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Publius Ovidius Naso

Metamorphosen - Verwandlungen

9. Buch - deutsch

1. Achelous und Hercules (1-97), 2. Nessus (98-133), 3. Hercules Oeteus (134-272), 4. Galanthis (273-323), 5. Dryope (324-393), 6. Iolaus. Die Söhne der Callirhoe (394-453), 7. Byblis (454-665), 8. Iphis (666-797)

 
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  1. Achelous und Hercules (1-97)
Was ihn zu seufzen bewog und warum an der Stirn er verstümmelt,
Fragte den Gott der neptunische Held. Drauf redete also
Kalydons Strom, umwunden mit Schilf die entfesselten Haare:
"Schwer fällt, was du verlangst. Denn wer wohl spräche bezwungen
Gern von dem Streit? Doch sei es erzählt. Auch war das Erliegen
Nicht so schimpflich für mich, wie rühmlich des Kampfes Bestehen,
Und es gereicht zum Trost nicht wenig die Größe des Siegers.
Wenn vielleicht das Gerede bereits dir Deianeiras
Namen zu Ohren gebracht, die war von den Mädchen die schönste
Und das beneidete Ziel ehdem für viele Bewerber.
Als ich mit diesen das Haus des begehreten Schwähers betreten,
Sprach ich zu ihm: 'Nimm mich zum Eidam, Sohn des Parthaon!'
So sprach Herkules auch. Die anderen wichen uns beiden.
Iupiter bring' als Schwäher er zu, gab an der Alkide,
Ehrenden Ruhm und der Proben Bestehn, die Iuno geboten.
Ich drauf sprach: 'Schimpf wär's, wenn ein Gott vor dem Sterblichen wiche',
Noch nicht war er ein Gott, 'mich siehst du als Herrn der Gewässer,
Die schräggehenden Laufs dein Reich in der Mitte durchströmen.
Eidam wird dir in mir kein fernher kommender Fremdling,
Sondern ein Landesgenoss, ein Teil von deinem Gebiete.
Wenn's mein Schade nur nicht, dass mich nicht Iuno die Hehre
Hasset und fern mir stehet die Strafe befohlener Taten.
Wenn mit dem Vater du gar noch prahlst, o Sohn der Alkmene,
Traun, nicht bist du gezeugt von Iupiter oder in Buhlschaft.
Er soll Vater dir sein der Mutter zum Schimpf. Was dir lieber,
Ob der erdichtete Gott, ob deine Erzeugung in Schande,
Wähle dir!' Während ich sprach, sah längst mit finsteren Blicken
Jener mich an und gebot nicht stark dem entbrennenden Zorne,
Und er erwiderte bloß: 'Mehr taugt mir die Faust als die Zunge.
Sieg' ich im Kampf nur ob, du magst obsiegen im Reden!'
Wild eindringt er auf mich. Nach den rühmenden Worten zu weichen
Hätte beschämt. Ich warf mein grünes Gewand von der Schulter,
Stemmte die Arme zur Wehr und hielt kampfharrend die Hände
Auswärts ab von der Brust und machte mich fertig zur Fehde.
Jener bestreut mich mit Staub, in geöffneten Händen ihn raffend,
Und wird selber gefärbt vom Wurfe des gelblichen Sandes.
Bald nun packt er den Hals, bald packt er die rührigen Schenkel,
Oder er scheint es zu tun, und befällt midi von jeglicher Seite.
Mir gibt Halt mein Gewicht, und ich werde vergebens befehdet,
Ähnlich dem Damm, auf den mit gewaltigem Rauschen die Fluten
Dringen heran: fest steht er, geschützt durch eigene Schwere.
Weniges gehn wir zurück und begegnen uns wieder im Streite.
Jeder behauptet den Stand und will nicht weichen; vereinigt
War mit dem Fuße der Fuß, und die Brust vordrängend mit aller
Macht andrückt' ich die Stirn an die Stirn, an die Finger die Finger.
Also sah ich im Kampf gewaltige Stiere sich treffen,
Wenn als Preis des Gefechts die stattlichste Kuh auf der Weide
Jeder verlangt für sich; zuschauen die Rinder in Spannung,
Wem wohl werde der Sieg zuwenden die mächtige Herrschaft.
Dreimal suchte umsonst der Alkide von hinnen zu drängen
Meine mit Wucht sich stemmende Brust; dann aber zum vierten
Reißt er vom Zwange sich los, im Ruck frei machend die Arme,
Gibt mir kräftigen Stoß - treu will ich berichten die Wahrheit –
Dreht mich schleunig herum und hängt mir schwer auf dem Rücken.
Glaube mir nur - nicht such' ich ja Ruhm in erdichteter Rede –
Mir kam's vor, als ob mich ein Berg aufliegend bedrückte.
Mühsam bracht' ich die Arme hinein, die troffen vom Schweiße;
Mühsam löste ich ab von der Brust die harte Verschränkung.
Aber den Keuchenden drängt er und lässt nicht Kräfte mich sammeln,
Bis er des Nackens zuletzt Herr ward. Da musste zur Erde
Endlich hinab mein Knie, und ich biss den Sand mit dem Munde.
Da ich erlegen an Kraft, muss dienen die Gabe der Wandlung,
Und ich entschlüpfte dem Mann in Gestalt langbauchiger Schlange.
Als ich aber den Leib krumm zog in gewundene Ringel
Und mit erbostem Gezisch die gespaltene Zunge bewegte,
Lacht' der tirynthische Held und spottet ob unserer Künste:
'Schlangen zu bändigen war mein Spielwerk schon in der Wiege',
Sprach er, 'und ständen dir nach, Acheloos, die anderen Drachen,
Was für ein winziger Teil bist du von der Schlange von Lerna!
Fruchtbar machten sie nur die empfangenen Streiche, und straflos
Ward ihr keines enthaun von den hundert vereinigten Häuptern,
Dass nicht mächtiger ward durch doppelten Erben der Nacken.
Sie, die ästig geteilt in mordentsprossene Nattern
Groß ward durch den Verlust, ist gebändigt von mir und vernichtet.
Was soll werden aus dir, der, trügliche Schlange geworden,
Fremde Waffen du führst und dich birgst in erbettelter Hülle?'
Also sprach er und packte mich rasch mit umstrickenden Fingern
Oben am Hals, und gewürgt, als ob mir Zangen die Gurgel
Zwängeten, müht' ich mich ab, aus dem Daumen zu reißen die Kehle.
So auch war ich besiegt, und es blieb als dritte des wilden
Stieres Gestalt. Als Stier auftretend erneu' ich die Fehde.
Jener jedoch umschlingt linksher mit dem Arme die Wampen,
Zieht mich heran und folgt mir im Lauf, drückt nieder die Hörner,
Bohrt in den Boden sie ein und strecket mich hin in dem Sande.
Das nicht bloß: er zerbrach das starrende Horn in der Rechten,
Die es beharrlich gepackt, und ließ mir die Stirne verstümmelt.
Von den Naiaden, gefüllt mit Früchten und duftigen Blumen,
Wurde geweiht mein Hörn. Nun gibt es der Fülle den Reichtum."
Also erzählte der Strom, und geschürzt nach der Weise Dianas
Mit frei hangendem Haar trat eine der dienenden Nymphen
Jetzt herein und bracht' im gesegneten Horne den Nachtisch,
Köstliches Obst, den gesamten Ertrag von dem heurigen Herbste.
Früh, wie der Tag anbrach, und die Sonne die Gipfel berührte,
Zogen die Jünglinge fort. Nicht wollten sie warten, bis wieder
Ruhe gewonnen der Strom und friedlichen Fall und die Wasser
Ganz sich wieder gelegt. In den Wellen versteckte das ländlich
Derbe Gesicht und das Haupt mit verstümmeltem Horn Acheloos.
