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Publius Ovidius Naso

Metamorphosen - Verwandlungen

1. Gesang - deutsch

1. Prooemium (1-4), 2. Die Weltentstehung (5-88), 3. Die vier Weltzeitalter (89-150), 4. Die Giganten (151-162), 5. Lycaon (163-252), 6. Die große Flut (253-312), 7. Deukalion und Pyrrha (313-415), 8. Erneuerung der Tierwelt (416-437), 9. Python (438-451), 10. Daphne (452-567), 11. Io (568-746), 12. Argus (625-688), 13. Syrinx (689-747), 14. Phaeton (1,747-2,400)

 
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  1. Prooemium (1-4)
  Götteranruf (1-4)
Lust wird rege zum Sang, wie sich Formen in andere Körper
Wandelten. Götter, o seid - ihr habt ja auch sie gewandelt -
Meinem Beginnen geneigt, und vom Uranfange der Schöpfung
Führt bis auf unsere Zeit des Gedichts fortlaufenden Faden.
  2. Die Weltentstehung (5-88)
  Die Ursuppe (Systole) (5-20)
Ehe denn Meer und Land und der alles bedeckende Himmel,
War in dem ganzen Bereich der Natur ein einziges Aussehn,
Das man Chaos genannt, ein verworrenes rohes Gemenge,
Anderes nicht als träges Gewicht und zwistige Keime,
Trübe zu einem gehäuft zu lose verbundenen Stoffen.
Noch goss kein Titan in das Weltall leuchtende Strahlen,
Noch nicht füllete aus durch Zuwachs Phoibe die Hörner.
Eignes Gewicht auch hielt noch nicht frei schwebend die Erde
In der umfließenden Luft, noch breitete Amphitrite
Nicht weithin an dem Rand daliegender Länder die Arme:
Da, wo Aither, alldort war Erdreich, Luft und Gewässer.
So war nicht zum Stehen das Land, zum Schwimmen die Woge,
Lichtes entbehrte die Luft, die Gestalt blieb keinem beständig.
Eins war feindlich im Wege dem anderen, weil in der Masse
Kaltes im Streit stets lag mit Warmem, mit Trockenem Feuchtes,
Weiches mit Hartem und mit dem Gewichtigen das, was gewichtlos.
  Elementare Ausdifferenzierung (Diastole) (21-31)
Aber dem Zwist gab Schlichtung ein Gott und die bessere Triebkraft,
Denn er schied von dem Himmel das Land und vom Lande die Wogen,
Und von der dunstigen Luft los trennt' er den lauteren Himmel.
Als er so sie entwirrt und dem finsteren Haufen entnommen,
Schloss er gesondert im Raum sie zusammen in friedlicher Eintracht.
Ohne Gewicht stieg auf lichtvoll des gewölbeten Himmels
Feurige Kraft und ersah sich die Statt in der obersten Höhe.
Ihr ist die Luft am nächsten im Raum und im Mangel an Schwere.
Dichter als sie zog an die gröberen Teile die Erde,
Niedergedrückt durch eignes Gewicht. Das umströmende Wasser
Wählte den äußersten Sitz und umschloss den gefestigten Erdkreis.
  Gestaltung von Erde und Himmel zu elementaren Lebensräumen (32-71)
 
 
 
Wie er so das Gemisch, wer jener der Götter gewesen,
Ordnend hatte zerteilt und in Schichten gefügt das zerteilte,
Rundete er im Beginn, auf dass nach jeglicher Seite
Gleich sie wäre, zur Form großmächtigen Kugel die Erde.
Dann goss Fluten er aus und hieß sie von tobenden Winden
Schwellen und rings umfangen umgürteter Erde Gestade;
Quellen gesellt' er dazu und Seen und unendliche Sümpfe
Und wies Flüssen die Bahn in den Grenzen gewundener Ufer,
Die in verschiedenem Lauf teils werden geschlürft von dem Grunde,
Teils hinkommen zum Meer und, empfangen vom offenen Felde
Freierer Flut anstatt der Ufer bespülen die Küsten.
Ebenen ließ er sich auch ausdehnen und Täler sich senken,
Wälder sich decken mit Laub, aufsteigen die steinigen Berge.
Und wie den himmlischen Raum zwei Gürtel durchschneiden zur Rechten,
Links gleichviel und heißer als sie in der Mitte der fünfte,
So in die nämliche Zahl schied auch die geschlossene Masse
Sorglich der Gott, und es trägt gleich viele der Striche die Erde.
Der in der Mitte sich zieht, ist nicht vor Hitze bewohnbar;
Zwei deckt mächtiger Schnee; zwei legte er zwischen die beiden,
Denen er Mäßigung gab, mit der Glut die Kälte vermengend.
Drüber schwebet die Luft, die lastender ist als das Feuer
So viel, wie an Gewicht nachsteht der Erde das Wasser.
Dort hieß Nebel er auch, dort dunstige Wolken sich lagern
Samt dem Donnergeroll, das menschliche Herzen erschrecke,
Und mit den Blitzen zugleich die Frost herführenden Winde.
Ihrem Gelüste jedoch gab nicht zum Schweifen den Luftraum
Frei der Erbauer der Welt. Kaum wird jetzt ihnen gewehret,
Da in verschiedenem Strich sein Wehn doch jeglicher richtet,
Dass sie zerreißen die Welt: so liegen in Hader die Brüder.
Fern zu Aurora entwich, gen Persien und Nabatäa
Und zu den Höhen der Ost, die stehen im Lichte des Morgens;
Abendlich Land und die Küsten gewärmt von der sinkenden Sonne
Liegen dem Weste zunächst; die Skythen befällt und die sieben
Stiere der schaurige Nord; durch unablässige Wolken
Nässt gegenüber das Land der regengeschwängerte Südwind.
Drobhin lagert' er dann den klar durchsichtigen Aither,
Der von Schwere befreit nichts hat von der irdischen Hefe.
Kaum nun hatt' er verzäunt das alles in sichere Grenzen,
Als die Gestirne, die lang sich gepresst in jenem Gemenge
Bargen, am Himmel umher glanzreich begannen zu flimmern.
  Besiedlung der elementaren Lebensräume (72-88)
 
 
 
Jetzo, damit kein Raum ermangele seiner Bewohner,
Haben den himmlischen Sitz mit den Sternen die Göttergestalten;
Wohnstatt ward in den Wellen verliehn den glänzenden Fischen;
Tiere bekam das Land und Vögel der regsame Luftraum.
  Die Sonderstellung des Menschen (76-88)
Aber es fehlete noch ein Geschöpf, das höher an Würde
Mit tiefdenkendem Geiste den anderen könnte gebieten.
Sieh, da wurde der Mensch, ob ihn aus göttlichem Samen
Machte der Bildner der Welt, der Urquell besserer Schöpfung,
Oder die Erd' im Beginn, die sich vom erhabenen Aither
Eben gelöst, noch Keime behielt gleichartigen Himmels
Und des Iapetos Sohn sie gemengt mit fließenden Wellen
Bildete gleich der Gestalt der alles beherrschenden Götter.
Während die Erde gebückt ansehen die andern Geschöpfe,
Gab er erhabnes Gesicht dem Menschen und ließ ihn den Himmel
Schauen und richten empor zu den Sternen gewendet das Antlitz.
Also kleidete sich die völlig veränderte Erde,
Formlos eben und wüst, mit den neuen Gebilden der Menschen.
  3. Die vier Weltzeitalter (89-150)
  Das goldene Zeitalter ( 89-112)
 
