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Publius Ovidius Naso

Metamorphosen - Verwandlungen

2. Buch - deutsch

1. Phaeton (1,747-2,400), 2. Die Heliaden (340-366), 3. Cygnus (367-400), 4. Callisto und Arcas (401-530), 5. Coronis (531-632), 6. Nyctimene (589-632), 7. Ocyrrhoe (633-675), 8. Battus (676-707), 9. Aglauros (708-832), 10. Invidia (760-811), 11. Europa (833-875)

 
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  1. Phaeton (1,747-2,400)
Stattlich erhöht stand da Sols Burg auf ragenden Säulen
Hell von blinkendem Gold und von flammengleichem Pyropus.
Glänzendes Elfenbein war oben die Zierde des Giebels;
Strahlend prangten die zwei Torflügel im Lichte des Silbers.
Über den Stoff noch siegte die Kunst. Dort hatte gebildet
Mulcibers Meißel das Meer, wie es rings umgürtet die Länder,
Und die gerundete Erd' und den Himmel über der Rundung.
Bläuliche Götter umschließt die Flut, den blasenden Triton,
Proteus' Wandelgestalt und, wie er den mächtigen Rücken
Drückt mit den Armen dem Wal, den Riesen Aigaion, und Doris
Und, die Doris gebar. Teils scheinen zu schwimmen die Jungfraun,
Teils auf felsigem Riff sich die grünlichen Haare zu trocknen,
Teils auf Fischen zu ruhn. Nicht gleich ist bei allen das Antlitz,
Ohne verschieden zu sein, so wie es bei Schwestern geziemend.
Männer besitzt und Städte die Erd' und Wälder und Tiere,
Flüsse und Nymphen dazu und die anderen Mächte der Fluren.
Darob steht gewölbt das Gebilde des glänzenden Himmels,
Und sechs Zeichen sind rechts und sechs auch links an dem Tore.
Als nunmehr dorthin auf steigendem Pfade gelangt war
Klymenes Sohn und trat in das Haus des bezweifelten Vaters,
Lenkt er die Schritte sofort nach dem Antlitz seines Erzeugers;
Fern dann bleibt er stehn, denn näher vermochte sein Auge
Nicht zu ertragen das Licht. Da saß im Purpurgewande
Phoibos auf prächtigem Thron, der glänzte von hellen Smaragden
Neben ihm stand Tag, Monat und Jahr zur Rechten und Linken,
Zum Jahrhundert gesellt, und gleich abstehende Stunden,
Stand frisch grünender Lenz, umwunden von blühendem Kranze,
Stand mit dem Ährengeflecht im Haar der entkleidete Sommer,
Stand der Herbst mit dem Saft der gestampften Trauben besudelt,
Endlich der Winter beeist und struppig das greisende Haupthaar.
Dorther mitten im Raum ward Sol den betroffenen Jüngling,
Der bang staunte, gewahr mit den alles erblickenden Augen.
"Was trieb dich zu dem Gang? Was suchst du, Phaethon", sprach er,
"Hier in der Burg, du Spross, der nicht zu verleugnen dem Zeuger?"
Jener versetzt: "O gemeinsames Licht des unendlichen Weltalls,
Vater Phoibos, wofern du mir solche Benennung gestattest,
Und nicht Klymene Schuld mit falschem Gebilde verhehlet,
Gib mir, Erzeuger, ein Pfand, das mich als wirklichen Sprössling
Zeige von dir und mein Gemüt von dem Zweifel befreie."
Phaethon sprach's. Ablegt der Erzeuger die blendenden Strahlen,
Die umglänzten sein Haupt, und gebietet ihm näher zu gehen,
Und er umarmt ihn und spricht: "Wohl bist du der Meine zu heißen
Würdig, und Klymene tat dir kund deinen wahren Ursprung.
Dass du dem Zweifel entsagst, erbitte beliebige Gabe,
Und ich gewähre sie dir. Der Pfuhl, bei welchem die Götter
Schwören, von uns noch niemals geschaut, sei Zeuge des Wortes!"
Kaum war solches gelobt, als jener den Wagen des Vaters
Heischt und das Recht, für den Tag die geflügelten Rosse zu lenken.
Jetzt bereut sein Vater den Schwur, und er schüttelt im Unmut
Drei, vier Mal sein leuchtendes Haupt: "Durch das deinige", sprach er
"Ward sinnlos mein Wort. O, war' es vergönnt das Verheiß'ne
Nicht zu verleihn! Dies würd' ich dir, Sohn - ich gesteh' es - versagen.
Warnen kann ich dich aber. Nicht ist dein Verlangen gefahrlos.
Großes erstrebt dein Wunsch, o Phaethon, was den geringen
Kräften mitnichten geziemt, noch so unmännlichen Jahren.
Dir fiel sterbliches Los; nicht sterblich ist, was du begehrest.
Höheres gar, als was zu erreichen den Himmlischen möglich,
Forderst du ohne Bedacht. Sich selbst mag jeder genügen;
Aber von allen vermag auf der feurigen Achse zu stehen
Keiner denn ich. Der Beherrscher sogar des weiten Olympos,
Der mit der schrecklichen Hand hinschmettert vernichtende Blitze,
Lenkt nicht dieses Gespann: und was gleicht Iupiters Größe?
Steil ist der Weg im Beginn, wo kaum in der Frühe die frischen
Rosse sich mühen hinan. Hoch steigt er inmitten des Himmels,
Wo tief unten das Meer und die Lande zu sehen mir selber
Oftmals graut und die Brust mir erbebt vor banger Besorgnis.
Jäh ist am Ende die Bahn und bedarf der sicheren Leitung.
Dann ist Tethys sogar, die mich in dem Schoß der Gewässer
Unten empfängt, in Furcht, dass schwindligem Sturz ich erliege.
Denke dazu, dass gerafft von ständigem Schwunge der Himmel
Mitzieht hohe Gestirn' und in eiligem Wirbel herumdreht.
Gegen ihn streb' ich mit Macht, und der Kraft, die alles bewältigt,
Trotz' ich und lenke die Fahrt entgegen der wälzenden Kreisung.
Lass dein sein das Gespann: was tätest du? Kannst du dich stemmen
Wider den rollenden Pol, dass nicht dich entführte die Achse?
Haine vielleicht auch dort und Häuser und Städte zu finden
Wähnst du in deinem Gemüt, und Tempel mit reichen Geschenken:
Durch Nachstellungen geht der Weg und Gebilde von Tieren.
Wenn du die Bahn auch hältst und nie abschweifst in die Irre,
Musst du durch das Gehörn des begegnenden Stieres dich winden,
Durch des Kentauren Geschoss und den Rachen des grimmigen Löwen,
Am Skorpion auch hin, der krümmt die dräuenden Scheren
Weit ausgreifend im Kreis, und am Krebs, der anders sie krümmet.
Auch ist dir das Gespann, vom sprühenden Feuer getrieben,
Das es verschließt in der Brust und aus Maul und Nüstern hervorschnaubt,
Nicht zu bändigen leicht. Kaum leiden mich selber die Rosse,
Wenn heiß drängt der Mut, und der Nacken erwehrt sich der Zügel.
Drum, dass nicht ich dir sei unseliger Gabe Verleiher,
Hüte dich, Sohn, und bess're den Wunsch, da noch es vergönnt ist.
Dass du von meinem Blut dich glaubest erzeugt mit Gewissheit,
Willst du ein sicheres Pfand. Ich gebe das Pfand durch Besorgnis:
Väterlich Bangen erweist als Vater mich. Schau und betrachte
Nur mein Gesicht! O könntest du mir in den Busen das Auge
Senken und innen die Angst des liebenden Vaters erkennen!
Ja, was immer die Welt - blick' um dich - heget an Reichtum,
Unter dem Köstlichen all auf Erden, im Meer und im Himmel
Wähle dir irgend ein Gut: nicht soll Fehlbitte dich kränken.
Steh' von dem einen nur ab, was Strafe mit richtigem Namen,
Ruhm nicht ist. Zum Geschenk, o Phaethon, heischest du Strafe.
Was umfängst du den Hals mir, Tor, mit schmeichelnden Armen?
Zweifle nicht, du erlangst - ich schwor bei den stygischen Fluten -,
Was du immer gewünscht; doch musst du verständiger wünschen."
Also mahnte der Gott. Doch jener verschmähet die Warnung
Und hält fest am Entschluss und brennt vor Begier nach dem Wagen.
Drum, so lange es vergönnt, noch säumig, geleitet der Zeuger
An Vulcanus' Geschenk, den erhabenen Wagen, den Jüngling.
Daran war golden die Achse und dunkel die Deichsel und golden
Außen am Rade der Kranz und silbern die Reihe der Speichen.
Chrysolithen am Joch und gereihte Edelgesteine
Gaben die Strahlen zurück dem widergespiegelten Phoibos.
Als noch dies und die Kunst der mutige Phaethon staunend
Musterte, sieh, da tut im geröteten Osten Aurora
Wach das purpurne Tor schon auf und den rosenbestreuten Vorhof.
Bald ist das Heer der Gestirne verscheucht, und den Zug schließt
Lucifer, welcher zuletzt abzieht von der Wache des Himmels.
Wie er der Erde ihn sah sich nahn und sich röten das Weltall
Und gleichsam an dem Monde die Enden der Hörner vergehen,
Heißt der Titan das Gespann anschirren die hurtigen Horen.
Rasch ist getan das Gebot, und die glutausschnaubenden Renner,
Die mit Ambrosiasaft sich gesättigt, führen von hohen
Krippen die Göttinnen her und befestigen klirrende Zäume.
Jetzt bestrich dem Sohne mit heiliger Salbe das Antlitz
Phoibos und ließ ihm Kraft, zu bestehen die sengende Flamme,
Und mit Strahlen umgab er sein Haar, und ahnend das Unheil
Drängte er Seufzer hervor aus bekümmertem Herzen und sagte:
"Kannst du wenigstens hier des Vaters Ermahnungen folgen:
Schone den Stachel, o Sohn, und kräftiger brauche die Zügel.
Selbst ja eilen sie schon. Müh ist's, ihr Streben zu hemmen.
Auch nicht wähle die Bahn durch die fünf gradlaufenden Bogen.
Schräghin zieht sich ein Pfad in weit abbiegender Krümmung,
Der, mit der Grenze begnügt von dreien der Zonen, vermeidet
So den südlichen Pol wie am nördlichen Himmel den Bären:
Dort einschlage den Weg. Du erkennst noch deutliche Gleise.
Und dass Himmel und Erde empfangen gleichmäßige Wärme,
Senke du nicht, noch treib' in die Höhe des Aithers den Wagen.
Gehst du hinauf zu hoch, so verbrennst du die himmlischen Häuser;
Gehst du zu tief, die Erde: am sichersten hältst du die Mitte.
Dass auch nicht rechts ab zur gewundenen Schlange dich reiße,
Noch dich führe das Rad links ab zum gesenkten Altare,
Halte dazwischen die Bahn. Des Weiteren walte Fortuna!
Möge sie besser als du Acht haben und helfen: ich wünsch' es.
Während ich rede, berührt das Ziel am hesperischen Strande
Längst die tauige Nacht. Nicht frei steht längere Säumnis.
Auf denn, es drängt! Hell glänzt, da geflohen das Dunkel, Aurora.
Nimm die Zügel zur Hand! Doch bist im Gemüte du lenksam,
Mache dir meinen Rat, nicht meinen Wagen zu Nutze,
Da du es kannst und Stand noch hast auf gediegenem Grunde,
Eh' ratlos du beschwerst die leider begehrte Achse.
Dass du sicher es schaust, lass Licht mich geben den Ländern."
Leicht im Schwung besteigt den flüchtigen Wagen der Jüngling
Und steht oben und hält in der Hand die gegebenen Zügel
Freudig und dankt von da dem nicht gutheißenden Vater.
Pyrois, Aithon indes und Eous und Phlegon der vierte,
Phoibos' Flügelgespann, erfüllen die Lüfte mit Wiehern
Flammenden Hauchs und schlagen im Drang mit den Hufen die Barren.
Als die Tethys zurück, nicht ahnend des Enkels Verhängnis,
Hatte geschoben und frei dalag der unendliche Weltraum,
Stürzen sie hastig dahin, und die Luft mit den Hufen zerteilend
Bahnen sie sich durch Wolken den Weg, und von Schwingen gehoben
Eilen dem Ost sie voraus, der weht von derselbigen Gegend.
Aber die Last war leicht und nicht zu verspüren dem edeln
Sonnengespann, und das Joch entbehrte der sonstigen Schwere.
So, wie das bauchige Schiff, dem fehlt die gebührende Ladung,
Schwankt und, weil es zu leicht, haltlos auf dem Meere dahintreibt,
Also, befreit vom gewohnten Gewicht, tut Sprünge der Wagen,
Und hoch wird er geschnellt in die Luft und erscheint wie ein leerer.
Aber das Viergespann stürzt wild, wie es solches gewahret,
Von dem befahrenen Raum und lässt von der früheren Ordnung.
Jener in Angst weiß nicht die geliehenen Zügel zu lenken,
Noch auch, welches der Weg, und wüsst' er es, wär' er doch machtlos.
Jetzt erwärmten zuerst von den Strahlen die kalten Trionen,
Und sie versuchten umsonst, in verbotene Flut sich zu tauchen;
Die sich gelagert zunächst dem eisigen Pole, die Schlange,
Träge von Kälte zuvor und keinem ein Bild des Entsetzens,
Taute auf und schwoll von der Glut zu neuem Ergrimmen.
Du auch flohest gestört nach der Sage von hinnen, Bootes,
Ob auch säumig du warst, und dich dein Wagen zurückhielt.
Doch als Phaethon jetzt, der unglückselige, schaute
Hoch vom Aither hinab auf die tief, tiefliegenden Länder,