  2. Nessus (98-133)
Diesen jedoch traf nur der Verlust der entrissenen Zierde;
Nichts war sonst ihm geschehn; auch hehlt er mit drüber gelegtem
Schilfrohr oder mit Laub von Weiden den Schaden am Haupte.
Doch du hattest den Tod von der Glut für die selbige Jungfrau,
Tückischer Nessos, erreicht im Rücken vom fliegenden Pfeile.
Wie er zur heimischen Stadt sich begab mit der neuen Gemahlin,
War der Alkide gelangt an die reißende Flut des Euenos.
Reichlicher war als sonst, durch regnende Güsse geschwollen,
Und voll Strudel der Fluss, und den Durchgang wehrte die Strömung.
Während der Held, für sich nicht bang, um die Gattin besorgt ist,
Tritt ihm Nessos, an Kraft gar rüstig und kundig der Furten,
Nahe und spricht: "Lass mich Dienst tun; ich will sie, Alkide,
Bringen zum anderen Strand. Du brauch als Schwimmer die Kräfte!"
Und der Aonier gab ihm die zagende Kalydonide,
Die vor Furcht blass stand und vom Strom wie von Nessos geschreckt war.
Bald, wie er war, mit dem Köcher beschwert und der Beute vom Löwen –
Über den Fluss schon hatt' er die Keule geschnellt und den Bogen -
Sprach er: "Begonnen ist nun, so seien die Fluten bewältigt!"
Und er erwägt nicht lang, noch sucht er zuvor, wo am stillsten
Gehe der Strom, und verschmäht willfährig dem Wasser zu schwimmen.
Als er, zum Ufer gelangt, aufhob den geschleuderten Bogen,
Hört' er die Gattin schrein. Zu veruntreun trachtete Nessos,
Was ihm geliehn. "Wozu", rief Herkules, "reißt, du Verwegner,
Eitles Vertraun auf die Füße dich hin? Zweileibiger Nessos,
Hüte dich! Hör und vergreife dich nicht an unsrem Besitztum.
Konnte dich Scheu vor mir nicht schrecken, so mochte des Vaters
Kreisendes Rad dir wohl die verbotenen Lüste vertreiben.
Doch nicht sollst du entfliehn, wie auch du vertrauest den Hufen.
Nicht mit dem Fuß, mit dem Schuss einhol ich dich." Wie er gesprochen,
Also geschah's, und er schnellte den Pfeil und traf ihn im Rücken,
Während er floh. Vor stand aus der Brust das gebogene Eisen.
Kaum war dieses heraus, so sprang aus der doppelten Öffnung
Mächtig das Blut durchmischt mit der Pest des lernaischen Giftes.
Schnell fängt Nessos es auf. "Nicht rachlos will ich verderben!"
Spricht er für sich und reicht der Entführten sein Kleid von dem warmen
Blut durchnässt zum Geschenk als liebanfachenden Zauber.
  3. Hercules Oeteus (134-272)
Lang war die Frist der verstrichenen Zeit, und Herkules' Taten
Hatten die Erde erfüllt und Iuno versöhnt mit dem Stiefsohn.
Opfer dem Iupiter wollt' auf Kenaion Oichalias Sieger
Weihn, wie gelobt; da eilte voraus zu Deianeiras
Ohren die schwatzende Mär, die Falsches zu tun zu dem Wahren
Liebt und von kleinem Beginn anwächst durch häufige Lügen,
Dass von Iole ganz der Amphitryonide bestrickt sei.
Sie, die Liebende, glaubt's, und erschreckt von der Kunde der Untreu
Ließ die Arme zuerst den Tränen den Lauf, und in Zähren
Weinte den Schmerz sie aus; bald drauf: "Was weine ich aber?",
Sagte sie, "freun nur wird sich ob meiner Tränen die Buhle.
Schon kommt jene heran; drum rasch und etwas ersonnen,
Eh' es zu spät, und in unser Gemach einziehet die andre!
Ob ich klag', ob schweig', heimkehre nach Kalydon, bleibe?
Ob ich verlasse das Haus, ob, wenn nichts weiter, mich wehre?
Wie nun, wenn ich gedenk, dass ich Schwester von dir, Meleagros,
Kühn mich ermannte zur Tat und, wessen beleidigte Ehre
Fähig und weiblicher Schmerz, dartäte im Morde der Buhle?"
Vielfach hat Vorsätze ihr Geist. Dann aber beschließt sie
Hinzuschicken das Kleid durchdrungen vom Blute des Nessos,
Dass es erneuete Kraft der erloschenen Liebe verleihe.
Unkund, was sie ihm reicht, reicht jene dem arglosen Lichas
Selbst ihr eigenes Weh und bittet ihn freundlich, die Ärmste,
Dass er bringe dem Mann das Geschenk. Ohn' Arg es empfangend
Legt um die Schultern das Gift der lernaischen Schlange der Heros.
Weihrauch gab er und frommes Gebet der beginnenden Flamme,
Wein auch goss er dazu auf den marmornen Herd aus der Schale.
Siehe, der Plage Gewalt wird warm, und gelöst von der Flamme
Dringet sie weit umher, durch Herkules' Glieder ergossen.
Mannhaft hielt er zurück, so lang er vermochte, die Klage.
Als die Geduld von den Leiden besiegt, da stieß er den Altar
Weg und begann mit Geschrei zu erfüllen den waldigen Oita.
Ohne Verzug nun strebt er das tödliche Kleid zu zerreißen:
Wo er es zieht, zieht jenes die Haut und - grässlich zu sagen -
Bleibt an die Glieder geklebt, Trotz bietend den zerrenden Händen,
Oder entblößt das zerrissene Fleisch und die mächtigen Knochen.
Selber das Blut hebt an, wie zuweilen getaucht in den Löschtrog
Glühender Stahl, zu zischen und kocht von dem brennenden Gifte.
Maß ist nicht; durch die Brust geht zehrend das gierige Feuer;
Dunkler Schweiß fließt rings vom Leib herab, und die Sehnen
Knacken vom Brande gesengt, und als vom verborgenen Gifte
Flüssig geworden das Mark, da hob er zum Himmel die Hände:
"Weide dich, Tochter Saturns", so rief er, "an meinem Verderben,
Weide dich nun und sieh, Grausame, von oben die Drangsal,
Labe dein hartes Gemüt! Doch rühr' ich die Feindin zum Mitleid -
Dir ja bin ich Feind - nimm weg die entsetzlich gequälte,
Dir so verhasste und nur zu Mühen geborene Seele.
Tod ist mir ein Geschenk; so ziemt Stiefmüttern zu schenken.
Darum hab' ich Busiris erlegt, der scheußlich den Tempel
Färbte mit Fremdlingsblut, und dem grausen Antaios der Mutter
Stärkende Nähe entrückt und vor des iberischen Hirten
Dreihaupt nicht mich entsetzt noch auch vor Kerberos' Dreihaupt?
Bogt ihr nicht das Gehörn, ihr Arme, dem riesigen Stiere?
Kunde von euch gibt Elis, von euch die stymphalischen Wellen
Und der parthenische Wald. Fernher trug euere Kühnheit
Aus thermodontischem Gold das Gehenk mit getriebener Arbeit
Heim und die Äpfel, bewacht von dem schlummerentbehrenden Drachen.
Stand nicht hielten vor mir die Kentauren im Kampf, und der Eber
Hielt nicht Stand, Arkadiens Schreck. Nichts half es der Hydra,
Dass im Verluste sie wuchs und gewann stets doppelte Kräfte.
