proserpina auch, denn sie heget die selbige Hoffnung.
Auf denn, wenn du mich liebst! Für unsre gemeinsame Herrschaft
Eine die Göttin dem Ohm.' So redete Venus. Der Knabe
Löste den Köcher und nahm heraus von den tausend Geschossen
Eins, das die Mutter gewählt. Dem gleicht kein andres an Schärfe,
Keins trifft weniger fehl und ist mehr dem Strange gehorsam.
Drauf anstemmt' er das Knie und krümmte die biegsamen Hörner
Und traf mitten ins Herz den Dis mit dem hakigen Rohre.
  9. Raub der Proserpina (385-424)
Mit tiefgehender Flut liegt nahe den Mauern von Henna,
Pergus genannt, ein See. Mehr Sänge von Schwänen als dieser
Hört selbst nicht in dem Strom hingleitender Wellen Kaystros.
Rings das Ufer entlang kränzt Wald die Gewässer und wehret
Phoibos' glühendem Stich mit dem Laub wie mit schützendem Vorhang.
Kühlung beut das Gezweig, und die Au nährt purpurne Blumen.
Ständiger Frühling herrscht. Wie Proserpina dort in dem Haine
Spielt' und Violen sich bald, bald silberne Lilien pflückte,
Und sich in kindlicher Lust anfüllte den Korb und den Busen
Und es im Sammeln zuvortun wollte den anderen Mädchen,
Schaut und begehrt und entführt sie Dis, fast alles auf einmal.
So ist die Liebe beeilt. Bang ruft die erschrockene Göttin
Mutter und Freundinnen an um Schutz, doch öfter die Mutter;
Und wie sie klagend das Kleid von dem oberen Saume zerrissen,
Fielen herab aus dem losen Gewand die gesammelten Blumen,
Und so zeigte sich noch in dem kindlichen Alter die Einfalt:
Dieser Verlust auch füllte mit Schmerz die Seele der Jungfrau.
Rasch hin jagte der Dieb, und jegliches rufend mit Namen
Trieb er die Rosse zur Hast und schüttelte kräftig die Zügel
Dunkel wie Eisen gefärbt auf Hälsen und Mähnen der Renner.
Durch tiefgründende Seen hin eilt er und durch der Paliken
Schwefeldünstigen Pfuhl, der kocht aus geborstenem Boden,
Und wo Bacchis' Geschlecht, von der doppelumwogten Corinthus.
Stammend, erbaute die Stadt in der Mitt unähnlicher Häfen.
  10. Cyane (409-437)
Zwischen Cyane liegt und Pisas Quell Arethusa,
Eine geschlossene Bucht, die ragende Hörner verengen.
Dort war jene, von der den Namen empfangen der Weiher,
Kyane, hochberühmt vor allen sizilischen Nymphen.
Die, aus der Mitte der Flut sich bis an die Hüften erhebend,
Hatte die Göttin erkannt und rief: 'Nicht weiter des Weges!
Darfst du Ceres zum Trotz ihr Eidam werden? Nur Bitten
Standen dir zu, nicht Raub. Wofern mit Großem Geringes
Mir zu vergleichen vergönnt: um mich auch freiet' Anapis;
Aber ich folgt' ihm gebeten und nicht, wie diese, geängstigt.'
Kyane sprach's, und die Arme gestreckt nach verschiedener Seite
Sperrt sie den Weg. Da hielt der Saturnier länger den Zorn nicht,
Sondern er trieb sein grauses Gespann, und das Königsszepter
Schwang er mit kräftigem Arm und schleudert' es tief in den Strudel.
Siehe, zum Tartaros öffnete sich die getroffene Erde
Und gab mitten im Schlund Aufnahme dem stürzenden Wagen.
