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Publius Ovidius Naso

Metamorphosen - Verwandlungen

11. Buch - deutsch

1. Tod des Orpheus (1-66), 2. Die Mänaden (67-84), 3. Midas (85-193), 4. Laomedon und Hesione (194-220), 5. Peleus und Thetis (221-265), 6. Peleus' Aufnahme bei Ceyx (266-289), 7. Daedalion und Chione (290-345), 8. Der Wolf (346-409), 9. Ceyx und Alcyone (410-748), 10. Aesacus (749-795)

 
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  1. Tod des Orpheus (1-66)
Während mit solchem Gedicht Waldstämme der thrakische Sänger
Lockte herzu und des Wildes Gemüter und folgende Steine,
Sieh, da werden gewahr kikonische Frauen, den wilden
Busen mit Fellen bedeckt, von der Spitze des Hügels den Orpheus,
Wie wohltönenden Sang er gesellte geschlagenen Saiten.
Eine davon, die das Haar ließ treiben in wehenden Lüften,
Rief: "Seht, sehet ihn dort, den Verächter der Fraun!", und der Thyrsos
Flog nach dem tönenden Mund des Apoll entsprossenen Sängers.
Laubumhüllt ließ jener ein Mal nur ohne Verletzung.
Waffe darauf ist der andern ein Stein: der aber, im Fluge
Von dem vereinigten Klange der Stimm' und der Leier bezwungen,
Legt, als bät' er in Reu', zu verzeihn so wütendes Wagnis,
Jenem zu Füßen sich hin. Doch nunmehr wächst die verwegne
Fehde, das Maß ist fern, und es waltet von Sinnen Erinys.
All die Geschosse gesamt wohl wären erweicht von dem Sange;
Aber gewaltig Geschrei und Geklatsch, berekyntische Flöten
Mit abstehendem Hörn und Trommeln und bakchisches Heulen
Dröhnten dem Saitengetön zu laut. Da wurden gerötet
Endlich die Steine vom Blut des nimmer vernommenen Sängers.
Die noch waren gebannt von des Sängers bestrickendem Wohllaut,
Vögel in zahllosem Schwarm und Schlangen und Scharen des Wildes,
Orpheus' seltnen Triumph, zerfleischten zuerst die Mainaden.
Drauf mit blutiger Hand eindringen sie all' auf den Orpheus,
Gleich wie Vögel geschart, die sehen im Lichte des Tages
Flattern den Vogel der Nacht. Wie wenn in dem runden Theater,
Beute des Todes, ein Hirsch auf dem sandigen Platz in der Frühe
Hunden verfällt, so stürmen sie ein auf den Sänger und schleudern,
Dazu nimmer bestimmt, die mit Laub umwundenen Stäbe.
Schollen erheben sie teils, teils Bäumen entrissene Zweige,
Teils auch Steine zum Wurf. Dass der Wut nicht fehlen die Waffen:
Stiere zerwühlten das Land zur Zeit mit gestemmeter Pflugschar;
Nah auch, nährende Frucht mit sauerem Schweiß zu bereiten,
Hackten im harten Gefild Landleute mit rüstigen Armen.
Diese gewahren den Zug und fliehn; die Geräte der Arbeit
Bleiben zurück, und es liegen zerstreut auf verlassenen Äckern
Karste mit drückender Wucht, langstielige Hacken und Spaten.
Als die waren gerafft und die Stiere zerrissen in Tollheit
Trotz dem Gehörn, kehrt wieder der Schwarm zu des Sängers Verderben.
Ihn, der flehend die Hände ausstreckt' und vergebliche Worte
Damals sagte zuerst und nichts mit der Stimme bewegte,
Morden sie ruchlos hin, und hinweg aus dem tönenden Munde,
Welchen die Felsen gehört und die lauschenden Tiere verstanden –
O du Iupiter! -, wich in den Wind die verhauchete Seele.
Dir weiht Trauer das Wild, dir, Orpheus, klagende Vögel,
Dir das starre Gestein und der Wald, den deine Gesänge
Oftmals hatten gelockt; um dich mit geschorenem Haupthaar
Härmt sich entblättert der Baum; durch eigene Zähren - erzählt man -
Wurden die Flüsse gemehrt, und in dunkle Farbe gekleidet
Gingen, die Haare gelöst, Naiaden einher und Dryaden.
Hier und dort sind die Glieder verstreut. Haupt aber und Leier
Fängst du, Hebros, im Strom, und während sie mitten dahintreibt,
Da - o Wunder! - erbebt wie klagend die Leier, und klagend
Lallt die entseelte Zunge, und klagend erwidern die Ufer.
Fern von dem heimischen Fluss schon schwimmen sie weg in die Meerflut,
Und sie gewinnen den Strand der methymnaiischen Lesbos.
Dort schoss los voll Grimm auf das Haupt, das lag an die fremde
Küste gespült, und das Haar, das nass noch tropfte, ein Drache.
Endlich ist Phoibos genaht, und wie er zum Bisse sich anschickt,
Hält er ihn ab und lässt den geöffneten Rachen der Schlange
Frieren zu Stein und den Schlund, wie er war, weitgähnend erhärten.
Sitz nimmt drunten der Geist und erkennt noch alle die Räume,
Die vormals er gesehn, und, der Seligen Auen durchsuchend,
Sieht er Eurydike bald und umfängt sie mit brünstigen Armen.
Dort nun wandeln umher mit vereinigten Schritten die beiden,
Oder er folgt ihr nach; oft auch geht wieder als erster
Orpheus, der sich getrost nun darf nach Eurydike umsehn.
  2. Die Mänaden (67-84)
Aber die Untat lässt nicht straflos bleiben Lyaios.
Schmerzlich bewegt vom Verlust des Verkündigers seiner Verehrung
Hält er im Walde sogleich die gesamten edonischen Mütter,
Welche den Frevel geschaut, an gewundener Wurzel gebunden.
Denn an den Füßen die Zeh'n, wo jeder gerade der Schritt stand,
Zog er und stieß sie hinab zum gefestigten Grund an den Enden.
So wie der Vogel in Not, wenn er fügte das Bein in die Schlinge,
Schlau vom Vogler versteckt, und gehalten sich fühlt, mit den Flügeln
Schlägt und fester verengt durch Drehen und Wenden die Fessel:
Also strebten auch sie, wie jede geheftet am Boden
Festhing, ängstlich umsonst zu entfliehn. Zäh haftende Wurzel
Hält jedwede zurück und hemmt den begonnenen Aufsprung.
Während sie suchet den Fuß und suchet die Zehen und Nägel,
Sieht sie den gedeihenden Stamm die gerundeten Waden ersetzen.
Jetzo den Schenkel bemüht mit jammernder Rechten zu geißeln
Trifft mit dem Schlag sie Holz. In Holz geht über der Busen;
Auch für die Schultern ist Holz, und man möchte für wirkliche Äste
Halten, und irrete nicht, die langhin ragenden Arme.
  3. Midas (85-193)
Bakchos genügt das nicht; ganz jene Gefilde verlassend,
Nimmt er mit besserem Zug nach den Weinhöhn seines Timolos
Und dem Paktolos den Weg, wenn auch nicht golden die Wellen
Damals waren und nicht ob köstlichen Sandes beneidet.
Satyrn schwärmen um ihn, das gewohnte Gefolge, und Bakchen;
Aber Seilenos ist fern. Der war von phrygischem Landvolk,
Wankend von Wein und von Alter, gehascht und mit Kränzen gefesselt
Hin zu Midas geführt, dem König, welchen der Thraker
Orpheus den orgischen Dienst mit Eumolpos gelehrt dem Athener.