Ja, von menschlichem Blut auch sah ich die Rosse des Thrakers
Feist und die Krippen gefüllt mit Fetzen verstümmelter Leichen,
Sah's und stürzte sie um und erschlug so Rosse wie Eigner.
Hier von den Armen gewürgt liegt tot das nemeische Untier.
Ich trug untergestemmt den Olymp. Müd' ist des Befehlens
Iupiters grausames Weib; ich bin nicht müde der Arbeit.
Nun kommt neuer Verderb, dem weder vermag zu begegnen
Männlicher Mut noch Waffen und Wehr. In den innersten Lungen
Irret gefräßiger Brand und zehrt durch alle die Glieder.
Aber Eurystheus ist wohlauf, und an waltende Götter
Glauben sie noch!" So sprach er und schritt auf der Höhe des Oita
Also versehrt einher, wie wenn in dem Leibe den Wurfspieß
Trägt der getroffene Stier und der Tat Urheber geflohn ist.
Oft stieß lautes Gestöhn er aus, oft sah man ihn beben,
Oft aufs neue versucht' er das ganze Gewand zu zerreißen,
Schmetterte Stämme zur Erde und wütete gegen die Berge,
Oder er streckte hinan zum Himmel des Vaters die Arme.
Da nimmt Lichas er wahr, der zitternd sich unter dem Felshang
Duckte, und rief, wie der Schmerz ihm die Wut aufs höchste gesteigert:
"Du hast, Lichas, gebracht die unheilbergende Gabe?
Du wirst Mörder an mir?" Bleich steht mit Zittern und Beben
Lichas und spricht voll Zagen der Schuld entlastende Worte.
Während er sprach und den Knien mit den Händen gedachte zu nahen,
Packt ihn der Held und wirft ihn zu drei, vier Malen gewirbelt
In das euboiische Meer mit stärkerer Wucht als ein Wurfzeug.
Jener, indessen er flog in den luftigen Räumen, erharschte.
Wie man vermeint, dass Regen gerinnt bei frostigem Winde,
Schnee draus wird, dann, wenn sich geballt die kreisenden Flocken,
Dichter der Klumpen sich schließt und zur starrenden Schloße sich rundet:
Also auch, durch die Luft von den kräftigen Armen geschleudert,
Wurde, vor Furcht blutlos und nichts von Feuchte behaltend,
Lichas zu hartem Gestein nach der früheren Zeiten Erzählung.
Jetzt noch ragt in die Höhe ein Fels im euboiischen Sunde
Karg an Raum und bewahrt noch Spuren von menschlicher Bildung.
Ihn, als fühlte der Stein, trägt Scheu zu betreten der Schiffer,
Der ihn Lichas benennt. Du, Iupiters herrlicher Sprössling,
Gibst, als Bäume gefällt, die trug der erhabene Oita,
Und zum Brande gehäuft, mit dem Bogen den räumigen Köcher
Und die Geschosse, bestimmt einst nochmals Troia zu schauen,
Ab an des Poias Sohn. Der legt dienstfertig die Flamme
Unter den Stoß, und indem in die Scheiter das gierige Feuer
Einschlägt, breitest du aus das nemeische Fell auf des Holzes
Oberster Schicht und streckst dich, gelehnt an die Keule den Nacken,
Mit nicht andrem Gesicht, als wärst du gelagert zum Gastmahl,
Kranzumwunden das Haupt bei gefüllten Bechern des Weines.
Lodernd prasselte schon rings um sich greifend die Flamme,
Und an den sorglosen Leib und an ihren Verächter zu kommen
Strebte sie. Bangen ergriff um den Schirmer der Erde die Götter.
Da mit heiterem Mund sprach also der Sohn des Saturnus,
Iupiter, der es gemerkt: "Wie freut mich, ihr himmlischen Götter,
Euere Furcht! Ich wünsche mir Glück vom Grunde des Herzens,
Dass von erkenntlichem Volk ich Herrscher und Vater genannt bin
Und dass euere Gunst auch Schutz gibt meinem Geschlechte.
Wird auch solches zuteil nur seinen gewaltigen Taten,
Weiß ich doch selbst euch Dank. Dass aber die treuen Gemüter
Eitele Furcht nicht schreckt, lasst brennen die Flammen des Oita!
Er, der alles bezwang, wird drunten das Feuer bezwingen.
Nur sein mütterlich Teil wird spüren den starken Vulcanus;
Was er empfangen von mir, muss ewig bestehen, dem Tode
Unzinsbar und entrückt und nimmer der Flamme zerstörbar,
Und dies will ich erlöst von den irdischen Mühn zu des Himmels
Räumen erhöhn, und es wird mein Tun, so hoff ich, erfreulich
Allen Unsterblichen sein. Wenn aber den Herkules jemand
Schaut als Gott mit Verdruss, der gönnt wohl nicht die Belohnung,
Aber er weiß, dass ihm sie gebührt, und billigt sie ungern."
Beifall zollte der Rat; auch schien die Gemahlin des Königs
Mit nicht düsterem Blick zu vernehmen die übrige Rede,
Doch mit düstrem den Schluss, weil kränkend sie traf die Bezeichnung.
Mulciber hatte indes, was irgend der Flamme verwüstlich,
Alles von hinnen gerafft. Nicht mehr ist kenntlich geblieben
Herkules' Bild, und nichts, was stammte vom Wesen der Mutter,
Hat er bewahrt, und es bleiben an ihm nur Iupiters Spuren.
Wie sich die Schlange verjüngt, wenn der Balg mit dem Alter entfallen,
Üppigen Lebens erfreut und prangt mit erneueten Schuppen:
So mit dem edleren Teil, des sterblichen Leibes entkleidet,
Lebt der Tirynthier fort in Fülle der Kraft und beginnet
Größer zu werden und Scheu durch heilige Würde zu heischen.
Jetzt auf dem Viergespann trug ihn der allmächtige Vater
Mitten in hohlem Gewölk hinweg zu den strahlenden Sternen.
  4. Galanthis (273-323)
Atlas fühlte die Last. Noch ließ von dem Zorne Eurystheus,
Sthenelos' Sohn, nicht ab, und er übte den Hass wie am Vater
Fühllos auch an dem Sohn. Doch Argolis' Tochter, Alkmene,
Ständig ergeben dem Harm, hat Iole, der sie des Alters
Klagen vertraun und die Taten des Sohns, die bezeuget der Erdkreis,
Kund tun kann und ihr eignes Geschick. Denn Iole hatte
Hyllos in Lager und Herz nach Herkules' Willen genommen
Und ihr befruchtet den Schoß mit edlem Keime. Zu dieser
Hob Alkmene an: "Dir wenigstens möge die Gottheit
Gnädig verkürzen die Frist, wenn du in der Stunde der Reife
Rufest der ängstlichen Wehn Vorsteherin, Eileithyia,
Die so streng bei mir sich erwiesen der Iuno zu Liebe.
Als nah war die Geburt des mühvollbringenden Dulders
Herkules und das Gestirn schon stand in dem zehnten der Zeichen,
Spannte gewichtige Last mir den Schoß, und was ich darin trug,
War so groß, dass leicht man ersah, die umschlossene Bürde
Rühre von Iupiter her. Auch hätt' ich länger die Drangsal
Nicht zu ertragen vermocht. Noch schüttelt mich, während ich rede,
Schaudernder Frost, und ein Teil vom Schmerz ist, dran zu gedenken.
Sieben der Nächte hindurch und gleichviel Tage in Nöten
Rief ich, von Leiden erschöpft und die Arme zum Himmel erhebend,
Laut Lucina mit Schrein und im Gleichmaß nahende Wehen.
Zwar kam jene herbei, doch gewonnen zuvor und entschlossen,
Tückisch dahinzugeben mein Haupt der erbitterten Iuno.