Erst nun sprosste von Gold das Geschlecht, das ohne Bewachung
Willig und ohne Gesetz ausübte das Recht und die Treue.
Strafe und Furcht waren fern; nicht lasen sie drohende Worte
Nicht an geheftetem Erz, noch stand ein flehender Haufe
Bang vor des Richters Gesicht: Schutz hatten sie ohne den Richter.
Noch nicht hatte, gefällt auf heimischen Bergen, die Fichte,
Andere Welt zu sehn, sich gesenkt in die flüssigen Wogen;
Noch von keinem Gestad', als dem ihrigen, wussten die Menschen.
Noch umgürteten nicht abschüssige Gräben die Städte;
Kein krummgehendes Horn und keine gerade Drommete
War, kein Helm, kein Schwert. In behaglicher Muße vergingen,
Ohne des Kriegers Bedarf die Tage den sicheren Völkern
Undienstbar und verschont von dem Karst und von schneidender Pflugschar
Nimmer verletzt gab alles von selbst die gesegnete Erde,
Und mit Speisen zufrieden, die zwanglos waren gewachsen,
Lasen sie Arbutusfrucht, Erdbeeren an sonniger Halde
Oder am rauhen Gerank Brombeeren und rote Cornellen
Und von dem ästigen Baume des Iupiter fallende Eicheln.
Da war ewiger Lenz, und gelind mit lauem Gesäusel
Küsste die Blumen der West, die sprosseten ohne Besamung.
Nicht vom Pfluge bestellt trug bald auch Halme die Erde;
Ohne zu ruhn ward grau von belasteten Ähren der Acker.
Ströme von Milch nun wallten daher und Ströme von Nektar,
Und gelb tropfte herab von der grünenden Eiche der Honig.
  Das silberne Zeitalter ( 113-124)
Als nunmehr, da gestürzt in des Tartaros Dunkel Saturnus,
Iupiter lenkte die Welt, da folgte das silberne Alter,
Schlechter als Gold, im Werte voraus dem rötlichen Erze.
Iupiter schmälerte nun die Zeit vormaligen Frühlings
Und ließ wandeln das Jahr durch Winter und ungleichmäßgen
Herbst und flüchtigen Lenz und Glut vierfältig geschieden.
Jetzo geschah es zuerst, dass schwül von trockener Hitze
Brannte die Luft und das Eis starr hing, von den Winden verdichtet.
Jetzo traten sie ein in Wohnungen. Wohnungen waren
Höhlen und dichtes Gesträuch und mit Bast verbundene Zweige.
Jetzo wurde zuerst in gezogenen Furchen der Ceres
Samen verscharrt, und vom Joche gedrückt aufseufzten die Rinder.
  Das eherne Zeitalter (125-127a)
Drauf als drittes erwuchs nach ihnen das eherne Alter,
Wilder im Sinn und derb und den schrecklichen Waffen geneigter,
Aber verbrecherisch nicht.
  Das eiserne Zeitalter (127b-150)

 
 
Hart ist das letzte von Eisen.
Jählings brachen herein in die Zeit von schlechterer Ader
Alle die Greul; es entflohen die Scham und die Treu' und die Wahrheit,
Und an die Statt einzogen Betrug und tückische Falschheit,
Hinterlist und Gewalt und verruchte Begier des Besitzes.
Segel entfaltete nun der Schiffer den wenig bekannten
Winden, und Kiele, die lang auf hohen Gebirgen gestanden,
Schwammen geschaukelt umher auf nimmer befahrenen Wogen.
Fluren, zuvor wie die Luft und das Licht der Sonne gemeinsam,
Zeichnete jetzt mit begrenzendem Strich vorsichtig der Messer;
Und nicht wurde geheischt bloß Saat und schuldige Nahrung
Von dem ergiebigen Feld: ein ging's in der Erde Geweide.
Schätze, die jene versteckt und stygischen Schatten genähert,
Werden gewühlt ans Licht, Anreizungen böser Gelüste.
Heillos Eisen bereits und Gold heilloser als Eisen
Stiegen herauf: auf steiget der Krieg, der streitet mit beidem
Und mit der blutigen Faust schlägt klirrende Waffen zusammen.
Lebensbedarf gibt Raub. Von dem Wirt ist der Gast, von dem Eidam
Selber der Schwäher bedroht; auch selten sind Brüder in Eintracht.
Tod gar sinnet der Mann dem Weib, wie diese dem Gatten;
Graunvoll brauen den Trank Stiefmütter von bleichendem Sturmhut;
Lang vor der Zeit schon forscht der Sohn nach den Jahren des Vaters.
Achtende Scheu ist dahin, und von blutbefeuchteten Ländern
Kehrte die Jungfrau heim, Astraia, der Himmlischen letzte.
  4. Die Giganten (151-162)
Dass nicht sicherer sei als die Erde die Höhe des Aithers,
Trachteten nun, wie man sagt, nach dem himmlischen Reich die Giganten,
Und zu den Sternen hinan auftürmten sie mächtige Berge.
Da mit geschmettertem Blitz durchbrach der allmächtige Vater
Stracks den Olymp und schlug vom Pelion nieder den Ossa.
Als die entsetzliche Brut nun selbst von der Masse gedrückt lag,
Ward, von dem strömenden Blut der Söhne begossen, die Erde
Feucht - so kündet die Mär - und belebte das warme Geblüte,
Und dass bliebe hinfort ein Denkmal ihres Geschlechtes,
Gab sie ihm Menschengestalt. Indes auch diese Geschöpfe
Sprachen den Himmlischen Hohn, nach grässlichem Morde begierig
Und unbändigen Sinns: man ersah, sie stammten von Blute.
  5. Lycaon (163-252)
  Einberufung der Götterversammlung (163-167)
Wie von der Höhe der Burg das sah der saturnische Vater,
Seufzt er tief, und gedenk unlängst des scheußlichen Mahles
Am lykaonischen Tisch, das neu noch wenig bekannt war,
Fasst er gewaltigen Zorn im Gemüt, wie er Iupiters würdig;
Und er berufet den Rat. Kein Zögern hält die Gerufnen.
  Wohnanlage ud Sozialstruktur der Götter nach dem Vorbild Roms (168-176)
 
 
Hoch geht droben ein Weg, bei heiterem Himmel bemerkbar,
Der, Milchstraße genannt, am Lichtglanz eben zu kennen.
Dort ist der Himmlischen Pfad zu des mächtigen Donnerers Wohnung
Und zu dem Königssitz. Mit Besuchern bei offenen Türen
Füllen sich rechts und links die Säle der höheren Götter.
Niedere wohnen zerstreut allerorts. Stolz haben im Vorgrund
Ihre Penaten gesetzt die hehren Gewalten des Himmels.
Das ist der Ort, den wohl, wenn Worten gestattet die Kühnheit,
Ich des Himmels Palast mir möchte getrauen zu nennen.
  Iupiters Bericht über Lykaons Frevel und seine Bestrafung (177-239)

 
 
