|
|
1. Prooemium (1-4) |
|
Götteranruf (1-4)
|
|
In nova fert animus mutatas dicere formas corpora; di, coeptis (nam vos mutastis et illas) adspirate meis primaque ab origine mundi ad mea perpetuum deducite tempora carmen! |
Lust wird rege zum Sang, wie sich Formen in andere Körper Wandelten. Götter, o seid - ihr habt ja auch sie gewandelt - Meinem Beginnen geneigt, und vom Uranfange der Schöpfung Führt bis auf unsere Zeit des Gedichts fortlaufenden Faden. |
|
2. Die
Weltentstehung (5-88) |
|
Die Ursuppe (Systole) (5-20)
|
|
Ante mare et terras et quod tegit omnia caelum unus erat toto naturae vultus in orbe, quem dixere chaos: rudis indigestaque moles nec quicquam nisi pondus iners congestaque eodem non bene iunctarum discordia semina rerum. |
Ehe denn Meer und Land und der alles bedeckende Himmel,
War in dem ganzen Bereich der Natur ein einziges Aussehn, Das man Chaos genannt, ein verworrenes rohes Gemenge, Anderes nicht als träges Gewicht und zwistige Keime, Trübe zu einem gehäuft zu lose verbundenen Stoffen. |
|
nullus adhuc mundo praebebat lumina Titan, nec nova crescendo reparabat cornua Phoebe, nec circumfuso pendebat in aere tellus ponderibus librata suis, nec bracchia longo margine terrarum porrexerat Amphitrite; |
Noch goss kein Titan in das Weltall leuchtende Strahlen,
Noch nicht füllete aus durch Zuwachs Phoibe die Hörner. Eignes Gewicht auch hielt noch nicht frei schwebend die Erde In der umfließenden Luft, noch breitete Amphitrite Nicht weithin an dem Rand daliegender Länder die Arme: |
|
utque erat et tellus illic et pontus et aer, sic erat instabilis tellus, innabilis unda, lucis egens aer; nulli sua forma manebat, obstabatque aliis aliud, quia corpore in uno frigida pugnabant calidis, umentia siccis, |
Da, wo Aither, alldort war Erdreich, Luft und Gewässer. So war nicht zum Stehen das Land, zum Schwimmen die Woge, Lichtes entbehrte die Luft, die Gestalt blieb keinem beständig. Eins war feindlich im Wege dem anderen, weil in der Masse Kaltes im Streit stets lag mit Warmem, mit Trockenem Feuchtes, |
|
mollia cum duris, sine pondere, habentia pondus. |
Weiches mit Hartem und mit dem Gewichtigen das, was gewichtlos. |
|
Elementare Ausdifferenzierung (Diastole) (21-31)
|
|
Hanc deus et melior litem natura diremit. nam caelo terras et terris abscidit undas et liquidum spisso secrevit ab aere caelum. quae postquam evolvit caecoque exemit acervo, |
Aber dem Zwist gab Schlichtung ein Gott und die bessere Triebkraft,
Denn er schied von dem Himmel das Land und vom Lande die Wogen, Und von der dunstigen Luft los trennt' er den lauteren Himmel. Als er so sie entwirrt und dem finsteren Haufen entnommen, |
|
dissociata locis concordi pace ligavit: ignea convexi vis et sine pondere caeli emicuit summaque locum sibi fecit in arce; proximus est aer illi levitate locoque; densior his tellus elementaque grandia traxit |
Schloss er gesondert im Raum sie zusammen in friedlicher Eintracht. Ohne Gewicht stieg auf lichtvoll des gewölbeten Himmels Feurige Kraft und ersah sich die Statt in der obersten Höhe. Ihr ist die Luft am nächsten im Raum und im Mangel an Schwere. Dichter als sie zog an die gröberen Teile die Erde, |
|
et pressa est gravitate sua; circumfluus umor ultima possedit solidumque coercuit orbem. |
Niedergedrückt durch eignes Gewicht. Das umströmende Wasser Wählte den äußersten Sitz und umschloss den gefestigten Erdkreis.