Als sie vernahm mein Ächzen, erkor sie zum Sitze den Altar
Dort an der Tür, und verschränkt in die Beuge des rechten das linke
Knie einklemmend und fest ineinander gefaltet die Finger
Hielt sie zurück die Geburt. Auch Sprüche mit flüsternder Stimme
Sagte sie her, und die nahe Geburt hielt auf die Beschwörung.
Angstvoll ring' ich und schmäh umsonst auf Iupiters Undank,
Wünsche mir ganz von Sinnen den Tod und ergieße in Klagen,
Steine zu rühren, den Schmerz. Nah stehn die kadmeischen Mütter,
Flehn mit Gelübden für mich und sprechen der Leidenden Mut zu.
Eine der dienenden Mägd' aus niederem Volke, Galanthis,
Golden von Haar, war da, gar hurtig im Tun der Befehle,
Durch Diensttreue mir wert. Die merkt, dass etwas verübe
Iunos feindlicher Sinn, und während sie oft durch die Türe
Ein- und ausgeht, sieht auf dem Herde sie sitzen die Göttin,
Wie an den Knien sie hielt mit den Fingern verschlungen die Arme.
'Wer auch', sprach sie, 'du seist, Glück wünsche der Herrin! Entbunden
Ist und im Flehen erhört die argolische Mutter Alkmene.'
Da, aufspringend im Schrecken, lässt plötzlich die Göttin der Wehen
Fahren der Hände Verband. Frei war ich und konnte gebären.
Ob der gelungenen List, so sagt man, lachte Galanthis.
Aber die Lachende fasst beim Haar die entrüstete Göttin,
Zerrt sie und wehrt, wie jene den Leib von der Erde zu heben
Trachtet, und wandelt ihr um zu vorderen Füßen die Arme.
Flinkes und emsiges Tun wie früher verbleibt, und des Rückens
Farbe verändert sich nicht; die Gestalt ist der vorigen ungleich.
Weil sie mit lügendem Mund der Gebärenden half, so gebiert sie
Auch mit dem Mund und besucht wie ehdem unsere Wohnung."
  5. Dryope (324-393)
Sprach's, und der früheren Magd mit schmerzlicher Rührung gedenkend
Seufzte sie. Aber die Schnur sprach zu der Bekümmerten also:
"Du bist, Mutter, bewegt, dass sie, die euerem Blute
Fremd war, Wandlung erfuhr. Wie, wenn ich der eigenen Schwester
Wundergeschick dir erzähle, wiewohl vor Tränen und Wehmut
Fast mir die Sprache versagt? Die einzige Tochter der Mutter -
Andere Mutter ist mir - war Dryope, reizend wie keine
Unter Oichalias Fraun. Jungfräulicher Ehre verlustig,
Da sie erlegen dem Gott, der waltet in Delphi und Delos,
Ward sie Andraimons Weib, und er galt als glücklicher Gatte.
Mit abschüssigem Rand nachbildend das schräge Gestade
Ist ein See. Rings zieht sich ein Myrtengebüsch um die Fläche.
Dort kam Dryope hin, ihr Geschick nicht ahnend und, was noch
Mehr Unwillen erregt, um Kränze zu bringen den Nymphen.
Mit sich trug sie ihr Kind, dem noch kein Jahr sich vollendet,
Mütterlich stolz an der Brust, ihm Milch darreichend zur Nahrung.
Unweit stand von dem See, mit tyrischen Farben sich schmückend,
Beeren verheißend in Blüt' ein wasserbedürftiger Lotos.
Dryope hatte vom Baum sich Blumen gepflückt, sie dem Söhnchen
Hinzugeben zum Spiel, und zu tun wie jene gedacht' ich –
Denn ich begleitete sie -, da sah ich entfallen der Blüte
Tropfen von Blut und die Zweige bewegt von zitterndem Schauer.
Eine der Nymphen, wie nun erst säumige Bauern erzählten,
Lotis, hatte darin auf der Flucht vor Priapus' Begierden
Ihren gewandelten Leib mit behaltenem Namen geborgen.
Nicht war dieses der Schwester bekannt, und erschrocken von hinnen
Wollte sie gehn und, die sie verehrt, die Nymphen verlassen,
Als anwurzelnd ihr Fuß festhing. Los will sie sich reißen,
Doch nur oben bewegt sie den Leib. Aufwachsend von unten
Windet sich rings um die Weichen gemach zäh haftende Rinde.
Wie sie es sieht, hebt jene die Hand, sich das Haar zu zerraufen;
Da füllt Laub ihr die Hand. Rundum war Laub an dem Haupte.
Aber der saugende Knab' Amphisos - denn also benannte
Eurytos jenen, der Ahn - fühlt, wie sich die Brüste der Mutter
Härten und nicht mehr folgt den Zügen die flüssige Nahrung.
Nah stehn musst' ich und sehn das grause Verderben und konnte
Helferin nicht, o Schwester, dir sein. Soviel ich vermochte,
Hemmt' ich den wachsenden Stamm und die Äste mit meiner Umschlingung
Und - ich gesteh's - mich wünscht' ich bedeckt von der selbigen Rinde.
Sieh, Andraimon, ihr Mann, und der mitleidswürdige Vater
Nahen und forschen nach ihr, und wie sie nach Dryope forschten,
Wies auf den Lotos ich hin. Sie decken mit Küssen das laue
Holz und werfen sich hin, an die Wurzeln des Baumes geklammert.
Nichts, was Baum nicht war, nun hattest du, teuere Schwester,
Als das Gesicht. Das Laub, aus dem kläglichen Körper entstanden,
Wird von Tränen betaut, und so lange sie kann und der Stimme
Weg noch bietet der Mund, gießt Klage sie aus in die Lüfte:
,Falls man dem Unglück glaubt: bei den Himmlischen schwör' ich, das Unrecht
Trifft mich wider Verdienst. Unschuldig erleid' ich die Strafe.
Fehllos hab' ich gelebt, und lüg' ich, so will ich verdorrend
Kahl dastehen von Laub und gefällt vom Beile verbrennen.
Aber das Kind hier nehmet hinweg von den Ästen der Mutter.
Gebt es der Amme zur Hut und lasst es an unserem Baume
Oftmals trinken die Milch, oft spielen an unserem Baume.
Kann er sprechen dereinst, dann lehrt den Knaben die Mutter
Grüßen und sagen betrübt: 'Hier unter dem Stamm ist die Mutter!'
Aber er scheue den See und pflücke nicht Blüten vom Baume
Und er betrachte als Leib von Göttinnen alle Gesträuche.
Teurer Gemahl, leb wohl; lebt wohl auch, Schwester und Vater!
Wenn ihr für mich noch Liebe bewahrt, so gebt meinem Laube
Schutz vor den Bissen des Viehs und den Wunden der schneidenden Sichel,
Und weil mir vom Geschick nach euch mich zu beugen verwehrt ist,
Richtet zu mir euch auf, und so lang ich noch zu berühren,
Kommet zu meinem Kuss und herauf auch hebt mir den Kleinen!
Mehr ist zu reden versagt; schon über die Weiße des Halses
Windet sich schmeidiger Bast, und im steigenden Wipfel verschwind' ich.
Nehmt nur weg von den Augen die Hand! Ohn' euere Liebe
Wird mir den sterbenden Blick schon schließen umhüllende Rinde.'
Rede zugleich hört auf und des Mundes Bestand, und die Wärme
Hielt am gewandelten Leib noch lange das frische Gezweige."
  6. Iolaus. Die Söhne der Callirhoe (394-453)
Wie den erstaunlichen Fall noch kundtut Eurytos' Tochter
Und mit dem Daumen genaht Alkmene der Iole Zähren
Trocknet und selbst doch weint, da drängt ein neues Begebnis
Jeglichen Kummer zurück. Denn auf der erhöheten Schwelle,
Fast ein Knab' und die Wangen bedeckt mit spärlichem Flaume,
Stand Iolaos, verjüngt zu blühenden Jahren im Antlitz.