Ward er bleich, und die Knie erbebten in plötzlichem Schrecken;
Und bei dem blendenden Licht umzog ihm Dunkel die Augen.
Hätt' er doch nie, so wünscht er, berührt die Rosse des Vaters!
Hätt' er doch nimmer erkannt das Geschlecht und erreicht das Verlangen!
Merops' Sohn gern blieb' er genannt. Nun irret er unstet
Wie vor dem stürmenden Nord ein Schiff, wenn die Zügel in Ohnmacht
Frei sein Lenker ihm gibt und es Göttern vertraut und Gelübden.
Was nun tun? Viel hat er bereits vom Himmel im Rücken;
Vor ihm dehnt sich mehr. Im Geiste bemisst er die Strecken.
Vorwärts bald, wohin das Geschick zu gelangen ihm wehret,
Schaut er, zum Untergang; bald rückwärts schaut er zum Auf gang.
Ratlos starrt er in Angst und lässt nicht fahren die Zügel,
Noch auch zieht er sie an, noch weiß er die Namen der Rosse.
Hier und da auch sieht er mit Zittern am wechselnden Himmel
Wundergestalten zerstreut und Gebilde von drohenden Tieren.
Südwärts zeigt sich ein Ort, wo die Scheren in doppelter Windung
Krümmt der Skorpion und, beugend den Schwanz und die Arme,
In den Bereich von zwei Sternzeichen die Glieder hinausreckt.
Als den Phaethon sah, wie er troff vom Schweiße des schwarzen
Giftes und ihn mit dem Stich des gebogenen Stachels bedrohte,
Ließ er, vor eisigem Schreck sinnlos, aus den Händen die Zügel.
Als die aber erschlafft nun oben die Rücken berührten,
Schweifen die Rosse vom Weg und sprengen, von keinem gehalten,
Durch den entlegensten Raum und, wohin sie treibt das Gelüste,
Jagen sie ohne Gesetz, und an Sterne, die oben im Aither
Fest stehn, rennen sie an und raffen den Wagen durch Wildnis
Bald in schwindelnde Höhn, bald fahren sie steil in die Tiefe
Auf abschüssigem Pfad und ganz nah an der Erde,
Und mit Verwunderung sieht tief unter dem ihrigen Luna
Laufen des Bruders Gespann, und es dampfen gesengt die Gewölke.
Feuer ergreift nunmehr an den ragenden Höhen die Erde:
Berstend zerreißt der Grund und lechzt, da die Säfte versieget.
Dürr entfärbt sich das Gras; mit dem Laube verbrennen die Bäume,
Und die getrocknete Saat gibt Stoff dem eignen Verderben –
Kleiner Verlust! Mit den Mauern vergehn großmächtige Städte;
Ganze Länder sogar mitsamt den bewohnenden Völkern
Wandelt in Asche der Brand. Mit den Bergen entbrennen die Wälder.
Athos, Tmolos entbrennt, der kilikische Tauros und Oite,
Ida, trocken anjetzt, vormals reichhaltig an Quellen,
Helikons Jungfraunhöh' und der später oiagrische Haimos.
Von der gedoppelten Glut brennt nun ins Unendliche Aitne;
Auch der geteilte Parnass und Kynthos und Othrys und Eryx,
Rhodope auch, nun endlich des Schnees entbehrend, und Mimas;
Dindyma, Mykale brennt und zur Feier erkoren Kithairon.
Keinen Gewinn vom Frost hat Skythien: Kaukasos brennet,
Ossa mit Pindus zugleich und groß vor beiden Olympos,
Luftige Alpenhöhn und der wolkige Apenninus.
Da sieht Phaethon nun, wie auf jeglicher Seite der Erdkreis
War von den Flammen erfasst, und er kann nicht ertragen die Hitze.
Kochende Luft, gleichwie dem Schlunde des Ofens entstiegen,
Atmet er ein, und fühlt, wie unter ihm glühet der Wagen,
Und nicht kann er die Asch' und die aufwärts fliegenden Funken
Länger bestehn, und es hüllt ihn rings heiß qualmender Rauch ein.
Schwarz von Dunkel umdrängt weiß er nicht, wohin er sich wende,
Noch wo er sei, und er irrt nach Gefallen der fliegenden Rosse.
Damals trat, wie man glaubt, das Blut Äthiopiens Völkern
Bis in die äußerste Haut und brachte die dunkele Farbe.
Libyen ward damals, weil die Glut aufzehrte die Nässe,
Trockener Sand. Damals mit zerstreuten Haaren beweinten
Quellen die Nymphen und Seen. Es vermisst die pirenischen Wellen
Ephyre, Argos vermisst Amymone, Böotien Dirke.
Nicht die Flüsse sogar, die empfangen geschiedene Ufer,
Bleiben verschont. Sieh, Tanais dampft inmitten der Wellen,
Auch Peneios der Greis und der Teuthranteer Kaikos
Und mit dem phegischen Strom Erymanthos der rasche Ismenos,
Xanthos bestimmt zu erneutem Brand und der gelbe Lykormas
Und, der treibt sein Spiel mit geschlängelten Wellen, Maiandros;
Melas, Mygdoniens Fluss, und der Tainarosstrom Eurotas.
Babylons Strom auch brennt, Euphrates; es brennet Orontes,
Ganges, Phasis zugleich und der schnelle Thermodon und Ister.
Siedend empört sich Alpheios, es brennt Spercheios' Gestade,
Und von den Gluten zerfließt das Gold, das Tagos herabführt.
Die mit hellem Gesang die maionischen Ufer erfüllten,
Wurden gewärmt, die Vögel der Flut, im Bett des Kaystros.
Fern ans Ende der Welt entwich der erschrockene Nilstrom,
Und er versteckte das Haupt, das er jetzt noch birgt, und die sieben
Mündungen lagen in Staub, nun sieben vertrocknete Täler.
Gleiches Geschick entleert die Ismarier Hebros und Strymon,
Padus und Rhodanus auch und den Rhein, die hesperischen Ströme,
Und, dem Obergewalt auf Erden verheißen, den Thybris.
Überall birst der Grund; in den Tartaros dringt durch die Spalten
Helle des Tags und schreckt mit der Gattin den König der Tiefe.
Selbst das Meer sinkt ein, und ein Feld von trockenem Sande
Steht, wo See jüngst stand, und Höhen, die unter der Fläche
Ruhten, steigen hervor und mehren zerstreute Kykladen.
Rettung sucht auf dem Grunde der Fisch, und über die Wogen
Wagt sich der krumme Delphin nicht mehr in die Lüfte zu schnellen.
Leblos schwimmen gestreckt auf den Rücken die Leiber von Robben
Oben umher auf der Flut. Selbst Nereus, meldet die Sage,
Hielt sich mit Doris versteckt und den Töchtern in laulichen Grotten.
Dreimal wagte Neptun aus dem Wasser zu heben die Arme
Und sein finstres Gesicht. Drei Male vertrieb ihn die Hitze.
Aber umströmt, wie sie war, hob jetzt die gütige Erde
Zwischen den Wassern der See und all den geflüchteten Quellen,
Die sich zusammengedrängt in dem Schoß der dunkelen Mutter,
Bis zum Halse gedörrt ihr allerzeugendes Antlitz
Und hielt schützend die Hand an die Stirn und bebte gewaltig,
Alles erschütternd umher, und versank um weniges tiefer,
Als sie gewöhnlich erscheint, und sprach mit dem heiligen Munde:
"Willst du es so und hab' ich's verdient, was, höchster der Götter,
Zaudert dein Blitz? Lass mich, wenn ich doch durch Feuer vergehn soll,
Durch dein Feuer vergehn! Im Verderb sei Trost der Verderber!
Kaum noch kann ich die Kehl' auftun, um solches zu reden –
Dampf schloss eben den Mund -, sieh hier die versengten Haare;
Siehe die Augen erfüllt und erfüllt von Asche das Antlitz!
Gibst du also mir Dank und Lohn für gedeihliches Schaffen
Und für treulichen Dienst, dass Wunden ich dulde vom Karste
Und vom gebogenen Pflug und ständig im Jahre gequält bin,
Dass ich dem Vieh sein Laub und die harmlose Speise der Feldfrucht
Reiche dem Menschengeschlecht und euch süßduftenden Weihrauch?
Aber, wenn ich das Verderben verwirkt, was haben die Wellen,
Was dein Bruder verwirkt? Warum denn fallen die Fluten,
Die ihm das Los zusprach, und stehen vom Aither entfernter?
Doch wenn weder zu mir, noch Liebe zum Bruder dich rühret,
Rühre dir doch dein Himmel das Herz. Schau um nach den Polen:
Beiden entsteigt schon Rauch. Wenn diese das Feuer versehret,
Stürzt das himmlische Haus euch ein. Schwer mühet sich Atlas,
Und kaum hält er gestützt mit den Schultern die glühende Achse.
Wird zunichte das Meer und die Erd' und die Feste des Himmels,
Dann in das Chaos zurück versinken wir. Rett' aus den Flammen,
Was noch übrig blieb, und berate das Beste des Weltalls."
Also hatte die Erde gesagt; denn nimmer ertragen
Konnte sie länger den Qualm, noch Weiteres reden; das Antlitz
Zog sie zurück in sich und in Höhlen, die näher den Manen.
Aber die Himmlischen nimmt der allmächtige Vater zu Zeugen
Und ihn selbst, der geliehn das Gespann, dass alles verderbe,
Rett' er nicht in der Not. Und er steigt auf die oberste Zinne,
Wo er Gewölk anhäuft und weit umziehet die Lande,
Wo er den Donner erregt und schleudert geschwungene Blitze.
Aber Gewölk war nicht, womit er umzöge die Lande,
Noch war Regen ihm jetzt zu Gebot, den er gösse vom Himmel.
Donner erscholl, und rechts vom Ohr auf den Lenker des Wagens
Sandt' er im Schwünge den Blitz, und vom Leben zugleich und den Rädern
Rafft er ihn weg und bezwang mit schrecklicher Flamme die Flammen.
Scheu fährt auf das Gespann und reißt im Sprung auf die Seite
Schleunig den Hals aus dem Joch und verlässt die zersprengten Riemen.
Dorthin fällt das Gebiss, und dort von der Deichsel gerissen
Liegt die Achse und hier die Speichen zerbrochener Räder,
Und weit fliegen zerstreut vom zertrümmerten Wagen die Reste.
Phaethon aber, vom Brand die rötlichen Haare verwüstet,
Stürzt kopfüber hinab, und im Strich langhin durch die Lüfte
Fliegt er, wie wenn ein Stern bisweilen dem heiteren Himmel
Wenn nicht wirklich entfällt, doch scheint, als ob er entfiele.
Fern vom heimischen Land nimmt jenen im Westen der große
Strom Eridanus auf und bespült sein rauchendes Antlitz.
Vom dreizackigen Strahl noch rauchend bestatten den Leichnam
Nymphen hesperischer Flut und zeichnen den Stein mit dem Worte:
"Phaethon ruht allhier, der lenkt den Wagen des Vaters.
Wenn er ihn auch nicht hielt, sank er doch in großem Beginnen."
Und sein Vater verbarg trostlos in schmerzlicher Trauer
Sein umhülltes Gesicht, und - wofern wir glauben der Sage –
Ohne die Sonne verging ein Tag. Die Lohe gewährte
Helle des Tags, und es bot doch einigen Nutzen das Unheil.
Klymene aber, nachdem sie gesagt, was alles zu sagen
Bei so schwerem Geschick, durchwanderte jammernd und sinnlos
Und mit zerrissenem Kleid am Busen die sämtlichen Lande;
Suchend die Glieder zuerst, bald nur die Gebeine des Toten,
Fand die Gebeine sie doch am fremden Gestade begraben,
Warf an der Stätte sich hin und begoss mit Zähren den Namen,
Den auf dem Marmor sie las, und wärmt' ihn am offenen Busen.
  2. Die Heliaden (340-366)
Ebenso weihn Wehklag' und Tränen des Sonnengotts Töchter,
Eitle Gabe, dem Tod, und die Brust mit den Händen sich schlagend
Rufen sie ihn, der nimmer vernimmt die schmerzlichen Klagen,
Phaethon, Tag und Nacht und werfen sich über das Grabmal.
Viermal war's, dass Luna den Kreis mit vereinigten Hörnern
Füllte: jene nach Brauch - Brauch ward aus dem steten Gebaren –
Schrieen ihr Ach und Weh. Da klagt Phaethusa, der Schwestern
Älteste, als sie den Leib auf die Erde gedachte zu lagern,
Dass ihr die Füße erstarrt. Die lichte Lampetie trachtet
Helfend der Schwester zu nahn und haftet an plötzlicher Wurzel.
Als mit den Händen das Haar sich wollte zerraufen die Dritte,
Rauft sie Laub. Die sieht mit Angst, wie die Schenkel ein Stamm hält;
Jene, wie länger gedehnt zu Ästen ihr werden die Arme.
Während sie staunen darob, umzieht schon Rinde die Weichen,
Und nacheinander um Bauch und Brust und Schultern und Hände
Schlingt sie sich; frei war nichts als der Mund, der rief nach der Mutter.
Was kann diese noch tun als hierhin eilen und dorthin,
Wo sie das Herz hinzieht, und küssen, solang es vergönnt ist?
Das nicht bloß: sie versucht von den Stämmen zu reißen die Leiber
Und mit der Hand das zarte Gezweig zu brechen. Da rinnen
Blutige Tropfen herab, gleichwie aus offener Wunde.
"Mutter, o schone doch mein!" ruft jegliche, wie sie verletzt wird,
"Schone doch mein! Mein Leib ja wird in dem Baume zerrissen.
Lebe denn wohl!" Und Rinde verschloss die redenden Lippen.
Tränen noch fließen heraus und erstarren, vom jungen Gezweige
Tropfend, am sonnigen Strahl zu Bernstein, welchen der klare
Strom aufnimmt und sendet zum Schmuck den latinischen Frauen.
  3. Cygnus (367-400)