|
|
Gestaltung von Erde und Himmel zu elementaren Lebensräumen (32-71)
|
|
Sic ubi dispositam quisquis fuit ille deorum congeriem secuit sectamque in membra coegit, principio terram, ne non aequalis ab omni |
Wie er so das Gemisch, wer jener der Götter gewesen, Ordnend hatte zerteilt und in Schichten gefügt das zerteilte, Rundete er im Beginn, auf dass nach jeglicher Seite |
|
parte foret, magni speciem glomeravit in orbis. tum freta diffundi rapidisque tumescere ventis iussit et ambitae circumdare litora terrae; addidit et fontes et stagna inmensa lacusque fluminaque obliquis cinxit declivia ripis, |
Gleich sie wäre, zur Form großmächtigen Kugel die Erde. Dann goss Fluten er aus und hieß sie von tobenden Winden Schwellen und rings umfangen umgürteter Erde Gestade; Quellen gesellt' er dazu und Seen und unendliche Sümpfe Und wies Flüssen die Bahn in den Grenzen gewundener Ufer, |
|
quae, diversa locis, partim sorbentur ab ipsa, in mare perveniunt partim campoque recepta liberioris aquae pro ripis litora pulsant. iussit et extendi campos, subsidere valles, fronde tegi silvas, lapidosos surgere montes, |
Die in verschiedenem Lauf teils werden geschlürft von dem Grunde, Teils hinkommen zum Meer und, empfangen vom offenen Felde Freierer Flut anstatt der Ufer bespülen die Küsten. Ebenen ließ er sich auch ausdehnen und Täler sich senken, Wälder sich decken mit Laub, aufsteigen die steinigen Berge. |
|
utque duae dextra caelum totidemque sinistra parte secant zonae, quinta est ardentior illis, sic onus inclusum numero distinxit eodem cura dei, totidemque plagae tellure premuntur. quarum quae media est, non est habitabilis aestu; |
Und wie den himmlischen Raum zwei Gürtel durchschneiden zur Rechten, Links gleichviel und heißer als sie in der Mitte der fünfte, So in die nämliche Zahl schied auch die geschlossene Masse Sorglich der Gott, und es trägt gleich viele der Striche die Erde. Der in der Mitte sich zieht, ist nicht vor Hitze bewohnbar; |
|
nix tegit alta duas; totidem inter utramque locavit temperiemque dedit mixta cum frigore flamma. Inminet his aer, qui, quanto est pondere terrae pondus aquae levius, tanto est onerosior igni. illic et nebulas, illic consistere nubes |
Zwei deckt mächtiger Schnee; zwei legte er zwischen die beiden, Denen er Mäßigung gab, mit der Glut die Kälte vermengend. Drüber schwebet die Luft, die lastender ist als das Feuer So viel, wie an Gewicht nachsteht der Erde das Wasser. Dort hieß Nebel er auch, dort dunstige Wolken sich lagern |
|
iussit et humanas motura tonitrua mentes et cum fulminibus facientes fulgura ventos. His quoque non passim mundi fabricator habendum aera permisit; vix nunc obsistitur illis, cum sua quisque regat diverso flamina tractu, |
Samt dem Donnergeroll, das menschliche Herzen erschrecke, Und mit den Blitzen zugleich die Frost herführenden Winde. Ihrem Gelüste jedoch gab nicht zum Schweifen den Luftraum Frei der Erbauer der Welt. Kaum wird jetzt ihnen gewehret, Da in verschiedenem Strich sein Wehn doch jeglicher richtet, |
|
quin lanient mundum; tanta est discordia fratrum. Eurus ad Auroram Nabataeaque regna recessit Persidaque et radiis iuga subdita matutinis; vesper et occiduo quae litora sole tepescunt, proxima sunt Zephyro; Scythiam septemque triones |
Dass sie zerreißen die Welt: so liegen in Hader die Brüder. Fern zu Aurora entwich, gen Persien und Nabatäa Und zu den Höhen der Ost, die stehen im Lichte des Morgens; Abendlich Land und die Küsten gewärmt von der sinkenden Sonne
Liegen dem Weste zunächst; die Skythen befällt und die sieben |
|
horrifer invasit Boreas; contraria tellus nubibus adsiduis pluviaque madescit ab Austro. haec super inposuit liquidum et gravitate carentem aethera nec quicquam terrenae faecis habentem. Vix ita limitibus dissaepserat omnia certis, |
Stiere der schaurige Nord; durch unablässige Wolken
Nässt gegenüber das Land der regengeschwängerte Südwind. Drobhin lagert' er dann den klar durchsichtigen Aither, Der von Schwere befreit nichts hat von der irdischen Hefe. Kaum nun hatt' er verzäunt das alles in sichere Grenzen, |
|
cum, quae pressa diu fuerant caligine caeca, sidera coeperunt toto effervescere caelo; |
Als die Gestirne, die lang sich gepresst in jenem Gemenge Bargen, am Himmel umher glanzreich begannen zu flimmern. |
|
Besiedlung der elementaren Lebensräume (72-88)
|
|
neu regio foret ulla suis animalibus orba, astra tenent caeleste solum formaeque deorum, cesserunt nitidis habitandae piscibus undae, |
Jetzo, damit kein Raum ermangele seiner Bewohner, Haben den himmlischen Sitz mit den Sternen die Göttergestalten; Wohnstatt ward in den Wellen verliehn den glänzenden Fischen; |
|
terra feras cepit, volucres agitabilis aer.