Ihn ließ solche Gunst die iunonische Hebe genießen,
Weil sie bat der Gemahl. Als diese zu schwören bereit war,
Solches Geschenk nach ihm an keinen vergeben zu wollen,
Litt nicht Themis den Schwur. 'Zwieträchtige Fehde', begann sie,
'Hebt ja Theben bereits, und Kapaneus wird zu besiegen
Nur durch Iupiters Hand, und die Brüder im Streiche sich gleich sein.
Lebend annoch wird schauen den eigenen Schatten der Seher
Durch den entzogenen Grund, und es wird, an der Mutter den Vater
Rächend, der Sohn in dem nämlichen Tun Pflicht üben und Frevel
Und in Entsetzen und Angst, des Verstandes beraubt und der Heimat,
Vom Eumenidengesicht und vom Schatten der Mutter verfolgt sein,
Bis dass fordert von ihm das verderbliche Gold die Gemahlin
Und das phegeische Schwert durchstößt die verschwägerte Seite.
Dann von Iupiter heischt Kallirrhoe, die Acheloos
Zeugete, Alter wie dies für die zwei unmündigen Söhne,
Dass nicht ohne Vergelt lang bleibe der Mord des Vergelters.
Iupiter aber gerührt nimmt dann der Schnur und des Stiefkinds
Gabe voraus und macht unbärtige Knaben zu Männern.'
Als mit verkündendem Mund die zukunftwissende Themis
Solches gesagt, ward laut bei den Göttern verworrene Rede.
Warum anderen nicht dasselbe zu geben vergönnt sei,
Murmelte man. Es klagt, dass hoch an Jahren der Gatte,
Pallas' Tochter; es klagt, dass grau ihr Iasion werde,
Ceres, die gütige Macht, und für Erichthonios fordert
Mulciber Jugend zurück; auch Venus gedenkt mit Besorgnis
Künftiger Zeit und bedingt für Anchises Erneuung der Jahre.
Jeglicher Gott ist für einen bedacht, und den lärmenden Aufruhr
Mehrt fürsorgliche Gunst, bis Iupiter endlich die Lippen
Öffnet und spricht: 'O habt ihr vor uns noch einige Ehrfurcht,
Wessen erkühnet ihr euch? Glaubt einer von euch sich vermögend,
Zwang zu tun dem Geschick? Das Geschick hat in die verlebte
Zeit Iolaos versetzt; das Geschick lässt Jünglinge werden,
Nicht einnehmendes Tun noch Waffen Kallirrhoes Söhne.
Euch auch bannt, und dass ihr mit leichterem Mut es ertraget,
Mich selbst bannt das Geschick. Hätt' ich die Gewalt es zu ändern,
Sollte der Jahre Gewicht nicht unseren Aiakus beugen
Und Rhadamanthys bestehn in dauernder Blüte des Lebens
Und mein Minos dazu, der wegen der Bürde des herben
Alters an Ansehen schwach nicht herrscht mit der früheren Ordnung.'
Wirkung tat, was Iupiter sprach, und zu klagen erkühnt sich
Keiner, da Aiakos auch sie sehen und mit Rhadamanthys
Minos von Jahren erschöpft. Er, der in dem rüstigen Alter
Mächtige Völker allein mit dem Klang des Namens erschreckte,
War hinfällig anjetzt. Vor dem Deioniden Miletos,
Dem Stolz weckte die Kraft der Jugend und Phoibos der Zeuger,
Ist er in Furcht; denn er glaubt, dass er sein Reich ihm zu nehmen
Trachtet, und wagt doch nicht aus der Heimat ihn zu verweisen.
Aber du gehst, Miletos, von selbst in die Fremde und steuerst
Durch die aigaiische Flut mit eilendem Kiel und errichtest
Mauern im asischen Land, die führen den Namen des Gründers.
Dort nun, während sie ging am gewundenen Ufer des Vaters,
Ward dir die Nymphe bekannt Kyaneia, welche Maiandros
Zeugte, der oft umkehrende Strom, und Kinder gebar sie
Schön vor allen an Wuchs, die Zwillinge Kaunos und Byblis.
  7. Byblis (454-665)
Byblis warnt, dass nicht Unziemliches lieben die Mädchen.
Byblis, erfasst von Begehr nach dem apollinischen Bruder,
Liebte ihn mehr als recht und nicht wie den Bruder die Schwester.
Anfangs merkte sie zwar noch nichts von dem Feuer und glaubte
Sträfliches nicht zu tun, dass öfter sie küsste den Bruder,
Dass sie vertraulich den Hals ihm oft umschlang mit den Annen,
Und ward lange vom Schein ehrbaren Gefühles betrogen.
Aber die Liebe verirrt sich gemach, und den Bruder zu sehen
Kommt sie geschmückt und begehrt zu sehr ihm schön zu erscheinen;
Doch schaut eine sie dort, die schöner, beneidet sie diese.
Noch nicht war sie indes sich klar, und unter dem Brande
Regt sich in ihr kein Wunsch. Nur innerlich siedet und wallt es.
Trautester nennt sie ihn schon, hasst schon den Namen des Blutes,
Hört schon Byblis von ihm sich lieber geheißen als Schwester.
Raum zu geben jedoch im Gemüt unlauterer Hoffnung
Wagt sie im Wachen noch nicht. Umfangen von friedlichem Schlummer
Sieht den Geliebten sie oft. Mit dem Bruder den Leib zu vereinen
Wähnt sie auch und errötet, obgleich im Schlummer sie ruhte.
Weg ist der Schlaf. Lang schweigt sie und führt das Gebilde des Traumes
Wieder sich vor und beginnt dann also mit schwankem Gemüte:
"Weh mir! Ach, was soll das Gesicht des verschwiegenen Dunkels?
Warum sah ich den Traum, der nie sich verwirklichen möge?
Schön ist jener fürwahr auch noch so feindlichen Augen,
Und er gefällt, und wär's mein Bruder nicht, könnt' ich ihn lieben;
Würdig erschiene er mein. So bin ich zum Leide die Schwester.
Wenn nur wachend ich nicht zu solchem Vergehen versucht bin,
Möge der Schlaf noch oft mir kehren mit ähnlichem Bilde.
Fern sind Zeugen dem Traum, nicht fern gleichkommende Wonne.
Venus du holde mitsamt dem beflügelten Sohne Cupido,
Oh, was empfand ich für Lust! Wie deutlich gefühltes Entzücken
Nahm mich dahin! Wie lag ich gelöst im innersten Marke!
Wie ist Erinnerung süß, wenn kurz auch waren die Freuden
Und zu eilig die Nacht und neidisch auf unser Beginnen!
Stände Verein uns zu mit Wandel des Namens, wie leicht dann,
Dass ich wäre die Schnur, o Kaunos, von deinem Erzeuger,
Dass du Eidam wärst, o Kaunos, von meinem Erzeuger!
Fügten die Götter es nur, dass alles wir außer den Ahnen
Hätten gemein! Oh, wärst du edler als ich von Geschlechte!
Irgend ein Weib wird also von dir, o Schönster, zur Mutter;
Mir, der leider mit dir die selben Eltern geworden,
Wirst nur Bruder du sein. Was hindert, das eine verbleibt uns.
Worauf deutet mir nun das Gesicht? Was haben denn aber
Träume für Wert? Ob wirklichen Wert doch haben die Träume?
Seien die Götter davor! Die freieten freilich die Schwestern.