 
Als in dem Marmorgemach nun saßen die oberen Götter,
Schüttelte, höher an Platz und gestützt auf das helfene Szepter,
Iupiter drei-, viermal des Schrecken erregenden Haupthaars
Locken, davon sich erregt die Erde, das Meer, die Gestirne.
Also entströmte darauf seinen zornigen Lippen die Rede:
"Mehr nicht hab' ich gezagt für die Weltherrschaft im Gemüte
Dazumal, wie die Brut der Schlangenfüßler die hundert
Arme geregt und gehofft, den eroberten Himmel zu greifen.
Denn, wie grimmig der Feind auch war, doch ruhte auf einem
Haufen allein und einem Geschlecht die erhobene Fehde.
Jetzo muss ich, soweit rings Nereus rauscht um den Erdkreis,
Weihn dem Verderb das Menschengeschlecht. Bei den Fluten der Tiefe
Schwör ich, die unter der Erd' hingleiten im stygischen Haine.
Erst sei alles versucht, doch die nimmer zu heilende Wunde
Muss ausschneiden der Stahl, dass nicht das Gesunde verderbe.
Hab' ich doch auch Halbgötter und ländliche Mächte, die Nymphen,
Faune und Satyrvolk und Silvane, die Bergbewohner:
Diese, von uns noch nicht zu der Ehre des Himmels erhoben,
Sollten zum wenigsten frei die beschiedene Erde bewohnen.
Glaubt ihr aber genug, ihr Himmlischen, jene gesichert,
Da mir, der ja den Blitz, der euch stark hält in den Händen,
Lauernde Fallen gestellt der berüchtigte rohe Lykaon?"
Murren erhob sich umher, und mit glühendem Eifer verlangt man
Ihn, der solches gewagt. So, wenn ein verworfener Haufe
Trachtet zu tilgen im Blut des Cäsar den römischen Namen,
Steht von plötzlichem Schreck ob solchem erhabenen Sturze
Starr das Menschengeschlecht, und schaudernd entsetzt sich der
Erdkreis; Und nicht minder ist dir die Treue der Deinen, Augustus,
Lieb, als sie Iupiter war. Wie dieser dem wirren Gerede
Wehrte mit Wort und Hand, saß lautlos da die Versammlung.
Als nun ruhte der Lärm, von des Herrschenden Würde beschwichtigt,
Da bricht wieder der Gott mit folgender Rede die Stille:
"Längst hat jener verbüßt - darum nicht sorget - die Strafe;
Welches jedoch das Vergehn, und welches die Rache, vernehmet.
Uns war böses Gerücht von der Zeit zu Ohren gedrungen:
Wünschend, es sei unwahr, entschweb' ich dem hohen Olympos
Und durchstreife die Erd', ein Gott im menschlichen Bilde.
Säumnis wär' es, wieviel überall ich gefunden von Bosheit,
Aufzuzählen: zurück blieb hinter dem Wahren der Leumund.
Über des Wildes Versteck, den gefürchteten Mainalos, zog ich,
Über Kyllene hinaus und die Fichten des kalten Lykaios.
Ins ungastliche Haus des wilden arkadischen Herrschers
Tret' ich sodann, da der Abend bereits mit der Dämmerung einbrach.
Zeichen erteilt' ich, ein Gott sei nah, und zu beten begonnen
Hatte das Volk. Erst höhnet die frommen Gebete Lykaon,
Bald: "Ob dieser ein Gott, ob ein Sterblicher, will ich erproben"
Sprach er "zu klarem Beweis: unzweiflig entscheid' ich die Wahrheit."
Meuchlerisch mich bei Nacht im bannenden Schlummer zu morden
Trachtet er. Also beliebt ihm, Probe zu halten der Wahrheit.
Nicht zufrieden damit durchschneidet er einem der Geiseln,
Die ihm das Volk der Molosser gesandt, mit dem Schwerte die Kehle,
Und so kocht' er zum Teil in siedendem Wasser die Glieder
Halb lebendig, zum Teil auch briet er sie über dem Feuer.
Wie er sie nun auftischt, da stürz' ich mit rächender Flamme
Nieder das Haus auf den Herrn und die gleich strafbaren Penaten.
Jener entflieht geschreckt, und zur Stille des Feldes entkommen
Heulet er laut und versucht zu sprechen umsonst. Von ihm selber
Sammelt im Mund sich Wut, und mit der gewöhnlichen Mordgier
Bricht in die Herden er ein, auch jetzt am Blute sich letzend.
Rauh in Haare verkehrt sich das Kleid, in Beine die Arme:
Wolf ist er nun und bewahrt noch Spuren der vorigen Bildung.
Noch ist dasselbe Grau, derselbe Trotz in den Zügen,
Ebenso funkelt der Blick, dasselbe Gebilde der Wildheit.
  Götterbeschluss, die Menschen auszurotten (240-252)
So ist gestürzt ein Haus; doch nicht war wert zu verderben
Eines allein: wo Erde sich dehnt, herrscht wilde Erinnys.
Jeder, so dächte man, schwor zum Vergehn. Auf alle denn falle
Ohne Verzug - so steht der Entschluss - die verwirkete Strafe!"
Iupiters Worte lobt ein Teil, und des Grollenden Ingrimm