|
Tiere bekam das Land und Vögel der regsame Luftraum. |
|
Die Sonderstellung des Menschen (76-88) |
|
|
Sanctius his animal mentisque capacius altae deerat adhuc et quod dominari in cetera posset: natus homo est, sive hunc divino semine fecit ille opifex rerum, mundi melioris origo, |
Aber es fehlete noch ein Geschöpf, das höher an Würde Mit tiefdenkendem Geiste den anderen könnte gebieten. Sieh, da wurde der Mensch, ob ihn aus göttlichem Samen Machte der Bildner der Welt, der Urquell besserer Schöpfung, |
|
sive recens tellus seductaque nuper ab alto
aethere cognati retinebat semina caeli. quam satus Iapeto, mixtam pluvialibus undis, finxit in effigiem moderantum cuncta deorum, pronaque cum spectent animalia cetera terram, |
Oder die Erd' im Beginn, die sich vom erhabenen Aither
Eben gelöst, noch Keime behielt gleichartigen Himmels Und des Iapetos Sohn sie gemengt mit fließenden Wellen Bildete gleich der Gestalt der alles beherrschenden Götter. Während die Erde gebückt ansehen die andern Geschöpfe, |
|
os homini sublime dedit caelumque videre iussit et erectos ad sidera tollere vultus: sic, modo quae fuerat rudis et sine imagine, tellus induit ignotas hominum conversa figuras. |
Gab er erhabnes Gesicht dem Menschen und ließ ihn den Himmel Schauen und richten empor zu den Sternen gewendet das Antlitz. Also kleidete sich die völlig veränderte Erde, Formlos eben und wüst, mit den neuen Gebilden der Menschen. |
|
3. Die
vier Weltzeitalter (89-150) |
|
Das goldene Zeitalter ( 89-112)
|
|
Aurea prima sata est aetas, quae vindice nullo, |
Erst nun sprosste von Gold das Geschlecht, das ohne Bewachung
|
|
sponte sua, sine lege fidem rectumque colebat. poena metusque aberant, nec verba minantia fixo aere legebantur, nec supplex turba timebat iudicis ora sui, sed erant sine vindice tuti. nondum caesa suis, peregrinum ut viseret orbem, |
Willig und ohne Gesetz ausübte das Recht und die Treue. Strafe und Furcht waren fern; nicht lasen sie drohende Worte Nicht an geheftetem Erz, noch stand ein flehender Haufe Bang vor des Richters Gesicht: Schutz hatten sie ohne den Richter. Noch nicht hatte, gefällt auf heimischen Bergen, die Fichte, |
|
montibus in liquidas pinus descenderat undas, nullaque mortales praeter sua litora norant; nondum praecipites cingebant oppida fossae; non tuba derecti, non aeris cornua flexi, non galeae, non ensis erat: sine militis usu |
Andere Welt zu sehn, sich gesenkt in die flüssigen Wogen; Noch von keinem Gestad', als dem ihrigen, wussten die Menschen. Noch umgürteten nicht abschüssige Gräben die Städte; Kein krummgehendes Horn und keine gerade Drommete War, kein Helm, kein Schwert. In behaglicher Muße vergingen, |
|
mollia securae peragebant otia gentes. ipsa quoque inmunis rastroque intacta nec ullis saucia vomeribus per se dabat omnia tellus, contentique cibis nullo cogente creatis arbuteos fetus montanaque fraga legebant |
Ohne des Kriegers Bedarf die Tage den sicheren Völkern
Undienstbar und verschont von dem Karst und von schneidender Pflugschar Nimmer verletzt gab alles von selbst die gesegnete Erde, Und mit Speisen zufrieden, die zwanglos waren gewachsen, Lasen sie Arbutusfrucht, Erdbeeren an sonniger Halde |
|
cornaque et in duris haerentia mora rubetis et quae deciderant patula Iovis arbore glandes. ver erat aeternum, placidique tepentibus auris mulcebant zephyri natos sine semine flores; mox etiam fruges tellus inarata ferebat, |
Oder am rauhen Gerank Brombeeren und rote Cornellen Und von dem ästigen Baume des Iupiter fallende Eicheln. Da war ewiger Lenz, und gelind mit lauem Gesäusel Küsste die Blumen der West, die sprosseten ohne Besamung. Nicht vom Pfluge bestellt trug bald auch Halme die Erde; |
|
nec renovatus ager gravidis canebat aristis; flumina iam lactis, iam flumina nectaris ibant, flavaque de viridi stillabant ilice mella. |
Ohne zu ruhn ward grau von belasteten Ähren der Acker. Ströme von Milch nun wallten daher und Ströme von Nektar, Und gelb tropfte herab von der grünenden Eiche der Honig. |
|
Das silberne Zeitalter ( 113-124)
|
|
Postquam Saturno tenebrosa in Tartara misso sub Iove mundus erat, subiit argentea proles, |
Als nunmehr, da gestürzt in des Tartaros Dunkel Saturnus,
Iupiter lenkte die Welt, da folgte das silberne Alter, |
|
auro deterior, fulvo pretiosior aere. Iuppiter antiqui contraxit tempora veris perque hiemes aestusque et inaequalis autumnos et breve ver spatiis exegit quattuor annum. tum primum siccis aer fervoribus ustus |
Schlechter als Gold, im Werte voraus dem rötlichen Erze. Iupiter schmälerte nun die Zeit vormaligen Frühlings Und ließ wandeln das Jahr durch Winter und ungleichmäßgen Herbst und flüchtigen Lenz und Glut vierfältig geschieden. Jetzo geschah es zuerst, dass schwül von trockener Hitze |
|
canduit, et ventis glacies adstricta pependit; tum primum subiere domos; domus antra fuerunt et densi frutices et vinctae cortice virgae. semina tum primum longis Cerealia sulcis obruta sunt, pressique iugo gemuere iuvenci. |
Brannte die Luft und das Eis starr hing, von den Winden verdichtet. Jetzo traten sie ein in Wohnungen. Wohnungen waren Höhlen und dichtes Gesträuch und mit Bast verbundene Zweige. Jetzo wurde zuerst in gezogenen Furchen der Ceres Samen verscharrt, und vom Joche gedrückt aufseufzten die Rinder. |
|
Das eherne Zeitalter (125-127a)
|
|
Tertia post illam successit aenea proles, saevior ingeniis et ad horrida promptior arma, non scelerata tamen; |
Drauf als drittes erwuchs nach ihnen das eherne Alter, Wilder im Sinn und derb und den schrecklichen Waffen geneigter, Aber verbrecherisch nicht. |
|
Das eiserne Zeitalter (127b-150)
|
|
de duro est ultima ferro.
