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Publius Ovidius Naso

Metamorphosen - Verwandlungen

13. Buch - deutsch

1. Hoplonkrisis: Rede des Aias (1-122), 2. Hoplonkrisis: Rede des Odysseus (123-381), 3. Entscheidung und Selbstmord des Aias (382-398), 4. Philoktetes' Rückkehr, Eroberung Troias, Hecuba (399-428), 5. Polydorus (429-438), 6. Polyxena (439-575), 7. Memnon (576-622), 8. Fahrt des Aeneas nach Delos (623-631), 9. Anius (632-674), 10. Orion (675-699), 11. Weiterfahrt des Aeneas (700-729), 12. Scylla (730-749), 13. Acis und Galatea (750-897), 14. Scylla und Glaucus (898-968)

 
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  1. Hoplonkrisis: Rede des Aias (1-122)
Als sich die Fürsten gesetzt und das Volk im Kreise umherstand,
Tritt vor ihnen der Held mit dem siebenschichtigen Schilde,
Aias, auf, und des Zorns unmächtig, das finstere Auge
Auf den sigeischen Strand und die Flott am Strande gerichtet,
Streckt er die Hand und spricht: "O Iupiter, hier an den Schiffen
Suchen wir Recht, und mir darf gleich sich stellen Odysseus!
Aber er zauderte nicht, vor Hektors Flammen zu weichen,
Die ich wehrend bestand, die ich von der Flotte zurücktrieb.
Sicherer mag's wohl sein, mit gekünstelten Worten zu streiten
Als mit der Faust. Doch ich bin ebensowenig zur Rede
Tüchtig wie er zur Tat; so stark ich bin in der Fehde
Und im Getümmel der Schlacht, so stark ist dieser im Schwatzen.
Taten, die ich vollbracht, euch herzuzählen, Pelasger,
Brauch ich nicht; ihr habt sie gesehn. Er nenne die seinen,
Die er vor Zeugen verbirgt, die nur mitwissende Nacht sieht.
Freilich ist groß der geforderte Lohn, doch solch ein Bewerber
Schmälert den Wert. Stolz macht es den Aias nicht, zu erhalten,
War es auch noch so groß, worauf schon hoffte Odysseus.
Längst hat dieser den Preis sich erworben in unserem Wettstreit,
Da, ob immer besiegt, mein Gegner im Streit er genannt wird.
Ich, wenn rüstige Kraft bei mir auch würde bezweifelt,
Wäre voraus durch edle Geburt, da mich Telamon zeugte,
Der den Troianischen Wall mit dem streitbaren Herkules stürmte
Und mit pagasischem Kiel anfuhr an die kolchische Küste.
Jener ist Aiakos' Sohn, der unter den Schweigenden Recht spricht,
Wo der gewichtige Stein den aiolischen Sisyphos abmüht.
Aiakos wird als Sohn vom erhabenen Iupiter selber
Willig erkannt. So stammt als dritter von Iupiter Aias.
Doch mir sollen im Zwist nicht nützen die Ahnen, Achiver,
Wenn sie gemeinsam nicht mir sind mit dem großen Achilleus.
Mir war Bruder der Held; mein brüderlich Erbe verlang ich.
Was will Sisyphos' Sohn, ihm gleich an Ränken und Arglist,
Namen von fremdem Geschlecht einschieben den Aiakiden?
Weil ich, von keinem entlarvt, vor ihm zu den Waffen geeilt bin,
Würden mir Waffen versagt und sollt ihm werden der Vorzug,
Der sie am letzten ergriff und sich mit geheucheltem Wahnsinn
Wehrete gegen den Zug, bis dass sinnreicher als jener,
Doch sich minder zu Nutz, den Betrug des verzagten Gemütes
Nauplios' Sohn kundtat und ihn zog zu gemiedenen Waffen?
Er, der keine gewollt, er sollte die besten gewinnen,
Aber um Ehre verkürzt und beraubet des Gutes vom Vetter
Sollt ich sein, der gleich zu den ersten Gefahren sich stellte?
Dass wahr oder geglaubt doch wäre gewesen der Wahnsinn,
Dass er zur phrygischen Burg mit uns nie wäre gekommen,
Der nur Frevliges riet! Du wärst, poiantischer Sprössling,
Nie uns allen zur Schmach auf Lemnos verlassen geblieben,
Wo du jetzt, wie es heißt, in den Höhlen der Wälder verborgen,
Steine durch Stöhnen bewegst und fluchest dem Sohn des Laertes,
Wie er verdient, und umsonst nicht fluchst, wenn Götter im Himmel.
Er, der früher mit uns zu den nämlichen Waffen geschworen,
Der zu den Edelen zählt, dem seine Geschosse zum Erbteil
Herkules gab, nun, ach, durch Hunger gebrochen und Krankheit,
kleidet und nährt er von Vögeln sich nur und verwendet die Pfeile,
Deren zu Troias Fall wir bedürfen, zur Jagd auf Geflügel.
Aber er lebt doch noch, weil nicht mit Odysseus er abfuhr.
Gern auch wäre zurück Palamedes gelassen, der Arme -
Jetzt noch wär er am Leben, wo nicht, doch ehrlich gestorben -,
Dem er, allzu gedenk des leider enthülleten Wahnsinns,
Unserer Sache Verrat andichtete und der Erdichtung
Glauben erwarb, da Gold, von ihm selber vergraben, er zeigte.
Also Kräfte benahm er entweder durch Bann den Achivern
Oder durch Mord. So kämpft, so ist zu fürchten Odysseus.
Wenn der auch obsiegt in der Rede dem biederen Nestor,
Redet er mir nicht ein, kein Schimpf sei's, dass er den Nestor
Ließ in der Not, der, als er gehemmt durch die Wunde des Rosses,
Und von dem Alter geschwächt zum Beistand rief den Odysseus,
Wurde verraten vom Freund. Dass nicht die Beschuldigung unwahr,
Weiß wohl Tydeus' Sohn, der oft ihn namentlich anrief,
laut ausschalt und die Flucht vorrückte dem bangen Gefährten.
Menschliches Tun sehn stets mit Gerechtigkeit oben die Götter.
Beistand, siehe, bedarf, der keinen gebracht, und verlassen
stand er, wie er verließ: sein Urteil sprach er sich selber.
Hilfe der Freunde verlangt sein Ruf; nah bin ich und seh ihn
Zitternd und blass vor Furcht und bang vor drohendem Tode.
Vor ihn stemmt ich den Schild zum Damm, und den Liegenden deckend
Rettet ich - ärmlicher Ruhm - das gefährdete Leben dem Schwächling.
Hast du zu streiten Gelüst, lass dorthin wieder uns gehen,
Stelle den Feind und dich mit der Wund und gewohnter Verzagtheit,
Ducke dich hinter den Schild, und mit mir dann wage zu hadern.
Wie ich ihn aber befreit, dem Kraft zum Stehen die Wunde
Raubete, lief er davon, mitnichten gehemmt von der Wunde.
Hektor ist nah und führt mit sich ins Treffen die Götter,
Und es erfasst, wo er stürmt, nicht dich bloß Grausen, Odysseus,
Sondern die Tapferen auch: so schreitet mit ihm das Entsetzen.
Ihn hab ich, wie er stolz sich freute des blutigen Mordes,
Rücklings niedergestreckt in der Nähe mit wuchtigem Feldstein.
Ihm hielt ich allein, wie er einen gefordert zum Zweikampf,
Wackeren Stand. Mein Los erflehtet ihr sehnlich, Achiver,
Und das Gebet fand glücklich Gehör. Und wollt ihr den Ausgang
Wissen von unserem Kampf: nicht bin ich bezwungen von Hektor.
Siehe, mit Iupiter drohen die Troer der Danaerflotte,
Drängend mit Feuer und Schwert: wo war der beredte Odysseus?
Ich nur hielt mit der Brust der Heimkehr Hoffnung, die tausend
Schiffe gedeckt: gebt mir für alle die Schiffe die Waffen!
Ist mir zu sagen vergönnt, was wahr ist: ihnen entstehet
Größere Ehr als mir; ihr Ruhm stimmt ganz zu dem meinen.
Aias wird für die Waffen verlangt, nicht Waffen für Aias.
Stelle den Rhesos dafür der Ithaker. Dolon, den Schwächling,
Helenos, Priamos' Sohn, den er fing, und der Pallas Entwendung.
Nichts vollbracht er am Tag, nichts, wo fern war Diomedes.
Wollt ihr verleihn einmal solch schwachen Verdiensten die Waffen,
Teilt sie, und möge empfangen den größeren Teil Diomedes.
Doch was sollten sie auch für den Ithaker, der im geheimen
Wehrlos schleicht und tückisch berückt unachtsame Feinde?
Leicht ja könnte der Glanz des von Gold hellstrahlenden Helmes
Selber verraten die List und deutlich den Lauerer zeigen.
Aber so drückende Last trägt unter dem Helm des Achilleus
Nicht das dulichische Haupt, noch kann unkriegrischen Armen
Anders sein als schwer und gewichtig die pelische Lanze.
Noch ist der Schild, drauf steht vom Meißel gebildet das Weltall,
Je für die Linke bequem, die feige zur Tücke geschaffen.
Was, Schamloser, verlangst du ein Gut, das Kraft dir benähme?