Stacheln sie an; ein Teil stimmt zu durch Zeichen des Beifalls.
Allen jedoch weckt Schmerz der Verlust des Menschengeschlechtes:
Welch Aussehen hinfort, so fragen sie, werde die Erde
Zeigen, von Sterblichen leer? wer Weihrauch auf die Altäre
Streuen? ob reißendes Wild denn solle verheeren die Länder?
Doch den Besorgten verbietet - er werde des Weiteren walten —,
Bang zu verzagen, das Haupt der Unsterblichen, und er verheißet
Ungleich früherem Volk ein Geschlecht seltsamer Entstehung.
  6. Die große Flut (253-312)
 
 
Und schon wollt' er den Blitz auf alle die Länder versenden,
Doch er besorgt, dass Feuer vielleicht der heilige Aither
Fange von so viel Glut und brenne die Achse des Weltalls,
Und er erwäget, es sei verhängt, einst werde die Zeit sein,
Wo mit der Erde das Meer und die Feste des Himmels ergriffen
Stehen in Brand und wanke der Welt mühvolles Gefüge.
Drum bleibt ruhn das Geschoss von der Hand der Kyklopen geschmiedet.
Andere Strafe beliebt: das Menschengeschlecht zu vernichten
Unter der Flut und rings Platzregen zu gießen vom Himmel.
Schleunig verschließet er nun den Nord in des Aiolos Höhlen,
Alle die Winde dazu, die jagen verhüllende Wolken,
Und lässt schnauben den Süd. Der aber mit triefenden Schwingen
Stürmt hinaus, pechschwarz umschattet das schreckliche Antlitz.
Schwer ist von Regen der Bart; Flut strömt vom graulichen Haupthaar;
Nebel benetzen die Stirn; nass tropfen die Brust und die Flügel.
Jetzt, wie er drückt mit der Hand die weithin hangenden Wolken,
Tönt ein Gekrach, und gedrängt nun stürzen von oben die Güsse.
Iunos Botin im Schmuck des schillernden Farbengewandes,
Iris, schöpfet die Flut und bringt Zuwachs dem Gewölke.
Niedergestreckt ist die Saat, und des Landmanns sehnliche Hoffnung
Lieget beweint, und des Jahrs langwierige Müh' ist verloren.
Iupiters Zorne genügt noch nicht sein Himmel: zum Beistand
Schickt mithelfende Flut nun auch sein bläulicher Bruder.
Dieser beruft die Ströme gesamt, und als sie gehorsam
Füllten des Königs Haus: "Nicht will ich mit langer Ermahnung",
Sprach er, "vergeuden die Zeit: lasst strömen, soviel ihr vermöget.
Solches ist nötig. Die Häuser erschließt und die Dämme beseitigt
Und lasst schießen zumal die Zügel den drängenden Wogen."
So der Befehl. Sie gehn und lockern den Quellen die Mündung,
Und nun wälzen sie sich mit entfesseltem Lauf in die Meerflut.
Aber den Dreizack stach er selbst in den Grund, und die Erde
Bebte vom Stoß und erschloss mit dem Ruck Auswege den Wassern.
Außer der Bahn nun stürzen durch offne Gefilde die Flüsse;
Saaten zugleich und Gehölz und Herden und Männer und Häuser
Raffen sie mit und samt den Gebilden die heiligen Kammern.
Wo noch stehet ein Bau, der solches Verderben vermochte
Unverrückt zu bestehn, da geht doch höher die Woge
Über den First, und vom Strudel bedrängt verschwinden die Türme.
Schon war zwischen der See und dem Land kein sichtbarer Abstand;
Alles umher war Meer, und das Meer war ohne Gestade.
Dieser erklimmet die Höh'; im gebogenen Nachen gesessen
Rudert der andere dort, wo er unlängst hatte gepflüget;
Der schifft über die Saat und des untergegangenen Landguts
Firsten, und jener ergreift den Fisch im Wipfel der Ulme.
Zufall fügt, dass der Anker sich senkt auf grünende Wiese
Oder der bauchige Kiel anstreift an Rebengelände.
Wo noch eben sich Gras abrupften schmächtige Ziegen,
Strecken sich jetzt mit gedunsenem Leib unförmige Robben.
Nereus' Töchter erstaunt sehn Haine und Häuser und Städte
Unter der Flut. Delphine durchziehen die Wälder und rennen
Wider das hohe Gezweig und schlagen die schwankenden Stämme.
Schafen gesellt schwimmt ängstlich der Wolf; gelbmähnige Löwen
Trägt und Tiger die Flut; nicht frommet dem Eber des Blitzes
Kraft, und der flüchtige Fuß hilft nichts dem entführeten Hirsche.
Wenn er lange gespäht nach Land, wo zu fußen vergönnt sei,
Fällt mit ermüdetem Flug in die See der schweifende Vogel.
Über die Hügel ergoss sich des Meers unermessliche Willkür,
Und an die obersten Höhn schlug brandend das neue Gewoge.
Wellen entrafften die meisten, und deren geschonet die Wellen,
Diese bezwingt bei dürftiger Kost langwieriger Hunger.
  7. Deukalion und Pyrrha (313-415)
 