Zeuge des Wundergeschicks war Kyknos, des Sthenelos Sprössling,
Welcher, obwohl durch Blut dir verwandt von Seiten der Mutter,
Näher dir, Phaethon, stand durch treue Gesinnung. Verlassen -
Denn der Ligurer Volk und mächtige Städte beherrscht' er –
Hatt' er sein Reich und erfüllt mit Klagen die grünenden Ufer
Und des Eridanos Strom und den Wald, den mehrten die Schwestern.
Siehe, verdünnt ist die Stimme dem Mann, und weißes Gefieder
Macht unkenntlich das Haar, und lang von der Brust in die Höhe
Streckt sich der Hals, und ein Band verknüpft die geröteten Zehen;
Fittiche wachsen ihm an; stumpf ragt ein Schnabel am Munde.
Neu wird Kyknos ein Schwan, und er traut nicht Iupiters Himmel,
Wie des Feuers gedenk, das jener gesendet mit Unrecht;
Weiher bewohnt er und offene Seen, und hassend das Feuer
Hat er gewählt zum Sitze der Glut feindselige Wasser.
Phaethons Vater indes im Trauergewand und entbehrend
Selber der schimmernden Pracht, wie er pflegt zu sein, wenn er finster
Mangelt der Welt, verwünscht das Licht und sich mit dem Tage,
Senkt in Trauer das Herz und fügt noch Groll zu der Trauer,
Und er verweigert der Welt den Dienst. "Unruhig", begann er,
"War zur Genüge mein Los von der Zeiten Beginn, und es reut mich
Jetzt der Mühn, die ich ohn' End', ohn' Ehre bestanden.
Fahre denn nun, wer will, den Licht herführenden Wagen,
Und mag keiner, gestehn die Ohnmacht sämtliche Götter,
Fahr' er selbst, dass doch, wenn er meine Zügel versuchet,
Einmal ruhe der Blitz, womit er verwaiset die Väter.
Hat er gespürt die Kraft der feurigen Renner, so sieht er,
Dass nicht den Tod verschuldet, wer nicht sie tüchtig gelenket."
Als so redete Sol, umstehn ihn alle die Götter:
Dass er mit finsterer Nacht nicht wolle verhüllen das Weltall,
Bitten sie flehenden Tons. Das geschleuderte Feuer entschuldigt
Iupiter auch und fügt noch königlich Drohen zur Bitte.
Da holt ein die vom Schreck noch betäubten und bebenden Rosse
Phoibos und lässt dran aus mit Stachel und Geißel den Ingrimm;
Denn Grimm hegt er und schiebt auf jene des Sohnes Verderben.
  4. Callisto und Arcas (401-530)



