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1. Hoplonkrisis:
Rede des Aias (1-122) |
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Consedere duces et vulgi stante corona surgit ad hos clipei dominus septemplicis Aiax, utque erat inpatiens irae, Sigeia torvo litora respexit classemque in litore vultu |
Als sich die Fürsten gesetzt und das Volk im Kreise umherstand, Tritt vor ihnen der Held mit dem siebenschichtigen Schilde, Aias, auf, und des Zorns unmächtig, das finstere Auge Auf den sigeischen Strand und die Flott am Strande gerichtet, |
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intendensque manus 'agimus, pro Iuppiter!' inquit 'ante rates causam, et mecum confertur Ulixes! at non Hectoreis dubitavit cedere flammis, quas ego sustinui, quas hac a classe fugavi. tutius est igitur fictis contendere verbis, |
Streckt er die Hand und spricht: "O Iupiter, hier an den Schiffen Suchen wir Recht, und mir darf gleich sich stellen Odysseus! Aber er zauderte nicht, vor Hektors Flammen zu weichen, Die ich wehrend bestand, die ich von der Flotte zurücktrieb. Sicherer mag's wohl sein, mit gekünstelten Worten zu streiten |
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quam pugnare manu, sed nec mihi dicere promptum, nec facere est isti: quantumque ego Marte feroci inque acie valeo, tantum valet iste loquendo. nec memoranda tamen vobis mea facta, Pelasgi, esse reor: vidistis enim; sua narret Ulixes, |
Als mit der Faust. Doch ich bin ebensowenig zur Rede Tüchtig wie er zur Tat; so stark ich bin in der Fehde Und im Getümmel der Schlacht, so stark ist dieser im Schwatzen. Taten, die ich vollbracht, euch herzuzählen, Pelasger, Brauch ich nicht; ihr habt sie gesehn. Er nenne die seinen, |
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quae sine teste gerit, quorum nox conscia sola est! praemia magna peti fateor; sed demit honorem aemulus: Aiaci non est tenuisse superbum, sit licet hoc ingens, quicquid speravit Ulixes; iste tulit pretium iam nunc temptaminis huius, |
Die er vor Zeugen verbirgt, die nur mitwissende Nacht sieht. Freilich ist groß der geforderte Lohn, doch solch ein Bewerber Schmälert den Wert. Stolz macht es den Aias nicht, zu erhalten, War es auch noch so groß, worauf schon hoffte Odysseus. Längst hat dieser den Preis sich erworben in unserem Wettstreit, |
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quod, cum victus erit, mecum certasse feretur. 'Atque ego, si virtus in me dubitabilis esset, nobilitate potens essem, Telamone creatus, moenia qui forti Troiana sub Hercule cepit litoraque intravit Pagasaea Colcha carina; |
Da, ob immer besiegt, mein Gegner im Streit er genannt wird. Ich, wenn rüstige Kraft bei mir auch würde bezweifelt, Wäre voraus durch edle Geburt, da mich Telamon zeugte, Der den Troianischen Wall mit dem streitbaren Herkules stürmte Und mit pagasischem Kiel anfuhr an die kolchische Küste. |
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Aeacus huic pater est, qui iura silentibus illic
reddit, ubi Aeoliden saxum grave Sisyphon urget; Aeacon agnoscit summus prolemque fatetur Iuppiter esse suam: sic a Iove tertius Aiax. nec tamen haec series in causam prosit, Achivi, |
Jener ist Aiakos' Sohn, der unter den Schweigenden Recht spricht, Wo der gewichtige Stein den aiolischen Sisyphos abmüht. Aiakos wird als Sohn vom erhabenen Iupiter selber Willig erkannt. So stammt als dritter von Iupiter Aias. Doch mir sollen im Zwist nicht nützen die Ahnen, Achiver, |
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si mihi cum magno non est communis Achille: frater erat, fraterna peto! quid sanguine cretus Sisyphio furtisque et fraude simillimus illi inseris Aeacidis alienae nomina gentis? 'An quod in arma prior nulloque sub indice veni, |
Wenn sie gemeinsam nicht mir sind mit dem großen Achilleus. Mir war Bruder der Held; mein brüderlich Erbe verlang ich. Was will Sisyphos' Sohn, ihm gleich an Ränken und Arglist, Namen von fremdem Geschlecht einschieben den Aiakiden? Weil ich, von keinem entlarvt, vor ihm zu den Waffen geeilt bin, |
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arma neganda mihi, potiorque videbitur ille, ultima qui cepit detractavitque furore militiam ficto, donec sollertior isto sed sibi inutilior timidi commenta retexit Naupliades animi vitataque traxit ad arma? |
Würden mir Waffen versagt und sollt ihm werden der Vorzug, Der sie am letzten ergriff und sich mit geheucheltem Wahnsinn Wehrete gegen den Zug, bis dass sinnreicher als jener, Doch sich minder zu Nutz, den Betrug des verzagten Gemütes Nauplios' Sohn kundtat und ihn zog zu gemiedenen Waffen? |
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optima num sumat, quia sumere noluit ulla: nos inhonorati et donis patruelibus orbi, obtulimus quia nos ad prima pericula, simus? 'Atque utinam aut verus furor ille, aut creditus esset, nec comes hic Phrygias umquam venisset ad arces |
Er, der keine gewollt, er sollte die besten gewinnen,
Aber um Ehre verkürzt und beraubet des Gutes vom Vetter Sollt ich sein, der gleich zu den ersten Gefahren sich stellte? Dass wahr oder geglaubt doch wäre gewesen der Wahnsinn, Dass er zur phrygischen Burg mit uns nie wäre gekommen, |
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hortator scelerum! non te, Poeantia proles, expositum Lemnos nostro cum crimine haberet! qui nunc, ut memorant, silvestribus abditus antris saxa moves gemitu Laertiadaeque precaris, quae meruit, quae, si di sunt, non vana precaris. |
Der nur Frevliges riet! Du wärst, poiantischer Sprössling, Nie uns allen zur Schmach auf Lemnos verlassen geblieben, Wo du jetzt, wie es heißt, in den Höhlen der Wälder verborgen,
Steine durch Stöhnen bewegst und fluchest dem Sohn des Laertes, Wie er verdient, und umsonst nicht fluchst, wenn Götter im Himmel. |
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et nunc ille eadem nobis iuratus in arma, heu! pars una ducum, quo successore sagittae Herculis utuntur, fractus morboque fameque velaturque aliturque avibus, volucresque petendo debita Troianis exercet spicula fatis. |
Er, der früher mit uns zu den nämlichen Waffen geschworen, Der zu den Edelen zählt, dem seine Geschosse zum Erbteil Herkules gab, nun, ach, durch Hunger gebrochen und Krankheit, kleidet und nährt er von Vögeln sich nur und verwendet die Pfeile,
Deren zu Troias Fall wir bedürfen, zur Jagd auf Geflügel. |
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ille tamen vivit, quia non comitavit Ulixem; mallet et infelix Palamedes esse relictus, viveret aut certe letum sine crimine haberet quem male convicti nimium memor iste furoris prodere rem Danaam finxit fictumque probavit |
Aber er lebt doch noch, weil nicht mit Odysseus er abfuhr. Gern auch wäre zurück Palamedes gelassen, der Arme - Jetzt noch wär er am Leben, wo nicht, doch ehrlich gestorben -,
Dem er, allzu gedenk des leider enthülleten Wahnsinns, Unserer Sache Verrat andichtete und der Erdichtung |
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crimen et ostendit, quod iam praefoderat, aurum. ergo aut exilio vires subduxit Achivis, aut nece: sic pugnat, sic est metuendus Ulixes! 'Qui licet eloquio fidum quoque Nestora vincat, haut tamen efficiet, desertum ut Nestora crimen |
Glauben erwarb, da Gold, von ihm selber vergraben, er zeigte. Also Kräfte benahm er entweder durch Bann den Achivern Oder durch Mord. So kämpft, so ist zu fürchten Odysseus. Wenn der auch obsiegt in der Rede dem biederen Nestor, Redet er mir nicht ein, kein Schimpf sei's, dass er den Nestor |
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esse rear nullum; qui cum inploraret Ulixem vulnere tardus equi fessusque senilibus annis, proditus a socio est; non haec mihi crimina fingi scit bene Tydides, qui nomine saepe vocatum corripuit trepidoque fugam exprobravit amico. |
Ließ in der Not, der, als er gehemmt durch die Wunde des Rosses, Und von dem Alter geschwächt zum Beistand rief den Odysseus, Wurde verraten vom Freund. Dass nicht die Beschuldigung unwahr, Weiß wohl Tydeus' Sohn, der oft ihn namentlich anrief, laut ausschalt und die Flucht vorrückte dem bangen Gefährten. |
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aspiciunt oculis superi mortalia iustis! en eget auxilio, qui non tulit, utque reliquit, sic linquendus erat: legem sibi dixerat ipse. conclamat socios: adsum videoque trementem pallentemque metu et trepidantem morte futura; |
Menschliches Tun sehn stets mit Gerechtigkeit oben die Götter. Beistand, siehe, bedarf, der keinen gebracht, und verlassen stand er, wie er verließ: sein Urteil sprach er sich selber. Hilfe der Freunde verlangt sein Ruf; nah bin ich und seh ihn Zitternd und blass vor Furcht und bang vor drohendem Tode. |
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opposui molem clipei texique iacentem servavique animam (minimum est hoc laudis) inertem. si perstas certare, locum redeamus in illum:
redde hostem vulnusque tuum solitumque timorem post clipeumque late et mecum contende sub illo! |
Vor ihn stemmt ich den Schild zum Damm, und den Liegenden deckend Rettet ich - ärmlicher Ruhm - das gefährdete Leben dem Schwächling. Hast du zu streiten Gelüst, lass dorthin wieder uns gehen, Stelle den Feind und dich mit der Wund und gewohnter Verzagtheit, Ducke dich hinter den Schild, und mit mir dann wage zu hadern. |
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at postquam eripui, cui standi vulnera vires non dederant, nullo tardatus vulnere fugit. 'Hector adest secumque deos in proelia ducit, quaque ruit, non tu tantum terreris, Ulixe, sed fortes etiam: tantum trahit ille timoris. |
Wie ich ihn aber befreit, dem Kraft zum Stehen die Wunde Raubete, lief er davon, mitnichten gehemmt von der Wunde. Hektor ist nah und führt mit sich ins Treffen die Götter, Und es erfasst, wo er stürmt, nicht dich bloß Grausen, Odysseus,
Sondern die Tapferen auch: so schreitet mit ihm das Entsetzen. |
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hunc ego sanguineae successu caedis ovantem eminus ingenti resupinum pondere fudi, hunc ego poscentem, cum quo concurreret, unus sustinui: sortemque meam vovistis, Achivi, et vestrae valuere preces. si quaeritis huius |
Ihn hab ich, wie er stolz sich freute des blutigen Mordes, Rücklings niedergestreckt in der Nähe mit wuchtigem Feldstein. Ihm hielt ich allein, wie er einen gefordert zum Zweikampf, Wackeren Stand. Mein Los erflehtet ihr sehnlich, Achiver, Und das Gebet fand glücklich Gehör. Und wollt ihr den Ausgang |
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fortunam pugnae, non sum superatus ab illo. ecce ferunt Troes ferrumque ignesque Iovemque in Danaas classes: ubi nunc facundus Ulixes? nempe ego mille meo protexi pectore puppes, spem vestri reditus: date pro tot navibus arma. |
Wissen von unserem Kampf: nicht bin ich bezwungen von Hektor. Siehe, mit Iupiter drohen die Troer der Danaerflotte, Drängend mit Feuer und Schwert: wo war der beredte Odysseus? Ich nur hielt mit der Brust der Heimkehr Hoffnung, die tausend Schiffe gedeckt: gebt mir für alle die Schiffe die Waffen! |
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'Quodsi vera licet mihi dicere, quaeritur istis quam mihi maior honos, coniunctaque gloria nostra est, atque Aiax armis, non Aiaci arma petuntur. conferat his Ithacus Rhesum inbellemque Dolona Priamidenque Helenum rapta cum Pallade captum: |
Ist mir zu sagen vergönnt, was wahr ist: ihnen entstehet Größere Ehr als mir; ihr Ruhm stimmt ganz zu dem meinen. Aias wird für die Waffen verlangt, nicht Waffen für Aias. Stelle den Rhesos dafür der Ithaker. Dolon, den Schwächling, Helenos, Priamos' Sohn, den er fing, und der Pallas Entwendung. |
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luce nihil gestum, nihil est Diomede remoto; si semel ista datis meritis tam vilibus arma, dividite, et pars sit maior Diomedis in illis. 'Quo tamen haec Ithaco, qui clam, qui semper inermis rem gerit et furtis incautum decipit hostem? |
Nichts vollbracht er am Tag, nichts, wo fern war Diomedes. Wollt ihr verleihn einmal solch schwachen Verdiensten die Waffen, Teilt sie, und möge empfangen den größeren Teil Diomedes. Doch was sollten sie auch für den Ithaker, der im geheimen Wehrlos schleicht und tückisch berückt unachtsame Feinde? |
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ipse nitor galeae claro radiantis ab auro insidias prodet manifestabitque latentem; sed neque Dulichius sub Achillis casside vertex pondera tanta feret, nec non onerosa gravisque Pelias hasta potest inbellibus esse lacertis, |
Leicht ja könnte der Glanz des von Gold hellstrahlenden Helmes Selber verraten die List und deutlich den Lauerer zeigen. Aber so drückende Last trägt unter dem Helm des Achilleus Nicht das dulichische Haupt, noch kann unkriegrischen Armen Anders sein als schwer und gewichtig die pelische Lanze. |
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nec clipeus vasti caelatus imagine mundi conveniet timidae nataeque ad furta sinistrae: debilitaturum quid te petis, inprobe, munus, quod tibi si populi donaverit error Achivi, cur spolieris, erit, non, cur metuaris ab hoste, |
Noch ist der Schild, drauf steht vom Meißel gebildet das Weltall, Je für die Linke bequem, die feige zur Tücke geschaffen. Was, Schamloser, verlangst du ein Gut, das Kraft dir benähme? Wenn das irriger Wahn des achivischen Volkes dir zuspricht, Lockt es zur Plünderung wohl, nicht schlägt es mit Schrecken die Feinde, |
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et fuga, qua sola cunctos, timidissime, vincis, tarda futura tibi est gestamina tanta trahenti? adde quod iste tuus, tam raro proelia passus, integer est clipeus; nostro, qui tela ferendo mille patet plagis, novus est successor habendus. |
Und in der Flucht, worin du allein dich vor allen hervortust, Feigling, hindert es dich, so lastende Bürde zu schleppen. Dazu nimm, dass, da dein Schild, der selten Gefechte Ausstand, ganz noch ist, doch unserem, der von Geschossen Schrammen zu Tausenden zeigt, zum Ersatz ein anderer not tut. |
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'Denique (quid verbis opus est?) spectemur agendo! arma viri fortis medios mittantur in hostes: inde iubete peti et referentem ornate relatis.' |
Kurz, wozu viel Worte denn noch? Tat gebe den Ausschlag! Werft in den dichtesten Feind die Waffen des streitbaren Helden, Heißt sie holen von da und schmückt mit Gebrachtem den Bringer."