Wenn das irriger Wahn des achivischen Volkes dir zuspricht,
Lockt es zur Plünderung wohl, nicht schlägt es mit Schrecken die Feinde,
Und in der Flucht, worin du allein dich vor allen hervortust,
Feigling, hindert es dich, so lastende Bürde zu schleppen.
Dazu nimm, dass, da dein Schild, der selten Gefechte
Ausstand, ganz noch ist, doch unserem, der von Geschossen
Schrammen zu Tausenden zeigt, zum Ersatz ein anderer not tut.
Kurz, wozu viel Worte denn noch? Tat gebe den Ausschlag!
Werft in den dichtesten Feind die Waffen des streitbaren Helden,
Heißt sie holen von da und schmückt mit Gebrachtem den Bringer."
  2. Hoplonkrisis: Rede des Odysseus (123-381)
So sprach Telamons Sohn und schwieg, und dem Ende der Rede
Folgte Gemurmel des Volks, bis dass der laertische Heros
Nun auftrat und die kurz am Boden verweilenden Augen
Gegen die Fürsten erhob und den Mund zu erwarteten Lauten
Öffnete. Lieblicher Fluss fehlt nicht den geordneten Worten:
"Hätte Gewähr mein Wunsch mit dem euren gefunden, Pelasger,
Waltete nimmer ein Streit, wer erbe den herrlichen Wettpreis:
Dein dann wäre die Wehr wie sonst, du unser Achilleus.
Weil mir aber und euch das erbarmungslose Verhängnis
Jenen versagt", und er tat, als ob er die tränenden Augen
Trocknete, "wer mit Fug darf folgen dem großen Achilleus,
Als der dem Danaerheer ließ folgen den großen Achilleus?
Sei's sein Nutzen nur nicht, dass er roh, wie er ist, sich erweiset;
Sei mein Schade nur nicht der Verstand, der immer, Achiver,
Euch so förderlich war; und der Rede Geschick, wenn es mein ist,
Das für den Sprechenden jetzt, für euch zum öfteren wirkte,
Bleibe verschont vom Neid, und keiner verleugne sein Gutes!
Ahnen und edles Geschlecht und was nicht selbst wir erworben,
Nenn ich das Unsrige kaum. Doch da sich von Iupiter Aias
Rühmt, Urenkel zu sein: auch unserem Blut ist Begründer
Iupiter; uns auch trennen von ihm gleich viele der Stufen.
Denn mich hat Laertes gezeugt, Arkeisios diesen,
Iupiter den, und verdammt ist keiner davon und verwiesen.
Auch der Kyllenier ist von der Mutter als anderer Adel
Uns zu jenem gebracht. Vom Gott sind beide Erzeuger.
Doch nicht, weil das Geschlecht mir edler von Seiten der Mutter,
Noch weil rein sich erhielt vom Blute des Bruders der Vater,
Heisch ich die Waffen von euch; nach Verdienst abwäget die Sache.
Nur darf nicht ein Verdienst, dass Telamon Bruder des Peleus
war, für den Aias sein; nicht komme die Folge der Sippschaft,
Sondern der männliche Wert in Betracht bei der rühmlichen Beute.
Sonst, wenn Bande des Bluts und der nächste der Erben gesucht wird,
Ist ja Pyrrhos, der Sohn, ist Peleus da, sein Erzeuger.
Wo ist Aias' Recht? Nach Phthia bringt sie, nach Skyros.
Auch gleich nahe, wie er, ist Teuker verwandt dem Achilleus.
Aber verlangt er, und wenn er verlangte, bekäm er die Waffen?
Weil demnach um Taten allein stattfindet der Wettstreit:
Mehr zwar hab ich getan, als dass es in Worte zu fassen
Leicht mir fiele sogleich; doch soll Zeitfolge mich leiten.
Ahnend den künftigen Tod, birgt schlau die nereische Mutter
Unter Verkleidung den Sohn, und allen, darunter dem Aias,
Hatte das Auge getäuscht der Betrug des genommenen Anzugs.
Ich tat, männlichen Mut zu erregen, zu Weibergeräten
Waffen hinzu, und wie Schild und Lanze der Heros ergriffen,
Der sein Mädchengewand noch nicht beiseite geworfen,
Sprach ich: "Thetis' Sohn, dein harrt, auf dass es verderbe,
Pergamos' Höh, und du säumst, die gewaltige Troia zu tilgen?
Ihn wegführend, entsandt ich zu tapferen Taten den Tapfern.
Drum, was jener getan, tat ich. Ich streckte den Gegner
Telephos hin mit dem Speer; den Besiegten und Flehenden heilt ich.
Thebais Fall auch danket ihr mir; dass Lesbos und Skyros,
Tenedos, Killa erlag und Chryse, die Städte Apollons,
Denket, es sei mein Werk; mein Arm, so möget ihr glauben,
Warf in Trümmer und Schutt die zerstörten lyrnesischen Mauern.
Ich gab, anderer nicht zu gedenken, dem streitbaren Hektor
Würdigen Feind; durch mich liegt tot der gefeierte Hektor.
Für die Waffen, womit ich entdeckt den Achilleus, begehr ich
Diese: dem Lebenden gab ich, vom Toten verlang ich sie wieder.
Wie von des einzelnen Schmerz durchdrungen die Danaer alle
Und von der Schiffe Verein die euboiische Aulis erfüllt war,
Wehete, lange gehofft und ersehnt, kein oder der Flotte
Feindlicher Wind, und es hieß hartfallender Spruch Agamemnon,
Sein unschuldiges Kind hinschlachten der strengen Diana.
Aber der Vater versagt es und grollt mit den Himmlischen selber,
Und der Erzeuger ist stärker in ihm als der König. Zum Volkswohl
Wendete ich durch Worte den Sinn des liebenden Vaters.
Schwer - ich muss es gestehn, und verzeihe mir das der Atride -
War's darinnen zu Recht vor beteiligtem Richter zu stehen.
Doch mit dem Wohle des Volks und dem Bruder bestimmt ihn die Würde,
Welche das Zepter ihm gab, sich Ruhm zu erkaufen mit Blute.
Mich dann heißt zu der Mutter ihr gehn, wo nicht die Ermahnung,
Sondern die List nur half. Ging Telamons Sohn mit dem Auftrag,
Jetzt noch harreten wohl auf günstige Winde die Segel.
Auch zu der ilischen Burg als mutiger Sprecher gesendet
Ging ich und sah und besuchte den Rat der stattlichen Troia.
Voll noch war von Männern das Haus. Dort führt ich die Sache
Furchtlos, die mir vertraut die Gesamtheit griechischer Stämme.
Paris zeih ich der Schuld, und den Raub samt Helena fordr' ich.
Priamos hört mich bewegt und Priamos' Schwager Antenor;
Paris jedoch und die Brüder mit ihm und die Helfer des Raubes
Hielten mit Mühe - du weißt, Menelaos - die frevligen Hände.
Der Tag einte zuerst mit den deinigen unsre Gefahren.
Säumnis wär's zu lang, wenn ich meldete, was ich zum Nutzen
Schaffte mit Rat und Tat in den Jahren des dauernden Krieges.
Lang erst hielt sich der Feind nach den ersten Gefechten geborgen
Hinter den Mauern der Stadt, und es bot sich keine Entscheidung
Offener Schlacht, bis Kampf uns brachte das zehnte der Jahre.
Was ist indes dein Tun, der nichts du kennest als Treffen?
Womit hast du genützt? Denn fragst du nach meinem Beginnen:
Listig verlock ich den Feind, umgebe die Gräben mit Schanzen,
Rede den Unsrigen zu, dass jeder, sich ruhig geduldend,
Trage den lästigen Krieg; ich lehre sie, wie zu ernähren,
Wie zu bewaffnen das Heer; wo es not tut, werd ich gesendet.
Siehe, getäuscht vom Gebilde des Traums nach Iupiters Willen,
Heißt aufgeben die Müh des begonnenen Krieges der König.
Er kann seinen Befehl rechtfertigen mit dem Ermahner.
Aias dulde es nicht und fordere Pergamos' Ende!
Kämpf er, was er ja kann! Warum nicht hemmt er die Abfahrt,
Greift zu den Waffen und gibt sich als Führer dem wankenden Haufen?
Wahrlich, ein leichtes für ihn, der prahlerisch immer geredet.
Wie, auch Aias flieht? Ich sah es, beschämt von dem Anblick,
Wie du, den Rücken gewandt, unrühmliche Segel beschicktest.
Schleunig erhob ich den Ruf: ‚Was tut ihr? Was für ein Wahnsinn
Treibt, o Gefährten, euch an, die eroberte Troia zu lassen?
Was nun bringt ihr heim, als Schand, im zehnten der Jahre?'
So und mit anderem noch, was Ärger in Fülle mir eingab,
Bracht ich das drängende Volk zurück von der flüchtigen Flotte.
Jetzt zur Versammlung ruft der Atride die bangen Gefährten.
Da wagt auch kein Wort der Telamonide zu äußern,
Und doch hatte gewagt mit schmähender Rede Thersites,
Dem auch Züchtigung ward durch mich, zu beschimpfen die Fürsten.
Ich trat auf und sprach Mut ein den verzagenden Bürgern
Gegen den Feind, und es weckt mein Wort die verlorene Mannskraft.