Achtsam aber umgeht der allmächtige Vater des Himmels
Riesige Mauern und forscht, ob nichts einstürze, zerrüttet
Durch des Feuers Gewalt. Wie er fest noch alles gefunden
Und in tüchtigem Stand, durchspäht er die Erd' und der Menschen
Arbeit. Aber zumeist für sein Arkadien ist er
Liebend besorgt. Neu stellt er her die Quellen und Flüsse,
Die noch scheuen den Lauf; Gras gibt er dem Boden, den Bäumen
Wieder ihr Laub und heißt frisch grünen beschädigte Wälder.
Während er geht und kommt, hat eine nonakrische Jungfrau
Fest ihn gebannt, und es brennt im Mark das empfangene Feuer.
Nicht war jener Geschäft, die Wolle geschmeidig zu ziehen,
Noch zu verändern das Haar in Tracht. Wenn die Spange das Kleid ihr
Und ein schneeiges Band nachlässige Locken gefesselt
Und den geglätteten Spieß sie führte oder den Bogen,
War sie in Phoibes Gefolg, und der Trivia werter besuchte
Keine des Mainalos Höhn. Doch Macht ist nimmer beständig.
Über die Mitte hinaus stand hoch am Himmel die Sonne,
Als sie trat in den Hain, den kein Zeitalter gelichtet.
Drauf von der Achsel nahm sie den Köcher und spannte den straffen
Bogen zurück und ließ auf dem grasigen Boden sich nieder,
Und ausruhend beschwert' ihr Haupt den bebilderten Köcher.
Iupiter, wie er sie sah daliegen von keinem gehütet,
Sprach: "Diesmal wird nichts von dem Handel erfahren die Gattin,
Oder erfährt sie es auch: was kann ihr Schelten mich kümmern?"
Gleich nun zeigt er sich in Gestalt und Tracht der Diana:
"Jungfrau", sagt er zu ihr, "du meiner Gefährtinnen eine,
Wo im Gebirg' heut' hast du gejagt?" Sie erhebt sich vom Rasen:
»Sei mir", sprach sie, "gegrüßt, o Gottheit meines Bedünkens
Höher, und hört er es selbst, als Iupiter!" Lachend vernimmt er's,
Froh, dass sie über ihn selbst ihn stellt, und bedeckt sie mit Küssen
Nicht in züchtigem Maß und nicht nach Sitte der Jungfraun.
Wie sie beginnt, in welchem Gehölz sie gejagt, zu erzählen,
Hindert er's durch Umfangen, nicht ohne Vergehn sich verratend.
Zwar sie kämpft und ringt, so viel ein Mädchen vermögend -
Sähest du zu, o Tochter Saturns, du wärest gelinder! -
Zwar sie ringt; doch welch ein Weib, ja wer von den Göttern
Hielte vor Iupiter Stand? Siegreich kehrt wieder zum Aither
Iupiter. Ihr ist verhasst das Gebüsch und die wissende Waldung,
Und sie vergaß, wie sie wandte den Fuß, fast Köcher und Pfeile
Aufzuheben vom Gras und vom Aste zu nehmen den Bogen.
Sieh, Diktynna einher auf der Höhe des Mainalos schreitend,
Von dem Gefolg umringt und stolz auf des Wildes Erlegung,
Wird sie gewahr und ruft sie her. Die Gerufene fliehet
Und hegt Furcht im Beginn, dass Iupiter sei in der Jungfrau.
Als sie jedoch nun auch sah nahn die begleitenden Nymphen,
Wusste sie, Trug sei fern, und trat in die Reihe der andern.
Ach, wie fällt es so schwer, nicht die Schuld zu verraten im Antlitz!
Kaum vom Boden erhebt sie den Blick; nicht ist sie der Göttin
Immer zur Seite wie sonst und nicht im Zuge die erste,
Sondern sie schweigt und beweist die beleidigte Scham durch Erröten.
Wäre sie Jungfrau nicht, wohl könnte Diana an tausend
Zeichen erkennen die Schuld. Die Nymphen erkannten sie, sagt man.
Wieder erhoben am Mond sich die Hörner zum neunten der Kreise,
Als beim Jagen, erschöpft von den Flammen des Bruders, die Göttin
Kam in ein kühles Gehölz, aus dem mit Gemurmel ein Bächlein
Rann und im gleitenden Lauf mitrollte geglättete Steinchen.
Wie sie die Stätte gelobt, senkt leicht sie den Fuß in die Wellen;
Die auch lobt sie und spricht: "Nah ist kein spähender Zeuge;
Lasst uns baden den Leib in den überströmenden Wassern."
Schamrot steht die Parrhaserin da. Sie entkleiden sich alle;
Eine nur sucht Verzug; der Zögernden nimmt man die Hülle.
Wie das Gewand hinfällt, wird sichtbar die Schuld mit der Nacktheit.
Jene gedachte bestürzt, mit den Händen den Schoß zu verdecken:
"Geh", sprach Cynthia, "fern von hier, dass die heilige Quelle
Nicht du entweihst!" und gebot ihr zu weichen aus ihrem Gefolge.
Längst schon hatt' es gemerkt des mächtigen Donnerers Gattin
Und auf gelegene Zeit die empfindliche Rache verschoben.
Grund ist nicht zum Verzug; denn schon war Arkas der Knabe –
Dieses zumeist war Iunos Verdruss - von der Buhle geboren.
Als sie den zornigen Sinn auf ihn mit dem Auge gerichtet:
"Das noch hatte gefehlt fürwahr, Ehbrecherin", sprach sie,
"Dass Frucht reifte von dir, und ruchbar würde die Kränkung
Durch die Geburt und meines Gemahls Unehre bezeuget.
Du sollst büßen dafür. Ich will die Gestalt dir benehmen,
Freche, darin du gefällst dir selber und meinem Gcmahle.
"Sprach's und fasste sie vorn an der Stirn bei den Haaren und warf sie
Mit dem Gesicht auf den Grund. Demütig erhob sie die Arme:
Sieh, da hüllten sich rauh in schwärzliche Zotten die Arme,
Und krumm wurden die Händ' und erwuchsen zu kralligen Tatzen,
Nun als Füße gebraucht, und durch weit offenen Rachen
Ward entstellt das Gesicht, das Iupiter hatte gepriesen.
Dass auch Bitten das Herz nicht rührten und flehende Worte,
Wird ihr die Sprache geraubt. Ein Laut nur zornig und drohend
Und voll Schrecken und Graus entringt sich der heiseren Kehle
Aber der frühere Sinn bleibt auch, da sie Bärin geworden,
Und sie bekundet den Schmerz durch unablässiges Stöhnen
Und hebt so, wie sie sind, zu Himmel und Sternen die Hände
Und klagt Iupiter an, weil Rede gebricht, in Gedanken.
Ach, wie irrte sie oft, da sie nicht in der Öde des Waldes
Wagte zu ruhn, vor dem Haus und im Feld, das selbst sie besessen!
Ach, wie oft durch Felsen gejagt vom Bellen der Hunde
Floh sie dahin voll Angst, die Jägerin bang vor den Jägern!
Oft, wenn sie Wild gesehn, versteckt sie sich ihrer vergessend,
Und vor Bären erschrickt, die sie schaut im Gebirge, die Bärin,
Und sie erbebt vor Wölfen, wiewohl ihr Vater dabei war.
Siehe, der Sproß von Lykaons Geschlecht, nicht kennend die Mutter,
Arkas, erscheint, dem fast dreimal fünf Jahre vergangen.
Während er folgt dem Wild und günstige Forste sich aussucht
Und mit geflochtenem Garn umstellt erymanthische Wälder,
Trifft er die Mutter, und sobald sie gewahret den Arkas,
Steht sie still und gleicht der Erkennenden. Jener erschrocken
Bebt - denn er kannte sie nicht - vor ihr, die das starrende Auge
Endlos richtet auf ihn, und da näher zu gehn sie begehrte,
Wollt' er die Brust ihr schon durchbohren mit tödlicher Waffe.
Doch der Allmächtige schützt, und zugleich sie selbst und die Untat
Hebt er hinweg, und im Sturm durch luftige Leere sie raffend
Stellt er am Himmel sie hin und macht sie zu Nachbargestirnen.
Da schwoll Iuno im Zorn, als unter den Sternen die Buhle
Leuchtete. Nieder zum Greis Okeanus und zu der grauen
Tethys stieg sie ins Meer, die oft schon weckten den Göttern
Heilige Scheu, und gefragt um des Wegs Ursache begann sie:
"Was vom aitherischen Sitz der Unsterblichen Königin führe,
Fragt ihr, zu euch? Jetzt herrscht ein anderes Weib in dem Himmel.
Lügnerin heiß' ich, wofern, wenn die Nacht verfinstert das Weltall,
Hoch am Himmel ihr nicht die neulich verherrlichten Sterne,
Mein Leidwesen, erblickt dort, wo um das Ende der Achse
Sich der äußerste Kreis und im Räume der kürzeste windet.
Soll noch einer sich scheun, die Iuno zu kränken, und zittern
Vor der Beleidigten Zorn, die allein nur nützt, wo sie schadet?
Seht, was ich Großes getan, wie endlos meine Gewalt ist!
Mensch nicht ließ ich sie sein, sie ist Göttin. Also verhäng' ich
Strafe dem schuldigen Tun; so weit reicht mein Vermögen!
Lass' er die alte Gestalt doch kehren und schwinden des Raubtiers
Züge, wie schon er getan bei der Phoronide von Argos.
Warum freit er sie nicht und führt sie, Iuno verstoßend,
In mein Ehegemach und nimmt zum Schwäher Lykaon?
Aber wofern euch rührt die Schmach des beleidigten Zöglings,
Haltet vom bläulichen Grund stets ferne die sieben Trionen,
Und das Gestirn, das steht am Himmel zum Lohne der Unzucht,
Scheucht, dass nicht in die lautere Flut sich tauche die Buhle."
  5. Coronis (531-632)