Kyane nun trug Leid um der Göttin Raub und der Quelle
So missachtetes Recht, und sie trägt untröstliche Wunde
Still in verschwiegener Brust und verzehrt sich völlig in Zähren,
Und in die rinnende Flut, darinnen sie eben als Gottheit
Waltete, wird sie verdünnt. Man sah, wie der Leib sich erweichte,
Biegsam ward das Gebein, und die Nägel die Härte verloren;
Und von der ganzen Gestalt wird flüssig zuerst, was am dünnsten,
Erst ihr bläuliches Haar, dann Finger und Schenkel und Füße -
Gliedern von schmächtiger Art ist ja leicht, in kaltes Gewässer
Uberzugehn. Die Schultern darauf und Rücken und Seite
Schwinden hinweg und die Brust zu rieselnden Bächen geschmolzen.
Endlich ersetzt das lebendige Blut im versehrten Geäder
Wasser, und übrig ist nichts, was wäre mit Händen zu greifen.
  11. Stellio (438-461)
Rings in jeglichem Land inzwischen und jeglicher Tiefe
Wurde vergeblich gesucht von der ängstlichen Mutter die Tochter.
Niemals sah, mit befeuchtetem Haar aufsteigend, Aurora,
Dass sie gerastet vom Weg, nie Hesperos. Leuchtende Fichten
Nahm sie in jegliche Hand, an den Gluten des Aitna entzündet,
Und trug ohne zu ruhn sie hin durch die tauenden Nachte.
Wenn vor dem heiteren Tag hinwieder verblichen die Sterne,
Suchte vom Morgen sie an bis spät zum Abend die Tochter.
Matt nun war sie vom Weg und lechzte vor Durst, und die Lippen
Hatte genetzt kein Quell: da sieht sie ein niedriges Häuschen
Strohbedeckt und klopft an die Tür. Ein Mütterchen zeigt sich
Öffnend und sieht die Göttin und reicht ihr, um Wasser gebeten,
Süßes Getränk, das sie hatte bestreut mit gerösteter Gerste.
Während sie schlürfte den Trank, trat hin vor die Göttin ein Bube
Dreisten Gesichts und frech und lachte und nannte sie gierig.
Zorn ist Ceres erregt, und sie gießt, da Neige geblieben,
Über den Sprechenden aus das Klare gemischt mit der Hefe.
Flecken beziehn das Gesicht; was eben als Arm er bewegte,
Regt er als Bein; anfügt sich ein Schwanz den gewandelten Gliedern,
Und zu kleiner Gestalt, dass Macht zum Schaden gebreche,
Schrumpft er ein, noch kleiner im Maß wie die winzige Echse.
Während das Mütterchen staunt und weint und greift nach dem Tierchen,
Nimmt er die Flucht und sucht ein Versteck, und entsprechend dem Aussehn
Wird er genannt, am Leibe besternt mit gesprenkelten Tropfen.
  12. Ceres' weitere Suche und Arethusas Bericht (462-532)
Was für Lande durchirrt und was für Gewässer die Göttin,
Wäre zu sagen zu lang. Nichts blieb zu durchsuchen auf Erden.
Nach Sikanien kehrt sie, und ringsum forschend im Gehen
Kam sie zu Kyane auch. Wenn die nicht wäre gewandelt,
Hätte sie alles erzählt; doch Mund und Zunge gebrachen,
Wenn sie zu reden gedacht, und es war kein Mittel zum Sprechen.
Aber sie ließ ein Zeichen sich zeigen: Proserpinas Gürtel,
Der an der Stätte gerad' in den heiligen Weiher gefallen,
Wohl der Mutter bekannt, ließ oben im Wasser sie schwimmen.
Wie ihn die Göttin erkannt, da rauft sie, als wüsste sie nun erst,
Dass ihr die Tochter geraubt, das kunstlos hangende Haupthaar
Und schlägt wieder und wieder die Brust mit offenen Händen.
Fremd ist die Gegend ihr noch; doch alle die Länder verwünscht sie,
Nennt sie undankbar, unwürdig der Gabe der Feldfrucht,
Und das trinakrische Land vor anderen, wo sie die Spuren
Fand vom Verlust. Drum brach sie die schollumkehrendenden Pflüge
Dort mit zerstörender Hand und gab im Zorne den Landmann
Samt dem bestellenden Stier in den Tod und ließ die Gefilde
Vorenthalten das Gut und machte verdorben den Samen.