Jener, sobald er erkannt den Genossen und Bruder der Feier,
Heißt willkommen den Gast und begeht zehn Tage und Nächte
Hintereinander mit Schmaus und Gelage das frohe Ereignis.
Lucifer hatte den Reihn der erhabenen Sterne beschlossen
Elfmal nun, da kam in die lydische Flur der vergnügte
König und brachte zurück den Seilenos dem blühenden Zögling.
Freies Belieben im Wunsch, das, ohne zu frommen, genehm war,
Gönnt drauf jenem der Gott, froh über des Pflegers Zurückkunft.
Er, dem schlechten Gewinn das Geschenk bringt, spricht: "So verleihe,
Dass, was immer berührt mein Leib, sich verwandle zu Golde."
Liber nickt zu dem Wunsch und gewährt die verderbliche Gabe,
Aber es kümmert ihn sehr, dass Besseres nicht er begehrte.
Froh des Verderbs entfernt sich der berekyntische Heros
Und rührt Einzelnes an, ob sich das Versprechen bewähre.
Zweifel in sich noch setzend entbricht er der niedrigen Eiche
Grün von Blättern ein Reis: das Reis ist golden geworden.
Auf nun hebt er den Stein: der Stein ist erblichen zu Golde.
Erde berührt er, und gleich ist die Scholle vom starken Berühren
Klumpiges Erz. Ausrauft er gezeitigte Ähren der Ceres:
Goldene Ernte erschien. Vom Baum abpflückt er den Apfel:
Für Hesperidengeschenk wohl nähmst du ihn. Kommt mit den Fingern
Stehenden Pfosten er nah, so scheinen die Pfosten zu strahlen.
Wenn er in rinnender Flut sich hatte gewaschen die Hände,
Konnte die Flut, die den Händen entrann, auch Danae täuschen.
Kaum umfasst er im Geist sein Glück, der alles sich golden
Vorstellt. Jetzo besorgt das Gesinde dem Frohen die Tafel,
Reich mit Speisen besetzt und versehn mit gerösteter Feldfrucht.
Da nun aber, sobald mit der Rechten die Gabe der Ceres
Midas hatte berührt, erstarrte die Gabe der Ceres;
Oder, gedacht' er das Fleisch zu zermalmen mit gierigem Zahne,
Hüllte das Fleisch beim Nahen des Zahns gelbglänzende Kruste.
Als er mit Wasser gemischt den Verleiher des mächtigen Zaubers,
Da war's flüssiges Gold, was ihm in dem Schlunde hinabrann.
Starr vor Schreck vor dem neuen Verderb, so dürftig im Reichtum,
Möcht' er den Schätzen entfliehn und hasst, was jüngst er begehret.
Mitten in Fülle bleibt sein Hunger; es brennt in der Kehle
Trockener Durst, und das leidige Gold ist verdienete Plage.
Da zum Himmel erhebt er die Händ' und die strahlenden Arme:
"Vater Lenaios, verzeih huldvoll! Wir frevelten", sprach er,
"Aber erbarme dich mein und entreiß mich dem glänzenden Elend!"
Bakchos, der gütige Gott, er stellt her den geständigen Frevler
Und er beseitigt die Gunst, die treu dem Vertrage gewährt war:
"Dass du umdrängt nicht bleibst von dem übel erbetenen Golde",
Sprach er, "geh an den Strom, der nahe der mächtigen Sardeis;
Dann auf der Höhe des Bergs, entgegen den fallenden Wellen,
Wandre den Weg, bis dass du gelangst an die Quelle des Flusses,
Und in den schäumenden Quell, da, wo er am reichsten hervorkommt,
Tauche das Haupt und wasche den Leib und wasche die Schuld ab."
Midas gehorcht und steigt in die Flut. Die verwandelnde Goldkraft
Färbte den Strom und ging von dem menschlichen Leib in die Wellen.
Jetzt noch starret die Flur vom empfangenen Samen der alten
Ader und flimmert von Gold, das dringt in befeuchtete Schollen.
Reichtum hassend und Prunk hielt jener in Wäldern und Fluren
Lieber sich auf, beim Pan, der stets Berggrotten bewohnet.
Aber es blieb sein träger Verstand, und schaden wie vormals
Sollte der törichte Sinn zum anderen Mal dem Besitzer.
Weithin schauend ins Meer mit jäh ansteigender Höhe
Starrt des Tmolos Gebirg, und gedehnt in doppelter Senkung
Endet es hier bei Sardeis und dort bei dem kleinen Hypaipa.
Als sein flötendes Spiel dort Pan anmutigen Nymphen
Rühmte und leichtes Getön vortrug auf verbundenen Rohren,
Wagt' er Apollons Spiel in Vergleich mit sich zu verachten
Und er erschien vor Tmolos' Gericht zum verwegenen Wettstreit.
Sitz nimmt ein auf dem Berg der entscheidende Greis, und die Ohren
Macht er von Bäumen sich frei; nur Eichlaub kränzt ihm des Hauptes
Bläuliches Haar und umwallt die vertiefeten Schläfen mit Eicheln.
Der nun sprach, nach dem Gotte des Viehs hinschauend: "Der Richter
Stehet bereit." Pan bläst zum Beginn auf den ländlichen Halmen,
Und mit Ergötzen vernimmt der gerad' anwesende Midas
Sein barbarisches Spiel. Drauf wendet der heilige Tmolos
Phoibos entgegen das Haupt: sein Wald ist gefolgt dem Gesichte.
Jener, das blonde Gelock umkränzt mit parnassischem Lorbeer,
Schleift am Grund das Gewand, das tyrische Farbe gesättigt;
Seine mit indischem Zahn und Gestein reich prangende Laute
Ist von der Linken gefasst; in der anderen hält er den Schlägel.
Künstlergemäß auch nimmt er den Stand. Nun rührt er die Saiten
Mit kunstfertigem Daumen, und Tmolos, entzückt von dem Wohllaut,
Heißet die Rohre des Pan sich erniedrigen unter die Leier.
Allen gefällt der Entscheid und Spruch des heiligen Berges;
Doch laut wird er geschmäht vom Gerede alleine des Midas
Und unbillig genannt. Da lässt der delische Jüngling
Menschliche Form nicht mehr so törichte Ohren behalten,
Sondern er reckt sie hinaus und füllt sie mit weißlichen Haaren,
Macht auch unten sie schwank und verleiht Willkür der Bewegung.
Sonst aber bleibt er ein Mensch; an dem einzigen Gliede verurteilt
Trägt er die Ohren hinfort von dem langsam schreitenden Esel.
Midas verhehlet es zwar und sucht zu verhüllen die Schläfen,
Denen der hässliche Schimpf anhaftet, in purpurner Mütze.
Aber ein Diener, gewohnt mit dem Stahl ihm zu kürzen das Haupthaar,
Hatt' es gesehn. Weil der die gesehene Schmach zu verraten
Nicht sich getraut, wie gern er zu Tage sie hätte gefördert,
Aber zu schweigen vermag auch nicht, gräbt endlich den Boden
Heimlich er auf, und was er für Ohren erblickt an dem König,
Meldet er leis und flüstert es zu dem gegrabenen Erdloch.
Wieder verscharrt er mit Erde sodann das entdeckte Geheimnis,
Geht stillschweigend hinweg und verlässt die verschüttete Grube.
Dort wuchs bald ein Gebüsch, dicht stehend von schwankendem Rohre;
Das tat kund, sobald es gereift nach vollendetem Jahre,
Wer den Acker bestellt. Denn jene vergrabenen Worte
Raunt es, erregt vom Süd, und bezichtigt die Ohren des Herren.
  4. Laomedon und Hesione (194-220)
Weg vom Tmolos begibt sich gerächt der latoische Phoibos,
Fährt durch die Luft und steht vor Helles, der Nepheleide,
Schmal sich verengendem Sund auf laomedontischen Fluren.