Folgsam nickten des Meers Gottheiten. Auf lenksamem Wagen
Steigt die Tochter Saturns in die Luft mit den farbigen Pfauen,
Denen der farbige Glanz jüngst ward nach Argos' Erlegung,
Ähnlich wie jüngst auch du dich kleidetest, schwatzender Rabe,
Während du weiß erst warst, urplötzlich in schwarzes Gefieder.
Silbern erglänzte zuvor mit schneeigen Federn der Vogel,
Dass den Tauben er glich, daran kein Makel zu sehen,
Und mit den Gänsen sich maß, die mit wachsamer Stimme bewahrten
Roms Capitol nachmals, und mit wellenbefreundeten Schwänen.
Ihm war die Zunge Verderb. Durch Schuld der geschwätzigen Zunge
Hat sich das blendende Weiß in dunkle Farbe gewandelt.
Reizender war kein Weib im Haimonierland, als Koronis,
Aus Larissa entstammt. Du liebtest sie, delphischer Jüngling,
Als keusch oder belauscht von keinem sie war. Doch des Phoibos
Vogel ertappte sie einst in Buhlschaft, und zu entdecken
Jenem die heimliche Schuld, ein unnachsichtiger Bote,
Nahm er schleunig den Weg zum Herrn. Mit geschwungenen Flügeln
Folgt ihm, dass sie genau es erführe, die plaudernde Krähe.
Als sie vernommen des Wegs Ursache, begann sie: "Zum Heil nicht
Tust du den Gang. Gib acht, was meine Zunge voraussagt!
Sieh, was ich war, was ich bin, und frage, warum es geschehen:
Treue, so wirst du sehn, war Verderb. Einst hatte den Sprössling,
Welchen gebar kein Weib, Erichthonios, Pallas verschlossen
In dem geflochtenen Korb, der gemacht von aktaiischem Reisig,
Und ihn vertraut den drei Jungfrauen, des doppelten Kekrops
Töchtern, zur Hut, doch sollten sie nicht das Verborgene schauen:
Mitten im regsamen Laub versteckt auf der buschigen Ulme
Sah ich ihr Tun. Das Anvertraute wahren die beiden,
Herse und Pandrosos, treu. Doch eine der Schwestern, Aglauros,
Nennt sie feig und trennt das Geflecht mit den Händen, und innen
Sehen sie liegen ein Kind und einen sich reckenden Drachen.
Pallas tu' ich es kund. Dafür wird mir die Belohnung
Also gezollt, dass ich heiße verjagt aus dem Schutze Minervas,
Und mich verdrängt der Vogel der Nacht. Dem Geflügel zur Warnung
Sei mein Los, dass keiner Gefahr mit der Stimme sich schaffe.
Aber von selbst wohl nicht, da nimmer ich solches begehret,
Wählte sie mich? Das magst du von Pallas selber erfragen.
Wie auch zürnend sie sei, nicht wird es die Zürnende leugnen.
Denn mich zeugte, berühmt im phokischen Lande, Koroneus -
Kund ist, was du da hörst - und ich war einst Königstochter
Und - nicht denke gering - von reichen Bewerbern begehret.
Schönheit war mir Verderb. Denn während ich einst, wie ich pflege,
Oben im Sand mich erging am Gestade mit langsamen Schritten,
Sah mich der Herrscher des Meers und erglühte, und wie er lange
Hatte verschwendet die Zeit mit Bitten und schmeichelnder Rede,
Sinnt er Gewalt und verfolgt mich. Ich flieh' und verlasse den festen
Strand und mühe mich ab umsonst in dem lockeren Sande.
Himmlische ruf ich zum Schutz und Sterbliche; aber zu keinem
Menschen gelangte mein Ruf. Für die Jungfrau sorgte die Jungfrau,
Und sie rettete mich. Zum Himmel erhob ich die Arme:
Leichtes Gefieder begann die gehobenen Arme zu schwärzen.
Rückwärts war ich bemüht das Gewand von der Schulter zu werfen:
Flaum war jenes und stak schon fest in der Haut mit den Wurzeln.
Jetzt versucht' ich die nackte Brust mit den Händen zu geißeln:
Nackte Brust war mir nicht, noch waren mir Hände geblieben.
Laufend erhob ich den Fuß: nicht hemmte der Sand ihn wie vormals;
Leicht nur schwebt' ich am Boden dahin, und bald in die Lüfte
Schwang ich mich auf und ward schuldlose Gefährtin Minervas.
  6. Nyctimene (589-632)
Doch was frommt mir das, wenn Nyktimene, welche zum Vogel
Ward durch grässliche Schuld, auf mich in der Ehre gefolgt ist?
Oder ist dir noch nicht die Geschichte zu Ohren gekommen
Auf ganz Lesbos bekannt, wie Nyktimene ihres Erzeugers
Lager entweiht? Auch jetzt als Vogel, bewusst des Verbrechens,
Flieht sie die Blicke der Welt und die Helle des Tags, und im Dunkel
Birgt sie die Schmach und wird von allen verjagt aus dem Aither."
Also plauderte sie. "Verwünscht", antwortet der Rabe,
"Seist du mit deinem Geschwätz! Ich spotte der nichtigen Warnung.
"Und er vollbringt den begonnenen Weg und erzählt dem Gebieter,
Dass er Koronis gesehn bei einem hαιmonischen Jüngling.
Wie von der Schuld der Liebende hört, entfällt ihm der Lorbeer,
Und mit dem Schlägel verliert die Farbe zugleich und die heitre
Miene der Gott. Wie die Brust dann kochte von wallendem Zorne,
Packt er die ständige Wehr und spannt, an den Hörnern ihn krümmend,
Straff den Bogen und trifft die Brust, die zuvor an der seinen
Hatte geruht so oft, mit dem unvermeidbaren Pfeile.
Doch die Getroffene ächzt und beströmt mit purpurnem Blute,
Als sie den Stahl auszog aus der Wunde, die blendenden Glieder
Und sie begann: "Ich konnte den Fehl, o Phoibos, dir büßen,
Aber gebären zuvor. Zwei sterben wir nun in der einen."
610