protinus inrupit venae peioris in aevum omne nefas: fugere pudor verumque fidesque; |
Hart ist das letzte von Eisen.
Jählings brachen herein in die Zeit von schlechterer Ader Alle die Greul; es entflohen die Scham und die Treu' und die Wahrheit, |
|
in quorum subiere locum fraudesque dolusque insidiaeque et vis et amor sceleratus habendi. vela dabant ventis nec adhuc bene noverat illos navita, quaeque prius steterant in montibus altis, fluctibus ignotis insultavere carinae, |
Und an die Statt einzogen Betrug und tückische Falschheit,
Hinterlist und Gewalt und verruchte Begier des Besitzes. Segel entfaltete nun der Schiffer den wenig bekannten Winden, und Kiele, die lang auf hohen Gebirgen gestanden, Schwammen geschaukelt umher auf nimmer befahrenen Wogen. |
|
communemque prius ceu lumina solis et auras cautus humum longo signavit limite mensor. nec tantum segetes alimentaque debita dives poscebatur humus, sed itum est in viscera terrae, quasque recondiderat Stygiisque admoverat umbris, |
Fluren, zuvor wie die Luft und das Licht der Sonne gemeinsam, Zeichnete jetzt mit begrenzendem Strich vorsichtig der Messer; Und nicht wurde geheischt bloß Saat und schuldige Nahrung Von dem ergiebigen Feld: ein ging's in der Erde Geweide. Schätze, die jene versteckt und stygischen Schatten genähert, |
|
effodiuntur opes, inritamenta malorum. iamque nocens ferrum ferroque nocentius aurum prodierat, prodit bellum, quod pugnat utroque, sanguineaque manu crepitantia concutit arma. vivitur ex rapto: non hospes ab hospite tutus, |
Werden gewühlt ans Licht, Anreizungen böser Gelüste. Heillos Eisen bereits und Gold heilloser als Eisen Stiegen herauf: auf steiget der Krieg, der streitet mit beidem Und mit der blutigen Faust schlägt klirrende Waffen zusammen. Lebensbedarf gibt Raub. Von dem Wirt ist der Gast, von dem Eidam |
|
non socer a genero, fratrum quoque gratia rara est; inminet exitio vir coniugis, illa mariti, lurida terribiles miscent aconita novercae, filius ante diem patrios inquirit in annos: victa iacet pietas, et virgo caede madentis |
Selber der Schwäher bedroht; auch selten sind Brüder in Eintracht. Tod gar sinnet der Mann dem Weib, wie diese dem Gatten; Graunvoll brauen den Trank Stiefmütter von bleichendem Sturmhut; Lang vor der Zeit schon forscht der Sohn nach den Jahren des Vaters. Achtende Scheu ist dahin, und von blutbefeuchteten Ländern |
|
ultima caelestum terras Astraea reliquit. |
Kehrte die Jungfrau heim, Astraia, der Himmlischen letzte. |
|
4. Die
Giganten (151-162) |
|
Neve foret terris securior arduus aether, adfectasse ferunt regnum caeleste gigantas altaque congestos struxisse ad sidera montis. tum pater omnipotens misso perfregit Olympum |
Dass nicht sicherer sei als die Erde die Höhe des Aithers, Trachteten nun, wie man sagt, nach dem himmlischen Reich die Giganten, Und zu den Sternen hinan auftürmten sie mächtige Berge. Da mit geschmettertem Blitz durchbrach der allmächtige Vater |
|
fulmine et excussit subiecto Pelion Ossae. obruta mole sua cum corpora dira iacerent, perfusam multo natorum sanguine Terram immaduisse ferunt calidumque animasse cruorem et, ne nulla suae stirpis monimenta manerent, |
Stracks den Olymp und schlug vom Pelion nieder den Ossa. Als die entsetzliche Brut nun selbst von der Masse gedrückt lag, Ward, von dem strömenden Blut der Söhne begossen, die Erde Feucht - so kündet die Mär - und belebte das warme Geblüte, Und dass bliebe hinfort ein Denkmal ihres Geschlechtes, |
|
in faciem vertisse hominum; sed et illa propago contemptrix superum saevaeque avidissima caedis et violenta fuit: scires e sanguine natos. |
Gab sie ihm Menschengestalt. Indes auch diese Geschöpfe Sprachen den Himmlischen Hohn, nach grässlichem Morde begierig Und unbändigen Sinns: man ersah, sie stammten von Blute. |
|
5. Lycaon (163-252) |
|
Einberufung der Götterversammlung (163-167)
|
|
Quae pater ut summa vidit Saturnius arce, ingemit et facto nondum vulgata recenti |
Wie von der Höhe der Burg das sah der saturnische Vater,
Seufzt er tief, und gedenk unlängst des scheußlichen Mahles |
|