Rechts der sigeischen Bucht und links der rhoiteischen Tiefe
Steht ein alter Altar, dem panomphischen Donnerer heilig.
Dort ward Phoibos gewahr, wie Laomedon schützend die neue
Troia mit Mauern umgab, wie unter Beschwerden und Mühen
Wuchs das gewaltige Werk und heischete reichlichen Aufwand.
Und mit des schwellenden Meers Urheber, dem Dreizackträger,
Kleidet er sich in Menschengestalt, und dem phrygischen Herrscher
Gründen sie beide den Bau, sich Gold für die Mauern bedingend.
Nun stand fertig das Werk, doch Lohn ableugnet und Meineid
Fügt zu der Lüge, das Maß der Tücke zu füllen, der König.
"Du sollst büßen dafür!", so sprach der Gebieter des Meeres,
Und die Gewässer gesamt zum Strand der geizigen Troia
Drängend verleiht er dem Land Aussehen der See, und des Landmanns
Reichtum schwemmt er hinweg und verschüttet mit Fluten die Äcker.
Doch nicht Strafe genug: zum Fraß auch heischet des Königs
Tochter ein Meerscheusal. Die Gebundene aber am harten
Felsen erlöst der Alkid' und verlangt die versprochenen Rosse,
Seinen Beding. Wie der Lohn solch rühmlicher Tat ihm versagt wird,
Nimmt er im Sturm der Stadt zweimal wortbrüchige Mauern.
Bar bleibt Telamon nicht, sein Kampfesgenosse, des Dankes;
Denn Hesione nimmt er zum Weib. Ruhm brachte dem Peleus
Auch sein göttliches Weib, und nicht weckt diesem der Schwäher
Minderen Stolz als der Ahn; denn nicht war einem beschieden,
Iupiters Enkel zu sein, nur einem zu freien die Göttin.
  5. Peleus und Thetis (221-265)
Proteus hatte, der Greis, zu Thetis gesprochen: "Empfange,
Göttin der Flut! Ein Sohn wird dein, der höhere Taten
Als sein Erzeuger vollbringt und größer als jener genannt wird."
Drum, dass Größeres nicht als Iupiter hätte das Weltall,
Meidet, obschon nicht lau in der Brust ihm glühte die Sehnsucht,
Iupiter doch den Verein mit der meerumwogeten Thetis.
Selber entsagend gebeut er dem aiakidischen Enkel,
Hinzunehmen die Braut und die Seejungfrau zu umarmen.
An dem haimonischen Land ist sichelgestaltig ein Busen;
Vor sind die Arme gestreckt, und zum Hafen bei tieferem Wasser
Wär' er bequem; doch flach deckt eben den Boden die Meerflut.
Fest ist daneben der Strand, der weder bewahret den Fußtritt,
Auch nicht aufhält im Gang, noch trägt wirrhangendes Seegras.
Nah ist ein Myrtengebüsch, reich an zweifarbigen Beeren;
Mitten darin ein Grottengewölb, natürlich gebildet
Oder durch Kunst, mehr wohl durch Kunst. Dort kamst du gcwandlos,
Thetis, zum öfteren hin, vom gezäumten Delphine getragen.
Wie du vom Schlummer bestrickt dort ruhtest, wagte dir Peleus
Dringlich zu nahn, und weil du, versucht durch Bitten, dich weigerst,
Braucht er Gewalt und hält dir den Hals mit den Armen umschlungen.
Hättest du nicht dich gewandt, die Gestalt vielfältig verändernd,
Zu der gewöhnlichen List, ihm wäre gelungen das Wagnis.
Vogel erschienst du zuerst: doch fest hielt jener den Vogel;
Dann schwer lastender Baum: an dem Baum auch haftete Peleus.
Aber in dritter Gestalt als fleckige Tigerin drohend
Schrecktest du Aiakos' Sohn, dass dich zu umfassen er abstand.
Drauf nun ehrte mit Wein, den über die Wogen er ausgoss,
Jener die Götter des Meers, mit Geweiden des Viehs und mit Weihrauch,
Bis aus dem Strudel hervor ihm so der karpathische Seher
Zurief: "Aiakos' Sohn, du erlangst die begehrte Vermählung.
Binde sie nur, wenn schlummernd sie ruht in der schattigen Grotte,
Schleunig und unvermerkt mit Stricken und haltenden Fesseln;
Und sie betrüge dich nicht, mag hundert Gestalten sie heucheln:
Zwinge sie, was sie auch sei, bis ihr früheres Wesen sie herstellt."
So gab Proteus Rat und barg in den Fluten das Antlitz,
Und sein wallendes Meer ging über das Ende der Rede.
Abwärts fuhr der Titan und war mit geneigeter Deichsel
Dicht am hesperischen Sund, als Nereus' reizende Tochter
Wieder die Tiefe verließ und betrat die gewöhnliche Ruhstatt.
Peleus nahete kaum, da nimmt die gefährdete Jungfrau
Wechselnde neue Gestalt, bis dass sie am Ende die Glieder
Fühlet gehalten und weit auseinander gezogen die Arme.
Da nun seufzt sie und sagt: "Du siegst nicht ohne die Götter",
Und sie erschien wie zuvor. Die wirkliche Thetis umarmet
Peleus, glücklich im Wunsch, und zeugt ihr den großen Achilleus..
  6. Peleus' Aufnahme bei Ceyx (266-289)
Glücklich machte der Sohn und glücklich die Gattin den Peleus,
Dem sich, wenn du die Schuld wegnimmst, dass Phokos gewürgt war,
Alles zum besten gewandt. Den flüchtigen Mörder des Bruders,
Den sein Vater verstieß, nimmt auf die trachinische Landschaft
Herrschaft hatte daselbst, von Gewalttat rein und vom Morde,
Keyx, Lucifers Sohn, der leuchtende Schöne im Antlitz
Trug vom Vater geerbt, doch dazumal in Betrübnis,
Ganz unähnlich sich selbst, den entrissenen Bruder beweinte.
Als dorthin, von dem Weg und von Sorgen ermüdet, gelangt war
Aiakos' Spross und die Stadt mit geringem Geleite betreten,
Während das wollige Vieh, das mit ihm kam, und das Hornvieh
Draußen im schattigen Tal nicht weit von den Mauern zurückblieb,
Sagt er, sobald ihm nun Zutritt zu dem Herrscher geworden,
In schutzflehender Hand vorhaltend die wollene Binde,
Wer er sei, wes Sohn; nur schweigend von seinem Verbrechen
Lügt er des Bannes Anlass. Stadt oder Gefilde zum Wohnen
Ist sein Begehr. Drauf spricht zu dem Bittenden friedlichen Mundes
So der trachinische Fürst: "Auch niederem Volke gewähr' ich,
Peleus, willigen Schutz, und gastliche Fluren beherrsch' ich.
Dazu kommt als Gewicht bei dir dein rühmlicher Name,
Iupiter auch, dein Ahn. Mit Bitten verliere die Zeit nicht:
Was du verlangst, nimm hin. Teil soll am Gebiete dir werden,
So wie du eben es siehst. O, sähst du es besser im Stande!"
Keyx weinte dazu. Nach dem Grund solch tiefer Betrübnis
  7. Daedalion und Chione (290-345)
Fragten mit Aiakos' Sohn die Gefährten, und jener erzählte:
"Stets sei, meint ihr vielleicht, der Vogel befiedert gewesen,
Der sich erhält vom Raub und ein Schreck ist allem Geflügel.
Vormals war er ein Mann, und also beharrt die Gemütsart:
Kriegerisch war er gesinnt und trotzig und rasch zur Gewalttat,
Jenem Erzeuger entstammt, der ruft in der Frühe Aurora
Und von dem Himmel zuletzt weggeht. Daidalion hieß er.