 
Von der Aonier Volk trennt Phokis aitolische Fluren,
Fruchtbares Land, da es Land noch war, doch ein Teil von dem Meere
Dazumal und ein weites Gefild urplötzlicher Wasser.
Dort, Parnassos genannt, strebt hoch ein Berg zu den Sternen
Mit zweiteiligem Haupt und beherrscht mit dem Gipfel die Wolken.
Wie Deukalion hier - denn das Übrige deckte die Meerflut –
Samt dem vermählten Weib anfuhr im gebrechlichen Nachen,
Beten sie an die Mächte des Bergs und korykische Nymphen
Und, die jetzt das Orakel besaß, die enthüllende Themis.
Nie war besser ein Mann als er und dem Rechten ergebner;
Nie trug irgend ein Weib mehr Scheu als sie vor den Göttern.
Als nun Iupiter sieht in Morasten versumpfen den Erdkreis
Und dass übrig verblieb von all den Tausenden Einer
Und dass übrig verblieb von all den Tausenden Eine,
Beid' unsträflichen Sinns und beide Verehrer der Gottheit,
Teilt er die Wolken und zeigt, da der Regen verscheucht von dem Nordwind,
Wieder dem Himmel die Erd' und wieder den Aither der Erde.
Nicht bleibt zürnend die See. Hinlegend die zackige Waffe
Glättet die Flut der Beherrscher des Meers, und den bläulichen Triton
Rufet er, der an der Schulter bedeckt von haftenden Schnecken
Über der Tiefe sich hebt, und heißt in die tönende Muschel
Blasen den Gott und heim mit gegebenem Zeichen bescheiden
Wogen und Ströme zumal. Der nimmt die hohle Drommete,
Welche gewunden sich dehnt in die Breite vom untersten Wirbel,
Jene Drommete, davon, wenn sie Luft inmitten des Meeres
Aufnimmt, hallet der Strand, wo Phoibos sich senkt, wo er aufsteigt.
Jetzt auch, wie sie den Mund, der betaut vom triefenden Barte,
Jenem berührt' und blies das Zeichen gebotenen Rückzugs,
Scholl sie zu allen gesamt, zu den Wellen des Landes und Meeres,
Und zu denen sie scholl, die alle gehorchten und standen.
Fallend verliert sich die Flut; auf scheinen zu tauchen die Hügel;
Schon hat Küsten das Meer; voll wallen im Bette die Ströme;
Boden ersteht, und es hebt sich das Land, wie die Wellen sich senken,
Und nach langem Verzug nun zeigen die Wälder entblößte
Wipfel und halten im Laub noch Schlamm, der haften geblieben.
Dastand wieder die Welt. Wie er leer sie sah und verlassen
Und das verödete Land in schauriges Schweigen versunken,
Sprach Deukalion so mit quellenden Tränen zu Pyrrha:
"Schwester und Ehegemahl, du einziges Weib auf der Erde,
Die mir verwandtes Geschlecht und vom Ahn die gemeinsame Herkunft,
Dann das Lager vereint, nun selber Gefahren vereinen:
Von den Gefilden zumal, die der Morgen bestrahlt und der Abend,
Sind wir beide das Volk. Das übrige raffte die Meerflut.
Und noch immer ist nicht die Bürgschaft unseres Lebens
Sicher genug; auch jetzt noch ängstigen Wolken die Seele.
Wie, wenn dich das Geschick verschonte ohne den Gatten,
Wäre dir jetzt, du Arme, zu Mut? Wie könntest du einsam
Dann aushalten die Angst? Wer sollte dich trösten im Schmerze?
Ich - das glaube gewiss -, wenn dich auch deckte die Meerflut,
Folgte dir nach, o Weib, und mich auch deckte die Meerflut.
Könnt' ich doch mit der Kunst des Vaters von neuem die Völker
Schaffen und lebenden Geist einflößen gestalteter Erde!
Nun ist übrig in uns, den zweien, die sterbliche Gattung -
So ist der Götterbeschluss -, wir bleiben als Bilder von Menschen."
Sprach's und weinte mit ihr. Sie beschließen, der himmlischen Gottheit
Betend zu nahn und Rat zu erflehn von heiligem Ausspruch.
Sonder Verzug gehn beide zugleich an den Strom des Kephisos,
Der noch nicht sich geklärt, doch einhielt frühere Grenzen.
Als sie die Finger darauf in die Wellen getaucht und mit Tropfen
Kleider besprenget und Haupt, da lenkt zu der heiligen Göttin
Tempel die Schritte das Paar. Noch war an dem Hause der Giebel
Schmutzig von hässlichem Tang, und des Feuers entbehrte der Altar.
Wie an den Stufen sie nun anlangeten, warfen sich beide
Nieder, das kalte Gestein zu küssen mit bebendem Schauer,
Und so hoben sie an: "Wenn Himmlische rührt und erweichet
Andachtsvolles Gebet, wenn göttliches Zürnen zu wenden:
Themis, so sprich: was sollen wir tun, den Verlust zu ersetzen
Unsres Geschlechts? Hilf, Gütigste, auf dem versunkenen Leben."
Themis gerührt erteilte den Spruch: "Weg gehet vom Tempel,
Hüllt euch beide das Haupt und löst die gegürteten Kleider,
Und so werft das Gebein der großen Erzeugerin rückwärts."
Lang hält Staunen sie starr; dann bricht mit der Stimme das Schweigen
Pyrrha zuerst und versagt dem Gebote der Göttin Gehorsam,
Und sie fleht um Erlass mit bebenden Lippen und schaudert,
Durch das zerstreute Gebein zu kränken den Schatten der Mutter.
Beide erwägen indes für sich des gegebenen Ausspruchs
Dunkel verschleierten Sinn und prüfen die Worte genauer.
Drauf mit tröstlichem Wort aufrichtend die Epimethide
Sagte Prometheus' Sohn: "Mich trügt entweder die Einsicht,
Oder der Spruch ist gerecht und rät kein sträflich Beginnen.
Zeugerin nennt er die Erd', und im Leibe der Erde die Steine,
Denk ich, sind das Gebein: die sollen wir hinter uns werfen."
Wenn auch froh die Titane vernimmt des Gatten Enthüllung,
Ist doch ihr Hoffen verzagt. So sind misstrauisch die beiden
Gegen das Göttergebot. Doch was mag schaden die Probe?
Weg nun gehn sie und hüllen das Haupt und entgürten die Kleider;
Hinter sich werfen sie dann auf den Weg die geheißenen Steine.
Und das Gestein - wer glaubt' es, wofern nicht zeugte das Alter? -
Wird von der Spröde befreit und verliert die starrende Härte,
Wird allmählich erweicht und beginnt sich erweicht zu gestalten.
Bald, wie es wachsend sich hob und zu milderem Wesen sich wandte,
Trat schon sichtlich hervor, doch noch undeutlich im Umriss,
Menschengestalt, gleich wie aus eben behauenem Marmor,
Nicht vollendet genug und ganz wie rohe Gebilde.
Was an den Steinen jedoch war feucht durchdrungen von Säften
Und was erdiger Stoff, das ward zum fleischigen Leibe;
Aber was unbeugsam und fest, geht über in Knochen,
Und was Ader zuvor, das bleibt mit dem selbigen Namen.
Kurz nur währte die Frist, da gewann durch göttliche Fügung
Alles Gestein, das der Mann entsendete, männliches Antlitz,
Während vom weiblichen Wurf ein Weib neu trat in das Leben.
Davon sind wir ein hartes Geschlecht, ausharrend in Mühsal,
Und wir geben Beweis, woher wir genommen den Ursprung.
  8. Erneuerung der Tierwelt (416-437)
Drauf von sich selber gebar die Erde die andern Geschöpfe
Mannigfaltiger Art, als warm von dem Feuer der Sonne
Ward das verbliebene Nass und der Schlamm und die wässrigen Sümpfe
Schwollen von Hitze gespannt und befruchtete Keime der Wesen,
Wie in dem Schoße der Mutter genährt vom belebenden Boden,
Wuchsen und mehr und mehr in feste Gestalt sich begaben.
Also, wenn sich verliert aus den nassen Gefilden des Niles
Siebenmündiger Strom und zum früheren Bette zurückkehrt
Und von dem Aithergestirne der frische Morast sich erhitzet,
Trifft zahlreiches Getier in gewendeten Schollen der Landmann
Und sieht manche davon erst eben begonnen, gerade
Während der Zeit der Geburt, und andere in der Entwicklung
Noch nicht fertig gediehn; oft ist an dem selbigen Körper
Lebend bereits ein Teil, der andere klumpige Erde.
Denn wo Feuchte gewinnt und Wärme die richtige Mischung,
Wird empfangen die Frucht, und alles entsteht von den beiden.
Während das Feuer im Streit mit dem Nass, bringt dunstiger Brodem
Alles hervor, und der Zeugung ist hold zwieträchtige Eintracht.
Wie nunmehr, von der neulichen Flut noch schlammig, die Erde
Von dem aitherischen Strahl und den Gluten der Höhe gewärmt war,
Brachte sie Arten hervor, unzählige, und sie erneute
Alte Gebilde zum Teil, teils zeugte sie neue Geschöpfe.
  9. Python (438-451)