foeda Lycaoniae referens convivia mensae ingentes animo et dignas Iove concipit iras conciliumque vocat: tenuit mora nulla vocatos. |
Am lykaonischen Tisch, das neu noch wenig bekannt war, Fasst er gewaltigen Zorn im Gemüt, wie er Iupiters würdig; Und er berufet den Rat. Kein Zögern hält die Gerufnen. |
|
Wohnanlage ud Sozialstruktur der Götter nach dem Vorbild Roms (168-176) |
|
|
Est via sublimis, caelo manifesta sereno; lactea nomen habet, candore notabilis ipso. |
Hoch geht droben ein Weg, bei heiterem Himmel bemerkbar, Der, Milchstraße genannt, am Lichtglanz eben zu kennen. |
|
hac iter est superis ad magni tecta Tonantis regalemque domum: dextra laevaque deorum atria nobilium valvis celebrantur apertis. plebs habitat diversa locis: hac parte potentes caelicolae clarique suos posuere penates; |
Dort ist der Himmlischen Pfad zu des mächtigen Donnerers Wohnung Und zu dem Königssitz. Mit Besuchern bei offenen Türen Füllen sich rechts und links die Säle der höheren Götter. Niedere wohnen zerstreut allerorts. Stolz haben im Vorgrund Ihre Penaten gesetzt die hehren Gewalten des Himmels. |
|
hic locus est, quem, si verbis audacia detur, haud timeam magni dixisse Palatia caeli. |
Das ist der Ort, den wohl, wenn Worten gestattet die Kühnheit, Ich des Himmels Palast mir möchte getrauen zu nennen. |
|
Iupiters Bericht über Lykaons Frevel und seine Bestrafung (177-239)
|
|
Ergo ubi marmoreo superi sedere recessu, celsior ipse loco sceptroque innixus eburno terrificam capitis concussit terque quaterque |
Als in dem Marmorgemach nun saßen die oberen Götter,
Schüttelte, höher an Platz und gestützt auf das helfene Szepter,
Iupiter drei-, viermal des Schrecken erregenden Haupthaars |
|
caesariem, cum qua terram, mare, sidera movit. talibus inde modis ora indignantia solvit: 'non ego pro mundi regno magis anxius illa tempestate fui, qua centum quisque parabat inicere anguipedum captivo bracchia caelo. |
Locken, davon sich erregt die Erde, das Meer, die Gestirne. Also entströmte darauf seinen zornigen Lippen die Rede: "Mehr nicht hab' ich gezagt für die Weltherrschaft im Gemüte Dazumal, wie die Brut der Schlangenfüßler die hundert Arme geregt und gehofft, den eroberten Himmel zu greifen. |
|
nam quamquam ferus hostis erat, tamen illud ab uno corpore et ex una pendebat origine bellum; nunc mihi qua totum Nereus circumsonat orbem, perdendum est mortale genus: per flumina iuro infera sub terras Stygio labentia luco! |
Denn, wie grimmig der Feind auch war, doch ruhte auf einem Haufen allein und einem Geschlecht die erhobene Fehde. Jetzo muss ich, soweit rings Nereus rauscht um den Erdkreis, Weihn dem Verderb das Menschengeschlecht. Bei den Fluten der Tiefe Schwör ich, die unter der Erd' hingleiten im stygischen Haine. |
|
cuncta prius temptanda, sed inmedicabile curae ense recidendum, ne pars sincera trahatur. sunt mihi semidei, sunt, rustica numina, nymphae faunique satyrique et monticolae silvani; quos quoniam caeli nondum dignamur honore, |
Erst sei alles versucht, doch die nimmer zu heilende Wunde Muss ausschneiden der Stahl, dass nicht das Gesunde verderbe. Hab' ich doch auch Halbgötter und ländliche Mächte, die Nymphen, Faune und Satyrvolk und Silvane, die Bergbewohner: Diese, von uns noch nicht zu der Ehre des Himmels erhoben, |
|
quas dedimus, certe terras habitare sinamus. an satis, o superi, tutos fore creditis illos, cum mihi, qui fulmen, qui vos habeoque regoque, struxerit insidias notus feritate Lycaon?' Confremuere omnes studiisque ardentibus ausum |
Sollten zum wenigsten frei die beschiedene Erde bewohnen. Glaubt ihr aber genug, ihr Himmlischen, jene gesichert, Da mir, der ja den Blitz, der euch stark hält in den Händen, Lauernde Fallen gestellt der berüchtigte rohe Lykaon?" Murren erhob sich umher, und mit glühendem Eifer verlangt man |
|
talia deposcunt: sic, cum manus inpia saevit sanguine Caesareo Romanum exstinguere nomen, attonitum tantae subito terrore ruinae humanum genus est totusque perhorruit orbis; nec tibi grata minus pietas, Auguste, tuorum |
Ihn, der solches gewagt. So, wenn ein verworfener Haufe