Mir war Frieden genehm, um Frieden und ehliche Treue
Sorgte ich nur; am Getümmel des Kriegs fand Freude der Bruder.
Fürsten und Völker bezwang er im Kampf mit rüstiger Stärke,
Der, ein Gewandelter nun, nachjagt thisbäischen Tauben.
Chione hatt' er gezeugt, die reich an Schönheit wie keine
Tausend Bewerber gewann, im zweimal siebenten Jahre
Mannbar. Maias Sohn und Phoibos, gerad' auf dem Rückweg,
Dieser vom delphischen Haus, vom kyllenischen Gipfel der andre,
Sahen sie beide zugleich und erglühten zugleich von Verlangen.
Wonne der Liebe verschiebt auf nächtliche Weile Apollon.
Jener verweilt nicht erst; mit der Schlummer erregenden Rute
Rührt er ihr an das Gesicht, und die zauberbefangene Jungfrau
Leidet Gewalt. Nacht hatte bestreut mit Sternen den Himmel:
Phoibos verstellt sich als Greisin und nimmt nachkommende Freuden.
Als nun waren erfüllt von dem reifenden Schoße die Monde,
Wand sich Autolykos los, von des fußbeflügelten Gottes
Samen der listige Spross, sinnreich zu jeglichem Schelmstück,
Der mit verschlagener Kunst, in der Art nicht lassend vom Vater,
Weißes zu machen verstand aus Schwarzem und Schwarzes aus Weißem.
Aber von Phoibos gezeugt - denn Zwillingskinder gebar sie –
Schaute Philammon das Licht, ruhmreich durch Lieder und Laute.
Dass zwei Söhne zugleich sie gebar, zwei Götter verlockte,
Dass sie von strahlendem Ahn und streitbarem Vater entsprossen,
Ach, was frommet es ihr? Ist Ruhm nicht vieler Verderben?
Ihr war Ruhm der Verderb. Sich über Diana zu stellen
Und ihr Gesicht zu tadeln vermaß sie sich. Aber der Göttin
Regte sich grimmiger Zorn: ,Mein Tun soll', sprach sie, ,gefallen.'
Ohne Verzug dann bog sie das Horn und ließ von der Sehne
Schwirren den Pfeil und traf mit dem Rohr die schuldige Zunge.
Die ist stumm, und es folgt kein Laut, kein Wort dem Bestreben;
Rede versucht sie umsonst, bis wich mit dem Blute das Leben.
O du Liebe, wie tief war damals meine, des Oheims,
Kümmernis, während ich Trost einsprach dem vermissenden Bruder!
Anders nicht, wie der Fels auf das Rauschen der brandenden Meerflut,
Achtet der Vater darauf und beweint die entrissene Tochter.
Wie er sie brennend erblickt auf dem Holzstoß, wollt' er sich viermal
Stürzen hinein in die Glut; viermal am Beginnen gehindert,
Wendet die Glieder er rasch zur Flucht, und dem Stiere vergleichbar,
Wenn in den Nacken gedrückt ihn peinigt der Stachel der Horniss,
Rennet er, wo kein Weg. Schon damals, wie mir geschienen,
Lief er mehr als ein Mensch, und man wähnte die Füße beflügelt.
Allen entflieht er daher, und behend im Verlangen des Todes
Klimmt er zur Höh' des Parnassos hinan. Sein jammert Apollon,
Und wie Daidalion sich von der ragenden Klippe hinabstürzt,
Leiht er ihm Schwingen im Nu und hält in der Schwebe den Vogel,
Gibt ihm hakigen Mund, an den Zehen gebogene Krallen,
Mut wie sonst und zur Größe des Leibs nicht stimmende Stärke.
Unter dem Vogelgeschlecht nun haust er als grimmiger Habicht,
Keinem versöhnlich, und bringt im Schmerz den anderen Schmerzen."
  8. Der Wolf (346-409)
Als noch Lucifers Sohn das erstaunliche Wunder erzählte,
Das mit dem Bruder geschehn, naht eilig der Hüter des Hornviehs,
Keuchend vom hastigen Lauf, aus phokischcm Lande Anetor.
"Peleus, Peleus, ach, ich bringe betrübende Kunde!",
Rufet er. Peleus heischt, was immer er bringe, zu hören.
Selbst auch schwebet in Furcht der Trachinier bebenden Mundes.
Jener erzählt: "Ich hatt' an das krumme Gestade die müden
Rinder geführt, als Sol zuhöchst in der Mitte des Kreises
Hinter sich ebensoviel als vor sich schaute des Raumes.
Manche der Stiere, die Knie im gelblichen Sande gebogen,
Blickten gelagert hinaus auf das Feld weitreichender Wasser;
Manche ergingen sich hier und dort mit verweilendem Schritte;
Andere schwammen, den Hals hoch über die Wellen gehalten.
Nah ist ein Tempel am Meer, nicht prangend von Marmor und Golde,
Aber von dichtem Gehölz und gealtertem Haine beschattet,
Von Nereiden beschirmt und von Nereus, die mir ein Schiffer
Als Inhaber genannt, der Netze getrocknet am Strande.
Daran grenzt ein Sumpf, mit buschigen Weiden bewachsen,
Den zum Sumpfe gemacht die Flut austretenden Meeres.
Dort schreckt plötzlicher Lärm mit lautem Gekrach die Umgebung,
Und ein entsetzlicher Wolf bricht aus dem morastigen Walde
Vor, von geronnenem Blut und Schaum am vernichtenden Radien
Triefend, mit flammendem Rot umgossen die funkelnden Augen.
Wenn auch Hunger und Wut ihn zugleich hinreißen zum Würgen,
Stachelt ihn mehr doch Wut. Denn er hat nicht Sorge, den Hunger
An dem gemordeten Vieh und die Gier zu stillen; die ganze
Herde befällt er und streckt feindselig sie alle danieder.
Mancher von uns auch sinkt, vom verderblichen Bisse verwundet,
Während wir stehen zur Wehr, in den Tod. Vom Blut ist die Küste
Rot und die vordere Flut und die bang umbrülleten Sümpfe.
Doch im Verzug ist Gefahr, und es gönnt kein Zaudern die Sache.
Weil noch einiges bleibt, greift alle geschart zu den Waffen!
Waffen ergreift, und lasst uns vereint ausziehen zum Jagen!"
Also sagte der Hirt. Nicht kümmert der Schaden den Peleus;
Aber er schließt, des Verbrechens gedenk, dass die sohnesberaubte
Psamathe Schaden verhängt, dem getöteten Phokos zur Sühne.
Rüstung zu nehmen gebeut der oitaiische König den Männern
Samt scharfbohrender Wehr. Selbst ausziehn wollt' er mit ihnen.
Doch da eilte herzu Alkyone, seine Gemahlin,
Von dem Getümmel geschreckt, und das Haar, erst wenig geordnet,
Löste sie auf auch so, und den Nacken des Gatten umschlingend
Bat sie mit Tränen und Wort, dass ohne sich selber er Beistand
Sende zur Jagd und so zwei Leben in einem erhalte.
Da sprach Aiakos' Sohn: "O Königin, banne die schöne
Liebende Furcht! Gunst ist mir genug schon euer Erbieten.
Nicht mit Waffen gedenk' ich das neue Getier zu bekämpfen:
Anflehn will ich die Göttin des Meers." Hoch ragte ein Turmbau,
Drauf zu oberst ein Herd, willkommen ermatteten Kielen.
Diesen ersteigen sie jetzt und gewahren mit Seufzen die Stiere,
Niedergeworfen am Strand, und mit blutigem Rachen das Untier,
Ihren Verheerer, von Blut an den struppigen Zotten gerötet.