All der Segen der Flur, des Ruhm ging über den Erdkreis,
Bleibt nun aus. Es erstirbt in den sprießenden Halmen die Aussaat.
Bald rafft heftige Glut sie hinweg, bald heftiger Regen;
Sterne zugleich sind schädlich und Wind, und die gierigen Vögel
Picken gestreute Saat, und wuchernd umdrängen den Weizen
Lolch und Disteln im Feld und nicht zu vertilgendes Unkraut.
Da aus der elischen Flut hob sich die alpheische Nymphe,
Und von der Stirn zum Ohr hinstreichend die triefenden Haare,
Sagte sie: 'Mutter der rings auf Erden gesuchten Jungfrau
Und der ernährenden Frucht, stell ab die unendliche Drangsal
Und nicht zürne so hart der treu dir ergebenen Erde.
Sie ja verschuldete nichts, und dem Raub erschloss sie sich ungern.
Nicht für die Heimat fleh' ich: von fern her bin ich gekommen.
Pisa ist Heimat mir, und ich leite von Elis den Ursprung.
Übergesiedelt bewohn' ich Sikanien, aber vor allen
Halt' ich wert dies Land. Hier hat Arethusa Penaten,
Hier jetzt häuslichen Sitz. Den schone, du gütigste Göttin!
Aber warum ich von dort durch die Wogen des Meers mich entfernte
Und mich begab weit weg nach Ortygia, dies zu erzählen
Kommt wohl schickliche Zeit, wenn du erst wieder von Sorge
Frei sein wirst und erheitert dein Blick. Mir bietet die Erde
Durchgang unten im Grund, und entführt durch dunkle Höhlen
Heb' ich allhier mein Haupt und schau' die entbehrten Gestirne.
Als ich im stygischen Schlund so hinfloss unter der Erde,
Sah ich Proserpina dort, dein Kind, mit eigenen Augen.
Zwar ist traurig sie noch und von Angst nicht frei in den Zügen,
Aber doch Königin jetzt, die höchste des finsteren Reiches,
Aber die waltende Frau doch jetzt bei dem Totenbeherrscher.'
Wie sie die Kunde vernahm, stand da wie versteinert die Mutter
Und war lang wie vom Donner gerührt. Doch die Macht der Betäubung
Wich vor der Macht des Schmerzes zuletzt, und sie stieg mit dem Wagen
In die aitherische Luft. Dort ganz in Wolken das Antlitz
Trat sie vor Iupiter hin mit fliegenden Haaren im Unmut:
,Für mein Blut und zugleich für das deinige, Iupiter', sprach sie, ,
Komm' ich dich anzuflehn. Wenn nichts du achtest die Mutter,
Rühre den Vater das Kind, und nicht sei minder um jene
Darum etwa besorgt, weil ich sie getragen im Schoße.
Siehe, die Tochter, die lang ich gesucht, ist endlich gefunden,
Wenn ja finden du nennst nur sicherer noch zu verlieren
Oder zu wissen den Ort, wo sie ist. Die Entführung verzeih' ich,
Gibt er sie nur mir zurück. Denn Iupiters Tochter geziemet
Doch kein Räuber zum Mann, wenn auch er geziemet der meinen.'
Drauf hob Iupiter an: 'Pfand ist und Beschwerde gemeinsam
Mir die Tochter wie dir. Doch wenn wir mit richtigem Namen
Wollen benennen die Tat, so war's mitnichten Beschimpfung,
Liebe vielmehr. Auch haben wir nicht uns zu schämen des Eidams,
Wolltest du, Göttin, ihn nur. Lass anderes fehlen: wie viel schon,
Iupiters Bruder zu sein! Doch auch das andere fehlt nicht;
Denn in dem Los nur steht er mir nach. Doch wenn du nach Scheidung
Also verlangst, so soll Proserpina kehren zum Himmel,
Nur mit dem festen Beding, wenn nichts anrührte von Speise
Drunten ihr Mund. Denn so ist's verhängt im Rate der Parzen.'