Was nur Tapferes mag durch diesen geschehen erscheinen
Seit der Zeit, ist mein: ich brachte den Flüchtigen wieder.
Endlich im Danaerheer, wer lobt dich oder begehrt dich?
Aber mit mir im Verein vollbringt der Tydide die Taten;
Mich stets fand er bewährt, und er traut dem Gefährten Odysseus.
Ewas heißt es, der eine zu sein von unzähligen Graiern,
Den Diomedes erwählt. Kein Los auch zwang mich zu gehen;
Dennoch hab ich, der Nacht und des Feindes Gefahren verachtend,
Ihn, der gleiches gewagt wie wir, den Phrygier Dolon
Niedergehaun, doch erst, als ich ihn gezwungen, mir alles
Kundzutun, und gehört, was sinne die treulose Troia.
Alles erfuhr ich genau, und nichts mehr war zu erkunden,
Und nun könnt ich zurück mit verheißenem Ruhme mich wenden.
Nicht zufrieden damit drauf ging ich zu Rhesos' Gezelten,
Und ich erschlug ihn selbst und die Seinen im eigenen Lager.
Siegreich halt ich sodann, da alles gelungen nach Wunsche,
Wie beim frohen Triumph Einzug auf erbeutetem Wagen.
Dessen Gespann sich der Feind für die Nacht zum Lohne bedungen,
Schlagt des Waffen mir ab: dann war noch gütiger Aias.
Brauch ich zu nennen dazu Sarpedons, des Lykiers, Scharen,
Die mein Eisen gemäht? Ich streckte mit strömendem Blute
Koiranos, Iphitos' Sohn, und Chromios hin und Alastor,
Halios auch, Alkandros und Prytanis samt dem Noemon,
Thoon gab sich dahin und Chersidamas jähem Verderben,
Charops, Ennomos dann, den trieb unbeugsames Schicksal,
Und die minder berühmt vor unserem Arme gesunken
Unter den Mauern der Stadt. Auch Wunden, ihr Bürger, empfing ich,
Rühmlich am richtigen Ort, und glaubt nicht eitelen Worten,
Hier seht her!" Und er zog das Gewand auseinander und sagte:
"Das ist die Brust, die stets für euere Sache sich mühte.
Aias aber vergoss kein Blut für seine Gefährten
So viel Jahre hindurch; sein Leib zeigt keine Verletzung.
Wenn er sich rühmt, dass er die pelasgische Flotte beschützend
Gegen die Troer gekämpft und Iupiter, wenig verschlägt es.
Wahr ist, dass er gekämpft: das Verdienst böswillig zu schmälern,
War ja nie mein Brauch; nur soll er gemeinsame Ehre
Nicht bloß nehmen für sich und euch auch einige gönnen.
Weg trieb Aktors Spross, in Achilleus' Bilde gesichert,
Ehe die Schiffe zugleich mit dem Schützer verbrannten, die Troer.
Dass nur er es gewagt, zu begegnen dem Hektor im Zweikampf,
Wähnet er auch und vergisst des Königs, der Fürsten und meiner,
Er als neunter bereit und vom Los vor andern begünstigt.
Wie denn aber ergab sich der Ausgang eueres Kampfes,
Tapferster? Hektors Leib ist nicht im geringsten geschädigt.
Ach, wie füllt sich das Herz mit Wehmut, da ich gedenken
Muss an die traurige Zeit, wo die Mauer der Graier, Achilleus,
Sank in den Staub, wo mich nicht Tränen und Gram und Bestürzung
Hinderten, dass ich den Leib vom Boden gehoben hinwegtrug!
Ich, ja ich trug hier auf der Schulter den Leib des Achilleus,
Ihn und die Waffen zugleich, die ich nun auch hoffe zu tragen.
Kraft wohl hab ich genug, so wuchtige Bürde zu halten;
Wenigstens hab ich ein Herz, das würdiget euere Ehre.
Darum hätte sich wohl für den Sohn die bläuliche Mutter
Eifrig mit Bitten bemüht, dass jetzo die himmlischen Gaben,
Werke der trefflichen Kunst, ein roher und fühlloser Krieger
Führete? Nicht einmal die Gebilde des Schildes versteht er,
Länder und Meer und, erhöht am Himmelsgewölb, der Pleiaden
und der Hyaden Gestirn und die Wellen vermeidende Bärin,
Städte verschieden an Tun und das blinkende Schwert des Orion.
Waffen verlangt er für sich, dazu es ihm mangelt an Einsicht.
Rügend erwähnet er gar, ich habe, des drückenden Krieges
Lasten zu fliehn, erst spät mich gestellt zur begonnenen Mühsal,
Ohne zu sehn, dass so er gescholten den kühnen Achilleus.
Nennt er Verstellen Vergehn: wir beide gebrauchten Verstellung.
Dünkt ihm Zögerung Schuld: ich kam noch früher als jener.
Mich hielt liebendes Weib, den Achilleus liebende Mutter:
Ihnen gehörte die Zeit des Beginns, euch aber die Folge.
Sorglos lässt mich, und könnt ich ihn nicht abweisen, der Vorwurf,
welchen ein Held wie er auch trägt. Doch ward von Odysseus'
Klugheit jener entdeckt, nicht aber Odysseus von Aias'.
Dass er auf mich Schmähreden ergießt mit der albernen Zunge,
Wundern kann es uns nicht, da er euch Schamwürdiges selber
Vorwirft. Oder gereicht mir wohl, dass ich Palamedes
Falsch anklagte, zum Schimpf, euch falsche Verdammung zur Ehre?
Aber es konnt auch nicht so großen erwiesenen Frevel
Nauplios' Sohn wegleugnen: gehört habt ihr sein Verschulden
Nicht bloß, sondern gesehn, und Beweis gab klar die Belohnung.
Auch, dass Poias' Sohn noch hält die vulkanische Lemnos,
Fällt mir nimmer zur Last. Rechtfertiget euer Verfahren,
Denn ihr williget ein. Ich riet, nicht will ich es leugnen,
Dass er fern von des Kriegs und des Weges Beschwerden sich hielte
Und den verzehrenden Schmerz durch Ruhe versuchte zu lindern.
Folgsam war er und lebt. So war glückbringend der Vorschlag,
Nicht wohlmeinend allein, was doch schon müsste genügen.
Weil zu Pergamos' Fall nun jenen verlangen die Seher:
Nehmet den Gang mir ab! Viel besser entsendet ihr Aias:
Der wird sprechend den Mann, den Zorn macht rasen und Siechtum,
Sänftigen oder geschickt weglocken mit listigem Kunstgriff.
Eher zurück mag Simois gehn und des Laubes entbehren
Ida, eher verheißt wohl Hilfe den Troern Achaia,
Als, wofern mein Kopf nichts täte zu euerem Besten,
Aias' schwacher Verstand je nütze den Danaern wäre.
Sei nur, bitter im Groll, Philoktetes, deinen Gefährten
Feind und dem König und mir, ja rufe Verwünschungen endlos
Über mein Haupt und Fluch, und sehne dich, dass ich dir komme
Unter die zornige Faust und dass mein Blut du verströmest;
Möge, wie du in meiner, so ich in deiner Gewalt sein!
Dennoch geh ich dir nach (auf dass mit mir du zurückkehrst),
Und ich bemächtige mich, so das Glück will, deiner Geschosse
Ebenso gut, wie einst ich fing den dardanischen Seher,
Wie ich den Götterbescheid aufdeckt und Troias Bestimmung,
Wie ich entführt das verwahrte Gebild der phrygischen Pallas
Mitten aus feindlichem Volk. Und mir gleich dünket sich Aias?
Troia zu nehmen verbot das Verhängnis ohne das Bildnis.
Wo ist Aias, der Held? Wo ist des gewaltigen Mannes
Prahlendes Wort? Was fürchtest du hier? Warum ist Odysseus
kühn, durch Wachen zu gehn und sich zu vertrauen dem Dunkel
Und durch Schwerter hindurch nicht nur in die Mauern der Troer,
Sondern zu schleichen hinauf zur Burg und zu rauben die Göttin
Von der geheiligten Statt und den Raub durch Feinde zu tragen?
Hätt ich nicht es getan, dann hätte die Linke bewaffnet
Telamons Sohn nutzlos mit der siebenfältigen Rindshaut.
Dazumal in der Nacht ward ich der Bewältiger Troias;
Pergamos hab ich besiegt, da, als ich es machte besiegbar.
Hinzudeuten mit Blick und Gemurmel auf meinen Tydiden
Lasst nur ab! Ihm bleibt von dem Ruhm der gebührende Anteil.
Du auch warst, wie den Schild für unsere Flotte du hieltest,
Nicht allein; du standest im Schwarm; ich hatte nur einen.
Wüsst er nicht, dass weit nachstehe dem Klugen der Kämpfer,
Dass mitnichten der Preis unbändiger Rechten gehöre,
Würb er selber darum, und mit dem bescheidneren Aias
Würb Eurypylos kühn im Streit, und des edlen Andraimon
Sohn und Idomeneus auch und Meriones, stammend aus gleicher
Heimat, würben darum und der Bruder des ältern Atriden.
Stark sind die mit der Faust und stehen wie du im Gefechte:
Meinem beratenden Geist doch wichen sie. Streitbare Rechte
Hast du, aber Verstand, dem not tut unsere Leitung.