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2. Hoplonkrisis:
Rede des Odysseus (123-381) |
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Finierat Telamone satus, vulgique secutum ultima murmur erat, donec Laertius heros |
So sprach Telamons Sohn und schwieg, und dem Ende der Rede
Folgte Gemurmel des Volks, bis dass der laertische Heros |
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adstitit atque oculos paulum tellure moratos sustulit ad proceres exspectatoque resolvit ora sono, neque abest facundis gratia dictis. 'Si mea cum vestris valuissent vota, Pelasgi, non foret ambiguus tanti certaminis heres, |
Nun auftrat und die kurz am Boden verweilenden Augen
Gegen die Fürsten erhob und den Mund zu erwarteten Lauten Öffnete. Lieblicher Fluss fehlt nicht den geordneten Worten: "Hätte Gewähr mein Wunsch mit dem euren gefunden, Pelasger, Waltete nimmer ein Streit, wer erbe den herrlichen Wettpreis: |
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tuque tuis armis, nos te poteremur, Achille, quem quoniam non aequa mihi vobisque negarunt fata,' (manuque simul veluti lacrimantia tersit lumina) 'quis magno melius succedat Achilli, quam per quem magnus Danais successit Achilles? |
Dein dann wäre die Wehr wie sonst, du unser Achilleus. Weil mir aber und euch das erbarmungslose Verhängnis Jenen versagt", und er tat, als ob er die tränenden Augen Trocknete, "wer mit Fug darf folgen dem großen Achilleus, Als der dem Danaerheer ließ folgen den großen Achilleus? |
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huic modo ne prosit, quod, uti est, hebes esse videtur, neve mihi noceat, quod vobis semper, Achivi, profuit ingenium, meaque haec facundia, siqua est, quae nunc pro domino, pro vobis saepe locuta est, invidia careat, bona nec sua quisque recuset. |
Sei's sein Nutzen nur nicht, dass er roh, wie er ist, sich erweiset; Sei mein Schade nur nicht der Verstand, der immer, Achiver, Euch so förderlich war; und der Rede Geschick, wenn es mein ist, Das für den Sprechenden jetzt, für euch zum öfteren wirkte,
Bleibe verschont vom Neid, und keiner verleugne sein Gutes! |
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'Nam genus et proavos et quae non fecimus ipsi, vix ea nostra voco, sed enim, quia rettulit Aiax esse Iovis pronepos, nostri quoque sanguinis auctor Iuppiter est, totidemque gradus distamus ab illo: nam mihi Laertes pater est, Arcesius illi, |
Ahnen und edles Geschlecht und was nicht selbst wir erworben, Nenn ich das Unsrige kaum. Doch da sich von Iupiter Aias Rühmt, Urenkel zu sein: auch unserem Blut ist Begründer Iupiter; uns auch trennen von ihm gleich viele der Stufen. Denn mich hat Laertes gezeugt, Arkeisios diesen, |
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Iuppiter huic, neque in his quisquam damnatus et exul; est quoque per matrem Cyllenius addita nobis altera nobilitas: deus est in utroque parente. sed neque materno quod sum generosior ortu, nec mihi quod pater est fraterni sanguinis insons, |
Iupiter den, und verdammt ist keiner davon und verwiesen. Auch der Kyllenier ist von der Mutter als anderer Adel Uns zu jenem gebracht. Vom Gott sind beide Erzeuger. Doch nicht, weil das Geschlecht mir edler von Seiten der Mutter, Noch weil rein sich erhielt vom Blute des Bruders der Vater, |
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proposita arma peto: meritis expendite causam, dummodo, quod fratres Telamon Peleusque fuerunt, Aiacis meritum non sit nec sanguinis ordo, sed virtutis honor spoliis quaeratur in istis! aut si proximitas primusque requiritur heres, |
Heisch ich die Waffen von euch; nach Verdienst abwäget die Sache. Nur darf nicht ein Verdienst, dass Telamon Bruder des Peleus war, für den Aias sein; nicht komme die Folge der Sippschaft, Sondern der männliche Wert in Betracht bei der rühmlichen Beute.
Sonst, wenn Bande des Bluts und der nächste der Erben gesucht wird,
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est genitor Peleus, est Pyrrhus filius illi: quis locus Aiaci? Pthiam haec Scyrumve ferantur! nec minus est isto Teucer patruelis Achilli: num petit ille tamen? num, si petat, auferat illa? ergo, operum quoniam nudum certamen habetur, |
Ist ja Pyrrhos, der Sohn, ist Peleus da, sein Erzeuger. Wo ist Aias' Recht? Nach Phthia bringt sie, nach Skyros. Auch gleich nahe, wie er, ist Teuker verwandt dem Achilleus. Aber verlangt er, und wenn er verlangte, bekäm er die Waffen? Weil demnach um Taten allein stattfindet der Wettstreit: |
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plura quidem feci, quam quae conprendere dictis in promptu mihi sit, rerum tamen ordine ducar. 'Praescia venturi genetrix Nereia leti dissimulat cultu natum, et deceperat omnes, in quibus Aiacem, sumptae fallacia vestis: |
Mehr zwar hab ich getan, als dass es in Worte zu fassen Leicht mir fiele sogleich; doch soll Zeitfolge mich leiten. Ahnend den künftigen Tod, birgt schlau die nereische Mutter Unter Verkleidung den Sohn, und allen, darunter dem Aias, Hatte das Auge getäuscht der Betrug des genommenen Anzugs. |
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arma ego femineis animum motura virilem mercibus inserui, neque adhuc proiecerat heros virgineos habitus, cum parmam hastamque tenenti "nate dea," dixi "tibi se peritura reservant Pergama! quid dubitas ingentem evertere Troiam?" |
Ich tat, männlichen Mut zu erregen, zu Weibergeräten Waffen hinzu, und wie Schild und Lanze der Heros ergriffen, Der sein Mädchengewand noch nicht beiseite geworfen, Sprach ich: "Thetis' Sohn, dein harrt, auf dass es verderbe, Pergamos' Höh, und du säumst, die gewaltige Troia zu tilgen? |
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iniecique manum fortemque ad fortia misi. ergo opera illius mea sunt: ego Telephon hasta pugnantem domui, victum orantemque refeci; quod Thebae cecidere, meum est; me credite Lesbon, me Tenedon Chrysenque et Cillan, Apollinis urbes, |
Ihn wegführend, entsandt ich zu tapferen Taten den Tapfern. Drum, was jener getan, tat ich. Ich streckte den Gegner Telephos hin mit dem Speer; den Besiegten und Flehenden heilt ich. Thebais Fall auch danket ihr mir; dass Lesbos und Skyros, Tenedos, Killa erlag und Chryse, die Städte Apollons, |
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et Scyrum cepisse; mea concussa putate procubuisse solo Lyrnesia moenia dextra, utque alios taceam, qui saevum perdere posset Hectora, nempe dedi: per me iacet inclitus Hector! illis haec armis, quibus est inventus Achilles, |
Denket, es sei mein Werk; mein Arm, so möget ihr glauben, Warf in Trümmer und Schutt die zerstörten lyrnesischen Mauern. Ich gab, anderer nicht zu gedenken, dem streitbaren Hektor Würdigen Feind; durch mich liegt tot der gefeierte Hektor. Für die Waffen, womit ich entdeckt den Achilleus, begehr ich |
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arma peto: vivo dederam, post fata reposco. 'Ut dolor unius Danaos pervenit ad omnes, Aulidaque Euboicam conplerunt mille carinae, exspectata diu, nulla aut contraria classi flamina erant, duraeque iubent Agamemnona sortes |
Diese: dem Lebenden gab ich, vom Toten verlang ich sie wieder. Wie von des einzelnen Schmerz durchdrungen die Danaer alle Und von der Schiffe Verein die euboiische Aulis erfüllt war, Wehete, lange gehofft und ersehnt, kein oder der Flotte Feindlicher Wind, und es hieß hartfallender Spruch Agamemnon, |
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inmeritam saevae natam mactare Dianae. denegat hoc genitor divisque irascitur ipsis atque in rege tamen pater est, ego mite parentis ingenium verbis ad publica commoda verti: hanc equidem (fateor, fassoque ignoscat Atrides) |
Sein unschuldiges Kind hinschlachten der strengen Diana. Aber der Vater versagt es und grollt mit den Himmlischen selber, Und der Erzeuger ist stärker in ihm als der König. Zum Volkswohl Wendete ich durch Worte den Sinn des liebenden Vaters. Schwer - ich muss es gestehn, und verzeihe mir das der Atride - |
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difficilem tenui sub iniquo iudice causam. hunc tamen utilitas populi fraterque datique summa movet sceptri, laudem ut cum sanguine penset; mittor et ad matrem, quae non hortanda, sed astu decipienda fuit, quo si Telamonius isset, |
War's darinnen zu Recht vor beteiligtem Richter zu stehen. Doch mit dem Wohle des Volks und dem Bruder bestimmt ihn die Würde, Welche das Zepter ihm gab, sich Ruhm zu erkaufen mit Blute. Mich dann heißt zu der Mutter ihr gehn, wo nicht die Ermahnung, Sondern die List nur half. Ging Telamons Sohn mit dem Auftrag, |
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orba suis essent etiam nunc lintea ventis. 'Mittor et Iliacas audax orator ad arces, visaque et intrata est altae mihi curia Troiae, plenaque adhuc erat illa viris; interritus egi quam mihi mandarat communem Graecia causam |
Jetzt noch harreten wohl auf günstige Winde die Segel. Auch zu der ilischen Burg als mutiger Sprecher gesendet Ging ich und sah und besuchte den Rat der stattlichen Troia. Voll noch war von Männern das Haus. Dort führt ich die Sache Furchtlos, die mir vertraut die Gesamtheit griechischer Stämme. |
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accusoque Parin praedamque Helenamque reposco et moveo Priamum Priamoque Antenora iunctum; at Paris et fratres et qui rapuere sub illo, vix tenuere manus (scis hoc, Menelae) nefandas, primaque lux nostri tecum fuit illa pericli. |
Paris zeih ich der Schuld, und den Raub samt Helena fordr' ich. Priamos hört mich bewegt und Priamos' Schwager Antenor; Paris jedoch und die Brüder mit ihm und die Helfer des Raubes Hielten mit Mühe - du weißt, Menelaos - die frevligen Hände. Der Tag einte zuerst mit den deinigen unsre Gefahren. |
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'Longa referre mora est, quae consilioque manuque utiliter feci spatiosi tempore belli. post acies primas urbis se moenibus hostes continuere diu, nec aperti copia Martis ulla fuit; decimo demum pugnavimus anno: |
Säumnis wär's zu lang, wenn ich meldete, was ich zum Nutzen Schaffte mit Rat und Tat in den Jahren des dauernden Krieges. Lang erst hielt sich der Feind nach den ersten Gefechten geborgen Hinter den Mauern der Stadt, und es bot sich keine Entscheidung Offener Schlacht, bis Kampf uns brachte das zehnte der Jahre. |
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quid facis interea, qui nil nisi proelia nosti? quis tuus usus erat? nam si mea facta requiris, hostibus insidior, fossa munimina cingo, consolor socios, ut longi taedia belli mente ferant placida, doceo, quo simus alendi |
Was ist indes dein Tun, der nichts du kennest als Treffen? Womit hast du genützt? Denn fragst du nach meinem Beginnen: Listig verlock ich den Feind, umgebe die Gräben mit Schanzen, Rede den Unsrigen zu, dass jeder, sich ruhig geduldend, Trage den lästigen Krieg; ich lehre sie, wie zu ernähren, |
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armandique modo, mittor, quo postulat usus. 'Ecce Iovis monitu deceptus imagine somni rex iubet incepti curam dimittere belli; ille potest auctore suam defendere vocem: non sinat hoc Aiax delendaque Pergama poscat, |
Wie zu bewaffnen das Heer; wo es not tut, werd ich gesendet. Siehe, getäuscht vom Gebilde des Traums nach Iupiters Willen, Heißt aufgeben die Müh des begonnenen Krieges der König. Er kann seinen Befehl rechtfertigen mit dem Ermahner. Aias dulde es nicht und fordere Pergamos' Ende! |
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quodque potest, pugnet! cur non remoratur ituros? cur non arma capit, dat, quod vaga turba sequatur? non erat hoc nimium numquam nisi magna loquenti. quid, quod et ipse fugit? vidi, puduitque videre, cum tu terga dares inhonestaque vela parares; |
Kämpf er, was er ja kann! Warum nicht hemmt er die Abfahrt, Greift zu den Waffen und gibt sich als Führer dem wankenden Haufen? Wahrlich, ein leichtes für ihn, der prahlerisch immer geredet. Wie, auch Aias flieht? Ich sah es, beschämt von dem Anblick, Wie du, den Rücken gewandt, unrühmliche Segel beschicktest. |
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nec mora, "quid facitis? quae vos dementia" dixi "concitat, o socii, captam dimittere Troiam,
quidque domum fertis decimo, nisi dedecus, anno?" talibus atque aliis, in quae dolor ipse disertum fecerat, aversos profuga de classe reduxi. |
Schleunig erhob ich den Ruf: ‚Was tut ihr? Was für ein Wahnsinn Treibt, o Gefährten, euch an, die eroberte Troia zu lassen? Was nun bringt ihr heim, als Schand, im zehnten der Jahre?' So und mit anderem noch, was Ärger in Fülle mir eingab, Bracht ich das drängende Volk zurück von der flüchtigen Flotte.
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convocat Atrides socios terrore paventes: nec Telamoniades etiamnunc hiscere quicquam audet, at ausus erat reges incessere dictis Thersites etiam, per me haut inpune protervis! erigor et trepidos cives exhortor in hostem |
Jetzt zur Versammlung ruft der Atride die bangen Gefährten. Da wagt auch kein Wort der Telamonide zu äußern, Und doch hatte gewagt mit schmähender Rede Thersites, Dem auch Züchtigung ward durch mich, zu beschimpfen die Fürsten. Ich trat auf und sprach Mut ein den verzagenden Bürgern |
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amissamque mea virtutem voce repono. tempore ab hoc, quodcumque potest fecisse videri fortiter iste, meum est, qui dantem terga retraxi. 'Denique de Danais quis te laudatve petitve? at sua Tydides mecum communicat acta, |
Gegen den Feind, und es weckt mein Wort die verlorene Mannskraft. Was nur Tapferes mag durch diesen geschehen erscheinen Seit der Zeit, ist mein: ich brachte den Flüchtigen wieder. Endlich im Danaerheer, wer lobt dich oder begehrt dich? Aber mit mir im Verein vollbringt der Tydide die Taten; |
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me probat et socio semper confidit Ulixe. est aliquid, de tot Graiorum milibus unum a Diomede legi! nec me sors ire iubebat: sic tamen et spreto noctisque hostisque periclo ausum eadem, quae nos, Phrygia de gente Dolona |
Mich stets fand er bewährt, und er traut dem Gefährten Odysseus. Ewas heißt es, der eine zu sein von unzähligen Graiern, Den Diomedes erwählt. Kein Los auch zwang mich zu gehen; Dennoch hab ich, der Nacht und des Feindes Gefahren verachtend, Ihn, der gleiches gewagt wie wir, den Phrygier Dolon |
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interimo, non ante tamen, quam cuncta coegi prodere et edidici, quid perfida Troia pararet. omnia cognoram nec, quod specularer, habebam et iam promissa poteram cum laude reverti: haut contentus eo petii tentoria Rhesi |
Niedergehaun, doch erst, als ich ihn gezwungen, mir alles Kundzutun, und gehört, was sinne die treulose Troia. Alles erfuhr ich genau, und nichts mehr war zu erkunden, Und nun könnt ich zurück mit verheißenem Ruhme mich wenden.