  13. Ascalaphus (533-550)
Iupiter sprach's. Doch Ceres entschließt sich, die Tochter zu holen.
Nicht so will's das Geschick, weil nicht mehr drunten die Jungfrau
Fastete. Während sie ging ohn' Arg im gewarteten Garten,
Hatte vom hangenden Baum sie gepflückt den rotwangigen Apfel;
Sieben Kerne sodann, entnommen der gelben Umhüllung,
Hatte zerdrückt ihr Mund, und allein zugegen von allen
Nahm es Askalaphos wahr, den weiland - sagen sie - Orphne,
Nicht die geringste an Ruf von der Schar der avernischen Nymphen,
Unter dem schwarzen Geklüft aus Acherons Liebe geboren.
Dieser erblickt's und benahm durch Verrat ihr schnöde die Rückkehr.
Erebos' Königin seufzt und gibt dem gehässigen Zeugen
Vogelgestalt, und das Haupt, das Phlegethons Wellen bespritzen,
Bildet zum Schnabel sie um, zu Federn und glotzenden Augen.
Er, sich selber entrückt, wird braun mit Flügeln bekleidet
Und wird dicker am Kopf und krümmt weitgreifende Krallen,
Und das Gefieder bewegt er kaum an den lässigen Armen.
Also ein hässlich Geschöpf, annahende Trauer verkündend,
Hockt er als Uhu nun, für die Menschen ein grausiges Schreckbild.
  14. Sirenen (551-563)
Doch der hatte gleichwohl für seine verratende Zunge
Strafe verdient. Woher habt ihr, acheloische Mädchen,
Füße wie Vögel und Flaum, da ihr tragt ein jungfräuliches Antlitz?
Wohl, weil da, als Blumen im Lenz Proserpina pflückte,
In der Gefährtinnen Zahl ihr wäret, sangreiche Sirenen?
Als ihr die Lande gesamt umsonst durchsucht nach der Göttin,
Wünschtet ihr auch alsbald, dass euere Sorge den Meeren
Kund sei, über der Flut zu stehn mit dem Ruder der Flügel.
Götter vernahmen den Wunsch willfährig, und euere Glieder
Saht ihr plötzlich gefärbt von gelbumhüllenden Federn.
Doch dass jener Gesang, die köstliche Gabe des Mundes,
Lockend das Ohr zu fesseln bestimmt, nicht misse die Zunge,
Ist jungfräulich Gesicht und menschliche Stimme geblieben.
  15. Iupiters Entscheidung (564-571)
Zwischen dem Bruder geteilt im Wunsch und der trauernden Schwester
Gibt von dem rollenden Jahr nun Iupiter jedem die Hälfte.
Jene verweilt, zwei Reichen gesellt als gemeinsame Gottheit,
Bei dem Gemahl fortan sechs Monde und sechs bei der Mutter.
Umgewandelt sogleich ist ihr das Gemüt und das Antlitz;
Die selbst konnte dem Dis jüngst traurig erscheinen, der Göttin
Stirn ist heiter und frei, wie die Sonne, die wässrige Wolken
Vorher hatten verdeckt, siegreich aus den Wolken hervortritt.
  16. Arethusas Erzählung (572-641)
Ceres die segnende fragt, nun froh, da die Tochter bewilligt,
Was dich vertrieb, warum du ein heiliger Quell, Arethusa.
Schweigend verharrte die Flut, und die Göttin erhob aus des Bornes
Tiefe das Haupt, und das grünliche Haar mit den Händen sich trocknend
Gab sie Bericht von des elischen Stroms vormaliger Liebe:
,Eine vom Nymphengeschlecht, das wohnt in Achaia', sprach sie,
,War ich zuvor, und nie hat eine mit größerer Jagdlust
Forste durchstreift, nie Garne gestellt mit größerer Jagdlust.