Weiteres sagte sie nicht, mit dem Blute verrann ihr das Leben.
In den entseelten Leib zog ein die Kälte des Todes.
Ach, den Liebenden reut zu spät die grausame Strafe,
Und sich, dass er es hört' und so aufloderte, hasst er,
Hasst den Vogel zugleich, der ihn zu erfahren den Treubruch
615




Zwang, die Quelle des Grams; nicht minder die Hand und den Bogen
Hasst er und mit der Hand die zu voreiligen Pfeile,
Und die Gesunkene wärmt er und strebt zu zwingen das Schicksal
Durch zu spätes Bemühn und übt nichts fruchtende Heilkunst.
Als er verloren die Müh' nun sah und errichtet den Holzstoß
Und zu verbrennen bereit in dem Leichenfeuer die Glieder,
Da stieß klagend der Gott - denn es ziemt nicht himmlischem Antlitz
Feucht von Tränen zu sein - aus innerstem Herzen gepresste
Seufzer hervor, nicht anders, als wenn vor den Augen des Rindes
Schallenden Schlages das Beil, rechtsher vom Ohre geschwungen,
Plötzlich dem saugenden Kalb die gewölbten Schläfen zerschmettert.
Wie er jedoch auf die Brust dankmissende Düfte gegossen
Und sie umarmt und getan, was wider Gebühr ihr gebührte,
Duldete Phoibos es nicht, dass auch sein Same in Asche
Sinke mit ihr. Aus den Flammen hervor und dem Schöße der Mutter
Riss er den Sohn und trug ihn zur Höhle des zwiefachen Cheiron.
Doch ihm, welcher für sich den Lohn untrüglicher Zunge
Hoffte, dem Raben, verbot er, bei weißem Geflügel zu sitzen.
  7. Ocyrrhoe (633-675)

Aber der Halbmensch war auf den Zögling göttlichen Stammes
Stolz indes, und er trug mit Freuden die ehrende Bürde.
Siehe, da kommt, die Schultern umwallt von rötlichem Haupthaar,
Cheirons Tochter herzu, die am Ufer des reißenden Stromes
War in vergangener Zeit von der Nymphe Chariklo geboren
Und Okyrhoe hieß. Zu verstehen die Künste des Vaters
War noch nicht ihr genug; sie sang der Geschicke Geheimnis.
Die nun, wie im Gemüt sie ergriff weissagender Wahnsinn
Und sie erfüllte der Gott, den sie trug im Busen verschlossen,
Schaute das Kind und rief: "Heilbringer dem Kreise der Lande
Wachse, du Knabe, heran! Dir werden der Sterblichen Leiber
Oftmals danken sich selbst. Du darfst das genommene Leben
Führen zurück; doch wagst du den Göttern zuwider es einmal,
Wird dies ferner zu tun dein Ahn mit der Flamme dir wehren.
Leichnam wirst du sodann, kein Gott mehr sein, und vom Leichnam
Wandelst du dich zum Gott, und zweimal wechselt dein Schicksal.
Du auch wirst, kein Sterblicher jetzt, o teuerer Vater,
Da dich bestimmt die Geburt, zu bleiben in ewigen Zeiten,
Einst dir wünschen den Tod, wenn in den verwundeten Gliedern
Brennend dich martert und quält das Blut der entsetzlichen Schlange.
Dir, dem Ewigen, gibt dann Tod zu erleiden die Gottheit,
Und dir wird von den drei Göttinnen der Faden zerschnitten."
Übrig war vom Geschick noch einiges. Tief aus dem Busen
Seufzt sie auf und benetzt mit quellenden Tränen die Wangen.
"Ach, mir kommt zuvor das Schicksal", rief sie, "versagt ist
Weiteres Wort, und der Stimme Gebrauch schon wird mir benommen.
So viel ist ja die Kunst nicht wert, die das Zürnen der Gottheit
Auf mich zog. O hätt' ich doch nimmer geschaut in die Zukunft!
Schon entweicht allmählich - so scheint mir - das menschliche Antlitz,
Schon lockt Gras als Kost; schon durch die Gefilde zu laufen
Treibt mich die Lust. Die verwandte Gestalt der Stute gewinn' ich
Aber warum denn ganz? Ist doch zweileibig mein Vater."
Also redete sie, doch war am Schlusse die Klage
Wenig verständlich bereits, und es waren verworrene Worte;
Nicht mehr Worte sodann; doch schien's nicht Stimme des Rosses,
Nur als ob sie ein Ross nachahmte. Aber in kurzem
Wieherte wirklich ihr Mund, und sie neigte die Arme zum Grase.
Bald sind die Finger verknüpft, und je fünf Nägel verbindet
Mit fortgehendem Hörn ein Huf. Zu größerer Weite
Dehnt sich der Mund und der Hals. Das Ende des wallenden Mantels
Wurde zum Schweif, und das Haar, wie es lose den Nacken bedeckte,
Senkte sich rechts als Mähne hinab. Neu wurde die Stimme
Und das Gesicht. Auch gab ihr anderen Namen das Wunder.
  8. Battus (676-707)