Dein ist Kraft, doch ohne Bedacht, mein Sorge der Zukunft;
Du bist tüchtig im Kampf; die gelegene Stunde des Kampfes
Wählt der Atride mit mir; du nützest allein mit dem Leibe,
Wir mit dem Geist. So viel, wie über dem Amte des Ruderns
Stehet der Lenker des Schiffs, wie über dem Krieger der Führer,
Steh ich höher als du. Auch ist ja in unserem Körper
Besser die Brust als der Arm: aus ihr stammt Leben und Tatkraft.
Auf denn, gebet den Lohn, ihr Edelen, euerem Wächter;
Für Unruhen und Mühn, die so viel Jahre mich drückten,
Gönnt dies Ehrengeschenk zur Vergeltung meiner Verdienste.
Schon ist am Ende das Werk; weg drängt' ich das wehrende Schicksal;
Pergamos hab ich gestürmt, da möglich gemacht die Erstürmung.
Bei dem gemeinsamen Wunsch, bei den fallenden Mauern der Troer,
Bei der unsterblichen Macht, die jüngst ich entführte dem Feinde,
Fleh ich, bei allem dazu, was noch zu vollbringen mit Klugheit,
Wenn auf gefährlichem Pfad noch kühn zu bestehen ein Wagnis,
Wenn ihr vermeint, dass eins noch fehle zu Troias Verderben:
Zeigt euch meiner gedenk! Wenn ihr mir nicht gebet die Waffen,
Gebet sie ihr!" Und er wies auf das wichtige Bild der Minerva.
  3. Entscheidung und Selbstmord des Aias (382-398)
Wirkung tat es im Rat, und die Macht einnehmender Rede
Zeigt der Erfolg: es erhielt der Beredte des Tapferen Waffen.
Er, der Hektor allein, der vielmal Eisen und Feuer,
Iupiter selber bestand, kann stand nicht halten dem Zorne.
Ihn, den keiner bezwang, zwingt Schmerz. Und er fasst nach dem Schwerte:
"Das doch", ruft er, "ist mein! Will das auch heischen Odysseus?
Gegen mich selbst nun sei es gewandt, und das von der Phryger
Blute getrieft oftmals, soll triefen vom Blut des Besitzers,
Dass kein anderer kann als Aias fällen den Aias."
Sprach's und stieß in die Brust, die jetzt erst Wunde gelitten,
Wo für den Stahl Durchgang, die verderbliche Spitze des Schwertes.
Kräfte versagten der Hand, zu entziehen das haftende Eisen;
Blutstrom trieb es heraus, und die Erde, vom Blute gerötet,
Ließ aus dem Rasen erstehen die purpurfarbige Blume,
Die schon früher gekeimt vom Mord des oibalischen Knaben.
Beiden, dem Knaben gemein und dem Mann, steht deutlich ein Schriftzug
Mitten zu sehn auf dem Blatt, so Namen wie Klage bezeichnend.
  4. Philoktetes' Rückkehr, Eroberung Troias, Hecuba (399-428)
Drauf zu dem Heimatland Hypsipyles und des berühmten
Thoas, das in Verruf vom Morde der Männer vor alters,
Segelt der Sieger, von dort die tirynthischen Pfeile zu holen.
Als er dem graiischen Heer sie gebracht, vom Besitzer begleitet,
Legt dem verzögerten Krieg man endlich vollendende Hand an.
Da geht Troia zu Fall samt Priamos. Priamos' Gattin,
Arm und verlassen, verliert nach allem die menschliche Bildung,
Und es erschreckt ihr neues Gebell auswärtige Lüfte,
Wo in die Enge sich zwängt der gedehnete Hellespontos.
Ilion loderte auf, und stets noch brannte das Feuer.
Priamos hatte, der Greis, mit kärglichem Blute befeuchtet
Iupiters Herd. An den Haaren geschleift hielt flehend des Phoibos
Priesterin ohne Erfolg zum Aither gehoben die Hände.
Edle dardanische Fraun, die halten, solang es vergönnt ist,
Heimischer Götter Gebild und in brennenden Tempeln sich drängen,
Schleppen die Graier davon siegsfroh als beneidete Beute.
Jäh wird niedergestürzt Astyanax hoch von dem Turme,
Wo er den Vater so oft, wenn ihn zeigte die Mutter, gesehen,
Wie er gestritten für ihn und behauptet der Ahnen Besitztum.
Boreas mahnet zur Fahrt, und geschwellt von günstigem Lufthauch,
Rauschen die Linnen am Mast, und den Wind heißt nutzen der Schiffer.
"Troia, wir müssen hinweg, fahr wohl!" So ruft der Troaden
Schar, und sie küssen das Land und verlassen die rauchende Heimat.
Kläglich zu sehen, besteigt am letzten von allen die Flotte
Hekabe, die man fand inmitten der Gräber der Söhne.
Wie sie die Hügel umfing und mit Küssen bedeckte die Reste,
Zog die dulichische Hand sie hinweg. Von dem einzigen Hektor
Raffte die Asche sie noch und führte sie mit in dem Busen,
Und ein ergrauetes Haar, zur dürftigen Spende dem Toten,
Ließ sie auf Hektors Grab, ein Haar vom Scheitel und Tränen.
  5. Polydorus (429-438)
Phrygiens Strand alldort, wo Troia gestanden, genüber
Liegt ein Gebiet, von Bistonen bewohnt. Dort war Polymestors
Prächtige Königesburg, dem dich, Polydoros, zur Pflege
Heimlich der Vater vertraut und den phrygischen Kämpfen entzogen,
Weise bedachter Entschluss, wenn nicht auch Schätze er mitgab,
Lohn für frevlige Tat und geizigen Sinnes Verlockung.
Als nun Phrygiens Glück in Staub lag, nimmt der verruchte
König der Thraker das Schwert und durchschneidet die Kehle dem Pflegkind;
Dann, als könnt er die Schuld wegschaffen zugleich mit dem Leichnam,
Stürzt er hinab ins Meer den Entseelten oben vom Felsen.
  6. Polyxena (439-575)
Rastend am thrakischen Strand lag Atreus' Sohn mit der Flotte,
Harrend auf ruhige See und besser befreundete Winde.
Hier steigt plötzlich hervor, so groß, wie er lebend gewesen,
Aus weit berstendem Grund in drohender Haltung Achilleus,
Und in dem Antlitz trug er dieselbige Miene wie damals,
Als er im Grimm angriff mit vermessenem Schwert Agamemnon.
"Mein so wenig gedenk abziehet ihr", sprach er, "Achiver?
Wäre verscharrt mit mir der Dank für unsere Taten?
Das sei fern, und damit mein Grab nicht Ehre vermisse,
Ströme Polyxenas Blut des Achilleus Manen zur Sühne!"
Sprach's und dem zürnenden Geist ward Folge: vom Busen der Mutter
Reißen die Krieger ihr fast noch einziges Kind, und die Jungfrau,
So unglücklich und stark und erhaben ob weiblicher Schwäche,
Wird zu dem Grabe geführt als Opfer an schrecklicher Brandstatt.
Ihrer verblieb sie gedenk, und als sie am grausamen Altar
Stand und ersah, dass ihr nur galt die entsetzliche Feier,
Und Neoptolemos sah dastehen und halten das Eisen,
Während an ihrem Gesicht sein Blick stets haftete, sprach sie:
"Zaudere nicht, lass rinnen das Blut untadligen Adels.
Auf, ich stehe bereit: in den Hals hier oder den Busen
Senke den Stahl!" Und den Hals entblößt sie zugleich und den Busen.
"Nimmer ertrüg's ja doch Polyxena, einem zu dienen -
So wird aber ein Gott durch seltenes Opfer gesühnet.
Bliebe mein Tod nur stets, das wünscht ich, verborgen der Mutter!
Sie nur hindert und trübt mir die Freude des Todes, wiewohl ihr
Nicht mein Tod, vielmehr ihr Dasein ist zu beseufzen.
Ihr, dass nicht unfrei zu den stygischen Manen ich gehe,
Bleibet mir fern, wenn gerecht mein Begehr, und berühret die Jungfrau
Nicht mit männlicher Hand. Für jenen gewiss ist genehmer,
Wem ihr immer gedenkt mein Blut zur Sühne zu weihen,
Frei sich bietendes Blut. Doch falls euch rühren die letzten
Worte von unserem Mund - des Königes Priamos Tochter,
Nicht die Gefangene, fleht -, gebt willig der Mutter die Leiche;
Lasst sie das traurige Recht der Bestattung erkaufen mit Tränen,
Nicht mit Gold! Sie erkaufte mit Gold auch, als sie es konnte."
Also redete sie. Nicht wehret die Menge den Zähren,
Denen Polyxena wehrt. Selbst weinend mit zagender Rechter,
Stößt in die harrende Brust das gebotene Eisen der Priester.
Jene, mit brechendem Knie kraftlos hinsinkend zur Erde,
Ließ nichts blicken von Furcht im Gesicht beim nahenden Ende.
Da auch, während sie fiel, noch war sie besorgt, zu verhüllen,
Was zu bedecken geziemt, und züchtige Scham zu bewahren.