Dort die Hände gestreckt zum Gestade der offenen Meerflut
Bittet zu enden den Zorn und Hilfe zu bringen die blaue
Psamathe Aiakos' Sohn. Die aber ist nicht von des Peleus
Flehenden Worten erweicht; erst Thetis erlangt die Verzeihung,
Bittend für ihren Gemahl. Doch, ob sie ihn ruft, in dem grausen
Mord beharret der Wolf, von der Süße des Blutes gestachelt,
Bis sie ihn, während er hing am Hals der zerfleischeten Färse,
Wandelt in hartes Gestein. Den Körper und außer der Farbe
Alles behielt er wie sonst; an der Farbe des Steines ersah man,
Dass er ein Wolf nicht mehr, dass keiner ihn brauche zu fürchten.
Doch hier gönnt das Geschick nicht häuslichen Sitz dem gebannten
Peleus. Irrend gelangt der Verwiesene zu den Magneten,
Wo ihn endlich vom Mord der Haimonier sühnet Akastos.
  9. Ceyx und Alcyone (410-748)
Keyx wollte indes, von des Bruders Geschick und von jenem,
Das auf den Bruder gefolgt, im ahnenden Herzen geängstigt,
Dass er sich heiligen Spruch einhole, der Sterblichen Labsal,
Fern zu dem klarischen Gott hingehn. Zu dem delphischen Tempel
Sperrte den Weg mit dem Phlegyervolk der verrufene Phorbas.
Doch dir gab er zuvor, vieltreue Alkyone, Kunde
Von dem gefassten Entschluss. Ihr rieselte, wie sie es hörte,
Frost durch Mark und Gebein, und dem Buchsbaum ähnliche Blässe
Deckt' ihr Gesicht, und ein Strom von Tränen benetzte die Wangen.
Dreimal hebet sie an, dreimal hemmt Weinen die Rede;
Dann, von Schluchzen gestört in den zärtlichen Klagen, beginnt sie:
"O, was hab' ich getan, dass so dein Sinn mir entfremdet,
Teuerster? Wo ist die Sorge um mich, die früher du hegtest?
Sorglos kannst du dich so von Alkyone trennen und fern sein;
Weit weg strebst du zu gehn; ich bin abwesend dir lieber!
Aber zu Land wohl gehet die Fahrt, und ich werde mich härmen,
Nicht auch fürchten, und frei wird sein von Bangen die Sorge?
Nein, mich schrecket das Meer und das Bild unseliger Fluten.
Jüngst noch hab' ich gesehn am Strand zertrümmerte Planken,
Oft auch ohne den Leib auf Gräbern die Namen gelesen.
Möge dir nur das Gemüt kein falsches Vertrauen betören,
Weil dein Schwäher der Spross des Hippotes, welcher im Kerker
Strebende Winde verschließt und das Meer nach Gefallen besänftigt.
Wenn sich des Meers einmal die entlassenen Winde bemächtigt,
Bleibt nichts ihnen verwehrt, sind unempfohlen das Erdreich
Und die Gewässer gesamt. Sie jagen am Himmel die Wolken,
Und ihr gewichtiger Prall lockt rot aufzuckendes Feuer.
Die, je mehr ich sie kenn' - und ich kenne sie, denn bei dem Vater
Sah ich sie oft als Kind - so furchtbarer muss ich sie achten.
Doch wenn deinen Entschluss kein Bitten vermag zu erschüttern,
Lieber Gemahl, und wenn du bestehst zu sehr auf der Reise,
Lass auch mich mitgehen. Dann fahren wir doch miteinander,
Und mich erschreckt nur wahre Gefahr, und wir tragen gemeinsam,
Was auch kommt, und treiben zugleich auf der Weite der Meerflut."
Als so flehentlich bat und weinte des Aiolos Tochter,
Rührt es den Sohn des Gestirns; denn er hegt nicht mindere Liebe.
Aber er will dem Entschluss der Meerfahrt weder entsagen,
Noch, dass Müh' und Gefahr Alkyone teile, gestatten.
Vieles erwidert er zwar zum Troste des bangen Gemütes,
Aber er redet es ihr nicht ein. Als mildernden Zuspruch
Fügt er dazu, wodurch er allein die Getreue beschwichtigt:
"Freilich ist jeder Verzug uns lang; doch bei des Erzeugers
Lichtglanz schwör' ich es dir: lässt heim mich kehren das Schicksal,
Komm' ich zurück, noch ehe der Mond zwei Male den Kreis füllt."
Als er ihr näher gerückt durch solches Versprechen der Rückkehr
Hoffnung, heißt er sogleich in die Meerflut ziehen vom Stapel
Und mit dem nötgen Gerät ausrüsten die fichtene Barke.
Wie es Alkyone schaut, da bebt sie, als ob sie die Zukunft
Ahnete, wieder in Angst und vergießt ausbrechende Zähren,
Hält ihn umfangen und sagt dann endlich mit traurigem Munde:
"Leb' denn wohl!" und sinkt ohnmächtig, die Ärmste, danieder.
Aber die Jünglinge ziehn, da Keyx sucht zu verweilen,
Schon an die kräftige Brust in zwiefachen Reihen die Ruder,
Teilend die Flut mit gemessenem Schlag. Die befeuchteten Augen
Hebt Alkyone auf und sieht auf gebogenem Schiffsheck
Stehn den Gemahl, wie zuerst mit schwingend erhobenen Händen
Grüßend er winkt, und erwidert den Wink. Als weiter und weiter
Wich das Gestad' und dem Blick unkenntlich geworden das Antlitz,
Folgt sie, so lange sie kann, mit dem Auge der fliehenden Barke.
Als auch diese getrennt im Raum nicht ferner zu sehn war,
Späht nach dem Segel sie noch, das flatterte oben am Mastbaum.
Wie sie auch das nicht sieht, da sucht sie das einsame Lager
Bangend und sinkt auf den Pfühl, und es zwingt sie wieder zu weinen
Lager und Ehegemach und mahnt an die fehlende Hälfte.
Fern war dem Hafen das Schiff, und Luftzug regte das Tauwerk.
Gegen die Wand nun kehret die hangenden Ruder der Schiffer,
Stellt an dem Baum hoch oben die Rah' und lässt an dem Maste
Völlig das Segel herab und fängt die kommenden Lüfte.
Weniger oder gewiss nicht mehr als die Hälfte des Meeres
War von dem Kiel durchfurcht, fern lagen die beiden Gestade,
Als am Abend die See von dem Schaum hochschwellender Wogen
Weiß zu werden begann und gewaltiger sauste der Ostwind.
"Schleunig herab die erhöhte Rah", so heischet des Steurers
Dringender Ruf, "und ganz um die Stange gewickelt das Segel!"
Jener gebeut; das Gebot ist gehemmt vom begegnenden Sturmwind,
Und kein einziges Wort lässt hören das Tosen der Meerflut.
Aber sie eilen von selbst, hier Ruder zu bergen, die Seite
Dort zu verschließen der Flut, dort Segel dem Wind zu entziehen.
Der schöpft Wasser hinaus und gießt in die Wogen die Wogen;
Schnell holt jener die Rah'. Während dies ohn' Auftrag getan wird,
Wächst der erschreckliche Sturm, und von jeglicher Seite beginnen
Tobende Winde den Streit und rühren die zürnende Flut auf.
Selber der Steurer bebt und gesteht, dass nimmer er wisse,
Wie mit ihnen es steh' und was er befehle und wolle:
So schwer lastet die Not, so trotzt sie der Kunst und Erfahrung.
Rings tönt lautes Geschrei, von Geknatter ertönen die Taue,
Und von der Wog' Anprall die Woge, vom Donner der Aither.