Trachtet zu tilgen im Blut des Cäsar den römischen Namen, Steht von plötzlichem Schreck ob solchem erhabenen Sturze Starr das Menschengeschlecht, und schaudernd entsetzt sich der Erdkreis; Und nicht minder ist dir die Treue der Deinen, Augustus, |
|
quam fuit illa Iovi. qui postquam voce manuque murmura conpressit, tenuere silentia cuncti. substitit ut clamor pressus gravitate regentis, Iuppiter hoc iterum sermone silentia rupit: 'ille quidem poenas (curam hanc dimittite!) solvit; |
Lieb, als sie Iupiter war. Wie dieser dem wirren Gerede Wehrte mit Wort und Hand, saß lautlos da die Versammlung. Als nun ruhte der Lärm, von des Herrschenden Würde beschwichtigt, Da bricht wieder der Gott mit folgender Rede die Stille: "Längst hat jener verbüßt - darum nicht sorget - die Strafe; |
|
quod tamen admissum, quae sit vindicta, docebo. contigerat nostras infamia temporis aures; quam cupiens falsam summo delabor Olympo et deus humana lustro sub imagine terras. longa mora est, quantum noxae sit ubique repertum, |
Welches jedoch das Vergehn, und welches die Rache, vernehmet. Uns war böses Gerücht von der Zeit zu Ohren gedrungen: Wünschend, es sei unwahr, entschweb' ich dem hohen Olympos Und durchstreife die Erd', ein Gott im menschlichen Bilde. Säumnis wär' es, wieviel überall ich gefunden von Bosheit, |
|
enumerare: minor fuit ipsa infamia vero. Maenala transieram latebris horrenda ferarum et cum Cyllene gelidi pineta Lycaei: Arcadis hinc sedes et inhospita tecta tyranni ingredior, traherent cum sera crepuscula noctem. |
Aufzuzählen: zurück blieb hinter dem Wahren der Leumund. Über des Wildes Versteck, den gefürchteten Mainalos, zog ich, Über Kyllene hinaus und die Fichten des kalten Lykaios. Ins ungastliche Haus des wilden arkadischen Herrschers Tret' ich sodann, da der Abend bereits mit der Dämmerung einbrach. |
|
signa dedi venisse deum, vulgusque precari coeperat: inridet primo pia vota Lycaon, mox ait "experiar deus hic discrimine aperto an sit mortalis: nec erit dubitabile verum." nocte gravem somno necopina perdere morte |
Zeichen erteilt' ich, ein Gott sei nah, und zu beten begonnen Hatte das Volk. Erst höhnet die frommen Gebete Lykaon, Bald: "Ob dieser ein Gott, ob ein Sterblicher, will ich erproben" Sprach er "zu klarem Beweis: unzweiflig entscheid' ich die Wahrheit." Meuchlerisch mich bei Nacht im bannenden Schlummer zu morden |
|
comparat: haec illi placet experientia veri; nec contentus eo, missi de gente Molossa obsidis unius iugulum mucrone resolvit atque ita semineces partim ferventibus artus mollit aquis, partim subiecto torruit igni. |
Trachtet er. Also beliebt ihm, Probe zu halten der Wahrheit. Nicht zufrieden damit durchschneidet er einem der Geiseln, Die ihm das Volk der Molosser gesandt, mit dem Schwerte die Kehle, Und so kocht' er zum Teil in siedendem Wasser die Glieder Halb lebendig, zum Teil auch briet er sie über dem Feuer. |
|
quod simul inposuit mensis, ego vindice flamma in domino dignos everti tecta penates; territus ipse fugit nactusque silentia ruris exululat frustraque loqui conatur: ab ipso colligit os rabiem solitaeque cupidine caedis |
Wie er sie nun auftischt, da stürz' ich mit rächender Flamme Nieder das Haus auf den Herrn und die gleich strafbaren Penaten. Jener entflieht geschreckt, und zur Stille des Feldes entkommen Heulet er laut und versucht zu sprechen umsonst. Von ihm selber Sammelt im Mund sich Wut, und mit der gewöhnlichen Mordgier |
|
vertitur in pecudes et nunc quoque sanguine gaudet. in villos abeunt vestes, in crura lacerti: fit lupus et veteris servat vestigia formae; canities eadem est, eadem violentia vultus, idem oculi lucent, eadem feritatis imago est. |
Bricht in die Herden er ein, auch jetzt am Blute sich letzend. Rauh in Haare verkehrt sich das Kleid, in Beine die Arme: Wolf ist er nun und bewahrt noch Spuren der vorigen Bildung. Noch ist dasselbe Grau, derselbe Trotz in den Zügen, Ebenso funkelt der Blick, dasselbe Gebilde der Wildheit. |
|
Götterbeschluss, die Menschen auszurotten (240-252)
|
|
occidit una domus, sed non domus una perire digna fuit: qua terra patet, fera regnat Erinys. in facinus iurasse putes! dent ocius omnes, quas meruere pati, (sic stat sententia) poenas.' Dicta Iovis pars voce probant stimulosque frementi |