Troias Fraun sind stützend ihr nah und gedenken beweinter
Priamiden, und was ein Haus an Blute gegeben,
Klagen um dich, Jungfrau, und um dich, jüngst Königsgemahlin,
Königsmutter genannt, der blühenden Asia Abbild,
Nun ein verachtetes Stück vom Raub, das der Sieger Odysseus
Nicht hinnähme für sich, wenn dir nicht Hektor das Leben
Hätte verdankt: kaum findet den Herrn für die Zeugerin Hektor.
Die umschlinget den Leib, der bar der entschlossenen Seele;
Tränen, geweint so oft um das Land und den Mann und die Kinder,
Weint um diese sie auch; mit Tränen begießt sie die Wunde,
Deckt mit dem Munde den Mund und schlägt an den trauergewohnten
Busen und schleift im geronnenen Blut das erblichene Haupthaar,
Und mit gegeißelter Brust auch solches zu anderem sprach sie:
"Tochter, du letzter Verlust - denn was bleibt übrig? - der Mutter,
Tochter, du liegst, und ich seh in der deinen die eigene Wunde.
Dass nicht, außer durch Mord, ich einen verlöre der Meinen,
Klafft auch Wunde an dir. Dich hätt' ich, dieweil du ein Weib warst,
Sicher gewähnt vor dem Stahl: als Weib auch sankst du vom Stahle.
Er gab dich in den Tod, der auch so viele der Brüder
Tötete, Troias Verderb und unser Verwaiser, Achilleus.
Als ihn mit dem Geschoss hinstrecketen Paris und Phoibos,
Sprach ich: "Fürder ist nun doch nicht zu fürchten Achilleus."
Da noch war er zu fürchten für mich. Des Bestatteten Asche
Wütet in unsrem Geschlecht, und wir spüren im Grabe den Feind auch.
Furchtbar war ich für Aiakos' Spross. Die gewaltige Troia
Liegt, und des Volks Drangsal ist geendet in schwerer Entscheidung,
Aber sie endete doch. Für mich steht Pergamos jetzt noch,
Und es behält Fortgang mein Schmerz. Jüngst mächtig von allen,
Groß durch die Eidame all, durch die Kinder, die Schnuren, den Gatten,
Muss ich verbannt, hilflos, von den Gräbern der Meinen gerissen,
Fort zu Penelopes Dienst. Die sagt dann Ithakas Müttern,
Deutend auf mich, wenn ich spinne mein Teil: "Das ist die berühmte
Troische Frau, die Hektor gebar, des Priamos Gattin!"
Nach so vieler Verlust bist du in dem Jammer der Mutter
Noch ihr einziger Trost, am feindlichen Grabe geopfert.
Totengabe gebar ich dem Feind. Was bleib und verweil ich,
Hart wie Stahl? Was hebst du mich auf, vieljähriges Alter?
Grausame Götter, wozu noch dehnt ihr das Leben der Greisin,
Als dass Leichen sie sieht stets neu? Wer möchte vermeinen,
Dass nach Pergamos' Fall noch Priamos glücklich zu preisen?
Ja, er ist glücklich im Tod: er sah nicht, wie sie gemordet
Dich, mein Kind, und schied von dem Leben zugleich und der Herrschaft.
Doch sie bestatten dich wohl hochfeierlich, fürstliche Jungfrau,
Setzen gewiss dich bei in der Stammgruft neben den Ahnen?
So wohnt nicht in dem Hause das Glück. Als Spende der Mutter
Werden dir Tränen zuteil und ein Häuflein Sand in der Fremde.
Uns ist alles geraubt. Mir bleibt, weshalb ich dem Leben
Gönne noch kurzen Bestand, Polydoros, der liebste der Mutter,
Jetzo der einzige, sonst vom männlichen Stamme der jüngste,
Den der Ismarierfürst aufnahm an diesen Gestaden.
Doch was säum ich indes, ihr die grausame Wunde zu waschen
Und das bespritzte Gesicht von dem schrecklichen Blute zu säubern?"
Also sprach sie und ging mit wankendem Schritte, die weißen
Haare zerrauft, an den Strand. "Reicht her, Troaden, die Urne!"
Hatte die Ärmste gesagt, dass flüssige Wellen sie schöpfte.
Sieh, sie gewahrt, wie zum Ufer gespült tot liegt Polydoros
Und von dem thrakischen Schwert weit klafft die entsetzliche Wunde.
Laut schrein Troias Fraun; stumm bleibt im Schmerze die Mutter;
Stimme zugleich und Tränen, in ihrem Innern entstanden,
Schluckt ihr der Schmerz hinab, und vergleichbar mit hartem Gesteine
Starrt sie und heftet den Blick bald vor sich hin auf die Erde,
Bald auch richtet sie auf zum Aither das finstere Antlitz;
Bald das Gesicht, bald schaut sie die Wunde des liegenden Sohnes,
Aber die Wunde zumeist, und nährt und schüret den Ingrimm.
Wie er zur Flamme gefacht, da füllt, als bliebe sie immer
Königin, Rache ihr Herz, und sie lebt in Gedanken der Strafe.
So wie die Löwin in Wut, der genommen das saugende Junge,
Ohn ihn zu sehen, dem Feind nachjagt, des Spur sie gefunden:
So nimmt Hekabe auch, da Zorn sie mengte mit Jammer,
Ihres Verlangens gedenk, nicht aber der Jahre gedenkend,
Zu Polymestor den Weg, dem Verüber des grässlichen Mordes,
Und sie begehrt ein Gespräch: Gold wolle sie, das in der Heimat
Läge versteckt, auf dass er es gebe dem Sohn, ihm verraten.
Glaublich erschien's, und der Fürst der Odryser, gewöhnt an die Habgier,
Findet allein sich ein. Arglistig mit schmeichelndem Munde
Sprach er: "Hekabe, gib nur rasch für den Sohn die Geschenke.
Was du mir gibst, was früher du gabst - bei den Himmlischen schwör ich -,
Alles verbleibt für ihn." Wie er redete, schuldig des Meineids,
Schaut sie finster ihn an und wallt von steigendem Zorne.
So nun packt sie ihn fest und ruft der gefangenen Mütter
Menge herzu und stößt in die treulosen Augen die Finger,
Reißt sie im Nu aus den Wangen heraus - stark macht sie der Ingrimm -,
Bohrt mit den Händen und gräbt, mit dem schuldigen Blute besudelt,
Nicht in den Augen, davon nichts blieb, in der Stelle der Augen.
Aber die Thraker, erbost, dass solches dem Herrscher getan war,
Fallen die Troerin an mit Steinen zugleich und Geschossen.
Hinter geworfenem Stein eilt jene mit heiserem Heulen
Und will schnappen danach, und wie sie zu reden gedachte,
Scholl aus dem Rachen Gebell - noch heute, benannt von dem Wunder,
Zeigt man den Ort -, und lange gedenk vormaliger Leiden
Heulte sie da auch noch schmerzvoll in sithonischen Fluren.
Ihre Troianer bewegt und sogar die pelasgischen Feinde
Hekabes herbes Geschick; es bewegt auch alle die Götter,
Alle gesamt, so dass gar Iupiters Gattin und Schwester
Selber gestand, das habe sie nicht zu erleiden verdienet.
  7. Memnon (576-622)
Müßig ist nicht, obwohl sie die nämlichen Waffen begünstigt,
Troias und Hekabes Fall und Verderb zu empfinden Aurora:
Nähere Sorge befängt und häusliche Trauer die Göttin,
Da sie den Memnon verlor. Ihn sah in den phrygischen Feldern
Vom achilleischen Speer hinsinken die rosige Mutter,
Sah's, und der Purpurschein, davon sich die Frühe des Tages
Rötet, erblasste sogleich, und in Wolken verbarg sich der Aither.
Als nun aber der Leib zur Bestattung lag auf dem Feuer,
Konnte die Mutter es nicht ansehn: mit gelösetem Haupthaar,
So wie sie war, verschmähte sie nicht, zu umfassen des großen
Iupiter Knie und so zu Tränen die Worte zu fügen:
"Keiner der Göttinnen gleich, die wohnen im goldenen Aither –
Denn mir stehen erbaut auf Erden die seltensten Tempel –
Komm ich zu dir doch nicht, Wohnstätten und heilige Tage
Mir zu erbitten von dir und mit Feuer zu wärmende Herde.
So du bedächtest indes, was mir du verdankest, dem Weibe,
Wenn ich die Grenzen der Nacht mit erneuetem Lichte bewache,
Schien ich dir Lohns wohl wert. Doch das nicht kümmert Aurora,
Nicht so steht es mit ihr, dass schuldige Ehren sie heische:
Memnons komm ich, des Sohnes, beraubt, der streitbare Waffen
Eitel erhob für den Ohm und bezwungen vom starken Achilleus –
Ihr ja habt es gewollt - in der blühenden Jugend dahinsank.
Gib, ich bitte, zum Trost für den Tod ihm einige Ehre,
Höchster im göttlichen Rat, und lindre die Wunde der Mutter."
Iupiter nickte Gewähr. Als Memnons ragender Holzstoß
Sank mit dem lodernden Brand und die Wirbel des schwärzlichen Rauches
dunkel verdeckten den Tag, gleichwie wenn steigende Nebel
Hauchet der Strom und der Sonne verwehrt nach unten zu dringen,
Flieget die Asch' umher, und zu einem verdichteten Körper
Wird sie geballt und gewinnet Gestalt und eignet vom Feuer
Wärm und Leben sich an. Mit Schwingen begabt sich die leichte.