Nicht zufrieden damit drauf ging ich zu Rhesos' Gezelten, |
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inque suis ipsum castris comitesque peremi atque ita captivo, victor votisque potitus, ingredior curru laetos imitante triumphos; cuius equos pretium pro nocte poposcerat hostis, arma negate mihi, fueritque benignior Aiax. |
Und ich erschlug ihn selbst und die Seinen im eigenen Lager. Siegreich halt ich sodann, da alles gelungen nach Wunsche, Wie beim frohen Triumph Einzug auf erbeutetem Wagen. Dessen Gespann sich der Feind für die Nacht zum Lohne bedungen, Schlagt des Waffen mir ab: dann war noch gütiger Aias. |
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quid Lycii referam Sarpedonis agmina ferro devastata meo? cum multo sanguine fudi Coeranon Iphitiden et Alastoraque Chromiumque Alcandrumque Haliumque Noemonaque Prytaninque exitioque dedi cum Chersidamante Thoona |
Brauch ich zu nennen dazu Sarpedons, des Lykiers, Scharen, Die mein Eisen gemäht? Ich streckte mit strömendem Blute Koiranos, Iphitos' Sohn, und Chromios hin und Alastor, Halios auch, Alkandros und Prytanis samt dem Noemon, Thoon gab sich dahin und Chersidamas jähem Verderben, |
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et Charopem fatisque inmitibus Ennomon actum quique minus celebres nostra sub moenibus urbis procubuere manu. sunt et mihi vulnera, cives, ipso pulchra loco; nec vanis credite verbis, aspicite! en' vestemque manu diduxit et 'haec sunt |
Charops, Ennomos dann, den trieb unbeugsames Schicksal,
Und die minder berühmt vor unserem Arme gesunken Unter den Mauern der Stadt. Auch Wunden, ihr Bürger, empfing ich,
Rühmlich am richtigen Ort, und glaubt nicht eitelen Worten, Hier seht her!" Und er zog das Gewand auseinander und sagte: |
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pectora semper' ait 'vestris exercita rebus! at nihil inpendit per tot Telamonius annos sanguinis in socios et habet sine vulnere corpus! 'Quid tamen hoc refert, si se pro classe Pelasga arma tulisse refert contra Troasque Iovemque? |
"Das ist die Brust, die stets für euere Sache sich mühte. Aias aber vergoss kein Blut für seine Gefährten So viel Jahre hindurch; sein Leib zeigt keine Verletzung. Wenn er sich rühmt, dass er die pelasgische Flotte beschützend Gegen die Troer gekämpft und Iupiter, wenig verschlägt es. |
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confiteorque, tulit (neque enim benefacta maligne detractare meum est), sed ne communia solus occupet atque aliquem vobis quoque reddat honorem, reppulit Actorides sub imagine tutus Achillis Troas ab arsuris cum defensore carinis. |
Wahr ist, dass er gekämpft: das Verdienst böswillig zu schmälern, War ja nie mein Brauch; nur soll er gemeinsame Ehre Nicht bloß nehmen für sich und euch auch einige gönnen. Weg trieb Aktors Spross, in Achilleus' Bilde gesichert, Ehe die Schiffe zugleich mit dem Schützer verbrannten, die Troer. |
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ausum etiam Hectoreis solum concurrere telis se putat, oblitus regisque ducumque meique, nonus in officio et praelatus munere sortis. sed tamen eventus vestrae, fortissime, pugnae quis fuit? Hector abit violatus vulnere nullo! |
Dass nur er es gewagt, zu begegnen dem Hektor im Zweikampf, Wähnet er auch und vergisst des Königs, der Fürsten und meiner, Er als neunter bereit und vom Los vor andern begünstigt. Wie denn aber ergab sich der Ausgang eueres Kampfes, Tapferster? Hektors Leib ist nicht im geringsten geschädigt. |
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'Me miserum, quanto cogor meminisse dolore temporis illius, quo, Graium murus, Achilles procubuit! nec me lacrimae luctusque timorque tardarunt, quin corpus humo sublime referrem: his umeris, his inquam, umeris ego corpus Achillis |
Ach, wie füllt sich das Herz mit Wehmut, da ich gedenken Muss an die traurige Zeit, wo die Mauer der Graier, Achilleus, Sank in den Staub, wo mich nicht Tränen und Gram und Bestürzung Hinderten, dass ich den Leib vom Boden gehoben hinwegtrug! Ich, ja ich trug hier auf der Schulter den Leib des Achilleus, |
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et simul arma tuli, quae nunc quoque ferre laboro. sunt mihi, quae valeant in talia pondera, vires, est animus certe vestros sensurus honores: scilicet idcirco pro nato caerula mater
ambitiosa suo fuit, ut caelestia dona, |
Ihn und die Waffen zugleich, die ich nun auch hoffe zu tragen. Kraft wohl hab ich genug, so wuchtige Bürde zu halten; Wenigstens hab ich ein Herz, das würdiget euere Ehre. Darum hätte sich wohl für den Sohn die bläuliche Mutter Eifrig mit Bitten bemüht, dass jetzo die himmlischen Gaben, |
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artis opus tantae, rudis et sine pectore miles indueret? neque enim clipei caelamina novit, Oceanum et terras cumque alto sidera caelo Pleiadasque Hyadasque inmunemque aequoris Arcton diversosque orbes nitidumque Orionis ensem. |
Werke der trefflichen Kunst, ein roher und fühlloser Krieger Führete? Nicht einmal die Gebilde des Schildes versteht er, Länder und Meer und, erhöht am Himmelsgewölb, der Pleiaden und der Hyaden Gestirn und die Wellen vermeidende Bärin, Städte verschieden an Tun und das blinkende Schwert des Orion. |
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postulat, ut capiat, quae non intellegit, arma!
'Quid, quod me duri fugientem munera belli arguit incepto serum accessisse labori nec se magnanimo maledicere sentit Achilli? si simulasse vocas crimen, simulavimus ambo; |
Waffen verlangt er für sich, dazu es ihm mangelt an Einsicht. Rügend erwähnet er gar, ich habe, des drückenden Krieges Lasten zu fliehn, erst spät mich gestellt zur begonnenen Mühsal, Ohne zu sehn, dass so er gescholten den kühnen Achilleus. Nennt er Verstellen Vergehn: wir beide gebrauchten Verstellung. |
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si mora pro culpa est, ego sum maturior illo. me pia detinuit coniunx, pia mater Achillem, primaque sunt illis data tempora, cetera vobis: haut timeo, si iam nequeam defendere, crimen cum tanto commune viro: deprensus Ulixis |
Dünkt ihm Zögerung Schuld: ich kam noch früher als jener. Mich hielt liebendes Weib, den Achilleus liebende Mutter: Ihnen gehörte die Zeit des Beginns, euch aber die Folge. Sorglos lässt mich, und könnt ich ihn nicht abweisen, der Vorwurf,
welchen ein Held wie er auch trägt. Doch ward von Odysseus' |
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ingenio tamen ille, at non Aiacis Ulixes. 'Neve in me stolidae convicia fundere linguae admiremur eum, vobis quoque digna pudore obicit. an falso Palameden crimine turpe accusasse mihi, vobis damnasse decorum est? |
Klugheit jener entdeckt, nicht aber Odysseus von Aias'. Dass er auf mich Schmähreden ergießt mit der albernen Zunge, Wundern kann es uns nicht, da er euch Schamwürdiges selber Vorwirft. Oder gereicht mir wohl, dass ich Palamedes Falsch anklagte, zum Schimpf, euch falsche Verdammung zur Ehre? |
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sed neque Naupliades facinus defendere tantum tamque patens valuit, nec vos audistis in illo crimina: vidistis, pretioque obiecta patebant. 'Nec, Poeantiaden quod habet Vulcania Lemnos, esse reus merui (factum defendite vestrum! |
Aber es konnt auch nicht so großen erwiesenen Frevel Nauplios' Sohn wegleugnen: gehört habt ihr sein Verschulden Nicht bloß, sondern gesehn, und Beweis gab klar die Belohnung. Auch, dass Poias' Sohn noch hält die vulkanische Lemnos, Fällt mir nimmer zur Last. Rechtfertiget euer Verfahren, |
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consensistis enim), nec me suasisse negabo, ut se subtraheret bellique viaeque labori temptaretque feros requie lenire dolores. paruit - et vivit! non haec sententia tantum fida, sed et felix, cum sit satis esse fidelem. |
Denn ihr williget ein. Ich riet, nicht will ich es leugnen, Dass er fern von des Kriegs und des Weges Beschwerden sich hielte Und den verzehrenden Schmerz durch Ruhe versuchte zu lindern. Folgsam war er und lebt. So war glückbringend der Vorschlag, Nicht wohlmeinend allein, was doch schon müsste genügen. |
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quem quoniam vates delenda ad Pergama poscunt, ne mandate mihi! melius Telamonius ibit eloquioque virum morbis iraque furentem molliet aut aliqua producet callidus arte! ante retro Simois fluet et sine frondibus Ide |
Weil zu Pergamos' Fall nun jenen verlangen die Seher: Nehmet den Gang mir ab! Viel besser entsendet ihr Aias: Der wird sprechend den Mann, den Zorn macht rasen und Siechtum, Sänftigen oder geschickt weglocken mit listigem Kunstgriff. Eher zurück mag Simois gehn und des Laubes entbehren |
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stabit, et auxilium promittet Achaia Troiae, quam, cessante meo pro vestris pectore rebus, Aiacis stolidi Danais sollertia prosit. sis licet infestus sociis regique mihique dure Philoctete, licet exsecrere meumque |
Ida, eher verheißt wohl Hilfe den Troern Achaia, Als, wofern mein Kopf nichts täte zu euerem Besten, Aias' schwacher Verstand je nütze den Danaern wäre. Sei nur, bitter im Groll, Philoktetes, deinen Gefährten Feind und dem König und mir, ja rufe Verwünschungen endlos |
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devoveas sine fine caput cupiasque dolenti me tibi forte dari nostrumque haurire cruorem, utque tui mihi sit, fiat tibi copia nostri: te tamen adgrediar mecumque reducere nitar tamque tuis potiar (faveat Fortuna) sagittis, |
Über mein Haupt und Fluch, und sehne dich, dass ich dir komme Unter die zornige Faust und dass mein Blut du verströmest; Möge, wie du in meiner, so ich in deiner Gewalt sein! Dennoch geh ich dir nach (auf dass mit mir du zurückkehrst), Und ich bemächtige mich, so das Glück will, deiner Geschosse |
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quam sum Dardanio, quem cepi, vate potitus, quam responsa deum Troianaque fata retexi, quam rapui Phrygiae signum penetrale Minervae hostibus e mediis. et se mihi conferat Aiax? nempe capi Troiam prohibebant fata sine illo: |
Ebenso gut, wie einst ich fing den dardanischen Seher,
Wie ich den Götterbescheid aufdeckt und Troias Bestimmung, Wie ich entführt das verwahrte Gebild der phrygischen Pallas Mitten aus feindlichem Volk. Und mir gleich dünket sich Aias? Troia zu nehmen verbot das Verhängnis ohne das Bildnis. |
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fortis ubi est Aiax? ubi sunt ingentia magni verba viri? cur hic metuis? cur audet Ulixes ire per excubias et se committere nocti perque feros enses non tantum moenia Troum, verum etiam summas arces intrare suaque |
Wo ist Aias, der Held? Wo ist des gewaltigen Mannes
Prahlendes Wort? Was fürchtest du hier? Warum ist Odysseus kühn, durch Wachen zu gehn und sich zu vertrauen dem Dunkel Und durch Schwerter hindurch nicht nur in die Mauern der Troer, Sondern zu schleichen hinauf zur Burg und zu rauben die Göttin |
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eripere aede deam raptamque adferre per hostes? quae nisi fecissem, frustra Telamone creatus gestasset laeva taurorum tergora septem. illa nocte mihi Troiae victoria parta est: Pergama tunc vici, cum vinci posse coegi. |
Von der geheiligten Statt und den Raub durch Feinde zu tragen? Hätt ich nicht es getan, dann hätte die Linke bewaffnet Telamons Sohn nutzlos mit der siebenfältigen Rindshaut. Dazumal in der Nacht ward ich der Bewältiger Troias; Pergamos hab ich besiegt, da, als ich es machte besiegbar. |
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'Desine Tydiden vultuque et murmure nobis ostentare meum: pars est sua laudis in illo! nec tu, cum socia clipeum pro classe tenebas, solus eras: tibi turba comes, mihi contigit unus. qui nisi pugnacem sciret sapiente minorem |
Hinzudeuten mit Blick und Gemurmel auf meinen Tydiden Lasst nur ab! Ihm bleibt von dem Ruhm der gebührende Anteil. Du auch warst, wie den Schild für unsere Flotte du hieltest, Nicht allein; du standest im Schwarm; ich hatte nur einen. Wüsst er nicht, dass weit nachstehe dem Klugen der Kämpfer, |
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esse nec indomitae deberi praemia dextrae, ipse quoque haec peteret; peteret moderatior Aiax Eurypylusque ferox claroque Andraemone natus nec minus Idomeneus patriaque creatus eadem Meriones, peteret maioris frater Atridae: |
Dass mitnichten der Preis unbändiger Rechten gehöre, Würb er selber darum, und mit dem bescheidneren Aias Würb Eurypylos kühn im Streit, und des edlen Andraimon Sohn und Idomeneus auch und Meriones, stammend aus gleicher Heimat, würben darum und der Bruder des ältern Atriden. |
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quippe manu fortes nec sunt mihi Marte secundi, consiliis cessere meis. tibi dextera bello utilis, ingenium est, quod eget moderamine nostro; tu vires sine mente geris, mihi cura futuri; tu pugnare potes, pugnandi tempora mecum |
Stark sind die mit der Faust und stehen wie du im Gefechte: Meinem beratenden Geist doch wichen sie. Streitbare Rechte Hast du, aber Verstand, dem not tut unsere Leitung. Dein ist Kraft, doch ohne Bedacht, mein Sorge der Zukunft; Du bist tüchtig im Kampf; die gelegene Stunde des Kampfes |
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eligit Atrides; tu tantum corpore prodes, nos animo; quantoque ratem qui temperat, anteit remigis officium, quanto dux milite maior, tantum ego te supero. nec non in corpore nostro pectora sunt potiora manu: vigor omnis in illis. |
Wählt der Atride mit mir; du nützest allein mit dem Leibe, Wir mit dem Geist. So viel, wie über dem Amte des Ruderns Stehet der Lenker des Schiffs, wie über dem Krieger der Führer, Steh ich höher als du. Auch ist ja in unserem Körper Besser die Brust als der Arm: aus ihr stammt Leben und Tatkraft. |
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'At vos, o proceres, vigili date praemia vestro, proque tot annorum cura, quibus anxius egi, hunc titulum meritis pensandum reddite nostris: iam labor in fine est; obstantia fata removi altaque posse capi faciendo Pergama, cepi. |
Auf denn, gebet den Lohn, ihr Edelen, euerem Wächter;
Für Unruhen und Mühn, die so viel Jahre mich drückten, Gönnt dies Ehrengeschenk zur Vergeltung meiner Verdienste. Schon ist am Ende das Werk; weg drängt' ich das wehrende Schicksal; Pergamos hab ich gestürmt, da möglich gemacht die Erstürmung. |
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per spes nunc socias casuraque moenia Troum perque deos oro, quos hosti nuper ademi, per siquid superest, quod sit sapienter agendum, siquid adhuc audax ex praecipitique petendum est, si Troiae fatis aliquid restare putatis, |
Bei dem gemeinsamen Wunsch, bei den fallenden Mauern der Troer, Bei der unsterblichen Macht, die jüngst ich entführte dem Feinde,
Fleh ich, bei allem dazu, was noch zu vollbringen mit Klugheit, Wenn auf gefährlichem Pfad noch kühn zu bestehen ein Wagnis, Wenn ihr vermeint, dass eins noch fehle zu Troias Verderben: |
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este mei memores! aut si mihi non datis arma, huic date!' et ostendit signum fatale Minervae. |
Zeigt euch meiner gedenk! Wenn ihr mir nicht gebet die Waffen, Gebet sie ihr!" Und er wies auf das wichtige Bild der Minerva. |
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3. Entscheidung
und Selbstmord des Aias (382-398) |
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Mota manus procerum est, et quid facundia posset, re patuit, fortisque viri tulit arma disertus. Hectora qui solus, qui ferrum ignesque Iovemque |
Wirkung tat es im Rat, und die Macht einnehmender Rede Zeigt der Erfolg: es erhielt der Beredte des Tapferen Waffen. Er, der Hektor allein, der vielmal Eisen und Feuer, |
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sustinuit totiens, unam non sustinet iram, invictumque virum vicit dolor: arripit ensem et 'meus hic certe est! an et hunc sibi poscit Ulixes? hoc' ait 'utendum est in me mihi, quique cruore saepe Phrygum maduit, domini nunc caede madebit, |
Iupiter selber bestand, kann stand nicht halten dem Zorne. Ihn, den keiner bezwang, zwingt Schmerz. Und er fasst nach dem Schwerte: "Das doch", ruft er, "ist mein! Will das auch heischen Odysseus?