So nahm Ops zum Weibe der blutsverwandte Saturnus,
Iuno der waltende Herr des Olympos, Okeanos Tethys.
Göttern besteht ihr besonderes Recht. Wie mag ich bemessen
Nach ganz andrem Gesetz im Himmel die menschlichen Bräuche?
Weggehn muss die verbotene Glut aus unserem Herzen,
Oder vermag ich es nicht, so wünscht' ich lieber zu sterben
Und auf der Bahre zu ruhn, dass er dann küsste die Tote.
Und es verlangt doch auch Einwilligung zweier die Sache.
Sei auch mir sie genehm, ihm wird sie Verbrechen erscheinen.
Doch nicht scheuten das Bett der Schwestern des Aiolos Söhne.
Aber warum sind die mir im Sinn? Was soll mir das Beispiel?
Wohin wird' ich geführt? Weicht fern, unzüchtige Flammen!
Nur, wie der Schwester erlaubt, soll fürder der Bruder geliebt sein.
Wär' er jedoch von Liebe zu mir schon selber ergriffen,
Könnt' ich gefällig vielleicht mich seinem Verlangen bequemen.
Soll ich drum, die doch nicht hätte verschmäht den Bewerber,
Werberin sein? Doch kannst du es sagen und ihm es gestehen?
Sehnsucht zwingt; ich kann's; und fesselt die Scham mir die Zunge,
Kann ja ein heimlicher Brief das verstohlene Feuer bekennen."
Dies sagt zu, und der Einfall vertreibt des Herzens Bedenken.
Seitwärts hebt sie sich nun und spricht, auf die Beuge des linken
Armes gestützt: "So sei's! Wir gestehen die rasende Liebe.
Ach, wo komm' ich hin! Welch Feuer entzündet das Herz mir!"
Und sie entwirft mit zitternder Hand das erwogene Schreiben,
Hält in der Rechten den Stift, das geglättete Wachs in der Linken,
Fängt an, zögert und sinnt; sie schreibt und verwirft das Geschriebne,
Zeichnet von neuem und streicht; sie ändert und tadelt und billigt,
Öfter im Wechsel das Blatt weglegend und wieder ergreifend
Weiß sie nicht, was sie will; was immer sie scheint zu erwählen,
Ist nicht recht. Im Gesicht liegt Scham nicht minder wie Kühnheit.
"Schwester" bereits stand da. Sie beschließt den Namen zu tilgen
Und ins gestrichene Wachs zu graben die folgenden Worte:
"Glück, das ihr nicht wird, wenn du ihr nicht es gewährest,
Wünscht dir der Liebenden Gruß. Sie schämt sich, den Namen zu sagen.
Und wenn nach dem Begehr du mich fragst: oh, ließe die Sache
Ohne den Namen sich nur abtun, und es bliebe dir Byblis
Unerkannt, bis erst ihr gesichert der Wünsche Gewährung!
Zwar wohl konnten bereits das verwundete Herz dir verraten
Farbe und schwindender Leib und die Augen in Tränen, die Mienen,
Ohne bemerkbaren Grund oftmals aufsteigende Seufzer
Und die Umarmungen all und die Küsse, daran zu verspüren,
Wenn du vielleicht Acht gabst, dass schwesterlich nicht sie gewesen.
Aber obwohl ich trug im Gemüt die brennende Wunde,
Ob auch innen die Glut wild loderte, alles versucht' ich –
Götter bezeugen es mir - dass endlich mir würde Genesung;
Ach, und ich war zu entfliehn den gewaltsamen Waffen Cupidos
Lange bemüht, und mehr, als deines Erachtens ein Mädchen
Irgend vermag, hielt stark ich aus. Nun muss ich bekennen,
Dass ich erlag, und bei dir Heil suchen mit schüchternem Wunsche.
Du kannst retten allein die Liebende, du sie verderben.
Tue denn, was dir beliebt. Nicht ist es die Bitte der Feindin,
Sondern es fleht die, schon so nah, dir näher zu stehen
Wünscht und mit dir gern wäre verknüpft durch engere Bande.
Mögen das Recht die Greise verstehn und forschen, was statthaft,
Was ein Vergehn, was nicht, und an Satzungen ängstlich sich halten:
Unseren Jahren gemäß ist keck sich nähernde Liebe.
Noch nicht wissen wir ja, was erlaubt ist, und wir erachten
Alles erlaubt und tun nach dem Vorbild mächtiger Götter.
Strenge des Vaters dazu so wenig wie Scheu vor dem Leumund
Hindern uns dann, noch Furcht. Was hätten wir auch zu befürchten?
Unsre verstohlene Lust deckt leicht das Geschwisterverhältnis.
Freiheit steht mir zu, mit dir im geheimen zu reden;
Offen umarmen wir uns vor allen und küssen einander.
Wie viel fehlt da noch? Dich rühre der Liebe Geständnis,
Das nie wäre getan, wenn Not nicht hätte gezwungen.
Zieh dir die Schuld nicht zu, dass dich anklage mein Grabstein!"
Jetzt, da solches umsonst sie geschrieben, versagte das volle
Wachs sich der Hand, und gedrängt an den Rand ist die unterste Zeile.
Gleich nun siegelt sie zu ihr Verbrechen mit drückendem Steine,
Den sie mit Tränen benetzt. An Feuchte gebrach es der Zunge.
Einen der Diener berief sie darauf schamrot, und befangen
Sprach sie zu ihm mit freundlichem Wort: "Dies bringe, Getreuer,
Meinem", lange nachher erst sagte sie "meinem Bruder."
Als sie es gab, fiel nieder, der Hand entglitten, das Schreiben.
Ob sie die Warnung schreckt, doch schickt sie es. Passenden Zeitpunkt
Findet der Diener zu nahn und liefert den heimlichen Brief ab.
Bebend in plötzlichem Zorn wirft hin der maiandrische Jüngling,
Eh' er es noch ganz las, das empfangene Schreiben mit Abscheu.
Kaum abhaltend die Hand vom Gesicht des zitternden Dieners
Ruft er: "Verbotener Lust fluchwürdiger Bote, entfliehe,
Weil du noch kannst! Wenn nur dein Tod nicht unsere Schande
Nach sich zöge, fürwahr, du hättest gebüßt mit dem Leben."
Jener entflieht voll Angst und berichtet der Herrin des Kaunos
Ausbruch. Wie du vernimmst die Weigerung, Byblis, erbleichst du,
Und es erstarrt dein Leib, von eisiger Kälte besessen.
Mit der Besinnung jedoch ist wiedergekommen der Wahnsinn,
Und kaum erregend die Luft schickt folgende Worte die Zunge:
"Ganz nach Verdienst! Warum auch hab' ich verraten die Wunde
Ohne Bedacht; warum, was noch zu verhehlen gewesen,
So voreilig vertraut dem allzu schleunigen Briefe?
Vorher musst' ich mir erst, wie jener gesonnen, erforschen
Mit zweideutigem Wort. Auf dass sie der Fahrenden folgte,
Musst' ich merken zuvor am Stand des Segels, von wannen
Wehte die Luft, und bei sicherem Meer auslaufen. Die Linnen
Hab' ich mit Winden geschwellt, danach ich zu spähen versäumte.
So nun werd' ich an Klippen gejagt, und das wogende Weltmeer
Deckt die Versunkene zu, und zurück kann nimmer mein Segel.
Ja, mich mahnte ja auch ein untrügliches Zeichen, der Liebe
Nicht willfährig zu sein, da, als mir das Wachs bei dem Auftrag
Eben fiel aus der Hand und wankend mir machte die Hoffnung.
Musst' ich nicht von dem Tag, vielleicht von dem ganzen Beginnen,
Doch wohl nur von dem Tag, abstehn? Mich warnte die Gottheit
Selber mit deutlichem Wink, wenn ich nicht von Sinnen gewesen.