Mächtig erhebt sich im Schwall und bis an den Himmel zu reichen
Scheinet das Meer und mit Schaum zu bespritzen die deckenden Wolken;
Bald, wenn gelblichen Sand von dem untersten Grund es heraufwühlt,
Ist es wie jener gefärbt, bald schwärzer als stygische Wogen;
Manchmal wieder gelegt ist weiß es von zischendem Schaume.
Selbst auch wird im Wechsel gejagt die trachinische Barke:
Bald, in die Höhe geschnellt, gleichwie vom Gipfel des Berges,
Scheint sie hinab zu Tal und in Acherons Tiefe zu schauen;
Bald, wenn niedergesenkt sie stehet umwölbt von der Meerflut,
Scheint sie zum Himmel empor aus dem untersten Strudel zu blicken.
Oftmals krachet sie laut, von den Wogen gepeitscht an der Seite,
Und sie erdröhnt von dem Stoß, gleichwie wenn ein eiserner Sturmbock
Oder ein Schleudergerät die zertrümmerte Feste erschüttert.
Wie der gefürchtete Leu, der Kräfte gewonnen im Anlauf,
Gegen das Bollwerk rennt mit der Brust, die erhobenen Spieße:
Also rannte die Flut, die sausenden Winden sich hingab,
Gegen des Schiffs Bollwerk und stand viel höher als jenes.
Schon sind die Pflöcke gelöst, und beraubt des bedeckenden Wachses
Klaffet der Spalt und vergönnt Eingang den todbringenden Wassern.
Sieh, aus offnem Gewölk stürzt Regen in reichlichen Strömen;
Ganz in die Meerflut stieg - so dächte man - nieder der Himmel
Und in den himmlischen Raum hinauf die getürmeten Wogen.
Nass vom Wolkenerguss sind die Segel; mit himmlischen Wellen
Mischen sich Wasser der See. Kein Licht ist sichtbar am Aither;
Starrende Nacht ist gedrängt von des Sturms und vom eigenen Dunkel;
Aber der zuckende Blitz durchspaltet die Nacht und gewähret
Leuchtenden Schein; und das Meer ist in Brand von blitzendem Feuer.
Jetzt auch springet hinein in das hohe Gefüge des Schiffes
Schwellende Flut, und so wie der Krieger von allen der kühnste,
Wenn schon öfter den Wall der verteidigten Stadt er hinanstieg,
Endlich gelangt zum Ziel und brennend von Ruhmesbegierde
Glücklich die Mauer gewinnt, er einzig von tausend Gefährten:
So, als die Flut neunmal an die stehenden Wände geschlagen,
Wälzt sich heran, wuchtvoller gedrängt, von den Wogen die zehnte,
Und nicht stehet sie ab den ermatteten Kiel zu bekämpfen,
Bis sie den Wall gleichsam des eroberten Schiffes erstiegen.
Teils nun mühte sich noch in die fichtene Barke zu dringen,
Teils war drinnen das Meer. Nicht anders erzitterten alle,
Als dann zittert die Stadt, wenn Feinde die Mauer berennen,
Während im Inneren auch schon Feinde die Mauern behaupten.
Schwach ist die Kunst, und es sinket der Mut: wie viele der Wellen
Nahn, so viel auch scheinen zu nahn einbrechende Tode.
Der lässt Tränen den Lauf; der starrt; der nennt zu beneiden,
Deren ein Grabmal harrt; der ruft mit Gelübden die Götter,
Und zu dem Himmel gestreckt, den nicht er gewahret, die Arme,
Fleht er vergeblich um Schutz; der denkt an Geschwister und Vater,
Jener an Kinder und Haus, und was jedweder daheim ließ.
Keyx sorgt im Gemüt um Alkyone; immer im Munde
Führt er Alkyone nur, und wiewohl er sich sehnt nach der einen,
Freut er sich, dass sie entfernt. Nach der heimischen Küste zurückschaun
Möcht' er so gern und zum Haus hinwenden das scheidende Antlitz,
Aber er weiß nicht, wo sein Haus: so wild durcheinander
Strudelt die See, und schwarz mit schattenden Wolken bezogen
Birgt sich das Himmelsgewölb, und die Nacht ist doppelt verfinstert.
Krachend zerbricht vom Stoß des wildstürmenden Wirbels der Mastbaum,
Krachend das Steuer sodann. Hoch steigend im Stolz auf die Beute
Ähnlich der Siegerin schaut auf die Wogen die bauchige Woge,
Und mit der nämlichen Wucht, wie wenn du den Athos enthöbest
Oder den Pindos dem Sitz und würfest in offene Meerflut,
Stürzt sie von oben herab, und zugleich mit der Last und dem Anprall
Senkt sie das Schilf in den Grund. Mit jenem erliegen der Männer
Viele, vom Strudel gezwängt und der Luft nicht wieder gegeben,
Ihrem Geschick. An des Kiels zertrümmerten Stücken und Gliedern
Hält sich ein Teil. Selbst hält mit der Hand, die des Szepters gewohnt war,
Keyx Reste des Schiffs, und den Schwäher zugleich und den Vater
Ruft er, ach, umsonst; Alkyone aber, die Gattin,
Ist in des Schwimmenden Munde zumeist. Sie denket und nennt er;
Dass ihr werde sein Leib vor Augen gespült von den Fluten,
Wünscht er, und dass im Tod ihn befreundete Hände bestatten.
Schwimmend ruft er, so oft ihn die Flut lässt atmen, die ferne
Gattin und murmelt sogar "Alkyone" unter den Wellen.
Sieh, ein finsterer Schwall, der mitten sich über den Fluten
Wölbete, platzt und verschüttet sein Haupt mit geborstenen Wassern.
Lucifer war ganz trüb und nicht zu erkennen dem Auge
Dazumal in der Nacht, und dieweil er nicht von dem Himmel
Weggehn durfte, verbarg er mit dunklen Wolken das Antlitz.
Aiolos Tochter indes, unkundig des schrecklichen Jammers,
Zählet die Nächte daheim und fertigt bereits für den Gatten
Emsig ein Kleid und eins, das selbst sie gedachte zu tragen,
Wenn er gekommen, und freut sich in eitelem Wahn auf die Rückkehr.
Allen den Himmlischen zwar darbrachte sie heiligen Weihrauch,
Doch vor allen betrat sie der Iuno Tempel in Andacht
Und kam für den Gemahl, der nicht mehr war, zum Altare.
Dass ihr Gatte gesund und wohl heimkehre und höher
Halte wie sie kein Weib, erflehte sie; aber Gewährung
Konnte der letztere nur von allen den Wünschen erlangen.
Nicht mag fürder jedoch das Gebet für den Toten die Göttin
Hören und, fern dem Altar die befleckenden Hände zu halten,
Sagte sie: "Meines Befehls vieltreue Verkünderin, Iris,
Zum schlafbringenden Hofe des Schlummers begib dich in Eile;
Heiße ihn in der Gestalt des erblichenen Keyx ein Traumbild,
Das ihr das wahre Geschick tut kund, zu Alkyone senden."
Iuno sprach's. Anlegt das Gewand mit den schillernden Farben
Iris und geht, weithin mit gewölbetem Bogen den Himmel
Zeichnend, getreu dem Geheiß zu des Königs umnebelter Wohnung.
Nah dem Kimmeriervolk in tief eingehender Höhle
Mitten im Berg hat Sitz und Gemach der feiernde Schlafgott.
Nie am Morgen gelangt, am Mittag oder am Abend
Phoibos mit Strahlen dahin. Mit Dunkel verwobener Nebel
Wird von dem Boden gehaucht und Dämmerung unklaren Lichtes.