Ähnlich dem Vogel zuerst, bald aber ein wirklicher Vogel,
Regte sie rauschenden Flug, und zugleich unzählige Schwestern
Rauscheten, alle gezeugt auf die selbige Art. Um den Holzstoß
Kreiset die Schar dreimal, und dreimal geht in die Lüfte
Einig Geschrei; drauf teilt sich der Schwarm in dem vierten der Flüge.
Feindlich geschieden sodann in zwei kampflustige Heere,
Führen sie blutigen Krieg und fallen mit Schnäbeln und Krallen
Zornig sich an und ermüden die Brust und die Flügel im Andrang,
Und das entstandne Geschlecht, das verwandt der bestatteten Asche,
Sinkt als Opfer am Grab und gedenkt der Entstehung vom Helden.
Vom Urheber behält das neue Geflügel den Namen,
Memnonsvögel genannt. Wenn Sol zwölf Zeichen durchlaufen,
Eilen sie wieder zum Kampf und sterben dem Vater zur Sühne.
War drum kläglich zu sehn, dass bellte die Tochter des Dymas,
Anderen, eigenem Leid hängt nach Aurora, und Zähren
Weiht sie dem Sohn noch jetzt und betauet die sämtlichen Lande.
  8. Fahrt des Aeneas nach Delos (623-631)
Doch nicht lässt das Geschick mit Troias Mauern die Hoffnung
Schwinden. Das heilige Gut und das andre dazu, den Erzeuger,
trägt der kytherische Held, ehrwürdige Last, auf der Schulter.
Ihn und den Sohn Askanios wählt als Beute der Fromme
Aus so reichem Besitz und begibt sich mit flüchtiger Flotte
Weg von Antandros in See, und die ruchlosen Schwellen der Thraker
Lässt er zurück und das Land, das jüngst mit Blut Polydoros
Hatte genetzt, und bei dienlichem Wind und günstiger Strömung
Landet er nun bei der Stadt des Apollon mit seinen Gefährten.
  9. Anius (632-674)
Ihn nimmt Anios auf gastfreundlich in Tempel und Wohnung,
Der für das Volk treu wacht' als Fürst, als Priester für Phoibos,
Und sie besehen die Stadt und das heilige Haus und die beiden
Stämme, daran vormals sich kreißend gehalten Latona.
Als Weihrauch sie den Flammen geweiht nebst Güssen des Weines,
Auch nach Sitte verbrannt die Geweide geschlachteter Rinder,
Gehn sie zum Königsschloss, und auf hoch daliegendem Teppich
Nehmen sie Ceresfrucht mit der flüssigen Gabe des Bakchos.
Drauf Anchises der Greis: "O trefflicher Priester des Phoibos,
Irr ich mich? Hattest du nicht, wie zuerst ich schaute die Stadt hier,
Außer dem Sohn vier Töchter, soviel im Geiste mir vorschwebt?"
Anios schüttelt das Haupt, mit der schneeigen Binde umgeben;
Traurig erwidert er dann: "Mitnichten, erhabener Heros,
Irrest du dich: du hast als Vater von fünfen gesehen,
Den du nun - so spielt mit den Menschen der Wechsel der Dinge -
Siehst beinahe verwaist. Denn was für Stütze gewährt mir
Mein abwesender Sohn, den, ihm gleichnamig, das Eiland
Andros besitzt, wo er Reich und Gebiet für den Vater verwaltet?
Deutungsgabe verlieh ihm der Delier; andere Gabe,
Mehr als je sie gewünscht und mehr als glaublich, gewährte
Liber dem weiblichen Stamm: durch unserer Töchter Berührung
Wandelte alles sich um zu Getreide, zu Beeren Minervas
Oder zu lauterem Wein, und Gewinn kam reichlich von ihnen.
Wie das Atreus' Sohn, der Zertrümmerer Troias, vernommen -
Magst du erkennen daraus, dass wir auch etwas erfahren
Von dem Gewitter bei euch -, da, Stärke der Waffen gebrauchend,
Riss er sie weg mit Gewalt vom Schoße des Vaters und hieß sie
Durch ihr Himmelsgeschenk die argolische Flotte versorgen.
Flucht nimmt jede, wohin sie vermag. Zwei gehn nach Euboia,
Während die anderen zwei sich nach Andros begeben zum Bruder.
Kriegsvolk naht und bedroht mit Krieg, falls jene man weigre.
Über die Lieb obsiegte die Furcht, und er gab die verwandten
Seelen heraus. Doch magst du verzeihen dem zagenden Bruder:
Nah war nicht Aineias und nicht, zu beschützen den Andros,
Hektor, der Held, durch die ihr standet ins zehnte der Jahre.
Fesseln waren bereit schon für die gefangenen Arme.
Jene, die Hände bis jetzt noch frei aufhebend zum Himmel,
Fleheten: "Steh uns bei, o Vater Lyaios", und Beistand
Gab der Verleiher der Gunst, wenn Beistand heißet Vernichtung
Außergewöhnlicher Art. Doch wie die Gestalt sie verloren,
Das ward nie mir bekannt; auch jetzt nicht kann ich es sagen.
Was draus ward, ist bekannt: sie wurden befiedert zu Vögeln,
Die dein göttliches Weib wert hält, zu schneeigen Tauben."
  10. Orion (675-699)
Als sie die Stunden des Mahls mit solchen und anderen Reden
Hatten verbracht, ward Ruhe gesucht nach geräumeter Tafel.
Früh mit dem Tag sind sie auf und befragen des Phoibos Orakel,
Und zu dem Ursitz heißt er sie ziehn, zum verwandten Gestade.
Anios gibt das Geleit und beschenkt mit prächtigem Zepter
Scheidend Anchises, den Freund, mit Mantel und Köcher den Enkel;
Für Aineias bestimmt ist ein Krug, den jenem vor Zeiten
Therses geschickt vom aonischen Strand, der ismenische Gastfreund.
Therses hatt' ihn geschickt, doch Alkon hatt ihn gefertigt,
Hylai entstammt, und geziert mit vielen getriebenen Bildern.
Häuser erschienen darauf, und deutlich gewahrte man sieben
Tore, daran zu erkennen die Stadt auch ohne den Namen.
Leichengefolg vor der Stadt, Grabhügel, geschichtete Brände,
Mütter mit fliegendem Haar und mit unverhülletem Busen
Deuten auf Trauer und Weh. Auch weinende Nymphen erblickt man,
Die um vertrockneten Born Leid tragen. Entkleidet des Laubes
Starret der Baum. An dürrem Gestein gehn rupfende Ziegen.
Mitten in Thebai stehn zu sehen die Töchter Orions,
Wie sich den offenen Hals nicht weibisch die eine verwundet,
Wie die entschlossene Brust mit dem Stahl durchbohrend die andre
Fällt, zu erlösen ihr Volk, und wie man im ehrenden Grabzug
Hin durch die Straßen sie trägt und verbrennt an belebeter Stätte;
Wie zwei Jünglinge dann aus der Jungfraun Asche sich heben,
Dass sich erhalte der Stamm, Koronen genannt von der Sage,
Die dann führen den Zug, der die Asche der Mütter bestattet.
  11. Weiterfahrt des Aeneas (700-729)
Soweit glänzten Gebild am Erze des alten Gefäßes;
Oben umgab es gezackt mit Golde bezogner Akanthos.
Gaben erstatten dafür nicht leichter an Wert die Troianer:
Phoibos' Priester erhält Weihrauch einschließende Büchse,
Opfergeschirr und von Gold und Gestein hell blitzende Krone.
Drauf nun fuhren sie ab, in Erinnerung, dass sich die Teukrer
Führten auf Teucer zurück, nach Kreta, aber das Klima
Konnten sie dort nicht lange bestehn, und verlassend die hundert
Städte, verlangten sie jetzt im ausonischen Hafen zu rasten.
Sturmwind wütet und wirft sie umher, und wie der Strophaden
Tückische Bucht sie erreicht, bringt Schreck die beschwingte Aello.
Schon an dulichischer Bucht, an Ithaka schon und an Samos
Und am neritischen Sitz, dem Gebiete des falschen Odysseus,
Ging vorüber die Fahrt. Ambrakia, welche die Götter
Reizte zum Streit, und den Fels in Gestalt des gewandelten Richters
Schauen sie, der nunmehr Ruf hat von dem aktischen Phoibos,
Auch das dodonische Land, das redet im kündenden Eichstamm,
Und die chaonische Bai, wo einst des molossischen Königs
Söhne dem frevligen Brand mit erwachsenen Flügeln entflohen.
Nach dem Phaiakengebiet, das mit Obste gesegnet zunächst war,
Steuern sie dann. Drauf geht nach Epiros die Fahrt und Buthrotus,
Troias ähnlichem Bild, wo herrschte der phrygische Seher.
Sicher der Zukunft nun, denn jegliches hatte geweissagt
Helenos, Priamos' Sohn, treu mahnend, gelangten sie glücklich
An das sikanische Land. Das streckt drei Zungen ins Meer aus,
Davon dem Regen des Südens Pachynos entgegen sich wendet,
Sanft anwehenden West sich beut Lilybaeum, zur Bärin,
Welcher die Wogen versagt, und zum Boreas schauet Peloros.
Da nun kommen sie hin, und mit Rudern und günstiger Strömung
Landet bei sinkender Nacht an Zankles Sande die Flotte.