Gegen mich selbst nun sei es gewandt, und das von der Phryger Blute getrieft oftmals, soll triefen vom Blut des Besitzers, |
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ne quisquam Aiacem possit superare nisi Aiax.' dixit et in pectus tum demum vulnera passum, qua patuit ferrum, letalem condidit ensem. nec valuere manus infixum educere telum: expulit ipse cruor, rubefactaque sanguine tellus |
Dass kein anderer kann als Aias fällen den Aias." Sprach's und stieß in die Brust, die jetzt erst Wunde gelitten, Wo für den Stahl Durchgang, die verderbliche Spitze des Schwertes. Kräfte versagten der Hand, zu entziehen das haftende Eisen; Blutstrom trieb es heraus, und die Erde, vom Blute gerötet, |
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purpureum viridi genuit de caespite florem, qui prius Oebalio fuerat de vulnere natus; littera communis mediis pueroque viroque inscripta est foliis, haec nominis, illa querellae. |
Ließ aus dem Rasen erstehen die purpurfarbige Blume,
Die schon früher gekeimt vom Mord des oibalischen Knaben. Beiden, dem Knaben gemein und dem Mann, steht deutlich ein Schriftzug Mitten zu sehn auf dem Blatt, so Namen wie Klage bezeichnend. |
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4. Philoktetes'
Rückkehr, Eroberung Troias, Hecuba (399-428) |
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Victor ad Hypsipyles patriam clarique Thoantis |
Drauf zu dem Heimatland Hypsipyles und des berühmten |
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et veterum terras infames caede virorum vela dat, ut referat Tirynthia tela, sagittas; quae postquam ad Graios domino comitante revexit, inposita est sero tandem manus ultima bello. [Troia simul Priamusque cadunt. Priameia coniunx |
Thoas, das in Verruf vom Morde der Männer vor alters, Segelt der Sieger, von dort die tirynthischen Pfeile zu holen. Als er dem graiischen Heer sie gebracht, vom Besitzer begleitet, Legt dem verzögerten Krieg man endlich vollendende Hand an. Da geht Troia zu Fall samt Priamos. Priamos' Gattin, |
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perdidit infelix hominis post omnia formam externasque novo latratu terruit auras, longus in angustum qua clauditur Hellespontus.] Ilion ardebat, neque adhuc consederat ignis, exiguumque senis Priami Iovis ara cruorem |
Arm und verlassen, verliert nach allem die menschliche Bildung, Und es erschreckt ihr neues Gebell auswärtige Lüfte, Wo in die Enge sich zwängt der gedehnete Hellespontos. Ilion loderte auf, und stets noch brannte das Feuer. Priamos hatte, der Greis, mit kärglichem Blute befeuchtet |
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conbiberat, tractata comis antistita Phoebi non profecturas tendebat ad aethera palmas; Dardanidas matres patriorum signa deorum, dum licet, amplexas succensaque templa tenentes invidiosa trahunt victores praemia Grai; |
Iupiters Herd. An den Haaren geschleift hielt flehend des Phoibos Priesterin ohne Erfolg zum Aither gehoben die Hände. Edle dardanische Fraun, die halten, solang es vergönnt ist, Heimischer Götter Gebild und in brennenden Tempeln sich drängen, Schleppen die Graier davon siegsfroh als beneidete Beute. |
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mittitur Astyanax illis de turribus, unde pugnantem pro se proavitaque regna tuentem saepe videre patrem monstratum a matre solebat. iamque viam suadet Boreas, flatuque secundo carbasa mota sonant: iubet uti navita ventis; |
Jäh wird niedergestürzt Astyanax hoch von dem Turme, Wo er den Vater so oft, wenn ihn zeigte die Mutter, gesehen, Wie er gestritten für ihn und behauptet der Ahnen Besitztum. Boreas mahnet zur Fahrt, und geschwellt von günstigem Lufthauch, Rauschen die Linnen am Mast, und den Wind heißt nutzen der Schiffer. |
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'Troia, vale! rapimur' clamant, dant oscula terrae Troades et patriae fumantia tecta relinquunt. ultima conscendit classem (miserabile visu!) in mediis Hecabe natorum inventa sepulcris: prensantem tumulos atque ossibus oscula dantem |
"Troia, wir müssen hinweg, fahr wohl!" So ruft der Troaden Schar, und sie küssen das Land und verlassen die rauchende Heimat. Kläglich zu sehen, besteigt am letzten von allen die Flotte Hekabe, die man fand inmitten der Gräber der Söhne. Wie sie die Hügel umfing und mit Küssen bedeckte die Reste, |
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Dulichiae traxere manus, tamen unius hausit inque sinu cineres secum tulit Hectoris haustos; Hectoris in tumulo canum de vertice crinem, inferias inopes, crinem lacrimasque reliquit. |
Zog die dulichische Hand sie hinweg. Von dem einzigen Hektor Raffte die Asche sie noch und führte sie mit in dem Busen, Und ein ergrauetes Haar, zur dürftigen Spende dem Toten, Ließ sie auf Hektors Grab, ein Haar vom Scheitel und Tränen. |
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5. Polydorus (429-438) |
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Est, ubi Troia fuit, Phrygiae contraria tellus |
Phrygiens Strand alldort, wo Troia gestanden, genüber |
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Bistoniis habitata viris: Polymestoris illic regia dives erat, cui te commisit alendum clam, Polydore, pater Phrygiisque removit ab armis, consilium sapiens, sceleris nisi praemia magnas adiecisset opes, animi inritamen avari. |
Liegt ein Gebiet, von Bistonen bewohnt. Dort war Polymestors Prächtige Königesburg, dem dich, Polydoros, zur Pflege Heimlich der Vater vertraut und den phrygischen Kämpfen entzogen, Weise bedachter Entschluss, wenn nicht auch Schätze er mitgab, Lohn für frevlige Tat und geizigen Sinnes Verlockung. |
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ut cecidit fortuna Phrygum, capit inpius ensem rex Thracum iuguloque sui demisit alumni et, tamquam tolli cum corpore crimina possent, exanimem scopulo subiectas misit in undas. |
Als nun Phrygiens Glück in Staub lag, nimmt der verruchte König der Thraker das Schwert und durchschneidet die Kehle dem Pflegkind;
Dann, als könnt er die Schuld wegschaffen zugleich mit dem Leichnam, Stürzt er hinab ins Meer den Entseelten oben vom Felsen. |
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6. Polyxena (439-575) |
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Litore Threicio classem religarat Atrides, |
Rastend am thrakischen Strand lag Atreus' Sohn mit der Flotte, |
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dum mare pacatum, dum ventus amicior esset: hic subito, quantus, cum viveret, esse solebat, exit humo late rupta similisque minanti temporis illius vultum referebat Achilles, quo ferus iniustum petiit Agamemnona ferro |
Harrend auf ruhige See und besser befreundete Winde.
Hier steigt plötzlich hervor, so groß, wie er lebend gewesen, Aus weit berstendem Grund in drohender Haltung Achilleus, Und in dem Antlitz trug er dieselbige Miene wie damals, Als er im Grimm angriff mit vermessenem Schwert Agamemnon. |
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'inmemores' que 'mei disceditis,' inquit 'Achivi, obrutaque est mecum virtutis gratia nostrae! ne facite! utque meum non sit sine honore sepulcrum, placet Achilleos mactata Polyxena manes!' dixit, et inmiti sociis parentibus umbrae, |
"Mein so wenig gedenk abziehet ihr", sprach er, "Achiver? Wäre verscharrt mit mir der Dank für unsere Taten? Das sei fern, und damit mein Grab nicht Ehre vermisse, Ströme Polyxenas Blut des Achilleus Manen zur Sühne!" Sprach's und dem zürnenden Geist ward Folge: vom Busen der Mutter |
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rapta sinu matris, quam iam prope sola fovebat, fortis et infelix et plus quam femina virgo ducitur ad tumulum diroque fit hostia busto. quae memor ipsa sui postquam crudelibus aris admota est sensitque sibi fera sacra parari, |
Reißen die Krieger ihr fast noch einziges Kind, und die Jungfrau, So unglücklich und stark und erhaben ob weiblicher Schwäche, Wird zu dem Grabe geführt als Opfer an schrecklicher Brandstatt. Ihrer verblieb sie gedenk, und als sie am grausamen Altar Stand und ersah, dass ihr nur galt die entsetzliche Feier, |
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utque Neoptolemum stantem ferrumque tenentem; inque suo vidit figentem lumina vultu, 'utere iamdudum generoso sanguine' dixit 'nulla mora est; at tu iugulo vel pectore telum conde meo' iugulumque simul pectusque retexit. |
Und Neoptolemos sah dastehen und halten das Eisen, Während an ihrem Gesicht sein Blick stets haftete, sprach sie: "Zaudere nicht, lass rinnen das Blut untadligen Adels. Auf, ich stehe bereit: in den Hals hier oder den Busen Senke den Stahl!" Und den Hals entblößt sie zugleich und den Busen. |
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'scilicet haud ulli servire Polyxena vellem. haud per tale sacrum numen placabitis ullum! mors tantum vellem matrem mea fallere posset: mater obest minuitque necis mihi gaudia, quamvis non mea mors illi, verum sua vita tremenda est. |
"Nimmer ertrüg's ja doch Polyxena, einem zu dienen - So wird aber ein Gott durch seltenes Opfer gesühnet. Bliebe mein Tod nur stets, das wünscht ich, verborgen der Mutter! Sie nur hindert und trübt mir die Freude des Todes, wiewohl ihr Nicht mein Tod, vielmehr ihr Dasein ist zu beseufzen. |
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vos modo, ne Stygios adeam non libera manes, ite procul, si iusta peto, tactuque viriles virgineo removete manus! acceptior illi, quisquis is est, quem caede mea placare paratis, liber erit sanguis. siquos tamen ultima nostri |
Ihr, dass nicht unfrei zu den stygischen Manen ich gehe, Bleibet mir fern, wenn gerecht mein Begehr, und berühret die Jungfrau
Nicht mit männlicher Hand. Für jenen gewiss ist genehmer, Wem ihr immer gedenkt mein Blut zur Sühne zu weihen, Frei sich bietendes Blut. Doch falls euch rühren die letzten |
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verba movent oris (Priami vos filia regis, non captiva rogat), genetrici corpus inemptum
reddite, neve auro redimat ius triste sepulcri, sed lacrimis! tum, cum poterat, redimebat et auro.' dixerat, at populus lacrimas, quas illa tenebat, |
Worte von unserem Mund - des Königes Priamos Tochter, Nicht die Gefangene, fleht -, gebt willig der Mutter die Leiche; Lasst sie das traurige Recht der Bestattung erkaufen mit Tränen, Nicht mit Gold! Sie erkaufte mit Gold auch, als sie es konnte." Also redete sie. Nicht wehret die Menge den Zähren, |
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non tenet; ipse etiam flens invitusque sacerdos praebita coniecto rupit praecordia ferro. illa super terram defecto poplite labens pertulit intrepidos ad fata novissima vultus; tunc quoque cura fuit partes velare tegendas, |
Denen Polyxena wehrt. Selbst weinend mit zagender Rechter, Stößt in die harrende Brust das gebotene Eisen der Priester. Jene, mit brechendem Knie kraftlos hinsinkend zur Erde, Ließ nichts blicken von Furcht im Gesicht beim nahenden Ende. Da auch, während sie fiel, noch war sie besorgt, zu verhüllen, |
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cum caderet, castique decus servare pudoris. Troades excipiunt deploratosque recensent Priamidas et quot dederit domus una cruores, teque gemunt, virgo, teque, o modo regia coniunx, regia dicta parens, Asiae florentis imago, |
Was zu bedecken geziemt, und züchtige Scham zu bewahren. Troias Fraun sind stützend ihr nah und gedenken beweinter Priamiden, und was ein Haus an Blute gegeben, Klagen um dich, Jungfrau, und um dich, jüngst Königsgemahlin, Königsmutter genannt, der blühenden Asia Abbild, |
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nunc etiam praedae mala sors; quam victor Ulixes esse suam nollet, nisi quod tamen Hectora partu edideras: dominum matri vix repperit Hector! quae corpus conplexa animae tam fortis inane, quas totiens patriae dederat natisque viroque, |
Nun ein verachtetes Stück vom Raub, das der Sieger Odysseus Nicht hinnähme für sich, wenn dir nicht Hektor das Leben Hätte verdankt: kaum findet den Herrn für die Zeugerin Hektor. Die umschlinget den Leib, der bar der entschlossenen Seele; Tränen, geweint so oft um das Land und den Mann und die Kinder, |
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huic quoque dat lacrimas; lacrimas in vulnera fundit
osculaque ore tegit consuetaque pectora plangit canitiemque suam concretam sanguine vellens plura quidem, sed et haec laniato pectore, dixit: 'nata, tuae (quid enim superest?) dolor ultime matris, |
Weint um diese sie auch; mit Tränen begießt sie die Wunde, Deckt mit dem Munde den Mund und schlägt an den trauergewohnten Busen und schleift im geronnenen Blut das erblichene Haupthaar, Und mit gegeißelter Brust auch solches zu anderem sprach sie: "Tochter, du letzter Verlust - denn was bleibt übrig? - der Mutter, |
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nata, iaces, videoque tuum, mea vulnera, vulnus: en, ne perdiderim quemquam sine caede meorum, tu quoque vulnus habes; at te, quia femina, rebar a ferro tutam: cecidisti et femina ferro, totque tuos idem fratres, te perdidit idem, |
Tochter, du liegst, und ich seh in der deinen die eigene Wunde. Dass nicht, außer durch Mord, ich einen verlöre der Meinen, Klafft auch Wunde an dir. Dich hätt' ich, dieweil du ein Weib warst,
Sicher gewähnt vor dem Stahl: als Weib auch sankst du vom Stahle. Er gab dich in den Tod, der auch so viele der Brüder |
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exitium Troiae nostrique orbator, Achilles; at postquam cecidit Paridis Phoebique sagittis, nunc certe, dixi, non est metuendus Achilles: nunc quoque mi metuendus erat; cinis ipse sepulti in genus hoc saevit, tumulo quoque sensimus hostem: |
Tötete, Troias Verderb und unser Verwaiser, Achilleus.