So ist gestürzt ein Haus; doch nicht war wert zu verderben Eines allein: wo Erde sich dehnt, herrscht wilde Erinnys. Jeder, so dächte man, schwor zum Vergehn. Auf alle denn falle Ohne Verzug - so steht der Entschluss - die verwirkete Strafe!" Iupiters Worte lobt ein Teil, und des Grollenden Ingrimm |
|
adiciunt, alii partes adsensibus inplent. est tamen humani generis iactura dolori omnibus, et quae sit terrae mortalibus orbae forma futura rogant, quis sit laturus in aras tura, ferisne paret populandas tradere terras. |
Stacheln sie an; ein Teil stimmt zu durch Zeichen des Beifalls. Allen jedoch weckt Schmerz der Verlust des Menschengeschlechtes: Welch Aussehen hinfort, so fragen sie, werde die Erde Zeigen, von Sterblichen leer? wer Weihrauch auf die Altäre Streuen? ob reißendes Wild denn solle verheeren die Länder? |
|
talia quaerentes (sibi enim fore cetera curae) rex superum trepidare vetat subolemque priori dissimilem populo promittit origine mira. |
Doch den Besorgten verbietet - er werde des Weiteren walten —, Bang zu verzagen, das Haupt der Unsterblichen, und er verheißet Ungleich früherem Volk ein Geschlecht seltsamer Entstehung. |
|
6. Die
große Flut (253-312) |
|
Iamque erat in totas sparsurus fulmina terras; sed timuit, ne forte sacer tot ab ignibus aether |
Und schon wollt' er den Blitz auf alle die Länder versenden,
Doch er besorgt, dass Feuer vielleicht der heilige Aither |
|
conciperet flammas longusque ardesceret axis: esse quoque in fatis reminiscitur, adfore tempus, quo mare, quo tellus correptaque regia caeli ardeat et mundi moles obsessa laboret. tela reponuntur manibus fabricata cyclopum; |
Fange von so viel Glut und brenne die Achse des Weltalls, Und er erwäget, es sei verhängt, einst werde die Zeit sein, Wo mit der Erde das Meer und die Feste des Himmels ergriffen Stehen in Brand und wanke der Welt mühvolles Gefüge. Drum bleibt ruhn das Geschoss von der Hand der Kyklopen geschmiedet. |
|
poena placet diversa, genus mortale sub undis perdere et ex omni nimbos demittere caelo.
Protinus Aeoliis Aquilonem claudit in antris et quaecumque fugant inductas flamina nubes emittitque Notum. madidis Notus evolat alis, |
Andere Strafe beliebt: das Menschengeschlecht zu vernichten Unter der Flut und rings Platzregen zu gießen vom Himmel. Schleunig verschließet er nun den Nord in des Aiolos Höhlen, Alle die Winde dazu, die jagen verhüllende Wolken, Und lässt schnauben den Süd. Der aber mit triefenden Schwingen |
|
terribilem picea tectus caligine vultum; barba gravis nimbis, canis fluit unda capillis; fronte sedent nebulae, rorant pennaeque sinusque. utque manu lata pendentia nubila pressit, fit fragor: hinc densi funduntur ab aethere nimbi; |
Stürmt hinaus, pechschwarz umschattet das schreckliche Antlitz. Schwer ist von Regen der Bart; Flut strömt vom graulichen Haupthaar; Nebel benetzen die Stirn; nass tropfen die Brust und die Flügel. Jetzt, wie er drückt mit der Hand die weithin hangenden Wolken, Tönt ein Gekrach, und gedrängt nun stürzen von oben die Güsse. |
|
nuntia Iunonis varios induta colores concipit Iris aquas alimentaque nubibus adfert. sternuntur segetes et deplorata coloni vota iacent, longique perit labor inritus anni. Nec caelo contenta suo est Iovis ira, sed illum |
Iunos Botin im Schmuck des schillernden Farbengewandes, Iris, schöpfet die Flut und bringt Zuwachs dem Gewölke. Niedergestreckt ist die Saat, und des Landmanns sehnliche Hoffnung Lieget beweint, und des Jahrs langwierige Müh' ist verloren. Iupiters Zorne genügt noch nicht sein Himmel: zum Beistand |
|
caeruleus frater iuvat auxiliaribus undis. convocat hic amnes: qui postquam tecta tyranni intravere sui, 'non est hortamine longo nunc' ait 'utendum; vires effundite vestras: sic opus est! aperite domos ac mole remota |
Schickt mithelfende Flut nun auch sein bläulicher Bruder. Dieser beruft die Ströme gesamt, und als sie gehorsam Füllten des Königs Haus: "Nicht will ich mit langer Ermahnung",
Sprach er, "vergeuden die Zeit: lasst strömen, soviel ihr vermöget.