  12. Scylla (730-749)
Rechts bellt Skylla mit Graus, links droht nie rastend Charybdis.
Diese verschlingt und speit dann wieder geraffete Kiele.
Jene, den schwärzlichen Bauch mit grimmigen Hunden gegürtet,
Trägt Jungfrauengesicht, und wofern nicht alles erfunden,
Was uns Dichter gesagt, sie war einst wirkliche Jungfrau.
Viele begehrten sie wohl zum Weib: sie, spröde den Freiern,
Ging zu den Nymphen des Meers, lieb allen den Nymphen des Meeres;
Ihnen erzählte sie dann, wie der Jünglinge Liebe vereitelt.
Während zum Kämmen das Haar ihr einst hinhielt Galateia,
Redete diese zu ihr tief seufzend die folgenden Worte:
"Dich, o Mädchen, begehrt kein Geschlecht rachsüchtiger Männer;
Straflos darfst du sie doch, wie du tust, abschlägig bescheiden:
Mir, die Nereus erzeugt und die bläuliche Doris geboren,
Die sich geborgen dazu auch weiß von der Menge der Schwestern,
War nicht anders vergönnt zu entgehn dem verliebten Kyklopen,
Als mit Jammer und Leid." Und die Stimm erstickten ihr Tränen.
Wie sie mit marmornem Daumen sie hatte getrocknet der Göttin
Und sie getröstet zugleich, sprach Skylla: "Erzähle mir, Traute;
Hehle mir nicht - mir darfst du vertrauen - den Grund der Betrübnis."
Also versetzte dem Kind der Krataiis die Tochter des Nereus:
  13. Acis und Galatea (750-897)
"Akis, von Faunus gezeugt mit einer symaithischen Nymphe,
War herzinnige Lust für den Vater sowohl wie die Mutter,
Aber für mich noch mehr: er hatte mich einzig gefesselt.
Schön war Wuchs und Gesicht, und die zart gerundeten Wangen
Zeichnete spärlicher Flaum nach dem zweimal achten Geburtstag.
Nach ihm trachtete ich, nach mir endlos der Kyklope.
Wolltest du fragen jedoch, ob wir mehr Liebe dem Akis,
Ob mehr Hass dem Kyklopen gehegt, nicht könnt ich es sagen:
Gleich war beides in mir. Wie weit, holdselige Venus,
Reicht nicht deine Gewalt! Selbst jener entsetzliche Unhold,
Wäldern ein Grauen sogar, den straflos nimmer ein Fremdling
Schaute, des großen Olymp und der ewigen Götter Verächter,
Wird, was Liebe, gewahr, und zu uns von Verlangen ergriffen,
Glüht er und hat nicht acht auf das Vieh und die bergende Höhle.
Schon nun bist du bedacht auf Putz und bedacht zu gefallen,
Kämmst dein borstiges Haar sorgsam mit dem Karst, Polyphemos,
Und es beliebt dir, den struppigen Bart mit der Sichel zu stumpfen,
Auch dein wüstes Gesicht im Wasser zu schaun und zu ordnen.
Wildheit, Liebe zum Mord und der unersättliche Blutdurst
Rasten, und ohne Gefahr nun kommen und gehen die Schiffe.
Telemos, während der Zeit zur sikulischen Aitna verschlagen,
Telemos, Eurymos' Sohn, den nimmer betrogen ein Vogel,
Kommt zu dem Ungetüm Polyphemos: "Das einzige Auge",
Spricht er, "inmitten der Stirn wird einst dir benehmen Odysseus."
Doch der lacht und versetzt: "O dümmster der Seher, du irrst dich:
Eine benahm es mir schon." So spottet er sein, der vergebens
Richtig gewarnt, und drückt bald schreitend mit mächtigem Fußtritt
Schwer auf den Strand, bald kehret er müd in die finstere Höhle.
Weit ragt vor in die Flut keilförmig ein Hügel mit langer
Spitze; zur Rechten bespült ihn die Woge des Meers und zur Linken.
Diesen ersteiget der wilde Kyklop und sitzt in der Mitte;
Sein wolltragendes Vieh kam folgend, von keinem getrieben.
Als er die Fichte darauf, die, Rahen zu tragen geeignet,
Dienst ihm tat als Stock, vor die Füße gelegt und die Flöte
Hielt am Munde, gefügt aus hundert vereinigten Rohren,
Ward sein Hirtengepfeif von den Bergen gespürt in der Runde,
Ward es gespürt von der Flut. Ich hörte, dem trautesten Akis
Sitzend im Schoß und gedeckt vom Felsen, mit eigenen Ohren
Folgende Worte von fern und behielt im Geist das Gehörte:
"O Galateia, so weiß wie das Blatt schneehellen Ligusters,
Blühend und frisch wie die Au, so schlank wie die ragende Erle,
Glänzend wie heller Kristall, schalkhaft wie das hüpfende Böcklein,
Glatt wie von ständigem Meer am Strande gewaschene Muscheln,
Lieblich wie sonniger Schein im Winter, wie Schatten im Sommer,
Edel wie saftiges Obst und schmuck wie die hohe Platane,
Licht wie spiegelndes Eis und süß wie die zeitige Traube,
Weich wie Flaum am Schwan und wie Milch vom Labe geronnen,
Reizend zu sehn, wenn nicht du entfliehst, wie gewässerter Garten!
O Galateia, zudem starrsinnig wie trotzende Rinder,
Trüglich wie wallende Flut, hart gleich vieljähriger Eiche,
Zäh wie Weidengesträuch, wie weißliche Ranken am Weinstock,
Unnachgiebig wie hier das Gestein, aufbrausend wie Stromfall,
Stolz wie der prächtige Pfau, weh tuend wie brennendes Feuer,
Heftig wie stechender Dorn, unsanft wie die säugende Bärin,
Taub wie die wogende See und erbost wie getretene Otter,
Was ich vor allem zumeist dir gern auch möchte benehmen,
Rascher im Lauf als der Hirsch, den jagt helltönendes Bellen,
Flüchtiger noch als der Wind und als der geflügelte Lufthauch!
Kenntest du mich nur recht, dich reute die Flucht, und das spröde
Zaudern verdammtest du selbst und trachtetest mich zu erhalten.
Tief im Berge gewölbt von lebendigem Felsen die Höhle
Nenne ich mein, wo nie in der Schwüle des Sommers die Sonne,
Nie mich Winter erreicht. Auch Obst an belasteten Zweigen
Hab ich und Trauben, wie Gold an den rankenden Reben erglänzend,
Purpurne auch sind mein: dir sparen wir diese wie jene.
Schwellende Erdbeern auch, im waldigen Schatten gewachsen,
Kannst du mit eigener Hand dir pflücken und herbstliche Kirschen,
Pflaumen dazu, nicht bloß von dunkelem Safte gebläute,
Sondern veredelte auch, frisch glänzendem Wachse vergleichbar;
Nie auch fehlet es dir an Kastanien, bist du die Meine,
Noch an Arbutusfrucht: dir dient dann jeglicher Obstbaum.
All dies Vieh ist mein; auch viele noch irren in Tälern,
Viele noch heget der Wald, und gestallt sind viele in Höhlen.
Wenn du mich fragtest danach, nicht könnt ich dir sagen die Anzahl:
Dürftige zählen allein ihr Vieh. Von dem Lobe des meinen
Glaube mir nichts aufs Wort; komm selbst und betrachte die Schafe,
Wie mit den Beinen sie kaum umgehen den strotzenden Euter.
Hier sind, jüngere Zucht, in laulichen Ställen die Lämmer;
Dort gleichalterig sind in anderen Ställen die Zicklein.
Schneeige Milch ist immer zur Hand; die heb ich zum Trinken
Teils mir auf, teils wird sie verdickt vom erweicheten Labe.
Nicht bloß schaff ich dir auch mühlos zu erlangende Kurzweil,
Gaben gewöhnlicher Art, wie Reh und Hasen, ein Böcklein,
Oder von Tauben ein Paar, aus dem Wipfel genommene Nester:
Unlängst hab ich entdeckt, für dich ein ergötzliches Spielwerk,
Ganz einander sich gleich, dass kaum du vermagst sie zu scheiden,
Hoch auf erklommenem Berg zwei Junge der zottigen Bärin;
Diese entdeckt ich und sprach: "Die heben wir auf für die Liebste."
Hebe das niedliche Haupt nun auch aus dem bläulichen Meere,
Komm, Galateia, herauf und verschmäh nicht unsere Gaben.
Wahrlich, ich kenne mich wohl: ich sah mich im Spiegel des Wassers
Unlängst, und es gefiel mir meine Gestalt bei dem Anschaun.
Siehe, wie groß ich bin! Nicht ist in dem Himmel an Wuchse
Iupiter größer als ich. Ihr pflegt euch ja zu erzählen,
Dass da herrsche ein Mann wie Iupiter. Reichliches Haar hängt
Über mein ernstes Gesicht und beschattet wie Wald mir die Schultern.
Dass auch rauh und dicht mir am Leib stehn starrende Borsten,
Achte für hässlich es nicht. Laublos sind hässlich die Bäume,
Hässlich das Ross, hüllt nicht ihm die Mähne den bräunlichen Nacken;
Vögel bekleidet ihr Flaum; zur Zierd ist Wolle den Schafen:
Männern geziemet der Bart und struppige Borsten am Leibe.