 
 
Zwar ihr war's zum Leid, doch dich auch, mächtiger Python,
Zeugte sie jetzt, und dem neuen Geschlecht, unförmige Schlange,
Warst du ein Graun: soviel einnähmest du Raum an dem Berge.
Aber der schießende Gott, der nimmer die Waffe des Bogens
Brauchte zuvor, als nur bei Hirschen und flüchtigen Rehen,
Streckt' ihn hin, zahllos mit Geschossen beschwert, da der Köcher
Fast sich erschöpft, und das Gift floss aus durch schwärzliche Wunden.
Und dass nimmer den Ruhm des Werkes vertilge das Alter,
Stiftet' ein heiliges Fest mit gefeierten Kämpfen Apollon,
Nach dem gebändigten Tiere die pythischen Spiele geheißen.
Wer von den Jünglingen dort mit der Faust, mit den Füßen, dem Wagen
Hatte gesiegt, empfing die Ehre des eichenen Laubes.
Lorbeer war noch nicht, und von jeglichem Baume bekränzte
Seine von wallendem Haar anmutigen Schläfen sich Phoibos.
  10. Daphne (452-567)
 
 
 
Phoibos liebte zuerst die peneische Daphne, wofür nicht
Blindes Geschick ihn entflammt, nein, der rächende Zorn des Cupido.
Den jüngst hatte gesehn, wie die Hörner er bog am gespannten
Strange, der delische Gott, noch stolz auf der Schlange Besiegung.
"Was soll die kräftige Wehr bei dir, mutwilliger Knabe?",
Spottet' er, "solches Gerät ist meinen Schultern geziemend,
Der ich sicher das Wild wie den Feind zu treffen verstehe,
Der ich Python erlegt, der gebläht mit dem giftigen Bauche
So viel' Hufen beschwert, unlängst mit unzähligen Pfeilen.
Wenn du entfachst mit der Fackel ich weiß nicht welches Verlangen,
Lass' es Genüge dir sein: nicht eigne dir meinen Ruhm an!"
Venus' Knabe versetzt: "Dein Bogen, o Phoibos, erreiche
Alles, der meinige dich! So weit vor dem Gott die Geschöpfe
Weichen gesamt, so weit steht dein Ruhm unter dem meinen."
Sprach's und säumte nicht und teilte rasch mit bewegten
Schwingen die Luft und stand auf der schattigen Höh' des Parnassos.
Zwei der Geschosse entnimmt er dem pfeilumschließenden Köcher,
Ungleichartig an Kraft. Eins scheucht, eins wecket die Liebe.
Welches sie weckt, ist golden und glänzt mit spitziger Schärfe;
Welches sie scheucht, ist stumpf, und Blei ist unter dem Rohre.
Dieses versendet der Gott zur peneischen Nymphe; das andre
Schnellt er durch das Gebein ins innerste Mark dem Apollo.
Der fühlt Liebe sogleich; sie flieht vor der Liebenden Namen:
Nur an der Wälder Versteck und am Fang des erbeuteten Wildes
Findet sie Lust nach dem Bilde der stets jungfräulichen Phoibe.
Fesselnd schlang sich ein Band um das kunstlos liegende Haupthaar.
Viele wohl warben um sie; doch jene den Werbenden abhold,
Flüchtig und scheu vor dem Mann, durchstreift Einöden der Wälder,
Und sie bekümmert sich nicht um Hymen und Amor und Ehe.
"Tochter", ermahnte sie oft ihr Vater, "ich harre des Eidams."
"Tochter", ermahnte sie oft ihr Vater, "du schuldest mir Enkel."
Sie, der wie ein Vergehn hochzeitliche Fackeln verhasst sind,
Steht im schönen Gesicht von züchtiger Röte begossen,
Und mit schmeichelndem Arm umschlingend den Nacken des Vaters
Bittet sie: "Wehre mir nicht, jungfräulich, geliebtester Vater,
Immer zu sein. Einst hat es Dianen vergönnt der Erzeuger."
Jener gestattet es zwar; doch nicht lässt sein dich der Liebreiz,
Was du begehrst, und deine Gestalt wehrt deinem Verlangen.
Phoibos liebt und ersehnt der geschauten Daphne Umarmung
Und hofft, was er ersehnt. Ihn trügt sein eignes Orakel.
So wie, der Ähren beraubt, verbrennen die nichtigen Stoppeln,
Wie von der Fackel der Zaun aufflammt, die ein Wanderer sorglos
Näherte oder vielleicht in der Frühe des Morgens zurückließ:
So ist entfacht zur Flamme der Gott, und im ganzen Gemüte
Lodert er auf und nährt die vergebliche Liebe mit Hoffnung.
Kunstlos sieht er das Haar ihr hangen im Nacken und denket:
"Wie, wenn es wäre gepflegt?" Die Augen von Feuer erglänzend
Schaut er licht wie Sterne. Er schaut den Mund, und Genüge
Findet er nicht am Schaun. Er preist die Finger und Hände,
Preist den Arm und die Achsel entblößt bis über die Hälfte.
Was sich verbirgt, dünkt schöner ihm noch. Sie flieht wie ein Lufthauch
Eilends davon und steht nicht still, wie er solches ihr nachruft:
"Nymphe, du Kind des Peneios, bleibe! Nicht folg' ich ein Feind dir.
Nymphe, bleibe! So flieht das Lamm vor dem Wolf, vor dem Löwen
Also der Hirsch, vor dem Aar mit zitternder Schwinge die Taube,
Jedes vom Feinde gescheucht. Mich nötigt Liebe zu folgen.
Ach, wenn du nur nicht fällst, und den Fuß zu gut der Verletzung
Nur nicht ritzet ein Dorn, und Schmerz durch mich du erleidest!
Rauh ist der Weg, auf welchem du eilst. Sei mäßig im Laufe –
Höre mich - hemme die Flucht! Selbst will ich dir mäßiger folgen.
Wem du gefällst, erforsche doch erst. Kein Mann vom Gebirge
Bin ich oder ein Hirt; nicht hab' ich auf Rinder noch Schafe
Acht hier, lässig im Aussehn. Du weißt nicht, Törin, du weißt nicht,
Wem du entfliehst; drum fliehest du nur. Die delphische Landschaft,
Tenedos huldigt mir und Klaros und Pataras Hofburg.
Iupiter hat mich gezeugt. Durch mich wird kund, was gewesen,
Was sein wird und was ist. Durch mich stimmt Sang zu den Saiten.
Sicher ist mein Geschoss; doch sicherer trifft als das meine
Eins noch, welches mir schlug im ruhigen Busen die Wunde.
Heilende Kunst ist erfunden von mir, und Helfer auf Erden
Werd' ich genannt, und mir sind dienstbar die Kräfte der Kräuter.
Ach, dass keines vermag von den Kräutern die Liebe zu heilen,
Und dem Besitzer die Kunst nicht nützt, die jeglichem nützet!"
Mehr noch hätt' er gesagt; doch ängstlich entfloh des Peneios
Tochter und ließ ihn selbst und die unvollendete Rede,
Reizend zu sehn auch da. Den Körper enthüllten die Winde,
Und das Gewand ward flatternd bewegt vom begegnenden Hauche,
Und das gehobene Haar trieb rückwärts der drängende Luftzug.
Flucht zeigt schöner den Wuchs. Da mag der unsterbliche Jüngling
Nicht mehr das schmeichelnde Wort aufwenden, und wie ihn Cupido
Selbst antrieb, so folgt er beschleunigten Laufes den Schritten.
Wie wenn im offenen Felde den Hasen der gallische Spürhund
Schaut und dieser mit Hast nach dem Fang strebt, jener nach Rettung;
Immer erscheint einholend der Hund; jetzt, jetzt ihn zu packen
Hofft er und streift ganz nah mit der schnappenden Schnauze die Läufe;
Jener vermeint bestürzt, schon sei er gefangen, und reißt sich
Los von dem beißenden Zahn und verlässt den berührenden Rachen:
So ist eilig in Furcht das Mädchen, der Gott in Erwartung.
Doch der Verfolgende rennt, von den Fittichen Amors gefördert,
Schneller und gönnt nicht Rast, und dicht an der Fliegenden Rücken
Ist er gebeugt und behaucht im Nacken das fliegende Haupthaar.
Nun, da versagt die Kraft, erblasst sie, und von der Mühsal
Flüchtigen Laufes erschöpft, die peneischen Wellen gewahrend,
Fleht sie: "Vater, ach hilf, wenn Macht euch Strömen gegeben!
Lass die Erd' mich verschlingen, auf der zu sehr ich gefallen,
Oder verwandle diese Gestalt, die Grund meiner Kränkung."
Wie sie kaum es erfleht, fasst starrende Lähmung die Glieder,
Und mit geschmeidigem Bast umzieht sich der schwellende Busen.
Grünend erwachsen zu Laub die Haare, zu Ästen die Arme;
Fest hangt, jüngst noch flink, ihr Fuß an trägem Gewurzel.
Wipfel verdeckt das Gesicht; nichts bleibt als die glänzende Schönheit.
So auch liebt sie der Gott. An den Stamm die Rechte gehalten
Fühlt er, wie noch bebt in der bergenden Rinde der Busen,
Und mit den Armen die Äste, als wären es Glieder, umfangend,
Gibt er Küsse dem Holz. Den Küssen entzieht sich das Holz auch.
"Weil du", sprach er sodann, "nicht mein kannst werden als Gattin,
Werde denn mein als Baum. Dich soll nun ständig die Leier,
Dich soll tragen das Haar, dich ständig der Köcher, o Lorbeer!
Latiums Führern gesellt sei du, wenn fröhliche Stimmen
Jubeln Triumph und zum Capitol lang wallet der Festzug.
Treulicher Wächter zugleich den augustischen Pfosten in Zukunft
Sollst du stehn vor dem Tor und inmitten die Eiche behüten.
Und wie jugendlich trägt mein Haupt frei wachsende Locken,
Habe du fort und fort die beständige Zierde des Laubes."
Paian hatt' es gesagt. Der Lorbeer nickte mit jungen
Zweigen dazu und schien wie ein Haupt zu bewegen den Wipfel.
  11. Io (568-746)
 