Aber ich musst' auch selbst, anstatt mich dem Wachs zu vertrauen,
Reden und Aug' in Aug' ihm entdecken der Sinne Betörung.
Tränen hätt' er gesehn und gesehen der Liebenden Züge;
Mehr dann könnt' ich ihm sagen, als Raum auf dem Blatte gefunden,
Konnte den Hals mit dem Arm trotz seines Erwehrens umfangen,
Wenn er zurück mich stieß, als Beute des Todes erscheinen,
Dringlich umfassen die Knie und liegend mein Leben erflehen.
All das hätt' ich getan, und vermochte zu beugen den harten
Sinn nicht eines allein, so hätt' es vermocht das Gesamte.
Einige Schuld vielleicht auch trägt der gesendete Diener.
Störend erschien er gewiss und ersah nicht, wie ich vermute,
Schickliche Zeit und nahm nicht wahr die Stunde der Muße.
Das nur schadete mir. Kein Tiger ja hat ihn geboren,
Sprödes Gestein auch trägt er ja nicht, noch starrendes Eisen,
Noch auch Stahl in der Brust, noch ist er gesäugt von der Löwin.
Sieg ist gewiss. Neu sei es versucht! Nichts soll mir verleiden
Mein Vorhaben hinfort, so lang ich den Atem behalte.
War es das Erste - wofern ich könnte Geschehenes ändern -
Nicht zu beginnen, so ist das Begonnene enden das Zweite.
Jener vermag ja doch, auch wenn ich entsagte dem Wunsche,
Niemals, was ich gewagt, zu verdrängen aus seinem Gedächtnis.
Schein auch wäre, dieweil ich verzichtete, dass ich im Wollen
Schwach war oder ihn gar versuchte und Schlingen ihm legte;
Mindestens bliebe Verdacht, dass nicht der Gott, der gewaltig
Brannte und brennt in der Brust, mich nötigte, sondern Gelüste.
Kurz, ich vermag nicht mehr rückgängig zu machen die Schande;
Schrift und Gesuch sind da, und befleckt ist unsre Gesinnung.
Tu' ich dazu auch nichts, schuldfrei kann nimmer ich heißen.
Was noch übrig, ist viel für den Wunsch, nicht viel für die Sünde."
Sprach's, und - also besteht im schwankenden Herzen Entzweiung -
Ob sie bereut den Versuch, sie erneute ihn doch, und die Arme
Hält nicht Maß und macht, dass oft sie Verweigerung leidet.
Als kein Ende zu sehn, geht fern von Verbrechen und Heimat
Kaunos und baut auf fremdem Gebiet neu steigende Mauern.
Da nun, kündet die Mär, kam ganz von Sinnen Miletos'
Tochter in Jammer und Leid; da riss sie das Kleid voneinander
Vorn an der Brust und schlug sich die Arme in wilder Verzweiflung.
Offen bekennt sie verstört ihr Trachten nach frevelnder Buhlschaft;
Dann, da Land und Penaten sie hasst, wo nichts ihr zu hoffen,
Macht sie sich auf und verfolgt die Spuren des flüchtigen Bruders.
Wie dreijährliches Fest die ismarischen Bakchen begehen,
Die dein Thyrsos erfüllt mit dem Geist, o Semeles Sprössling,
So ward Byblis gesehn, wie durch die Gefilde sie heulte,
Von den bubasischen Fraun. Als die sie verlassen, durchirrt sie
Karer und Leleger stark im Streit und der Lykier Landschaft.
Limyre ließ sie und Kragos zurück und die Wellen des Xanthos
Und das Gebirge, woselbst Chimaira das Feuer im Innern
Trug mit der Löwin Gesicht und Brust und dem Schweife der Schlange.
Wald zum Suchen gebricht; da sinkst du, Byblis, zu Boden
Von dem Verfolgen erschöpft, und das Haar auf die Erde gebettet
Liegst du gestreckt und drückst das gefallene Laub mit dem Antlitz.
Oft nun suchen empor sie zu richten lelegische Nymphen
Mit unkräftigem Arm, und dass sie beherrsche die Liebe,
Mahnen sie oft und sprechen Trost nur taubem Gemüte.
Stumm liegt Byblis und hält mit den Nägeln den grünenden Rasen
Krampfhaft fest und befeuchtet das Gras mit dem Strome der Zähren
Diesen verliehen darauf zufolge der Mär die Naiaden
Nimmer versiegenden Quell. Was konnten sie Größeres geben?
Sieh, wie tropfendes Harz aus geschnittener Rinde der Föhre
Oder wie klebendes Pech aus der zeugenden Erde hervorquillt,
Wie von der Sonne erweicht beim Nahn sanftwehender Weste
Wieder die Welle zergeht, die starr vom Froste gestanden:
So auch löste sich auf in Tränen die phoibische Byblis,
Bis sie geworden zum Born, der jetzt noch dorten im Tale
Führet den Namen von ihr und sprudelt an dunkeler Eiche.
  8. Iphis (666-797)
Leicht wohl hätte der Ruf von der Wundergeschichte die hundert
Kretischen Städte erfüllt, wenn nicht in der Iphis Verwandlung
Kreta hätte gezeigt erst neulich ein näheres Wunder.
Phaistos' Gebiet, das nah beim gnosischen Reiche gelegen,
Hatte den Ligdos gezeugt vor Zeiten, der niederen Bürger
Einen, von keinem gekannt. Auch war nicht größer der Reichtum,
Als sein Adel es war; doch stand er im Leben und Wandel
Rein von Tadel und Schuld. Der sprach zu der schwangeren Gattin
Also das mahnende Wort, als nahte die Zeit der Entbindung:
"Zwiefach ist mein Wunsch: dass wenig von Schmerzen du leidest
Und mir ein Knäblein bringst. Das andre Geschlecht ist zur Bürde,
Und es versagt uns Mittel das Glück. Wenn also - der Himmel
Wahre davor! - du ein Mädchen gebierst - mit weigerndem Herzen
Sag' ich es; Vatergesinnung, vergib -, so sei es getötet."
Also sagte der Mann, und sie netzten mit Tränen das Antlitz,
Er, der solches befahl, wie sie, der solcher Befehl ward.
Eitle Bitten indes bei dem Gatten versucht Telethusa
Unablässig, ihr nicht so eng zu beschränken die Hoffnung.
Ligdos beharrt bei seinem Entschluss. Schon konnte die Mutter
Kaum noch tragen den Schoß, mit der zeitigen Bürde belastet,
Als in der Mitte der Nacht im Gebilde des Traums vor dem Lager
Inachos' Tochter ihr stand, vom Gefolge der Ihren begleitet,
Oder zu stehn doch wenigstens schien. Mondähnliche Hörner
Zierten die Stirn und gefügt zu Ähren von glänzendem Golde
Prangende Königszier. Mit kamen der Beller Anubis,
Apis gefleckt am Leib und die heilig verehrte Bubastis,
Auch, der bannet den Laut und Schweigen gebeut mit dem Finger,
Klappern dazu und der nie zur Genüge gesuchte Osiris
Und mit dem Schlaf einflößenden Gift die ägyptische Schlange.
Da hob an die Göttin zu ihr, die wie aus dem Schlummer
Plötzlich erwacht klar sah: "Telethusa, du eine der Meinen,
Lass die befangende Furcht und umgehe des Gatten Befehle.
Hebe getrost nur auf, sobald dich entbindet Lucina,
Was es auch sei! Ich bin die helfende Macht und gebeten
Bin ich zum Beistand nah, und des Undanks sollst du die Gottheit,
Die du verehrst, nicht zeihn." So mahnend verließ sie die Kammer.