Nur ein Äug ist inmitten der Stirn mir, aber vergleichbar
Einem gewaltigen Schild. Wie? Sieht von der Weite des Himmels
Sol nicht alles umher? Auch ihm ist ein einziger Kreis nur.
Füge dazu, dass in euerem Meer mein Vater gebietet:
Der soll Schwäher dir sein. Hab endlich Erbarmen, erhöre
Mein inständiges Flehn. Denn dir nur lieg ich zu Füßen.
Ich, der Iupiter höhnt und den schmetternden Blitz und den Himmel,
Scheue mich, Nymphe, vor dir: dein Zorn ist schlimmer als Blitzstrahl.
Eher ertrüg ich noch mit Geduld auch diese Verachtung,
Miedest du alle zugleich. Warum, den Kyklopen verschmähend,
Liebst du den Akis und wählst vor meinen Umarmungen Akis?
Mag der aber an sich, magst du, Galateia, Gefallen
Finden an ihm - mein Wunsch ist's nicht -, wenn ich ihn erwische,
Wird ihm gezeigt, wie die Kraft auch stimmt zu der Größe des Leibes.
Lebend reiß ich ihm aus die Geweid und streu ihn in Fetzen
Über die Felder und dir - so einiget euch - in die Wellen.
Denn heiß brennt es in mir, und gestört braust wilder die Flamme;
Ja, mich dünkt, als trüg ich mit seinen Gewalten den Aitna
Hier in den Busen versetzt, und nichts rührt dich, Galateia."
Als er umsonst so hatte geklagt - denn alles bemerkt ich –
Springt er empor und tobt wie ein Stier, dem genommen die Färse,
Kann nicht rasten und irrt in gewohneten Triften und Wäldern.
Da wird Akis und mich, die nichts argwöhnend und harmlos
Saßen, der Wilde gewahr. "Ich seh euch", ruft er, "und diesmal
Pflegt ihr zuletzt, das schwör ich euch zu, einmütiger Liebe."
Machtvoll scholl sein Ruf, so laut, wie nur ein Kyklope
Zornig die Stimme erhebt. Vor dem Schrei'n entsetzte sich Aitna.
Ängstlich verbarg ich mich in der Tiefe der nahen Gewässer.
Bang auch hatte zur Flucht sich gewandt der symaithische Jüngling:
"Rette mich, ach, Galateia, ich bitt euch, rettet mich, Eltern!"
Rief er. "In euer Gebiet gebt mir, dem Verlorenen, Einlaß!"
Hinter ihm kommt der Kyklop, und ein Stück vom Berge gerissen,
Schickt er ihm nach, und wiewohl zu jenem die äußerste Ecke
Nur von dem Berge gelangt, ward ganz doch Akis verschüttet.
Was uns aber zu tun von dem Schicksal einzig vergönnt war,
Taten wir: dass sich die Kräfte des Ahns aneignete Akis.
Unter der Masse hervor floss punisches Blut, und nach Ablauf
Kurz andauernder Frist fing an zu verschwinden die Röte;
Farbe des Stroms, den Regen getrübt, ist nun zu gewahren;
Die auch klärt sich gemach. Drauf spaltet sich berstend die Steinlast;
Schlank aufsteigend ersteht aus den Ritzen lebendiges Schilfrohr,
Und der geöffnete Fels tönt rauschend von quellendem Wasser.
Plötzlich, o Wunder, entragt bis zur Mitte des Bauches den Wellen,
Um sein neues Gehörn Rohrflechten gewunden, ein Jüngling,
Der, nur größer zu sehn und bläulich im ganzen Gesichte,
Akis glich. Auch so noch war er, gewandelt zum Strome,
Akis, und ständig verblieb bei dem Fluss vormaliger Name."
  14. Scylla und Glaucus (898-968)
Damit war Galateia am Schluss, und die Töchter des Nereus
Trennten sich nun und schwammen zerstreut in ruhigen Wellen.
Skylla wanderte heim, denn sie wagte sich offenem Meere
Nicht zu vertraun. Bald irrt sie im durstigen Sande gewandlos,
Bald auch kühlt sie, erschöpft vom Weg, wenn grade sich darbot
Einsam liegende Bucht, in umschlossener Welle die Glieder.
Siehe, zerteilend die Flut ist ein neuer Bewohner des Meeres,
Der jüngst Wandlung erfuhr im euboiischen Sund bei Anthedon,
Glaukos, genaht und betrachtet mit sehnlichem Auge die Jungfrau.
Alles, womit er vermeint die Entfliehende halten zu können,
Sagt er zu ihr. Doch Skylla entflieht, und hastig in Schrecken
Klimmt sie zur Höhe des Bergs, der nah am Strande gelegen.
Hoch steht dicht an dem Sund, zur einzigen Spitze sich engend,
Steil aus dem Meer aufsteigend und wieder sich senkend, ein Felsen.
Hier, am sicheren Ort, steht jene und wundert sich, zweifelnd,
Ob ein Getier das oder ein Gott sei, über die Farbe,
Über das wallende Haar, das die Schultern bedeckt und den Rücken,
Und den gewundenen Fisch, der unten am Bauche sich anschließt.
Jener bemerkt's und spricht, an die Klippe gelehnt, die zunächst war:
"Weder ein Wundergeschöpf noch Seetier bin ich, o Jungfrau,
Sondern ein Gott in der Flut, und stärker gebieten den Wassern
Triton und Proteus nicht und der Athamantide Palaimon.
Ehdem war ich jedoch ein Sterblicher, aber dem tiefen
Meere geneigt und in ihm schon damals immer beschäftigt.
Denn bald zog ich herauf die fischnachziehenden Netze,
Bald auch saß ich am Felsen und hielt am Rohre die Angel.
Nahe dem Ufer des Meers hinzieht sich ein grünender Anger.
Hier ist von Wellen der Strand und dort umgürtet von Kräutern,
Die mit dem Biss noch nie horntragende Rinder versehrten,
Nie auch friedliche Schaf abrupften und struppige Ziegen.
Niemals sammelte dort von Blumen die emsige Biene,
Niemals flocht man dem Haupt dort fröhliche Kränze, und niemals
Hatte die Hand mit der Sichel gemäht. Ich saß als der erste
Dort im Rasen und ließ abtrocknen die triefenden Netze.
Um nach der Reih indes die gefangenen Fische zu mustern,
Goss ich im Grase sie aus, die teils in die Netze der Zufall,
Teils leichtgläubiger Wahn an die hakige Angel getrieben.
Gleichwie Dichtung erscheint's; was frommt mir aber zu dichten?
Als sie berührten das Gras, da beginnt mein Fang sich zu regen,
Wirft sich herum und strebt auf dem Land ganz so wie im Meere.
Während verwundert ich stand und zögerte, flieht in die Wellen
Wieder der Schwarm und verlässet den Strand und den neuen Besitzer.
Staunend besann ich mich lang und forschete, wie es gekommen,
Ob das irgendein Gott, ob Saft vom Gras es bewirkte.
"Was für Gras", so sprach ich, "vermag das aber?" Und Halme
Pflückt ich mir ab mit der Hand und kaute sie zwischen den Zähnen.
Kaum nun hatte den Saft nichts ahnend die Kehle gesogen,
Als ich empfand, wie plötzlich die Brust unruhig bewegt war,
Und mir Verlangen das Herz hinzog nach dem anderen Reiche.
Lang nicht könnt ich bestehen den Drang: "Für immer, o Erdreich,
Leb denn wohl!" so sprach ich und tauchte den Leib in die Meerflut.
Aber die Götter des Meers, mir gönnend gemeinsame Ehre,
Fordern Okeanos auf und Tethys, von hinnen zu nehmen,
Was ich Sterbliches trug. Von ihnen empfang ich die Weihe:
Während mich läutert von Schuld neun Male gesprochener Zauber,
Heißt man mich baden die Brust in hundert bespülenden Flüssen.
Wallende Ströme sofort, von verschiedenen Seiten ergossen,
Drängen sich über mein Haupt und alle Gewässer der Meerflut.
So weit kann ich dir noch kundtun, was mir sich begeben,
So weit weiß ich es noch: bei dem Weiteren war ich bewusstlos.
Als die Besinnung gekehrt, da fand ich mich wieder, am Leibe
Gar nicht mehr wie zuvor und völlig verändert im Geiste.
Da nun sah ich zuerst stahlblau und grünlich von Farbe
Hier den Bart und das Haar, das lang hinstreicht in den Fluten,
Umfangreicher als sonst die Schultern und bläulich die Arme,
Unter die Schenkel gekrümmt zum flossigen Schweife des Fisches.
Doch was hilft die Gestalt, was Gunst bei den Mächten des Meeres,
Was die Vergötterung mir, lässt dich das alles gefühllos?"
Während der Gott so sprach und weiter gedachte zu reden,
Eilete Skylla davon. Wut fasst den Verschmähten, und zornig
Geht er zum Zauberpalast, wo haust die titanische Circe.
   
  Übersetzung nach R.Suchier bearbeitet von E.Gottwein
Text und gegliederte Inhaltsangabe der Metamorphosen Ovids, Bücher I - XV
Lat.-Dt.Txt. I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV lateinisch - deutsch
Kompos. I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV Inhalt
 

 

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