 
In Haimonien liegt, von bewaldeten Bergen umschlossen,
Tempe genannt, ein Hain, durch welchen vom unteren Pindus
Strömend zu Tal sich wälzt in schaumigen Wellen Peneios
Und im gewichtigen Fall mit flüchtigen Dämpfen getränkte
Wolken erregt und die Wipfel umher mit spritzendem Regen
Netzt und mit dem Gebraus nicht bloß die Nähe betäubet.
Hier ist das Haus und der Sitz, hier sind die Gemächer des großen
Stromgotts. Hausend allhier in der felsumwölbeten Grotte
Gab er den Wellen Gesetz und den Wellen bewohnenden Nymphen.
Dorthin kamen zuerst zusammen die heimischen Flüsse,
Zweifelnd im Sinn, ob sie Trost, ob Glückwunsch brächten dem Vater,
Pappelumlaubt Spercheios und rastlos immer Enipeus,
Greis Apidanos auch und der sanfte Amphrysos und Aias;
Andere Ströme sodann, die, wo das Gelüste sie hintreibt,
Führen hinab zum Meer vom Irren ermüdete Wellen.
Inachos nur ist fern. In der untersten Grotte verborgen
Mehrt er mit Zähren die Flut; denn Io betrauert der Ärmste
Als ein verlorenes Kind. Er weiß nicht, ob sie am Leben,
Ob bei den Manen sie sei; doch sie, die er nirgends gefunden,
Scheint ihm nirgends zu sein, und er fürchtet im Herzen das Schlimmste.
Iupiter hatt' unlängst, wie sie kehrte vom Strome des Vaters,
Jene geschaut und gesagt: "O Jungfrau Iupiters würdig,
Die einst liebend beglückt, ich weiß nicht wen, in den Schatten
Komm zum stämmigen Hain", und er wies nach dem Schatten des Haines,
"Da Glut sendet in der Mitte des Kreises die Sonne.
Hegest du Scheu, allein zu betreten die Schlüfte des Wildes,
Sicher geleitet ein Gott dich hinein in die Tiefe des Waldes,
Und kein niedriger Gott, nein, welcher das himmlische Szepter
Hält in gewaltiger Hand und zuckende Blitze versendet.
Fliehe mich nicht!" Denn sie floh. Hinweg schon über die Weiden
Lernas war sie geeilt und Lyrkeias waldige Fluren:
Da umhüllte der Gott mit bergendem Dunkel die Lande
Weit und breit und hemmte die Flucht und nahm ihr die Ehre.
Grad' auf die Felder hinab sah Iuno indes von der Höhe
Und war höchst erstaunt, dass Nacht am heiteren Tage
Flüchtige Nebel gebracht. Wohl merkte sie, dass sich die Dünste
Weder entwanden dem Fluss, noch stiegen vom wässrigen Boden,
Und nach dem Ehegemahl sucht rings ihr spähendes Auge,
Da ihr die Schliche bekannt des öfter betroffenen Gatten.
Wie sie ihn nicht im Himmel entdeckt: "Ich irre mich", sprach sie,
"Oder ich werde gekränkt." Und der Höhe des Aithers entglitten
Hatte sie Stand auf der Erd' und hieß sich entfernen die Nebel.
Doch er hatte geahnt der Gattin Besuch und gewandelt
Inachos' Tochter zuvor in Gestalt der weiß glänzenden Färse.
Auch als Kuh ist sie schön. Die saturnische Göttin, zwar ungern,
Preist das stattliche Rind, und sie fragt, unkundig erscheinend,
Wessen es sei und woher, und wohin zur Herde gehörig.
Dass sie die Erde gezeugt, lügt Iupiter, weiteren Fragen,
Wie sie entstand, zu entgehn. Zum Geschenke begehret sie Iuno.
Was nun tun? Hart war' es, hinweg die Geliebte zu geben;
Weigerung regte Verdacht. Hier ist es die Scham, die ihm zurät;
Dort rät Liebe ihm ab. Scham wäre gewichen der Liebe;
Doch wenn das leichte Geschenk der Genossin des Stamms und des Lagers
Würde versagt, die Kuh, nicht Kuh dann möchte sie scheinen.
Als er die Buhle geschenkt, war frei doch nicht von Besorgnis
Iuno sogleich, denn sie scheute den Gott und bangte vor Diebstahl,
Bis sie den Argos bestellt zum Hüter, den Sohn des Arestor.
  12. Argus (625-688)
Hundert Augen zugleich trug Argos am Haupt in der Runde:
Immer ergaben sich zwei in wechselnder Folge dem Schlummer,
Während die anderen all' achtsam auf dem Posten verblieben.
Wie er den Stand auch immer gewählt, er schaute nach Io;
Io stand vor dem Blick, auch wenn er gewendet das Antlitz.
Weiden darf sie am Tag; ist unter der Erde die Sonne,
Schließt er sie ein und legt um den Hals unwürdige Bande.
Nahrung ist ihr das Laub von den Bäumen und bittere Kräuter.
Statt auf schwellendem Pfühl muss ruhn auf dem Boden die Arme,
Der nicht immer begrast, und sie trinkt aus schlammigen Flüssen.
Wenn sie mit Flehen empor zu Argos die Arme zu heben
Trachtete, war sie der Arme beraubt, die sie hübe zu Argos.
Wollte sie klagen ihr Leid, so stieg ein Gebrüll aus dem Munde:
Bebend vernahm sie den Ton und erschrak vor der eigenen Stimme.
Auch an den Strand, wo oft sie vormals pflegte zu spielen,
Kam sie, an Inachos' Strand, und wie sie im Wasser die neuen
Hörner erblickt, da bebt sie und flieht vor sich selbst mit Entsetzen.
Keine Naiade erkennt, auch Inachos selber erkennt nicht,
Wer sie sei; doch sie folgt dem Erzeuger und folget den Schwestern;
Streicheln lässt sie sich gern und tritt den Bewundernden näher.
Inachos reicht ihr gerupftes Gras, der bejahrte Stromgott:
Jene leckt ihm die Hand, gibt Küsse den Fingern des Vaters
Und gönnt Tränen den Lauf, und wenn nur folgten die Worte,
Würd' um Hilfe sie flehn und Namen verkünden und Schicksal.
Aber gezeichnet im Staub mit dem Fuß gab traurige Kunde
Von dem gewandelten Leib die Schrift an der Stelle der Worte.
"Weh mir!" ruft im Schmerz Greis Inachos aus, und die Hörner
Hält er umfasst und den schneeigen Hals der stöhnenden Färse:
"Weh mir!" klagt sein Ruf, "du bist's, o Tochter, die ringsum
Ich in den Landen gesucht? Du warst mein Jammer verschollen
Minder, denn also entdeckt. Du schweigst, und erwidernde Worte
Redest du nicht und drängst nur Seufzer vom Grunde des Herzens
Und, was allein dir vergönnt, du brüllst zu unseren Klagen.
Arglos richtet' ich zu für dich Brautkammer und Fackeln;
Erst nach dem Eidam stand mein Hoffen und dann nach den Enkeln,
Nun harrt dein von der Herde ein Mann, ein Sohn von der Herde,
Und nicht ist mir erlaubt, durch Tod mein Leiden zu ändern:
Mir zum Verderb ja bin ich ein Gott, und unsere Trauer
Dehnt in ewige Zeit die verschlossene Pforte des Todes."
Aber den jammernden Greis drängt fort der vieläugige Argos,
Reißt vom Vater das Kind und treibt sie zu anderen Weiden.
Selber begibt er sich fern auf die Höhe des ragenden Berges,
Wo er sich setzt und weit nach jeglicher Seite sich umschaut.
Doch der Unsterblichen Haupt kann länger der Phoronide
Qual nicht sehn, und den Sohn, den die lichte Pleiade geboren,
Ruft er her und gebietet durch Mord zu vertilgen den Argos.
Rasch nimmt jener den Hut auf das Haupt, an die Füße die Flügel
Und in die mächtige Hand die Schlummer verleihende Rute.
Wie er sich fertig gemacht, schwebt Iupiters Sohn von des Vaters
Burg auf die Erde hinab. Dort wieder entfernt er die Flügel
Und legt nieder den Hut und behält in den Händen den Stab nur.
Damit treibt er als Hirt quer durch die Gefilde die Ziegen,
Die er im Gehn mitbracht', und bläst auf gefügeten Halmen.
Zauberisch klang das neue Getön dem iunonischen Wächter:
"He, wer immer du seist", rief Argos, "du könntest dich setzen
Zu mir hier auf den Stein; denn üppiger wächst für die Herde
Nirgends das Gras, und du siehst für Hirten erquicklichen Schatten."
Atlas' Spross nahm Platz und wusste mit vielem Gerede
Plaudernd zu dehnen den Tag und strebte, die wachsamen Augen
Einzuwiegen gemach mit dem Spiel auf verbundenen Rohren.
Jener bekämpft jedoch des Schlummers gelinde Bestrickung,
Und obschon sich dem Schlaf ein Teil von den Augen ergeben,
Hält er die anderen wach. Auch fragt er - denn neulich erfunden
War das flötende Spiel -, was Anlass gab zur Erfindung.
  13. Syrinx (689-747)
 