Als ihn mit dem Geschoss hinstrecketen Paris und Phoibos, Sprach ich: "Fürder ist nun doch nicht zu fürchten Achilleus."
Da noch war er zu fürchten für mich. Des Bestatteten Asche Wütet in unsrem Geschlecht, und wir spüren im Grabe den Feind auch. |
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Aeacidae fecunda fui! iacet Ilion ingens, eventuque gravi finita est publica clades, sed finita tamen; soli mihi Pergama restant. in cursuque meus dolor est: modo maxima rerum, tot generis natisque potens nuribusque viroque |
Furchtbar war ich für Aiakos' Spross. Die gewaltige Troia Liegt, und des Volks Drangsal ist geendet in schwerer Entscheidung, Aber sie endete doch. Für mich steht Pergamos jetzt noch, Und es behält Fortgang mein Schmerz. Jüngst mächtig von allen, Groß durch die Eidame all, durch die Kinder, die Schnuren, den Gatten,
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nunc trahor exul, inops, tumulis avulsa meorum, Penelopae munus, quae me data pensa trahentem matribus ostendens Ithacis "haec Hectoris illa est clara parens, haec est" dicet "Priameia coniunx," postque tot amissos tu nunc, quae sola levabas |
Muss ich verbannt, hilflos, von den Gräbern der Meinen gerissen, Fort zu Penelopes Dienst. Die sagt dann Ithakas Müttern, Deutend auf mich, wenn ich spinne mein Teil: "Das ist die berühmte Troische Frau, die Hektor gebar, des Priamos Gattin!" Nach so vieler Verlust bist du in dem Jammer der Mutter |
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maternos luctus, hostilia busta piasti! inferias hosti peperi! quo ferrea resto? quidve moror? quo me servas, annosa senectus? quo, di crudeles, nisi uti nova funera cernam, vivacem differtis anum? quis posse putaret |
Noch ihr einziger Trost, am feindlichen Grabe geopfert. Totengabe gebar ich dem Feind. Was bleib und verweil ich, Hart wie Stahl? Was hebst du mich auf, vieljähriges Alter? Grausame Götter, wozu noch dehnt ihr das Leben der Greisin, Als dass Leichen sie sieht stets neu? Wer möchte vermeinen, |
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felicem Priamum post diruta Pergama dici? felix morte sua est! nec te, mea nata, peremptam adspicit et vitam pariter regnumque reliquit. at, puto, funeribus dotabere, regia virgo, condeturque tuum monumentis corpus avitis! |
Dass nach Pergamos' Fall noch Priamos glücklich zu preisen? Ja, er ist glücklich im Tod: er sah nicht, wie sie gemordet Dich, mein Kind, und schied von dem Leben zugleich und der Herrschaft. Doch sie bestatten dich wohl hochfeierlich, fürstliche Jungfrau, Setzen gewiss dich bei in der Stammgruft neben den Ahnen? |
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non haec est fortuna domus: tibi munera matris contingent fletus peregrinaeque haustus harenae! omnia perdidimus: superest, cur vivere tempus in breve sustineam, proles gratissima matri, nunc solus, quondam minimus de stirpe virili, |
So wohnt nicht in dem Hause das Glück. Als Spende der Mutter Werden dir Tränen zuteil und ein Häuflein Sand in der Fremde. Uns ist alles geraubt. Mir bleibt, weshalb ich dem Leben Gönne noch kurzen Bestand, Polydoros, der liebste der Mutter, Jetzo der einzige, sonst vom männlichen Stamme der jüngste, |
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has datus Ismario regi Polydorus in oras. quid moror interea crudelia vulnera lymphis abluere et sparsos inmiti sanguine vultus?' Dixit et ad litus passu processit anili, albentes lacerata comas. 'date, Troades, urnam!' |
Den der Ismarierfürst aufnahm an diesen Gestaden.
Doch was säum ich indes, ihr die grausame Wunde zu waschen Und das bespritzte Gesicht von dem schrecklichen Blute zu säubern?" Also sprach sie und ging mit wankendem Schritte, die weißen Haare zerrauft, an den Strand. "Reicht her, Troaden, die Urne!" |
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dixerat infelix, liquidas hauriret ut undas: adspicit eiectum Polydori in litore corpus factaque Threiciis ingentia vulnera telis; Troades exclamant, obmutuit illa dolore, et pariter vocem lacrimasque introrsus obortas |
Hatte die Ärmste gesagt, dass flüssige Wellen sie schöpfte. Sieh, sie gewahrt, wie zum Ufer gespült tot liegt Polydoros Und von dem thrakischen Schwert weit klafft die entsetzliche Wunde. Laut schrein Troias Fraun; stumm bleibt im Schmerze die Mutter; Stimme zugleich und Tränen, in ihrem Innern entstanden, |
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devorat ipse dolor, duroque simillima saxo torpet et adversa figit modo lumina terra, interdum torvos sustollit ad aethera vultus, nunc positi spectat vultum, nunc vulnera nati, vulnera praecipue, seque armat et instruit ira. |
Schluckt ihr der Schmerz hinab, und vergleichbar mit hartem Gesteine Starrt sie und heftet den Blick bald vor sich hin auf die Erde, Bald auch richtet sie auf zum Aither das finstere Antlitz; Bald das Gesicht, bald schaut sie die Wunde des liegenden Sohnes, Aber die Wunde zumeist, und nährt und schüret den Ingrimm. |
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qua simul exarsit, tamquam regina maneret, ulcisci statuit poenaeque in imagine tota est, utque furit catulo lactente orbata leaena signaque nacta pedum sequitur, quem non videt, hostem, sic Hecabe, postquam cum luctu miscuit iram, |
Wie er zur Flamme gefacht, da füllt, als bliebe sie immer Königin, Rache ihr Herz, und sie lebt in Gedanken der Strafe. So wie die Löwin in Wut, der genommen das saugende Junge, Ohn ihn zu sehen, dem Feind nachjagt, des Spur sie gefunden: So nimmt Hekabe auch, da Zorn sie mengte mit Jammer, |
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non oblita animorum, annorum oblita suorum, vadit ad artificem dirae, Polymestora, caedis conloquiumque petit; nam se monstrare relictum velle latens illi, quod nato redderet, aurum.
credidit Odrysius praedaeque adsuetus amore |
Ihres Verlangens gedenk, nicht aber der Jahre gedenkend, Zu Polymestor den Weg, dem Verüber des grässlichen Mordes, Und sie begehrt ein Gespräch: Gold wolle sie, das in der Heimat Läge versteckt, auf dass er es gebe dem Sohn, ihm verraten. Glaublich erschien's, und der Fürst der Odryser, gewöhnt an die Habgier, |
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in secreta venit: tum blando callidus ore 'tolle moras, Hecabe,' dixit 'da munera nato! omne fore illius, quod das, quod et ante dedisti, per superos iuro.' spectat truculenta loquentem falsaque iurantem tumidaque exaestuat ira |
Findet allein sich ein. Arglistig mit schmeichelndem Munde
Sprach er: "Hekabe, gib nur rasch für den Sohn die Geschenke. Was du mir gibst, was früher du gabst - bei den Himmlischen schwör ich -, Alles verbleibt für ihn." Wie er redete, schuldig des Meineids, Schaut sie finster ihn an und wallt von steigendem Zorne. |
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atque ita correpto captivarum agmina matrum invocat et digitos in perfida lumina condit expellitque genis oculos (facit ira potentem) inmergitque manus foedataque sanguine sonti non lumen (neque enim superest), loca luminis haurit. |
So nun packt sie ihn fest und ruft der gefangenen Mütter Menge herzu und stößt in die treulosen Augen die Finger, Reißt sie im Nu aus den Wangen heraus - stark macht sie der Ingrimm -, Bohrt mit den Händen und gräbt, mit dem schuldigen Blute besudelt,
Nicht in den Augen, davon nichts blieb, in der Stelle der Augen. |
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clade sui Thracum gens inritata tyranni Troada telorum lapidumque incessere iactu coepit, at haec missum rauco cum murmure saxum morsibus insequitur rictuque in verba parato latravit, conata loqui: locus exstat et ex re |
Aber die Thraker, erbost, dass solches dem Herrscher getan war, Fallen die Troerin an mit Steinen zugleich und Geschossen. Hinter geworfenem Stein eilt jene mit heiserem Heulen Und will schnappen danach, und wie sie zu reden gedachte, Scholl aus dem Rachen Gebell - noch heute, benannt von dem Wunder, |
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nomen habet, veterumque diu memor illa malorum tum quoque Sithonios ululavit maesta per agros. illius Troasque suos hostesque Pelasgos, illius fortuna deos quoque moverat omnes, sic omnes, ut et ipsa Iovis coniunxque sororque |
Zeigt man den Ort -, und lange gedenk vormaliger Leiden
Heulte sie da auch noch schmerzvoll in sithonischen Fluren. Ihre Troianer bewegt und sogar die pelasgischen Feinde Hekabes herbes Geschick; es bewegt auch alle die Götter, Alle gesamt, so dass gar Iupiters Gattin und Schwester |
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eventus Hecaben meruisse negaverit illos. |
Selber gestand, das habe sie nicht zu erleiden verdienet.