Kein wachhaltender Hahn ruft dort mit des kammigen Hauptes
Schrei Aurora herauf; nie stören mit Lauten die Stille
Wohl aufmerkende Hunde und leiser noch hörende Gänse,
Weder Gewild, noch Vieh, noch Zweige geschüttelt vom Luftzug
Geben Geräusch, noch auch Wechselgespräch von menschlichen Zungen.
Schweigende Ruh wohnt hier. Doch rinnt mit lethäischem Wasser
Unten am Felsen ein Bach, darin mit Gemurmel die Welle
Gleitet und wiegt in Schlaf mit dem Hall eintöniger Steinchen.
Üppig sich mehrender Mohn blüht außen am Tore der Höhle
Samt unzähligem Kraut, woraus einschläfernden Milchsaft
Sammelt die Nacht und tauig verstreut auf die finsteren Lande.
Keine bewegliche Tür, die mit der gedreheten Angel
Knarrete, ist in dem Haus; kein Hüter ist neben der Schwelle.
Hoch steht mitten ein Pfühl auf schwarzem Gestelle von Eben,
Der, einfarbig von Flaum, mit dunkeler Decke verhüllt ist.
Da ruht selber der Gott, die Glieder gelöst von Erschlaffung.
Um ihn liegen im Kreis, nachahmend verschiedne Gestalten,
Nichtige Träume zerstreut so viele, wie Ähren die Herbstzeit,
Blätter das Dickicht trägt und gespületen Sand das Gestade.
Als nun dort eintrat und die sperrenden Träume die Jungfrau
Drängte hinweg mit der Hand, da ward von dem Glanz des Gewandes
Hell das geweihete Haus, und der Gott, der die sinkenden Augen
Kaum schwerfällig erhob und aber und aber zurücksank
Und mit dem nickenden Kinn sich zum öfteren oben die Brust schlug,
Raffte sich endlich empor aus sich, und gestützt mit dem Arme
Fragt' er, warum sie genaht; denn er kannte sie. Jene versetzte:
"Schlaf, du sanftester Gott, du Ruhe der Wesen, der Seele
Frieden, o Schlaf, der Sorge du bannst und ermüdete Glieder
Nach dem beschwerlichen Dienst neu labst und stärkest zur Arbeit,
Heiße der wahren Gestalt Nachahmer, die gaukelnden Träume,
Unter des Königs Bild hingehn zur herkulischen Trachin
Und der Alkyone nahn und den Schiffbruch zeigen im Abbild.
So ist Iunos Gebot." Als Iris vollendet den Auftrag,
Eilt sie davon; denn sie kann nicht länger ertragen des Dunstes
Wirkende Kraft, und wie sie den Schlaf sich fühlt in die Glieder
Schleichen, entflieht sie und kehrt auf dem Bogen, worauf sie gekommen.
Unter dem Schwarm nunmehr von Tausenden, die er gezeuget,
Rüttelt der Schlafgott auf den Gestalt nachbildenden Künstler
Morpheus. Schlauer als der weiß keiner, sobald es befohlen,
Darzustellen den Gang, die Gebärde, die Weise des Redens;
Kleidung fügt er dazu und von jedem die üblichsten Worte.
Doch nur Menschen allein pflegt dieser zu gleichen: ein andrer
Zeigt sich als Wild, als Vogel, als lang sich dehnende Schlange.
Ikelos nennen den Traum die Himmlischen, aber Phobetor
Sterbliche. Noch ist auch mit verschiedener Gabe ein dritter,
Phantasos, der in Gestein, in Erdreich, Wasser und Bäume
Und was alles der Seele entbehrt, sich trügerisch wandelt.
Königen pflegt sein Gesicht und Feldherrn einer zu zeigen
Während der Nacht; zu der Masse des Volks gehn schweifend die ändern.
Die ruhn lassend erwählt der greise Schlaf von den Brüdern
Allen den Morpheus nur, zu tun, wie die Tochter des Thaumas
Hatte bestellt, und gelöst gleich wieder von schlaffer Ermattung,
Legt er sich nieder und birgt sein Haupt im erhöheten Lager.
Morpheus schwebt alsbald mit geräuschlos gleitenden Flügeln
Hin durch die Nacht und gelangt nach kurz nur dauernder Weile
In die haimonische Stadt, und vom Leib ablegend die Schwingen
Nimmt er Keyx' Gestalt und steht in der trügenden Bildung,
Ganz wie ein Toter zu sehn, vor der armen Alkyone Lager,
Leichenblass, ohn' alles Gewand. Feucht scheinet des Mannes
Bart und reichliche Flut zu entströmen dem triefenden Haupthaar.
Über das Lager gebeugt, mit Tränen begossen das Antlitz,
Redet er: "Kennest du noch, unglückliche Gattin, den Keyx?
Oder entstellte der Tod mein Gesicht? Schau her, du erkennst mich;
Aber du findest anstatt des Mannes den Schatten des Mannes.
Nichts, ach, frommten mir, Alkyone, deine Gelübde.
Tot bin ich längst: mein harre du nicht in betrüglicher Hoffnung!
Wolkiger Süd erfasste das Schiff im aigaiischen Meere,
Warf im gewaltigen Wehn es umher und brach es in Stücke.
Unseren Mund, der dich umsonst, Alkyone, nannte,
Füllte die Meerflut an. Kein unglaubwürdiger Zeuge
Kündet dir dies, du hörest es nicht durch schweifende Sage:
Ich, der Ertrunkene, selbst erzähle dir hier mein Verhängnis.
Auf, nimm Trauergewand und weihe mir Tränen und nimmer
Lass mich unbeklagt in den nichtigen Tartaros steigen."
Morpheus fügt zu den Worten den Laut, den für des Gemahles
Stimme die Königin hielt; auch wirkliche Zähren zu weinen
Schien er und glich durchaus in der Hände Gebaren dem Keyx.
Aber Alkyone schluchzt und erhebt mit Tränen die Arme
Mitten im Schlaf, und suchend den Mann umfängt sie die Lüfte.
"Bleib, wo eilst du hin? ", so ruft sie, "wir gehen zusammen!"
Durch ihr eigenes Wort und des Gatten Erscheinen gestöret
Fährt vom Schlummer sie auf und späht, ob wirklich er da sei,
Den sie soeben gesehn. Denn Diener, geweckt von der Stimme,
Waren genaht mit Licht. Doch als sie ihn nirgends gefunden,
Schlägt sie sich wild das Gesicht und zerreißt das Gewand vor dem Busen,
Geißelt die Brust und löst nicht erst, rauft jammernd das Haupthaar;
Zu der Ernährerin dann, die fragt nach dem Grunde des Leides,
Spricht sie: "Verloren, dahin ist Alkyone! Unter mit ihrem
Keyx ging auch sie. Lasst alle die tröstenden Worte!
Schiffbruch bracht' ihm den Tod. Ich sah und erkannt' ihn und streckte
Nach dem Entweichenden aus, ihn zu halten begehrend, die Hände,
Schatten nur war's; doch deutlich erschien und wirklich der Schatten
Meines Gemahls. Zwar trug er, wofern du fragst, in dem Antlitz
Nicht die gewöhnlichen Züg' und die frühere leuchtende Schönheit.
Blass und nackt und noch an dem Haupthaar triefend erblickt' ich
Unglückselige ihn. Hier stand er, an eben der Stelle,
Kläglich zu sehn" - und sie forscht, ob nicht noch Spuren geblieben,
"Ja, das war's, das war's, was ahnend im Geist ich gefürchtet;
Darum bat ich ihn, nicht mich fliehend den Winden zu folgen.
Hättest du nur, weil doch zu sterben bestimmt du hinweggingst,
Mich zur Gefährtin gehabt! Gut wär's, gut wär' es gewesen,
Nahmst du mich mit: dann hätt' ich keinen der Tage in Trennung
Traurig verlebt, nicht wär' uns geschiedenes Ende geworden.