Froh aufstehend erhebt die Kreterin saubere Hände
Demutsvoll zu den Sternen und fleht um des Traumes Erfüllung.
Wie sich die Schmerzen gemehrt und die Bürde sich selber zum Lichte
Drängt und ein Mädchen erscheint, darum nicht wusste der Vater,
Heißt es die Mutter erziehn als erlogenen Knaben, und Glauben
Fand der Betrug, und der Amme allein war kund das Geheimnis.
Ligdos erfüllt sein Gelübde und nennt das Kind nach dem Ahne:
Iphis war er genannt. Lieb war der Name der Mutter,
Weil im Zweifel er ließ, und keinen mit diesem sie täuschte.
So blieb undurchschaut durch frommen Betrug die Verhehlung.
Knaben gemäß war die Tracht; das Antlitz, sei es dem Mädchen
Oder dem Knaben verliehen, schön musste ein jedes erscheinen.
Als drei Jahre bereits nun waren gefolgt auf das zehnte,
Wird dir, Iphis, verlobt von dem Vater die blonde Ianthe,
Die, von Telestes gezeugt dem Diktaier, an Gabe der Schönheit
Weit die gepriesenste war von den Jungfraun allen in Phaistos.
Gleich war Alter dem Paar und Gestalt, und die früheste Bildung
Lernten sie auch und des Wissens Beginn bei den nämlichen Lehrern.
So schlich Liebe sich ein in die jungen Gemüter, und beide
Litten sie gleich vom Drang, doch ungleich war die Erwartung.
Froher Vereinigung harrt und bedungener Fackeln Ianthe,
Und den vermeintlichen Mann hofft bald sie den ihren zu nennen.
Iphis ersehnt, was sie niemals hofft zu genießen, und steigert
Dadurch eben die Glut, und die Jungfrau brennt für die Jungfrau.
Kaum jetzt hält sie die Tränen und spricht: "Was harrt für ein Ausgang
Mein, die denket an neuen Verein mit nimmer erhörtem
Unnatürlichem Wunsch? Ach, wollten die Götter mich schonen,
Hätten sie töten mich müssen; und wollten sie nicht mich töten,
Mussten sie schicken ein Leid, das Natur gut heißet und Sitte.
Nie treibt Liebe die Kuh zur Kuh, zur Stute die Stute;
Wollvieh brennt für den Widder; nachgeht dem Hirsche die Hindin;
Vögel begatten sich so, und unter den sämtlichen Tieren
Ist kein Weibchen von Brunst nach anderem Weibchen ergriffen.
Wär' ich nicht auf der Welt! Und doch, dass Kreta erzeuge
Jegliche Unnatur, Sols Tochter begehrte des Stieres,
Freilich des Mannes das Weib. Mich treibt, zu gestehen die Wahrheit,
Mehr denn sie sinnraubende Glut: sie durfte doch hoffen
Auf den Genuss; sie paarte sich doch in dem Bilde der Färse
Schlau mit dem Stier, und es war ihr vergönnt, zu verführen den Buhlen.
Fände der Scharfsinn hier sich zusammen von allen den Landen,
Flöge zurück auch Daidalos selbst mit den wächsernen Schwingen:
Was kann Daidalos tun? Kann mich vom Mädchen zum Knaben
Wandeln die schaffende Kunst? Kann dich sie verwandeln, Ianthe?
Warum stählest du nicht dein Herz und ermannest dich selber,
Iphis, und drängst aus dem Herzen die Glut so töricht und ratlos?
Sieh, wie Natur dich schuf, wenn nicht auch selbst du dich täuschest;
Trachte nach Möglichem nur und dem Weibe Geziemendes liebe.
Hoffnung allein ruft Liebe hervor, nur Hoffnung erhält sie.
Diese benimmt das Geschlecht. Dich hält nicht wachende Aufsicht,
Noch auch die Hut des besorgten Gemahls, noch die Härte des Vaters
Ab von dem süßen Umfangen; nicht weigert sich selbst die Begehrte.
Dennoch bleibt dir versagt ihr Besitz; ob alles geschähe,
Dein wird nimmer das Glück, und mühten sich Götter und Menschen.
Zwar ist mir zur Zeit nicht einer der Wünsche vereitelt:
Gnädig gewährten mir, was nur sie vermochten, die Götter;
Was ich will, will sie, der Erzeuger, der künftige Schwäher.
Doch die Natur will's nicht, die mächtiger ist als sie alle;
Sie nur steht mir im Weg. Es erscheint die erwartete Stunde;
Da ist der Hochzeitstag; mein wird nun werden Ianthe;
Doch eins werden wir nicht. Wir dürsten inmitten der Wellen.
Ach, was naht ihr dem Fest, Hymenaios und ehliche Iuno,
Wo kein Bräutigam ist und wo zwei Bräute sich freien?"
Damit schwieg ihr Mund. Glut wallt in der anderen Jungfrau
Ebenso heiß, und sie wünscht, dass bald du erscheinst, Hymenaios.
Fürchtend, was diese ersehnt, stellt weitere Frist Telethusa,
Sucht durch erdichtete Krankheit Verzug; nimmt dann sich zum Vorwand
Träume und Vorzeichen oft. Nun hatte sie aber den Vorrat
Schlauer Erfindung erschöpft; die verschobene Zeit der Vermählung
Rückte heran, und es blieb ein Tag noch. Da von dem Haupte
Zieht sie die Binde des Haars sich selber herab und der Tochter,
Und sie beginnt, den Altar mit entfesselten Haaren umfassend:
"Isis, die du bewohnst mareotische Fluren und Pharos
Und Paraitonion liebst und den siebengemündeten Nilstrom,
Hilf, so fleh' ich zu dir, und lass von der Furcht uns genesen!
Vormals sah ich dich schon, o Göttin, und dies dein Geräte;
Alles, der Klappern Getön und die Fackeln des folgenden Zuges,
Nahm ich wahr und behielt dein Geheiß im gedenkenden Herzen.
Dass sie schaut das Licht, dass mich nicht Strafe getroffen,
Ist dein Rat, ist Gabe von dir. Erbarme dich beider,
Stehe mit Hilfe uns bei!" Und es folgten Tränen den Worten.
Da schien ihren Altar zu bewegen die Göttin - und wirklich
War's auch so -, und das Tor am Tempel erbebt, und die Hörner
Ähnlich dem Mond sind licht, und es rasselt die tönende Klapper.
Ruhig noch nicht, doch froh des glücklichen Zeichens begibt sich
Jene vom Tempel hinweg. Ihr folgt als Begleiterin Iphis,
Aber mit größerem Schritt als sonst; auch bleibet die Weiße
Nicht im Gesicht, und es mehrt sich die Kraft, und die Mienen erhalten
Schärferen Zug und kürzeres Maß die entbundenen Haare.
Mut auch, wie er im Weib nicht war, drängt jetzt; denn ein Jüngling
Bist du, die du ein Weib jüngst warst. Bringt Gaben zum Tempel,
Freut euch vollen Vertrauens! Sie kommen mit Gaben zum Tempel;
Inschrift setzen sie auch. Die fasste den kurzen Gedenkspruch:
"Was er als Mädchen gelobt, hier widmet es Iphis als Jüngling."
Wiederum hatte das Licht mit den Strahlen erschlossen den Erdkreis,
Als zum Vermählungsfest Hymenaios und Venus und Iuno
Kommen und Iphis als Mann sich vereinigt mit seiner Ianthe.
   
  Übersetzung nach R.Suchier bearbeitet von E.Gottwein
Text und gegliederte Inhaltsangabe der Metamorphosen Ovids, Bücher I - XV
Lat.-Dt.Txt. I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV lateinisch - deutsch
Kompos. I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV Inhalt
 

 

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