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7. Memnon (576-622) |
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Non vacat Aurorae, quamquam isdem faverat armis, cladibus et casu Troiaeque Hecabesque moveri. cura deam propior luctusque domesticus angit Memnonis amissi, Phrygiis quem lutea campis |
Müßig ist nicht, obwohl sie die nämlichen Waffen begünstigt, Troias und Hekabes Fall und Verderb zu empfinden Aurora: Nähere Sorge befängt und häusliche Trauer die Göttin, Da sie den Memnon verlor. Ihn sah in den phrygischen Feldern |
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vidit Achillea pereuntem cuspide mater; vidit, et ille color, quo matutina rubescunt tempora, palluerat, latuitque in nubibus aether. at non inpositos supremis ignibus artus sustinuit spectare parens, sed crine soluto |
Vom achilleischen Speer hinsinken die rosige Mutter,
Sah's, und der Purpurschein, davon sich die Frühe des Tages Rötet, erblasste sogleich, und in Wolken verbarg sich der Aither. Als nun aber der Leib zur Bestattung lag auf dem Feuer, Konnte die Mutter es nicht ansehn: mit gelösetem Haupthaar, |
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sicut erat, magni genibus procumbere non est dedignata Iovis lacrimisque has addere voces: 'omnibus inferior, quas sustinet aureus aether, (nam mihi sunt totum rarissima templa per orbem) diva tamen, veni, non ut delubra diesque |
So wie sie war, verschmähte sie nicht, zu umfassen des großen Iupiter Knie und so zu Tränen die Worte zu fügen: "Keiner der Göttinnen gleich, die wohnen im goldenen Aither –
Denn mir stehen erbaut auf Erden die seltensten Tempel – Komm ich zu dir doch nicht, Wohnstätten und heilige Tage |
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des mihi sacrificos caliturasque ignibus aras: si tamen adspicias, quantum tibi femina praestem, tum cum luce nova noctis confinia servo, praemia danda putes; sed non ea cura neque hic est nunc status Aurorae, meritos ut poscat honores: |
Mir zu erbitten von dir und mit Feuer zu wärmende Herde. So du bedächtest indes, was mir du verdankest, dem Weibe, Wenn ich die Grenzen der Nacht mit erneuetem Lichte bewache, Schien ich dir Lohns wohl wert. Doch das nicht kümmert Aurora, Nicht so steht es mit ihr, dass schuldige Ehren sie heische: |
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Memnonis orba mei venio, qui fortia frustra pro patruo tulit arma suo primisque sub annis occidit a forti (sic vos voluistis) Achille. da, precor, huic aliquem, solacia mortis, honorem, summe deum rector, maternaque vulnera leni!' |
Memnons komm ich, des Sohnes, beraubt, der streitbare Waffen Eitel erhob für den Ohm und bezwungen vom starken Achilleus – Ihr ja habt es gewollt - in der blühenden Jugend dahinsank. Gib, ich bitte, zum Trost für den Tod ihm einige Ehre, Höchster im göttlichen Rat, und lindre die Wunde der Mutter." |
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Iuppiter adnuerat, cum Memnonis arduus alto
corruit igne rogus, nigrique volumina fumi infecere diem, veluti cum flumine Nais exhalat nebulas, nec sol admittitur infra; atra favilla volat glomerataque corpus in unum |
Iupiter nickte Gewähr. Als Memnons ragender Holzstoß Sank mit dem lodernden Brand und die Wirbel des schwärzlichen Rauches
dunkel verdeckten den Tag, gleichwie wenn steigende Nebel Hauchet der Strom und der Sonne verwehrt nach unten zu dringen, Flieget die Asch' umher, und zu einem verdichteten Körper |
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densetur faciemque capit sumitque calorem atque animam ex igni (levitas sua praebuit alas) et primo similis volucri, mox vera volucris insonuit pennis, pariter sonuere sorores innumerae, quibus est eadem natalis origo, |
Wird sie geballt und gewinnet Gestalt und eignet vom Feuer Wärm und Leben sich an. Mit Schwingen begabt sich die leichte. Ähnlich dem Vogel zuerst, bald aber ein wirklicher Vogel, Regte sie rauschenden Flug, und zugleich unzählige Schwestern Rauscheten, alle gezeugt auf die selbige Art. Um den Holzstoß |
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terque rogum lustrant, et consonus exit in auras ter plangor, quarto seducunt castra volatu; tum duo diversa populi de parte feroces bella gerunt rostrisque et aduncis unguibus iras exercent alasque adversaque pectora lassant, |
Kreiset die Schar dreimal, und dreimal geht in die Lüfte Einig Geschrei; drauf teilt sich der Schwarm in dem vierten der Flüge. Feindlich geschieden sodann in zwei kampflustige Heere, Führen sie blutigen Krieg und fallen mit Schnäbeln und Krallen Zornig sich an und ermüden die Brust und die Flügel im Andrang, |
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inferiaeque cadunt cineri cognata sepulto corpora seque viro forti meminere creatas. praepetibus subitis nomen facit auctor: ab illo Memnonides dictae, cum sol duodena peregit signa, parentali moriturae more rebellant. |
Und das entstandne Geschlecht, das verwandt der bestatteten Asche, Sinkt als Opfer am Grab und gedenkt der Entstehung vom Helden. Vom Urheber behält das neue Geflügel den Namen, Memnonsvögel genannt. Wenn Sol zwölf Zeichen durchlaufen, Eilen sie wieder zum Kampf und sterben dem Vater zur Sühne. |
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ergo aliis latrasse Dymantida flebile visum est; luctibus est Aurora suis intenta piasque nunc quoque dat lacrimas et toto rorat in orbe. |
War drum kläglich zu sehn, dass bellte die Tochter des Dymas, Anderen, eigenem Leid hängt nach Aurora, und Zähren Weiht sie dem Sohn noch jetzt und betauet die sämtlichen Lande. |
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8. Fahrt
des Aeneas nach Delos (623-631) |
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Non tamen eversam Troiae cum moenibus esse spem quoque fata sinunt: sacra et, sacra altera, patrem |
Doch nicht lässt das Geschick mit Troias Mauern die Hoffnung Schwinden. Das heilige Gut und das andre dazu, den Erzeuger, |
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fert umeris, venerabile onus, Cythereius heros. de tantis opibus praedam pius eligit illam Ascaniumque suum profugaque per aequora classe fertur ab Antandro scelerataque limina Thracum et Polydoreo manantem sanguine terram |
trägt der kytherische Held, ehrwürdige Last, auf der Schulter. Ihn und den Sohn Askanios wählt als Beute der Fromme Aus so reichem Besitz und begibt sich mit flüchtiger Flotte Weg von Antandros in See, und die ruchlosen Schwellen der Thraker Lässt er zurück und das Land, das jüngst mit Blut Polydoros |
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linquit et utilibus ventis aestuque secundo intrat Apollineam sociis comitantibus urbem. |
Hatte genetzt, und bei dienlichem Wind und günstiger Strömung Landet er nun bei der Stadt des Apollon mit seinen Gefährten. |
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9. Anius (632-674) |
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hunc Anius, quo rege homines, antistite Phoebus rite colebatur, temploque domoque recepit urbemque ostendit delubraque nota duasque |
Ihn nimmt Anios auf gastfreundlich in Tempel und Wohnung, Der für das Volk treu wacht' als Fürst, als Priester für Phoibos,
Und sie besehen die Stadt und das heilige Haus und die beiden |
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Latona quondam stirpes pariente retentas. ture dato flammis vinoque in tura profuso caesarumque boum fibris de more crematis regia tecta petunt, positique tapetibus altis munera cum liquido capiunt Cerealia Baccho. |
Stämme, daran vormals sich kreißend gehalten Latona. Als Weihrauch sie den Flammen geweiht nebst Güssen des Weines, Auch nach Sitte verbrannt die Geweide geschlachteter Rinder, Gehn sie zum Königsschloss, und auf hoch daliegendem Teppich Nehmen sie Ceresfrucht mit der flüssigen Gabe des Bakchos. |
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tum pius Anchises: 'o Phoebi lecte sacerdos, fallor, an et natum, cum primum haec moenia vidi, bisque duas natas, quantum reminiscor, habebas?' huic Anius niveis circumdata tempora vittis concutiens et tristis ait: 'non falleris, heros |
Drauf Anchises der Greis: "O trefflicher Priester des Phoibos, Irr ich mich? Hattest du nicht, wie zuerst ich schaute die Stadt hier, Außer dem Sohn vier Töchter, soviel im Geiste mir vorschwebt?" Anios schüttelt das Haupt, mit der schneeigen Binde umgeben; Traurig erwidert er dann: "Mitnichten, erhabener Heros, |
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maxime; vidisti natorum quinque parentem, quem nunc (tanta homines rerum inconstantia versat) paene vides orbum. quod enim mihi filius absens auxilium, quem dicta suo de nomine tellus Andros habet pro patre locumque et regna tenentem? |
Irrest du dich: du hast als Vater von fünfen gesehen,
Den du nun - so spielt mit den Menschen der Wechsel der Dinge - Siehst beinahe verwaist. Denn was für Stütze gewährt mir
Mein abwesender Sohn, den, ihm gleichnamig, das Eiland Andros besitzt, wo er Reich und Gebiet für den Vater verwaltet? |
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Delius augurium dedit huic, dedit altera Liber femineae stirpi voto maiora fideque munera: nam tactu natarum cuncta mearum in segetem laticemque meri canaeque Minervae transformabantur, divesque erat usus in illis. |
Deutungsgabe verlieh ihm der Delier; andere Gabe,
Mehr als je sie gewünscht und mehr als glaublich, gewährte Liber dem weiblichen Stamm: durch unserer Töchter Berührung Wandelte alles sich um zu Getreide, zu Beeren Minervas Oder zu lauterem Wein, und Gewinn kam reichlich von ihnen. |
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hoc ubi cognovit Troiae populator Atrides, (ne non ex aliqua vestram sensisse procellam nos quoque parte putes), armorum viribus usus abstrahit invitas gremio genitoris alantque imperat Argolicam caelesti munere classem. |
Wie das Atreus' Sohn, der Zertrümmerer Troias, vernommen - Magst du erkennen daraus, dass wir auch etwas erfahren Von dem Gewitter bei euch -, da, Stärke der Waffen gebrauchend, Riss er sie weg mit Gewalt vom Schoße des Vaters und hieß sie
Durch ihr Himmelsgeschenk die argolische Flotte versorgen. |
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effugiunt, quo quaeque potest: Euboea duabus et totidem natis Andros fraterna petita est. miles adest et, ni dedantur, bella minatur: victa metu pietas consortia corpora poenae dedidit; et timido possis ignoscere fratri: |
Flucht nimmt jede, wohin sie vermag. Zwei gehn nach Euboia, Während die anderen zwei sich nach Andros begeben zum Bruder. Kriegsvolk naht und bedroht mit Krieg, falls jene man weigre. Über die Lieb obsiegte die Furcht, und er gab die verwandten Seelen heraus. Doch magst du verzeihen dem zagenden Bruder: |
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non hic Aeneas, non, qui defenderet Andron, Hector erat, per quem decimum durastis in annum. iamque parabantur captivis vincla lacertis: illae tollentes etiamnum libera caelo bracchia "Bacche pater, fer opem!" dixere, tulitque |
Nah war nicht Aineias und nicht, zu beschützen den Andros, Hektor, der Held, durch die ihr standet ins zehnte der Jahre. Fesseln waren bereit schon für die gefangenen Arme. Jene, die Hände bis jetzt noch frei aufhebend zum Himmel, Fleheten: "Steh uns bei, o Vater Lyaios", und Beistand |
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muneris auctor opem, - si miro perdere more
ferre vocatur opem, nec qua ratione figuram perdiderint, potui scire aut nunc dicere possum; summa mali nota est: pennas sumpsere tuaeque coniugis in volucres, niveas abiere columbas.' |
Gab der Verleiher der Gunst, wenn Beistand heißet Vernichtung Außergewöhnlicher Art. Doch wie die Gestalt sie verloren, Das ward nie mir bekannt; auch jetzt nicht kann ich es sagen. Was draus ward, ist bekannt: sie wurden befiedert zu Vögeln, Die dein göttliches Weib wert hält, zu schneeigen Tauben." |
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10. Orion (675-699) |
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Talibus atque aliis postquam convivia dictis inplerunt, mensa somnum petiere remota cumque die surgunt adeuntque oracula Phoebi, qui petere antiquam matrem cognataque iussit litora; prosequitur rex et dat munus ituris, |
Als sie die Stunden des Mahls mit solchen und anderen Reden Hatten verbracht, ward Ruhe gesucht nach geräumeter Tafel. Früh mit dem Tag sind sie auf und befragen des Phoibos Orakel, Und zu dem Ursitz heißt er sie ziehn, zum verwandten Gestade. Anios gibt das Geleit und beschenkt mit prächtigem Zepter |
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Anchisae sceptrum, chlamydem pharetramque nepoti, cratera Aeneae, quem quondam transtulit illi hospes ab Aoniis Therses Ismenius oris: miserat hunc illi Therses, fabricaverat Alcon Hyleus et longo caelaverat argumento. |
Scheidend Anchises, den Freund, mit Mantel und Köcher den Enkel; Für Aineias bestimmt ist ein Krug, den jenem vor Zeiten Therses geschickt vom aonischen Strand, der ismenische Gastfreund. Therses hatt' ihn geschickt, doch Alkon hatt ihn gefertigt, Hylai entstammt, und geziert mit vielen getriebenen Bildern. |
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urbs erat, et septem posses ostendere portas: hae pro nomine erant, et quae foret illa, docebant; ante urbem exequiae tumulique ignesque rogique effusaeque comas et apertae pectora matres significant luctum; nymphae quoque flere videntur |
Häuser erschienen darauf, und deutlich gewahrte man sieben Tore, daran zu erkennen die Stadt auch ohne den Namen. Leichengefolg vor der Stadt, Grabhügel, geschichtete Brände, Mütter mit fliegendem Haar und mit unverhülletem Busen Deuten auf Trauer und Weh. Auch weinende Nymphen erblickt man, |
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siccatosque queri fontes: sine frondibus arbor nuda riget, rodunt arentia saxa capellae. ecce facit mediis natas Orione Thebis hac non femineum iugulo dare vulnus aperto, illac demisso per fortia pectora telo |
Die um vertrockneten Born Leid tragen. Entkleidet des Laubes Starret der Baum. An dürrem Gestein gehn rupfende Ziegen. Mitten in Thebai stehn zu sehen die Töchter Orions, Wie sich den offenen Hals nicht weibisch die eine verwundet, Wie die entschlossene Brust mit dem Stahl durchbohrend die andre |
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pro populo cecidisse suo pulchrisque per urbem funeribus ferri celebrique in parte cremari. tum de virginea geminos exire favilla, ne genus intereat, iuvenes, quos fama Coronas nominat, et cineri materno ducere pompam. |
Fällt, zu erlösen ihr Volk, und wie man im ehrenden Grabzug Hin durch die Straßen sie trägt und verbrennt an belebeter Stätte;
Wie zwei Jünglinge dann aus der Jungfraun Asche sich heben, Dass sich erhalte der Stamm, Koronen genannt von der Sage, Die dann führen den Zug, der die Asche der Mütter bestattet. |
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11. Weiterfahrt
des Aeneas (700-729) |
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hactenus antiquo signis fulgentibus aere, summus inaurato crater erat asper acantho. nec leviora datis Troiani dona remittunt dantque sacerdoti custodem turis acerram, dant pateram claramque auro gemmisque coronam. |
Soweit glänzten Gebild am Erze des alten Gefäßes; Oben umgab es gezackt mit Golde bezogner Akanthos. Gaben erstatten dafür nicht leichter an Wert die Troianer: Phoibos' Priester erhält Weihrauch einschließende Büchse, Opfergeschirr und von Gold und Gestein hell blitzende Krone. |
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Inde recordati Teucros a sanguine Teucri ducere principium Creten tenuere locique ferre diu nequiere Iovem centumque relictis urbibus Ausonios optant contingere portus, saevit hiems iactatque viros, Strophadumque receptos |