Fern nun fand ich den Tod, fern treib' ich umher in den Fluten;
Ohne mich selbst umfängt mich die See. Fühlloser im Herzen
Wär' ich, als selber das Meer, wenn länger ich strebte zu leben,
Wenn ich nach so viel Schmerz noch übrig zu bleiben begehrte.
Fern sei solcher Begehr! Nicht will ich dich Armen verlassen.
Wenigstens folg' ich dir jetzt als Begleiterin, und in dem Grabmal
Soll uns zwei, wenn nicht die Urne, vereinen die Aufschrift;
Wenn nicht Leib zum Leib, soll Name sich fügen zum Namen."
Weiteres hindert der Schmerz, und zu jedem Worte gesellt sich
Störend ein Schlag, und Gestöhn entringt sich dem starrenden Herzen.
Frühzeit war's: sie geht aus dem Haus an den Strand und besuchet
Harmvoll wieder den Ort, von wo sie dem Fahrenden nachsah.
Während alldort sie verweilt und sagt: "Hier löst' er die Taue,
Hier an diesem Gestade empfing ich des Scheidenden Küsse!"
Und sich erinnert genau, was alles geschehn, und hinausschaut
Über das Meer, da wird sie von weitem gewahr in den Wellen
Etwas, das wie ein Leib aussah, und unklar im Anfang
War's, was das wohl sei. Wie näher die Flut es herantrieb
Und es, obschon noch fern, doch sichtbar geworden als Leichnam,
Schaute sie bang geschreckt den Ertrunkenen, ohn' ihn zu kennen.
Gleich als weinte sie nur um den Fremdling, sprach sie: "Du Ärmster,
Wer du auch seist und wofern du ein Weib hast!" Schwimmend im Wasser
Kommt stets näher der Leib. Je mehr ihn jene betrachtet,
Desto minder bleibt ihr Besinnung. Dicht an das Ufer
Sieht sie ihn jetzo geschwemmt; schon kann sie ihn deutlich erkennen:
Keyx war's. "Er ist's!" ruft jammernd sie aus und zerreißt sich
Antlitz, Haare zugleich und Gewand, und die zitternden Hände
Streckt sie nach Keyx aus und spricht: "So, teuerster Gatte,
So, Unglücklicher, kehrst du zu mir!" Von Händen gebildet
Liegt an den Wogen ein Damm, der dem Zorn ankommender Meerflut
Einhalt tut und den Druck der Gewässer ermüdet im voraus.
Dort springt jene hinauf, und – seltsam, dass sie es konnte -
Fliegend zerteilt sie die Luft, und mit eben erwachsenen Schwingen
Streicht an den Wellen sie hin als mitleidswürdiger Vogel.
Während im Fluge sie schwebt, lässt klagende Töne dem Schmerzlaut
Ähnlich vernehmen ihr Mund, der klappert mit spitzigem Schnabel.
Wie sie berührte darauf den stummen und blutlosen Leichnam
Und an den teueren Leib anschmiegte das neue Gefieder,
Küsste sie ihn umsonst mit dem kalten gehärteten Schnabel.
Ob das jener gefühlt, ob sich von der Welle Bewegung
Scheinbar hob sein Gesicht, nicht wusst' es die Menge; doch Keyx
Hatt' es gefühlt. Mitleid rührt endlich die Götter, und beide
Wandeln in Vögel sich um. Die gleiches erleidende Liebe
Blieb auch da, wie zuvor, und gelöst ward auch bei den Vögeln
Nimmer der ehliche Bund. Sie paaren sich, werden zu Eltern,
Und in der frostigen Zeit sitzt sieben beruhigte Tage
Brütend Alkyone da in dem Nest, das schwimmt auf den Wogen.
Dann ist sicher die Fahrt; dann lässt die gehüteten Winde
Aiolos nicht aus der Haft und gewährt Meerstille den Enkeln.
  10. Aesacus (749-795)
Die sah irgend ein Greis umher auf der Weite des Meeres
Fliegen und pries die getreu bis zum Ende bewahrete Liebe.
Einer, der nahstand, sprach, vielleicht auch sprach es der selbe:
"Der auch, welchen du siehst hinfliegen mit schmächtigen Beinen
Über die See" – und er wies auf den langgehalseten Taucher -
"Stammt aus königlich Blut, und wenn du in laufender Reihe
Willst herleiten auf ihn das Geschlecht; er nennet als Ahnen
Ilos, Assarakos auch samt Iupiters Raub Ganymedes,
König Laomedon dann und Priamos, welchem das Ende
Troias wurde zum Los. Von Hektor war er ein Bruder,
Und wer weiß, wenn nicht so früh er Verwandlung erfahren,
Ob er gerineren Ruhm und Namen besäße als Hektor,
Wenn gleich dieser ein Spross von der edelen Dymantide,
Doch Alexirhoe ihn, die der doppelt gehörnte Granikos
Zeugete, heimlich gebar, wie man sagt, an der schattigen Ida.
Städten war Aisakos feind, und fern von dem glänzenden Hofe
Liebt' er entlegne Gebirg' und Ehrgeiz missende Fluren;
Selten begab er sich nur zum Rate der ilischen Männer.
Doch im Gemüt nicht roh und unzugänglich der Liebe
Sieht er Hesperie einst, die verlockende Tochter des Kebren,
öfter von ihm durch die Wälder verfolgt, an dem Ufer des Vaters,
Während ihr wallendes Haar an den Strahlen der Sonne sie trocknet
Rasch ist die Nymphe gewandt zur Flucht, wie bang vor dem falben
Wolfe die Hindin flieht und die wasserbedürftige Ente,
Fern vom Weiher ertappt, vor dem Habicht. Aber der Troer
Folgt und bedrängt; sie eilet in Angst, er eilet in Sehnsucht.
Siehe, mit hakigem Zahn ritzt eine vom Grase verdeckte
Viper der Fliehenden Fuß und lässt ihr Gift in dem Körper.
Still gleich steht mit dem Leben die Flucht. Er umfasst die Entseelte
Ganz von Sinnen und ruft: "Mich reut, mich reut die Verfolgung;
Doch das fürchtet' ich nicht: so teuer verlangt' ich den Sieg nicht.
Zweien verdankst du Arme den Tod. Biss kam von der Schlange,
Anlass kam durch mich. Ruchloser als jene bin ich;
Drum soll Trost mein Tod dir wegen des Todes gewähren."
Sprach's und sprang von dem Fels, den unten die heisere Woge
Hatte zernagt, in die See. Weich fing, von Erbarmen bewogen,
Tethys den Fallenden auf und verlieh, wie er schwamm auf der Fläche,
Federn dem Leib, und erfüllt war nicht das Begehren des Todes.
Aber der Lebende zürnt, mit Gewalt zum Leben gezwungen,
Dass man hemme den Geist, der den leidigen Sitz zu verlassen
Trachtet, und als ihm gesprosst an den Schultern das neue Gefieder,
Fliegt er empor und senkt aufs neue den Leib auf die Wasser:
Federn erleichtern den Sturz. Da wütet und schießt in die Tiefe
Aisakos jäh und sucht ohn' Ende den Weg der Vernichtung.
Mager von Lieb' ist der Leib; lang bleiben der Beine Gelenke,
Lang auch bleibt ihm der Hals; weit stehet der Kopf von dem Rumpfe.
Meerflut liebt er und hat von dem Tauchen in ihr die Benennung.
   
  Übersetzung nach R.Suchier bearbeitet von E.Gottwein
Text und gegliederte Inhaltsangabe der Metamorphosen Ovids, Bücher I - XV
Lat.-Dt.Txt. I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV lateinisch - deutsch
Kompos. I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV Inhalt
 

 

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