Aber obschon ich nie mich bemüht um die Ehre der Schönheit,
Ob auch rüstig und derb, ich hatte den Namen der Schönen.
Doch es beglückte mich nicht mein allzu gepriesenes Antlitz;
Ländlich und schlicht sah ich mit Erröten die Gaben des Leibes,
Darob andre sich freun, und ich hielt zu gefallen für Sünde.
Aus dem stymphalischen Wald - ich entsinne mich - kam ich ermüdet:
Heiß war's und von der Müh' war verdoppelt die drückende Hitze.
Sieh, da beut sich ein Fluss, der ohne Gewirbel und Murmeln
Rann durchsichtig zum Grund, dass zählbar war auf dem Boden
All das kleine Gestein; kaum schienen die Wellen zu gleiten.
Grauliches Weidengebüsch und vom Wasser genährete Pappeln
Spendeten Schatten, von selbst erwachsen, den hangenden Ufern.
Nah hintretend benetzt' ich zuerst die Sohlen des Fußes,
Drauf bis zum Knie das Bein; dann lüsterner lös' ich den Gürtel,
Und mein weiches Gewand der gebogenen Weide vertrauend
Tauch' ich mich nackt in die Flut. Doch wie ich sie schlug und heranzog,
Gleitend auf jegliche Art, und warf ausgreifende Arme,
Nahm ich wahr in der Mitte des Stroms ein verdächtiges Rauschen,
Und schnell trat ich geschreckt an den Rand des näheren Ufers.
,Flich' doch nicht, Arethusa!' erscholl es aus seinen Gewässern,
,Flieh' doch nicht!' scholl neu der heisere Ruf des Alpheios.
Ohne Gewand, wie ich war, entfloh ich - am anderen Ufer
Lag das Gewand. Darum drängt glühender noch der Verfolger,
Und weil nackend ich war, erschien ich ihm desto bereiter.
So lief eilend ich fort, so drängte mich eilend der Unhold,
Wie vor dem Habicht fliehn mit zitternder Schwinge die Tauben
Und wie der Habicht pflegt zu jagen die zitternden Tauben.
Bis nach Orchomenos hin und Psophis und über Kyllene
Und Erymanthos hinaus und des Mainalos Täler nach Elis
Dauert' ich aus im Lauf, und nicht war rascher Alpheios.
Doch auf die Länge den Lauf aushalten, an Kräften ihm ungleich,
Konnte ich nicht; er war der langen Beschwerde gewachsen.
Dennoch eilt' ich dahin durch Feld und bewaldete Berge,
Über Gestein und Klippen hinweg, wo nirgends ein Weg war.
Hinter mir stand die Sonn', und ich sah, wie ein Schatten sich langhin
Streckte den Füßen voraus, wofern nicht Furcht es gesehen.
Aber gewiss doch schreckte der Schall von Tritten, und heftig
Blies an die Binde des Haars der keuchende Atem des Mundes.
,Hilf', so rief ich erschöpft von der Flucht, ,Diktynna! Er fasst mich.
Stehe der Deinigen bei, der Begleiterin, welcher den Bogen
Oft zu tragen du gabst und im Köcher verschlossene Pfeile!'
Jene erhört mein Flehn, und eine der dichtesten Wolken
Wirft sie über mich hin. Rings späht nach der Dunkelumhüllten
Tappend der Strom und forscht ratlos um den bergenden Nebel.
Zweimal ging er betört um den Ort, wo Schutz mir geworden;
Zweimal rief er: 'Io, Arethusa, io, Arethusa!'
Wie war da mir Armen zu Mut! Wohl so, wie dem Lamme,
Wenn es der Wölfe Geheul um das hohe Gehege vernommen,
Oder dem Hasen im Busch, der aus dem Verstecke der Hunde
Feindliche Schnauzen erblickt und den Leib nicht wagt zu bewegen.
Jener jedoch weicht nicht, weil weitere Spuren der Füße
Nirgends hinaus er gewahrt. Er bewacht das Gewölk und die Stelle.