Drauf nun fuhren sie ab, in Erinnerung, dass sich die Teukrer Führten auf Teucer zurück, nach Kreta, aber das Klima Konnten sie dort nicht lange bestehn, und verlassend die hundert Städte, verlangten sie jetzt im ausonischen Hafen zu rasten. Sturmwind wütet und wirft sie umher, und wie der Strophaden |
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portubus infidis exterruit ales Aello. et iam Dulichios portus Ithacamque Samonque Neritiasque domus, regnum fallacis Ulixis, praeter erant vecti: certatam lite deorum Ambraciam versique vident sub imagine saxum |
Tückische Bucht sie erreicht, bringt Schreck die beschwingte Aello. Schon an dulichischer Bucht, an Ithaka schon und an Samos Und am neritischen Sitz, dem Gebiete des falschen Odysseus, Ging vorüber die Fahrt. Ambrakia, welche die Götter Reizte zum Streit, und den Fels in Gestalt des gewandelten Richters |
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iudicis, Actiaco quae nunc ab Apolline nota est, vocalemque sua terram Dodonida quercu Chaoniosque sinus, ubi nati rege Molosso inpia subiectis fugere incendia pennis. Proxima Phaeacum felicibus obsita pomis |
Schauen sie, der nunmehr Ruf hat von dem aktischen Phoibos, Auch das dodonische Land, das redet im kündenden Eichstamm, Und die chaonische Bai, wo einst des molossischen Königs Söhne dem frevligen Brand mit erwachsenen Flügeln entflohen. Nach dem Phaiakengebiet, das mit Obste gesegnet zunächst war, |
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rura petunt, Epiros ab his regnataque vati Buthrotos Phrygio simulataque Troia tenetur; inde futurorum certi, quae cuncta fideli Priamides Helenus monitu praedixerat, intrant Sicaniam: tribus haec excurrit in aequora linguis, |
Steuern sie dann. Drauf geht nach Epiros die Fahrt und Buthrotus, Troias ähnlichem Bild, wo herrschte der phrygische Seher. Sicher der Zukunft nun, denn jegliches hatte geweissagt Helenos, Priamos' Sohn, treu mahnend, gelangten sie glücklich An das sikanische Land. Das streckt drei Zungen ins Meer aus, |
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e quibus imbriferos est versa Pachynos ad austros, mollibus oppositum zephyris Lilybaeon, ad arctos aequoris expertes spectat boreanque Peloros. hac subeunt Teucri, et remis aestuque secundo sub noctem potitur Zanclaea classis harena: |
Davon dem Regen des Südens Pachynos entgegen sich wendet, Sanft anwehenden West sich beut Lilybaeum, zur Bärin, Welcher die Wogen versagt, und zum Boreas schauet Peloros. Da nun kommen sie hin, und mit Rudern und günstiger Strömung Landet bei sinkender Nacht an Zankles Sande die Flotte. |
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12. Scylla (730-749) |
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Scylla latus dextrum, laevum inrequieta Charybdis infestat; vorat haec raptas revomitque carinas, illa feris atram canibus succingitur alvum, virginis ora gerens, et, si non omnia vates ficta reliquerunt, aliquo quoque tempore virgo: |
Rechts bellt Skylla mit Graus, links droht nie rastend Charybdis. Diese verschlingt und speit dann wieder geraffete Kiele. Jene, den schwärzlichen Bauch mit grimmigen Hunden gegürtet, Trägt Jungfrauengesicht, und wofern nicht alles erfunden, Was uns Dichter gesagt, sie war einst wirkliche Jungfrau. |
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hanc multi petiere proci, quibus illa repulsis ad pelagi nymphas, pelagi gratissima nymphis, ibat et elusos iuvenum narrabat amores. cui dum pectendos praebet Galatea capillos, talibus adloquitur repetens suspiria dictis: |
Viele begehrten sie wohl zum Weib: sie, spröde den Freiern, Ging zu den Nymphen des Meers, lieb allen den Nymphen des Meeres; Ihnen erzählte sie dann, wie der Jünglinge Liebe vereitelt. Während zum Kämmen das Haar ihr einst hinhielt Galateia, Redete diese zu ihr tief seufzend die folgenden Worte: |
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'te tamen, o virgo, genus haut inmite virorum expetit, utque facis, potes his inpune negare; at mihi, cui pater est Nereus, quam caerula Doris enixa est, quae sum turba quoque tuta sororum, non nisi per luctus licuit Cyclopis amorem |
"Dich, o Mädchen, begehrt kein Geschlecht rachsüchtiger Männer; Straflos darfst du sie doch, wie du tust, abschlägig bescheiden: Mir, die Nereus erzeugt und die bläuliche Doris geboren, Die sich geborgen dazu auch weiß von der Menge der Schwestern, War nicht anders vergönnt zu entgehn dem verliebten Kyklopen, |
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effugere.' et lacrimae vocem inpediere loquentis. quas ubi marmoreo detersit pollice virgo et solata deam est, 'refer, o carissima' dixit 'neve tui causam tege (sic sum fida) doloris!' Nereis his contra resecuta Crataeide natam est: |
Als mit Jammer und Leid." Und die Stimm erstickten ihr Tränen. Wie sie mit marmornem Daumen sie hatte getrocknet der Göttin Und sie getröstet zugleich, sprach Skylla: "Erzähle mir, Traute; Hehle mir nicht - mir darfst du vertrauen - den Grund der Betrübnis." Also versetzte dem Kind der Krataiis die Tochter des Nereus: |
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13. Acis
und Galatea (750-897) |
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'Acis erat Fauno nymphaque Symaethide cretus magna quidem patrisque sui matrisque voluptas, nostra tamen maior; nam me sibi iunxerat uni. pulcher et octonis iterum natalibus actis signarat teneras dubia lanugine malas. |
"Akis, von Faunus gezeugt mit einer symaithischen Nymphe, War herzinnige Lust für den Vater sowohl wie die Mutter, Aber für mich noch mehr: er hatte mich einzig gefesselt. Schön war Wuchs und Gesicht, und die zart gerundeten Wangen Zeichnete spärlicher Flaum nach dem zweimal achten Geburtstag. |
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hunc ego, me Cyclops nulla cum fine petebat. nec, si quaesieris, odium Cyclopis amorne Acidis in nobis fuerit praesentior, edam: par utrumque fuit. pro! quanta potentia regni est, Venus alma, tui! nempe ille inmitis et ipsis |
Nach ihm trachtete ich, nach mir endlos der Kyklope. Wolltest du fragen jedoch, ob wir mehr Liebe dem Akis, Ob mehr Hass dem Kyklopen gehegt, nicht könnt ich es sagen: Gleich war beides in mir. Wie weit, holdselige Venus, Reicht nicht deine Gewalt! Selbst jener entsetzliche Unhold, |
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horrendus silvis et visus ab hospite nullo inpune et magni cum dis contemptor Olympi, quid sit amor, sentit validaque cupidine captus uritur oblitus pecorum antrorumque suorum. iamque tibi formae, iamque est tibi cura placendi, |
Wäldern ein Grauen sogar, den straflos nimmer ein Fremdling Schaute, des großen Olymp und der ewigen Götter Verächter, Wird, was Liebe, gewahr, und zu uns von Verlangen ergriffen, Glüht er und hat nicht acht auf das Vieh und die bergende Höhle. Schon nun bist du bedacht auf Putz und bedacht zu gefallen, |
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iam rigidos pectis rastris, Polypheme, capillos, iam libet hirsutam tibi falce recidere barbam et spectare feros in aqua et conponere vultus. caedis amor feritasque sitisque inmensa cruoris cessant, et tutae veniuntque abeuntque carinae. |
Kämmst dein borstiges Haar sorgsam mit dem Karst, Polyphemos, Und es beliebt dir, den struppigen Bart mit der Sichel zu stumpfen, Auch dein wüstes Gesicht im Wasser zu schaun und zu ordnen. Wildheit, Liebe zum Mord und der unersättliche Blutdurst Rasten, und ohne Gefahr nun kommen und gehen die Schiffe. |
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Telemus interea Siculam delatus ad Aetnen, Telemus Eurymides, quem nulla fefellerat ales, terribilem Polyphemon adit "lumen" que, "quod unum fronte geris media, rapiet tibi" dixit "Ulixes." risit et "o vatum stolidissime, falleris," inquit, |
Telemos, während der Zeit zur sikulischen Aitna verschlagen, Telemos, Eurymos' Sohn, den nimmer betrogen ein Vogel, Kommt zu dem Ungetüm Polyphemos: "Das einzige Auge", Spricht er, "inmitten der Stirn wird einst dir benehmen Odysseus." Doch der lacht und versetzt: "O dümmster der Seher, du irrst dich:
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"altera iam rapuit." sic frustra vera monentem spernit et aut gradiens ingenti litora passu degravat, aut fessus sub opaca revertitur antra. prominet in pontum cuneatus acumine longo collis (utrumque latus circumfluit aequoris unda): |
Eine benahm es mir schon." So spottet er sein, der vergebens Richtig gewarnt, und drückt bald schreitend mit mächtigem Fußtritt
Schwer auf den Strand, bald kehret er müd in die finstere Höhle. Weit ragt vor in die Flut keilförmig ein Hügel mit langer Spitze; zur Rechten bespült ihn die Woge des Meers und zur Linken. |
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huc ferus adscendit Cyclops mediusque resedit; lanigerae pecudes nullo ducente secutae. cui postquam pinus, baculi quae praebuit usum, ante pedes posita est antemnis apta ferendis sumptaque harundinibus conpacta est fistula centum, |
Diesen ersteiget der wilde Kyklop und sitzt in der Mitte; Sein wolltragendes Vieh kam folgend, von keinem getrieben. Als er die Fichte darauf, die, Rahen zu tragen geeignet, Dienst ihm tat als Stock, vor die Füße gelegt und die Flöte Hielt am Munde, gefügt aus hundert vereinigten Rohren, |
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senserunt toti pastoria sibila montes, senserunt undae; latitans ego rupe meique Acidis in gremio residens procul auribus hausi talia dicta meis auditaque mente notavi: Candidior folio nivei Galatea ligustri, |
Ward sein Hirtengepfeif von den Bergen gespürt in der Runde, Ward es gespürt von der Flut. Ich hörte, dem trautesten Akis
Sitzend im Schoß und gedeckt vom Felsen, mit eigenen Ohren Folgende Worte von fern und behielt im Geist das Gehörte: "O Galateia, so weiß wie das Blatt schneehellen Ligusters, |
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floridior pratis, longa procerior alno, splendidior vitro, tenero lascivior haedo, levior adsiduo detritis aequore conchis, solibus hibernis, aestiva gratior umbra, mobilior damma, platano conspectior alta, |
Blühend und frisch wie die Au, so schlank wie die ragende Erle, Glänzend wie heller Kristall, schalkhaft wie das hüpfende Böcklein,
Glatt wie von ständigem Meer am Strande gewaschene Muscheln, Lieblich wie sonniger Schein im Winter, wie Schatten im Sommer, Edel wie saftiges Obst und schmuck wie die hohe Platane, |
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lucidior glacie, matura dulcior uva, mollior et cycni plumis et lacta coacto, et, si non fugias, riguo formosior horto; Saevior indomitis eadem Galatea iuvencis, durior annosa quercu, fallacior undis, |
Licht wie spiegelndes Eis und süß wie die zeitige Traube, Weich wie Flaum am Schwan und wie Milch vom Labe geronnen, Reizend zu sehn, wenn nicht du entfliehst, wie gewässerter Garten! O Galateia, zudem starrsinnig wie trotzende Rinder, Trüglich wie wallende Flut, hart gleich vieljähriger Eiche, |
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lentior et salicis virgis et vitibus albis, his inmobilior scopulis, violentior amne, laudato pavone superbior, acrior igni, asperior tribulis, feta truculentior ursa, surdior aequoribus, calcato inmitior hydro, |
Zäh wie Weidengesträuch, wie weißliche Ranken am Weinstock, Unnachgiebig wie hier das Gestein, aufbrausend wie Stromfall, Stolz wie der prächtige Pfau, weh tuend wie brennendes Feuer, Heftig wie stechender Dorn, unsanft wie die säugende Bärin, Taub wie die wogende See und erbost wie getretene Otter, |
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et, quod praecipue vellem tibi demere possem, non tantum cervo claris latratibus acto, verum etiam ventis volucrique fugacior aura, (at bene si noris, pigeat fugisse, morasque ipsa tuas damnes et me retinere labores) |
Was ich vor allem zumeist dir gern auch möchte benehmen, Rascher im Lauf als der Hirsch, den jagt helltönendes Bellen, Flüchtiger noch als der Wind und als der geflügelte Lufthauch! Kenntest du mich nur recht, dich reute die Flucht, und das spröde Zaudern verdammtest du selbst und trachtetest mich zu erhalten. |
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sunt mihi, pars montis, vivo pendentia saxo
antra, quibus nec sol medio sentitur in aestu, nec sentitur hiems; sunt poma gravantia ramos, sunt auro similes longis in vitibus uvae, sunt et purpureae: tibi et has servamus et illas. |
Tief im Berge gewölbt von lebendigem Felsen die Höhle Nenne ich mein, wo nie in der Schwüle des Sommers die Sonne, Nie mich Winter erreicht. Auch Obst an belasteten Zweigen Hab ich und Trauben, wie Gold an den rankenden Reben erglänzend, Purpurne auch sind mein: dir sparen wir diese wie jene. |
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ipsa tuis manibus silvestri nata sub umbra mollia fraga leges, ipsa autumnalia corna prunaque non solum nigro liventia suco, verum etiam generosa novasque imitantia ceras. nec tibi castaneae me coniuge, nec tibi deerunt |
Schwellende Erdbeern auch, im waldigen Schatten gewachsen, Kannst du mit eigener Hand dir pflücken und herbstliche Kirschen, Pflaumen dazu, nicht bloß von dunkelem Safte gebläute, Sondern veredelte auch, frisch glänzendem Wachse vergleichbar; Nie auch fehlet es dir an Kastanien, bist du die Meine, |
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arbutei fetus: omnis tibi serviet arbor. Hoc pecus omne meum est, multae quoque vallibus errant, multas silva tegit, multae stabulantur in antris, nec, si forte roges, possim tibi dicere, quot sint: pauperis est numerare pecus; de laudibus harum |
Noch an Arbutusfrucht: dir dient dann jeglicher Obstbaum.
All dies Vieh ist mein; auch viele noch irren in Tälern, Viele noch heget der Wald, und gestallt sind viele in Höhlen. Wenn du mich fragtest danach, nicht könnt ich dir sagen die Anzahl: Dürftige zählen allein ihr Vieh. Von dem Lobe des meinen |
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nil mihi credideris, praesens potes ipsa videre, ut vix circumeant distentum cruribus uber. sunt, fetura minor, tepidis in ovilibus agni. sunt quoque, par aetas, aliis in ovilibus haedi. lac mihi semper adest niveum: pars inde bibenda |
Glaube mir nichts aufs Wort; komm selbst und betrachte die Schafe, Wie mit den Beinen sie kaum umgehen den strotzenden Euter. Hier sind, jüngere Zucht, in laulichen Ställen die Lämmer; Dort gleichalterig sind in anderen Ställen die Zicklein. Schneeige Milch ist immer zur Hand; die heb ich zum Trinken |
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servatur, partem liquefacta coagula durant. Nec tibi deliciae faciles vulgataque tantum munera contingent, dammae leporesque caperque, parve columbarum demptusve cacumine nidus: inveni geminos, qui tecum ludere possint, |
Teils mir auf, teils wird sie verdickt vom erweicheten Labe. Nicht bloß schaff ich dir auch mühlos zu erlangende Kurzweil, Gaben gewöhnlicher Art, wie Reh und Hasen, ein Böcklein, Oder von Tauben ein Paar, aus dem Wipfel genommene Nester: Unlängst hab ich entdeckt, für dich ein ergötzliches Spielwerk,
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inter se similes, vix ut dignoscere possis, villosae catulos in summis montibus ursae: inveni et dixi 'dominae servabimus istos.' Iam modo caeruleo nitidum caput exere ponto, iam, Galatea, veni, nec munera despice nostra! |
Ganz einander sich gleich, dass kaum du vermagst sie zu scheiden, Hoch auf erklommenem Berg zwei Junge der zottigen Bärin; Diese entdeckt ich und sprach: "Die heben wir auf für die Liebste."