Weinend begehrte von dir Beistand der philyrische Heros,
Delphischer Gott, umsonst. Denn vernichten den Willen des großen
Iupiter konntest du nicht, und wenn du ihn könntest vernichten,
Warst du doch fern. Du zogest in Elis umher und Messene.
Damals war's, wie ein Fell nach Sitte der Hirten dich deckte
Und in der Linken den Stab aus dem Walde du trugst, in der ändern
Hieltest das flötende Spiel mit den sieben gestuften Rohren.
Während der Liebe du frönst, und der Pfeife Getön dich ergötzet,
Wanderten unbewacht auf die pylischen Äcker die Kühe,
Wie uns kündet die Mär. Sie sieht der atlantischen Maia
Sohn und treibt sie hinweg und versteckt sie schlau in dem Walde.
Niemand hatte bemerkt den Diebstahl außer ein Alter,
Dort in den Fluren bekannt; die Nachbarn nannten ihn Battos.
Über die Triften im Wald und die grasigen Weiden des reichen
Neleus hatt' er die Hut und die Herden erlesener Stuten.
Ihn zog jener besorgt mit schmeichelnder Hand auf die Seite:
"Fremdling, wer du nur bist, wenn einer dich fraget, so leugne",
Sprach er, "dass du gesehen das Vieh. Und damit du den Dienst nicht
Tust umsonst, nimm hier dir die stattliche Kuh zur Belohnung,
Und er gab ihm die Kuh. Sie nehmend erwidert der Fremdling:
"Gehe getrost! Der Stein wird eher verraten den Diebstahl."
Und er wies auf den Stein. Zum Schein geht Iupiters Sprössling,
Doch bald kehrt er und spricht in Gestalt und Stimme verändert:
"Sähest du Rinder vielleicht hier gehen des Weges, o Landmann,
Sei mir behilflich dazu und sei kein Hehler des Raubes!
Siehe, zum Lohn auch wird dir die Kuh mit dem Stiere gepaaret."
Da sich verdoppelt der Preis, antwortet der Alte:
"Sie müssen Dort sein unten am Berg. Dort waren sie unten am Berge."
"Mich verrätst du an mich?" sagt lachend der Atlantide,
"Mich, Treuloser, an mich?" Und er macht zum Felsen verhärtet
Sein wortbrüchiges Herz. Noch heißt der Stein der Verräter,
Und unschuldigem Fels ist die Schande geblieben von alters.
  9. Aglauros (708-832)