Drauf sprach also der Gott: "In Arkadiens kalten Gebirgen
War die schönste im Kreis der nonakrischen Hamadryaden
Eine Najade unlängst: die Nymphen nannten sie Syrinx.
Mehrmals war sie bereits entschlüpft den nachstellenden Satyrn
Und den Göttern zumal, die der schattige Wald und das Saatfeld
Hegt. Sie weihte sich ganz der ortygischen Göttin mit Neigung
Und jungfräulichem Sinn. Nach Sitte Dianens gegürtet
Konnte sie täuschen und selbst wohl gelten als Tochter Latonas,
Wär' ihr nicht ein Bogen von Hörn und ein goldener jener.
Doch so täuschte sie auch. Wie sie einst heimging vom Lykaios,
Schaute sie Pan, und das Haupt umwunden mit nadliger Fichte
Hub zu reden er an." Noch war zu erzählen die Rede,
Und wie die Nymphe geflohn, nicht achtend der dringenden Bitten,
Durch pfadloses Gefild, bis dass zu des sandigen Ladon
Ruhigem Strom sie gelangt und, als ihr die Wellen versperrten
Weiteren Lauf, um Wandlung gefleht zu den flüssigen Schwestern;
Wie dann Pan, da schon er gedachte zu haschen die Syrinx,
Statt der Nymphe Gestalt Schilfrohr in den Armen gehalten,
Und, als seufzend er stand, die wehende Luft in dem Schilfe
Leises Geflüster erregt, das ähnlich ertönte wie Klage,
Wie er entzückt vom Zauber des Tons und der neuen Erfindung
Hatte gesagt: "Das soll fortan uns beide vereinen!"
Und an den Halmen sodann, die er ungleich untereinander
Hatte verbunden mit Wachs, den Namen des Mädchens erhalten.
Solches zu sagen bereit sah schon der kyllenische Jüngling
Alle die Wimpern gesenkt und verdeckt vom Schlummer die Augen.
Gleich nun hält er die Stimme zurück und verstärkt die Betäubung,
Mit dem bezaubernden Stab die schläfrigen Lider bestreichend.
Rasch dann führt er den Streich auf den Nickenden mit dem gekrümmten
Schwert, wo das Haupt sich schließt an den Hals, und stürzt ihn vom Felsen
Blutig hinab und befleckt das schroffe Gestein mit dem Blute.
Argos, du liegst, und das Licht, das so viel Leuchten erfüllte,
Ist dir verlöscht, und es hüllt ein Dunkel das Hundert von Augen.
Iuno nimmt sie heraus und setzt in des heiligen Vogels
Federn sie ein und füllt den Schweif mit gestirnten Juwelen.
Zornig entbrannte sie jetzt und verschob nicht länger die Rache.
Graunvoll rückt sie dem Blick und dem Geist der argolischen Buhle
Vor der Erinys Gestalt und senkt verborgene Stacheln
Ihr in die Brust und jagt sie im Schreck rings über den Erdkreis.
Du warst übrig zuletzt, Nilstrom, der unendlichen Drangsal.
Als sie diesen erreicht, da sank sie am Rande des Ufers
Nieder, die Knie gebeugt, und mit rückwärts strebendem Nacken,
Was allein ihr vergönnt, das Gesicht zu den Sternen erhebend
Schien sie mit Klagegestöhn und Tränen und schmerzlichem Brüllen,
Iupiter zeihend der Schuld, zu erflehen ein Ende der Leiden.
Da bat jener, den Arm um den Hals der Gemahlin geschlungen,
Endlich zu setzen ein Ziel der strafenden Pein: "Für die Zukunft",
Sprach er, "banne die Furcht! Nie soll Ursache des Schmerzes
Io dir sein." Und er heißt es vernehmen die stygischen Sümpfe.
Als nun Iuno erweicht, nimmt jene das frühere Antlitz
Wieder und wird wie zuvor. Von dem Körper entweichen die Haare;
Schrumpfend vergeht das Gehörn; eng ziehn sich die Kreise der Augen,
Schmäler das Maul; nun kehren zurück die Schultern und Hände;
In fünf Zehen geteilt allmählich verliert sich die Klaue;
Und nichts bleibt an ihr von der Kuh als die blendende Weiße.
Aufrecht schreitet begnügt mit nur zwei Füßen die Nymphe;
Worte getraut sie sich kaum, dass nicht nach Sitte des Rindes
Brülle der Mund, und versucht sich verzagt abbrechend im Reden.
  14. Phaeton (1,747-2,400)
 
 
 
Leinwand tragende Schar ehrt jetzt die gefeierte Göttin.
Ihr wird endlich geglaubt, dass Epaphos sei von des großen
Iupiter Samen gezeugt, und rings in den Städten besitzt er
Tempel der Mutter gesellt. An Stolz war ihm wie an Jahren
Phaethon gleich, Sols Sohn. Als der einst prahlte mit Hochmut
Und vor ihm nicht wich und sich rühmte des Phoibos als Zeugers,
Trug's nicht Inachos' Sproß: "Du glaubst auch", sprach er, "der Mutter
Alles, du Tor! Dich bläht das Bild des erlogenen Vaters."
Phaethon glüht' im Gesicht, und die Scham nur hemmte den Jähzorn,
Und vor Klymene bracht' er des Epaphos Schmähung und sagte:
"Dass du, Mutter, es recht auch fühlst, ich habe geschwiegen,
Ich so trotzig und keck. O Schmach, dass jener den Vorwurf
Mir zu sagen vermocht, und ich ihn nicht zu entkräften!
Aber wenn anders ich bin aus himmlischem Samen entsprossen,
Gib mir Beweis von dem hohen Geschlecht, mir den Himmel zu sichern."
Phaethon sprach's und umfing der Zeugerin Hals, und bei Merops
Und bei dem eigenen Haupt und den Hochzeitsfackeln der Schwestern
Bat er sie, kund zu tun durch ein Zeichen den wirklichen Vater.
Klymene, mochte sie nun mehr folgen den Bitten des Sohnes
Oder dem Zorn, den gab die Beschuldigung, streckte die
Beide zum Himmel empor, und schauend zum Glanze des Phoibos
Sagte sie: "Dort bei dem Licht in der Pracht hellblitzender Strahlen
Schwör' ich dir, Sohn, bei dem Licht, das uns anhöret und anblickt:
Er, den droben du siehst, ja, Sol, der Erquicker des Weltalls,
Hat dich gezeugt. Ist Lüge mein Wort, dann geb' er sich nimmer
Mir zu schaun, dann scheine der Tag mir heute zum letzten.
Leicht ist die Mühe für dich, die Penaten des Vaters zu finden:
Nah angrenzt das Haus, wo er aufsteigt, unserem Lande.
Bist du gewillt, geh hin, und er wird dich selber belehren."
Phaethon springt sogleich, als solches die Mutter geredet,
Auf in freudiger Hast, und im Geist umfasst er den Aither.
Sein Aithiopenvolk durcheilt er rasch und die Inder
Unter dem heißen Gestirn und erreicht Sols östliche Wohnung.
   
  Übersetzung nach R.Suchier bearbeitet von E.Gottwein
Text und gegliederte Inhaltsangabe der Metamorphosen Ovids, Bücher I - XV
Lat.-Dt.Txt. I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV lateinisch - deutsch
Kompos. I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV Inhalt
 

 

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