Hebe das niedliche Haupt nun auch aus dem bläulichen Meere, Komm, Galateia, herauf und verschmäh nicht unsere Gaben. |
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certe ego me novi liquidaeque in imagine vidi nuper aquae, placuitque mihi mea forma videnti. adspice, sim quantus: non est hoc corpore maior Iuppiter in caelo, nam vos narrare soletis nescio quem regnare Iovem; coma plurima torvos |
Wahrlich, ich kenne mich wohl: ich sah mich im Spiegel des Wassers Unlängst, und es gefiel mir meine Gestalt bei dem Anschaun. Siehe, wie groß ich bin! Nicht ist in dem Himmel an Wuchse Iupiter größer als ich. Ihr pflegt euch ja zu erzählen, Dass da herrsche ein Mann wie Iupiter. Reichliches Haar hängt |
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prominet in vultus, umerosque, ut lucus, obumbrat; nec mea quod rigidis horrent densissima saetis corpora, turpe puta: turpis sine frondibus arbor, turpis equus, nisi colla iubae flaventia velent; pluma tegit volucres, ovibus sua lana decori est: |
Über mein ernstes Gesicht und beschattet wie Wald mir die Schultern. Dass auch rauh und dicht mir am Leib stehn starrende Borsten, Achte für hässlich es nicht. Laublos sind hässlich die Bäume, Hässlich das Ross, hüllt nicht ihm die Mähne den bräunlichen Nacken;
Vögel bekleidet ihr Flaum; zur Zierd ist Wolle den Schafen: |
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barba viros hirtaeque decent in corpore saetae. unum est in media lumen mihi fronte, sed instar ingentis clipei. quid? non haec omnia magnus Sol videt e caelo? Soli tamen unicus orbis. Adde, quod in vestro genitor meus aequore regnat: |
Männern geziemet der Bart und struppige Borsten am Leibe. Nur ein Äug ist inmitten der Stirn mir, aber vergleichbar Einem gewaltigen Schild. Wie? Sieht von der Weite des Himmels Sol nicht alles umher? Auch ihm ist ein einziger Kreis nur. Füge dazu, dass in euerem Meer mein Vater gebietet: |
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hunc tibi do socerum; tantum miserere precesque supplicis exaudi! tibi enim succumbimus uni, quique Iovem et caelum sperno et penetrabile fulmen, Nerei, te vereor, tua fulmine saevior ira est. atque ego contemptus essem patientior huius, |
Der soll Schwäher dir sein. Hab endlich Erbarmen, erhöre Mein inständiges Flehn. Denn dir nur lieg ich zu Füßen. Ich, der Iupiter höhnt und den schmetternden Blitz und den Himmel, Scheue mich, Nymphe, vor dir: dein Zorn ist schlimmer als Blitzstrahl. Eher ertrüg ich noch mit Geduld auch diese Verachtung, |
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si fugeres omnes; sed cur Cyclope repulso Acin amas praefersque meis conplexibus Acin? ille tamen placeatque sibi placeatque licebit, quod nollem, Galatea, tibi; modo copia detur: sentiet esse mihi tanto pro corpore vires! |
Miedest du alle zugleich. Warum, den Kyklopen verschmähend,
Liebst du den Akis und wählst vor meinen Umarmungen Akis? Mag der aber an sich, magst du, Galateia, Gefallen Finden an ihm - mein Wunsch ist's nicht -, wenn ich ihn erwische, Wird ihm gezeigt, wie die Kraft auch stimmt zu der Größe des Leibes. |
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viscera viva traham divulsaque membra per agros perque tuas spargam (sic se tibi misceat!) undas. uror enim, laesusque exaestuat acrius ignis, cumque suis videor translatam viribus Aetnen pectore ferre meo, nec tu, Galatea, moveris." |
Lebend reiß ich ihm aus die Geweid und streu ihn in Fetzen Über die Felder und dir - so einiget euch - in die Wellen. Denn heiß brennt es in mir, und gestört braust wilder die Flamme;
Ja, mich dünkt, als trüg ich mit seinen Gewalten den Aitna Hier in den Busen versetzt, und nichts rührt dich, Galateia." |
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'Talia nequiquam questus (nam cuncta videbam) surgit et ut taurus vacca furibundus adempta stare nequit silvaque et notis saltibus errat, cum ferus ignaros nec quicquam tale timentes me videt atque Acin "video" que exclamat "et ista |
Als er umsonst so hatte geklagt - denn alles bemerkt ich – Springt er empor und tobt wie ein Stier, dem genommen die Färse, Kann nicht rasten und irrt in gewohneten Triften und Wäldern. Da wird Akis und mich, die nichts argwöhnend und harmlos Saßen, der Wilde gewahr. "Ich seh euch", ruft er, "und diesmal |
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ultima sit, faciam, Veneris concordia vestrae." tantaque vox, quantam Cyclops iratus habere debuit, illa fuit: clamore perhorruit Aetne. ast ego vicino pavefacta sub aequore mergor; terga fugae dederat conversa Symaethius heros |
Pflegt ihr zuletzt, das schwör ich euch zu, einmütiger Liebe." Machtvoll scholl sein Ruf, so laut, wie nur ein Kyklope Zornig die Stimme erhebt. Vor dem Schrei'n entsetzte sich Aitna. Ängstlich verbarg ich mich in der Tiefe der nahen Gewässer. Bang auch hatte zur Flucht sich gewandt der symaithische Jüngling: |
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et "fer opem, Galatea, precor, mihi! ferte, parentes," dixerat "et vestris periturum admittite regnis!" insequitur Cyclops partemque e monte revulsam mittit, et extremus quamvis pervenit ad illum angulus e saxo, totum tamen obruit Acin, |
"Rette mich, ach, Galateia, ich bitt euch, rettet mich, Eltern!" Rief er. "In euer Gebiet gebt mir, dem Verlorenen, Einlaß!" Hinter ihm kommt der Kyklop, und ein Stück vom Berge gerissen, Schickt er ihm nach, und wiewohl zu jenem die äußerste Ecke
Nur von dem Berge gelangt, ward ganz doch Akis verschüttet. |
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at nos, quod fieri solum per fata licebat, fecimus, ut vires adsumeret Acis avitas. puniceus de mole cruor manabat, et intra temporis exiguum rubor evanescere coepit, fitque color primo turbati fluminis imbre |
Was uns aber zu tun von dem Schicksal einzig vergönnt war, Taten wir: dass sich die Kräfte des Ahns aneignete Akis. Unter der Masse hervor floss punisches Blut, und nach Ablauf Kurz andauernder Frist fing an zu verschwinden die Röte; Farbe des Stroms, den Regen getrübt, ist nun zu gewahren; |
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purgaturque mora; tum moles iacta dehiscit, vivaque per rimas proceraque surgit harundo, osque cavum saxi sonat exsultantibus undis, miraque res, subito media tenus exstitit alvo incinctus iuvenis flexis nova cornua cannis, |
Die auch klärt sich gemach. Drauf spaltet sich berstend die Steinlast; Schlank aufsteigend ersteht aus den Ritzen lebendiges Schilfrohr, Und der geöffnete Fels tönt rauschend von quellendem Wasser. Plötzlich, o Wunder, entragt bis zur Mitte des Bauches den Wellen, Um sein neues Gehörn Rohrflechten gewunden, ein Jüngling, |
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qui, nisi quod maior, quod toto caerulus ore, Acis erat, sed sic quoque erat tamen Acis, in amnem versus, et antiquum tenuerunt flumina nomen.'
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Der, nur größer zu sehn und bläulich im ganzen Gesichte, Akis glich. Auch so noch war er, gewandelt zum Strome, Akis, und ständig verblieb bei dem Fluss vormaliger Name." |
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14. Scylla
und Glaucus (898-968) |
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Desierat Galatea loqui, coetuque soluto discedunt placidisque natant Nereides undis. |
Damit war Galateia am Schluss, und die Töchter des Nereus Trennten sich nun und schwammen zerstreut in ruhigen Wellen. |
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Scylla redit; neque enim medio se credere ponto audet, et aut bibula sine vestibus errat harena aut, ubi lassata est, seductos nacta recessus gurgitis, inclusa sua membra refrigerat unda: ecce fretum stringens, alti novus incola ponti, |
Skylla wanderte heim, denn sie wagte sich offenem Meere Nicht zu vertraun. Bald irrt sie im durstigen Sande gewandlos, Bald auch kühlt sie, erschöpft vom Weg, wenn grade sich darbot
Einsam liegende Bucht, in umschlossener Welle die Glieder. Siehe, zerteilend die Flut ist ein neuer Bewohner des Meeres, |
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nuper in Euboica versis Anthedone membris, Glaucus adest, visaeque cupidine virginis haeret et, quaecumque putat fugientem posse morari, verba refert; fugit illa tamen veloxque timore pervenit in summum positi prope litora montis. |
Der jüngst Wandlung erfuhr im euboiischen Sund bei Anthedon, Glaukos, genaht und betrachtet mit sehnlichem Auge die Jungfrau. Alles, womit er vermeint die Entfliehende halten zu können, Sagt er zu ihr. Doch Skylla entflieht, und hastig in Schrecken Klimmt sie zur Höhe des Bergs, der nah am Strande gelegen. |
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ante fretum est ingens, apicem conlectus in unum longa sub arboribus convexus in aequora vertex: constitit hic et tuta loco, monstrumne deusne ille sit, ignorans admiraturque colorem caesariemque umeros subiectaque terga tegentem, |
Hoch steht dicht an dem Sund, zur einzigen Spitze sich engend, Steil aus dem Meer aufsteigend und wieder sich senkend, ein Felsen. Hier, am sicheren Ort, steht jene und wundert sich, zweifelnd, Ob ein Getier das oder ein Gott sei, über die Farbe, Über das wallende Haar, das die Schultern bedeckt und den Rücken, |
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ultimaque excipiat quod tortilis inguina piscis. sensit et innitens, quae stabat proxima, moli 'non ego prodigium nec sum fera belua, virgo, sed deus' inquit 'aquae: nec maius in aequora Proteus ius habet et Triton Athamantiadesque Palaemon. |
Und den gewundenen Fisch, der unten am Bauche sich anschließt. Jener bemerkt's und spricht, an die Klippe gelehnt, die zunächst war:
"Weder ein Wundergeschöpf noch Seetier bin ich, o Jungfrau, Sondern ein Gott in der Flut, und stärker gebieten den Wassern Triton und Proteus nicht und der Athamantide Palaimon. |
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ante tamen mortalis eram, sed, scilicet altis debitus aequoribus, iam tum exercebar in illis; nam modo ducebam ducentia retia pisces, nunc in mole sedens moderabar harundine linum. sunt viridi prato confinia litora, quorum |
Ehdem war ich jedoch ein Sterblicher, aber dem tiefen Meere geneigt und in ihm schon damals immer beschäftigt. Denn bald zog ich herauf die fischnachziehenden Netze, Bald auch saß ich am Felsen und hielt am Rohre die Angel. Nahe dem Ufer des Meers hinzieht sich ein grünender Anger. |
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altera pars undis, pars altera cingitur herbis, quas neque cornigerae morsu laesere iuvencae, nec placidae carpsistis oves hirtaeve capellae; non apis inde tulit conlectos sedula flores, non data sunt capiti genialia serta, neque umquam |
Hier ist von Wellen der Strand und dort umgürtet von Kräutern, Die mit dem Biss noch nie horntragende Rinder versehrten, Nie auch friedliche Schaf abrupften und struppige Ziegen. Niemals sammelte dort von Blumen die emsige Biene, Niemals flocht man dem Haupt dort fröhliche Kränze, und niemals
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falciferae secuere manus; ego primus in illo caespite consedi, dum lina madentia sicco, utque recenserem captivos ordine pisces, insuper exposui, quos aut in retia casus aut sua credulitas in aduncos egerat hamos. |
Hatte die Hand mit der Sichel gemäht. Ich saß als der erste Dort im Rasen und ließ abtrocknen die triefenden Netze. Um nach der Reih indes die gefangenen Fische zu mustern, Goss ich im Grase sie aus, die teils in die Netze der Zufall, Teils leichtgläubiger Wahn an die hakige Angel getrieben. |
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res similis fictae, sed quid mihi fingere prodest? gramine contacto coepit mea praeda moveri et mutare latus terraque ut in aequore niti. dumque moror mirorque simul, fugit omnis in undas turba suas dominumque novum litusque relinquunt. |
Gleichwie Dichtung erscheint's; was frommt mir aber zu dichten? Als sie berührten das Gras, da beginnt mein Fang sich zu regen, Wirft sich herum und strebt auf dem Land ganz so wie im Meere. Während verwundert ich stand und zögerte, flieht in die Wellen
Wieder der Schwarm und verlässet den Strand und den neuen Besitzer. |
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obstipui dubitoque diu causamque requiro, num deus hoc aliquis, num sucus fecerit herbae: "quae tamen has" inquam "vires habet herba?" manuque pabula decerpsi decerptaque dente momordi. vix bene conbiberant ignotos guttura sucos, |
Staunend besann ich mich lang und forschete, wie es gekommen, Ob das irgendein Gott, ob Saft vom Gras es bewirkte. "Was für Gras", so sprach ich, "vermag das aber?" Und Halme
Pflückt ich mir ab mit der Hand und kaute sie zwischen den Zähnen. Kaum nun hatte den Saft nichts ahnend die Kehle gesogen, |
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cum subito trepidare intus praecordia sensi alteriusque rapi naturae pectus amore; nec potui restare diu "repetenda" que "numquam terra, vale!" dixi corpusque sub aequora mersi. di maris exceptum socio dignantur honore, |
Als ich empfand, wie plötzlich die Brust unruhig bewegt war, Und mir Verlangen das Herz hinzog nach dem anderen Reiche. Lang nicht könnt ich bestehen den Drang: "Für immer, o Erdreich, Leb denn wohl!" so sprach ich und tauchte den Leib in die Meerflut. Aber die Götter des Meers, mir gönnend gemeinsame Ehre, |
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utque mihi, quaecumque feram, mortalia demant, Oceanum Tethynque rogant: ego lustror ab illis, et purgante nefas noviens mihi carmine dicto pectora fluminibus iubeor supponere centum; nec mora, diversis lapsi de partibus amnes |
Fordern Okeanos auf und Tethys, von hinnen zu nehmen, Was ich Sterbliches trug. Von ihnen empfang ich die Weihe: Während mich läutert von Schuld neun Male gesprochener Zauber, Heißt man mich baden die Brust in hundert bespülenden Flüssen. Wallende Ströme sofort, von verschiedenen Seiten ergossen, |
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totaque vertuntur supra caput aequora nostrum. hactenus acta tibi possum memoranda referre, hactenus haec memini, nec mens mea cetera sensit. quae postquam rediit, alium me corpore toto, ac fueram nuper, neque eundem mente recepi: |
Drängen sich über mein Haupt und alle Gewässer der Meerflut. So weit kann ich dir noch kundtun, was mir sich begeben, So weit weiß ich es noch: bei dem Weiteren war ich bewusstlos. Als die Besinnung gekehrt, da fand ich mich wieder, am Leibe Gar nicht mehr wie zuvor und völlig verändert im Geiste. |
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hanc ego tum primum viridem ferrugine barbam caesariemque meam, quam longa per aequora verro, ingentesque umeros et caerula bracchia vidi cruraque pinnigero curvata novissima pisce. quid tamen haec species, quid dis placuisse marinis, |
Da nun sah ich zuerst stahlblau und grünlich von Farbe Hier den Bart und das Haar, das lang hinstreicht in den Fluten, Umfangreicher als sonst die Schultern und bläulich die Arme, Unter die Schenkel gekrümmt zum flossigen Schweife des Fisches. Doch was hilft die Gestalt, was Gunst bei den Mächten des Meeres, |
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quid iuvat esse deum, si tu non tangeris istis?' talia dicentem, dicturum plura, reliquit Scylla deum; furit ille inritatusque repulsa prodigiosa petit Titanidos atria Circes. |
Was die Vergötterung mir, lässt dich das alles gefühllos?" Während der Gott so sprach und weiter gedachte zu reden, Eilete Skylla davon. Wut fasst den Verschmähten, und zornig Geht er zum Zauberpalast, wo haust die titanische Circe. |
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Übersetzung nach R.Suchier bearbeitet von E.Gottwein |
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