Schwebend erhob sich von dort mit den Schwingen der göttliche
Herold; Auf die munychische Flur und das Lieblingsland der Minerva
Sah er im Fluge hinab und die Bäume des schmucken Lykeions.
Und es geschah an dem Tag, dass züchtige Mädchen die reinen,
Heiligen Gaben gemäß dem Brauch in bekränzten Körben
Trugen zur festlichen Burg der Pallas hinan auf dem Scheitel.
Dorther sieht der geflügelte Gott sie kehren, und gradaus
Nimmt er den Weg nicht ferner; er kreist im ständigen Ringe.
Gleich wie, wenn er gesehn die Geweide, der räub'rische Weihe,
Da er sich scheut und die Diener gedrängt umstehen das Opfer,
Sich in der Runde bewegt und weit nicht mag sich entfernen
Und heißhungrig umfliegt mit schlagenden Schwingen die Beute,
Also beugt den Flug der behende kyllenische Jüngling,
Ob der aktaiischen Burg durchkreisend die selbigen Lüfte.
So wie Lucifer licht vor den anderen Sternen erglänzet,
Und vor Lucifer licht erglänzt die goldene Phoibe,
So ging herrlich einher in Schöne vor allen den Jungfraun
Herse und war des Zugs und ihrer Gefährtinnen Zierde.
Ob der Gestalt staunt Iupiters Sohn, und schwebend im Aither
Ist er im Herzen entbrannt, wie wenn balearische Schleudern
Schnellen das Blei. Das fliegt und erglüht von der steten Bewegung
Feuer, das nicht es gehabt, in der Höhe der Wolken gewinnend.
Anderen Weg nun nimmt er, anstatt nach dem Himmel zur Erde,
Und er verstellt sich nicht: so schenkt er Vertrauen dem Wuchse.
Sei untadlig er schon, doch strebt er sich noch zu verschonen:
Achtsam streicht er das Haar und sorgt, dass zierlich der Mantel
Falle und dass der Besatz recht sichtbar sei und der Goldschmuck,
Dass der gerundete Stab, der bringt und bannet den Schlummer,
Sei in der Hand, dass am sauberen Fuße die Fittiche glänzen.
Drei Gemächer, geziert mit Elfenbein und mit Schildpatt,
Waren im inneren Haus. Du, Pandrosos, hattest das rechte
Inne, das linke Gemach Aglauros, das mittlere Herse.
Die so das linke besaß, nahm wahr Mercurius' Ankunft
Jetzt zuerst, und sie wagte den Gott nach dem Namen zu fragen
Und weshalb er genaht. "Ich bin", so sprach er, "des Atlas
Und der Pleione Spross, der des Vaters befohlene Worte
Trägt durch die Lüfte dahin. Mein Vater ist Iupiter selber.
Vorwand sinn' ich dir nicht. In Treue der Schwester ergeben
Sei du nur, und lass Muhme meines Geschlechtes dich nennen.
Herse gilt der Besuch: den Liebenden, flehn wir, fördre."
Spähend betrachtet den Gott mit den nämlichen Augen Aglauros,
Womit jüngst sie geschaut der blonden Minerva Geheimnis,
Und schwer wiegendes Gold zum Lohn des gefälligen Dienstes
Heischt sie für sich. Doch muss er das Haus inzwischen verlassen.
Auf sie wandte den Blick umdüstert die kriegende Göttin,
Und mit solcher Gewalt aus dem Innersten drängte sie Seufzer,
Dass sie erschüttert die Brust und zugleich aufbebte die Aigis
Über der streitbaren Brust. Sie gedenkt, wie frech das Geheimnis
War von jener enthüllt, da sie einst des lemnischen Gottes
Mutterentbehrenden Sohn dem Beding zuwider erblickte,
Und wie lieb sie dem Gott und lieb nun würde der Schwester
Und noch reich nach des Goldes Empfang, das sie geizig gefordert.
  10. Invidia (760-811)
Rasch zu der Missgunst Haus, das strotzt von schwärzendem Moder,
Nimmt sie den Weg. Tief unten versteckt in entlegenem Tale
Steht ihr Haus, der Sonne beraubt, nie offen den Winden,
Traurig und arm und voll erstarrten Frostes und ständig
Bar der erwärmenden Glut und beständig belastet mit Dunkel.
Als hierhin sie gelangt, die streitbare männliche Jungfrau,
Bleibt sie stehn vor dem Haus - denn selbst zu betreten die Wohnstatt
Ziemt ihr nicht - und klopft mit der Spitze des Speers an die Pfosten.
Gleich ging auf die erschütterte Tür. Da sieht sie die Missgunst
Drinnen am Natternfleische, der Speise der tückischen Laster,
Nagen und wendet sich ab von dem Anblick. Aber die Missgunst
Hebt vom Boden sich träg und lässt die Leiber der Schlangen,
Die sie zur Hälfte verzehrt, und naht schwerfälligen Schrittes.
Wie sie die Göttin gewahrt von Gestalt ansehnlich und Waffen,
Seufzt sie auf und verzieht bei dem tiefem Gestöhne das Antlitz.
Bleichheit wohnt im Gesicht, und am Leib ist schmächtige Dürre
Nirgends ein sicherer Blick; gelb sind vom Roste die Zähne,
Grün von Galle die Brust, voll giftigen Geifers die Zunge.
Lachen ist fern, wenn nicht es erregen gesehene Schmerzen;
Nie auch labt sie der Schlaf, da wachsame Sorgen sie stören,
Sondern sie schaut, und vergeht vor Unlust über den Anblick
Lästigen Menschenglücks und nagt an sich und an ändern
Und ist Marter sich selbst. Ob auch Abscheu sie erfüllte,
Redete kurz sie doch Tritonia an mit den Worten:
"Senke dein zehrendes Gift in die eine der Töchter des Kekrops -
Solches ist Not - die Aglauros sich nennt." Nicht Weiteres redend
Floh sie und drängte zurück mit gestemmter Lanze die Erde.
Jene mit schielendem Blick nachsehend der fliehenden Göttin
Murmelte leise für sich; denn dass es erreichte Minerva,
Kränkte sie. Und sie ergreift den Stab, den Dornengeflechte
Ringsum hielten verhüllt, und bedeckt von schwarzem Gewölke
Tritt, wo immer sie wandelt, die blühenden Knospen sie nieder
Und macht dorren das Gras und knickt die obersten Spitzen.
Völker befleckt und Städte zugleich und Häuser des Mundes
Anhauch. Endlich erblickt sie die hehre tritonische Feste,
Die vorleuchtet an Geist und Macht und festlichem Frieden.
Tränen versagt sie sich kaum, da sie Tränenwertes vermisset.
Als sie nun das Gemach der kekropischen Tochter betreten,
Richtet sie aus den Befehl und rührt mit der rostigen Rechten
Ihr an die Brust und erfüllt ihr Herz mit stachligen Dornen,
Flößt das verderbliche Gift ihr ein, und durch die Gebeine
Gießt sie schwarz wie Pech und tief in die Lunge den Geifer.
Dass durch weiteren Raum nicht schweife die Quelle des Leidens,
Rückt sie der Herse Gestalt ihr vor und der glücklichen Schwester
Liebesverein und den Gott im lockenden Bilde der Schönheit.
Alles vergrößert sie noch, dass Kekrops' Tochter gestachelt
Am still nagenden Schmerz erkrankt und ängstlich in Nächten,
Ängstlich seufzt des Tags und kläglich am schleichenden Gifte
Hinsiecht, ähnlich dem Eis, das schmelzt die unsichere Sonne.
Also brennt in ihr das Glück der begünstigten Herse,
Wie wenn Glut manchmal an dornige Sträucher gelegt wird,
Die nicht lodern im Brand und langsam glimmend verkohlen.
Sterben wollte sie oft, um nicht dergleichen zu sehen,
Oft auch als ein Vergehn es erzählen dem strengen Erzeuger.
Endlich setzte sie vorn auf die Schwelle sich hin, wenn er käme,
Abzuweisen den Gott. Wie Schmeicheln und freundliche Worte
Jener und Bitten versucht, erwidert sie: "Spare die Mühe!
Nimmer verlass' ich den Sitz, bis du dich von hinnen begeben."
"Wohl, das möge", versetzt der behende Kyllenier, "gelten."
Und er erschließt mit dem Stab die gemeißelte Tür. Wie die Jungfrau
Aufzustehen sich müht, kann keines von allen den Gliedern,.
Die wir beugen im Sitz, vor trägem Gewicht sich bewegen.
Zwar sie ringt sich empor mit gerichtetem Rumpfe zu heben,
Aber der Knie Gelenk ist steif, und rieselnde Kälte
Schleicht in die Zeh'n, und des Blutes entleert erbleichen die Adern.
Wie stets weiter der Krebs, dies nimmer zu heilende Übel,
Um sich greift und fügt zu behafteten Teilen gesunde,
Also drang in die Brust allmählich der tödliche Winter,
Bis er am Ende die Wege des Lebens verschloss und den Atem.
Rede versuchte sie nicht, und hätte sie Rede versuchet,
Fehlte der Stimme die Bahn. Schon haftete Stein in dem Nacken;
Schon war hart das Gesicht, und sie saß, ein entseeltes Gebilde.
Weiß war nicht das Gestein: vom Gemüte behielt sie die Farbe.
  11. Europa (833-875)

Als er den frevelnden Sinn und die trotzigen Worte geahndet,
Geht von dem Land hinweg, dem Pallas gegeben den Namen,
Atlas' Enkel und steigt in den Aither mit schlagenden Flügeln.
Iupiter ruft ihn beiseit', und den Zweck der Liebe verschweigend
Spricht er: "O Sohn, der treu stets meine Befehle verkündet,
Mache dich auf und gleite hinab rasch, wie du gewohnt bist,
Und nach dem Land, das links zu deiner Erzeugerin aufschaut
Und das sidonische heißt bei dem eingeborenen Volke,
Wende dich. Treibe sodann, die du fern auf grasiger Weide
Dort siehst gehen am Berge, des Königs Rinder zur Küste."
Iupiter sprach's, und getrieben vom Berg schon ziehet die Herde
Nach dem befohlenen Strand, wo die Tochter des mächtigen Königs
War zu spielen gewohnt, umringt von tyrischen Jungfraun.
Nicht wohl gehen vereint, noch haben gemeinsame Wohnung
Lieb' und Herrschergewalt. Er lässt die Würde des Szepters;
Er, der Vater und Herr der Unsterblichen, dem in der Rechten
Zuckt dreispitziger Strahl, der nickend erschüttert den Erdkreis,
Kleidet sich jetzt in des Farren Gestalt, und gesellt zu den Rindern
Brüllt er und wandelt umher gar stattlich im üppigen Grase.
Weiß ist die Farbe wie Schnee, den weder mit drückender Sohle
Trat ein schreitender Fuß, noch löste der wässrige Südwind.
Feist ist der fleischige Hals, und dem Bug enthangen die Wampen.
Klein zwar ist das Gehörn, doch möchtest du sagen, von Händen
Sei es gemacht, und mehr durchscheinend als reine Juwelen.
Nicht ist drohend die Stirn, noch Furcht einflößend das Auge;
Sanftmut spricht das Gesicht. Es erstaunt die Tochter Agenors,
Dass er von Wuchs so schön und nichts Feindseliges drohe.
Doch ob zahm er sich zeigt, sie fürchtet zuerst die Berührung;
Bald dann wagt sie zu nahn und Blumen zu reichen dem Maule.
Des ist der Liebende froh und bedeckt, der erwarteten Wonne
Harrend, mit Küssen die Hand; kaum, kaum verschiebt er das Weitre.
Und bald treibt er Scherz und springt im grünenden Grase;
Bald im gelblichen Sand hinstreckt er die schneeige Seite,
Und wie gemach ihr benommen die Furcht, beut bald er zum Klatschen
Mit jungfräulicher Hand ihr die Brust, bald wieder die Hörner,
Sie zu umflechten mit Grün. Auch wagte die fürstliche Jungfrau,
Unkund, wen sie bestieg, auf dem Rücken des Stieres zu sitzen.
Da schreitet sachte der Gott vom Land und vom trockenen Ufer
Und setzt vorn in die Flut die betrüglichen Schritte der Füße,
Geht dann weiter und trägt quer über des mittleren Meeres
Fläche den Raub. Sie erbangt, und zurück zum verlassenen Strande
Schaut sie und hält mit der Rechten ein Horn, auf den Rücken die andere
Stemmend; das lose Gewand ist geschwellt vom Hauche des Windes.
   
  Übersetzung nach R.Suchier bearbeitet von E.Gottwein
Text und gegliederte Inhaltsangabe der Metamorphosen Ovids, Bücher I - XV
Lat.-Dt.Txt. I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV lateinisch - deutsch
Kompos. I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV Inhalt
 

 

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