Da fällt frostiger Schweiß auf meine belagerten Glieder,
Und ringsum von dem Leib entrinnen mir bläuliche Tropfen.
Wo ich setze den Fuß, da wallt ein See; aus dem Haupthaar
Triefet mir Tau und schneller, als jetzt ich erzähle das Wunder,
Lös' ich in Nässe mich auf. Doch auch die teueren Wellen
Kennt der Strom, und der Mannesgestalt, die er lieh, sich begebend
Wird er zur eigenen Flut, mit mir sich zu mischen gewandelt.
Delia spaltet den Grund, und gesenkt in verborgene Höhlen
Fließ' ich Ortygia zu, die wegen der gleichen Benennung
Meiner Gebieterin wert, mich zuerst vorzog an die Lüfte.'
  17. Triptolemus und Lyncus (642-661)
So Arethusas Bericht. Drauf schirrt die befruchtende Göttin
An ihr Drachengespann und bändigt mit Zäumen die Rachen
Und fährt hin durch die Luft in der Mitte von Himmel und Erde.
Auf die tritonische Stadt zum Triptolemos senkt sie den leichten
Wagen sodann und gibt ihm Samen und heißet ihn streuen
Teils in rohes und teils in lang brachliegendes Erdreich.
Über Europa hinweg und Asien hatte der Jüngling
Schwebend befahren die Luft. Nun kommt er an Skythiens Küsten.
Lynkos gebot alldort. Er betritt die Penaten des Königs.
Wie er gekommen des Wegs und warum und nach Namen und Heimat
Wird er gefragt und versetzt: 'Triptolemos heiß' ich, und Heimat
Nenn' ich das hohe Athen. Nicht kam ich zu Schiff auf den Wogen,
Noch auf dem Lande zu Fuß: mir öffnete Bahnen der Aither.
Ceres' Geschenk herbring' ich, auf dass es gestreut im Gefilde
Reichlich geerntete Frucht und harmlose Speise gewähre.'
Neid empfand der Barbar, und er nimmt, um Geber der Wohltat
Selber zu sein, ihn gastlich ins Haus und fällt mit dem Schwerte
Während des Schlummers ihn an. Wie er trachtet die Brust zu durchbohren,
Macht ihn Ceres zum Luchs. Dann heißt sie wieder in Lüften
Tummeln das hehre Gespann den beschützten mopsopischen Jüngling.'
  18. Verwandlung der Pieriden (662-678)
Also beschloss die Größte von uns den bedungenen Wettsang,
Und einmütigen Spruchs ward uns helikonischen Jungfraun
Zuerkannt von den Nymphen der Sieg. Als noch die Besiegten
Schmähten und schimpften, begann sie: 'Dieweil euch nicht, mit dem Wettkampf
Strafe verwirkt zu haben, genügt, und ihr kränkende Reden
Fügt zu der Schuld, und uns nicht zusteht fernere Langmut,
Wollen wir Strafe vollziehn und folgen dem Rufe des Zornes.'
Lachend vernimmt's die emathische Schar und verachtet die Drohung.
Als sie zu sprechen jedoch und frech mit den Händen zu nahen
Strebten mit lautem Geschrei, erkannten sie, wie an den Nägeln
Sprosste Gefieder hervor und mit Flaum sich deckten die Arme.
Ein' nach der anderen sieht, wie der Mund zum hornigen Schnabel
Spitz sich schließt und dem Wald ersteht ein neues Geflügel.
Geißeln wollten sie sich; da schwebten sie an den bewegten
Armen empor in die Luft als Elstern, des Hains Schreihälse.
Noch ist den Vögeln die Lust zum Sprechen geblieben von alters,
Heisre Geschwätzigkeit und die Sucht zu stetem Geplauder."
   
  Übersetzung nach R.Suchier bearbeitet von E.Gottwein
Text und gegliederte Inhaltsangabe der Metamorphosen Ovids, Bücher I - XV
Lat.-Dt.Txt. I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV lateinisch - deutsch
Kompos. I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV Inhalt
 

 

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