Solches ist nötig. Die Häuser erschließt und die Dämme beseitigt
|
|
fluminibus vestris totas inmittite habenas!' iusserat; hi redeunt ac fontibus ora relaxant et defrenato volvuntur in aequora cursu. Ipse tridente suo terram percussit, at illa intremuit motuque vias patefecit aquarum. |
Und lasst schießen zumal die Zügel den drängenden Wogen." So der Befehl. Sie gehn und lockern den Quellen die Mündung, Und nun wälzen sie sich mit entfesseltem Lauf in die Meerflut. Aber den Dreizack stach er selbst in den Grund, und die Erde Bebte vom Stoß und erschloss mit dem Ruck Auswege den Wassern. |
|
exspatiata ruunt per apertos flumina campos cumque satis arbusta simul pecudesque virosque tectaque cumque suis rapiunt penetralia sacris. si qua domus mansit potuitque resistere tanto indeiecta malo, culmen tamen altior huius |
Außer der Bahn nun stürzen durch offne Gefilde die Flüsse; Saaten zugleich und Gehölz und Herden und Männer und Häuser Raffen sie mit und samt den Gebilden die heiligen Kammern. Wo noch stehet ein Bau, der solches Verderben vermochte Unverrückt zu bestehn, da geht doch höher die Woge |
|
unda tegit, pressaeque latent sub gurgite turres. iamque mare et tellus nullum discrimen habebant: omnia pontus erat, derant quoque litora ponto. Occupat hic collem, cumba sedet alter adunca et ducit remos illic, ubi nuper arabat: |
Über den First, und vom Strudel bedrängt verschwinden die Türme. Schon war zwischen der See und dem Land kein sichtbarer Abstand; Alles umher war Meer, und das Meer war ohne Gestade. Dieser erklimmet die Höh'; im gebogenen Nachen gesessen Rudert der andere dort, wo er unlängst hatte gepflüget; |
|
ille supra segetes aut mersae culmina villae navigat, hic summa piscem deprendit in ulmo. figitur in viridi, si fors tulit, ancora prato, aut subiecta terunt curvae vineta carinae; et, modo qua graciles gramen carpsere capellae, |
Der schifft über die Saat und des untergegangenen Landguts Firsten, und jener ergreift den Fisch im Wipfel der Ulme. Zufall fügt, dass der Anker sich senkt auf grünende Wiese Oder der bauchige Kiel anstreift an Rebengelände. Wo noch eben sich Gras abrupften schmächtige Ziegen, |
|
nunc ibi deformes ponunt sua corpora phocae. mirantur sub aqua lucos urbesque domosque Nereides, silvasque tenent delphines et altis incursant ramis agitataque robora pulsant. nat lupus inter oves, fulvos vehit unda leones, |
Strecken sich jetzt mit gedunsenem Leib unförmige Robben. Nereus' Töchter erstaunt sehn Haine und Häuser und Städte Unter der Flut. Delphine durchziehen die Wälder und rennen Wider das hohe Gezweig und schlagen die schwankenden Stämme. Schafen gesellt schwimmt ängstlich der Wolf; gelbmähnige Löwen
|
|
unda vehit tigres; nec vires fulminis apro, crura nec ablato prosunt velocia cervo, quaesitisque diu terris, ubi sistere possit, in mare lassatis volucris vaga decidit alis. obruerat tumulos inmensa licentia ponti, |
Trägt und Tiger die Flut; nicht frommet dem Eber des Blitzes Kraft, und der flüchtige Fuß hilft nichts dem entführeten Hirsche.
Wenn er lange gespäht nach Land, wo zu fußen vergönnt sei,
Fällt mit ermüdetem Flug in die See der schweifende Vogel. Über die Hügel ergoss sich des Meers unermessliche Willkür, |
|
pulsabantque novi montana cacumina fluctus. maxima pars unda rapitur; quibus unda pepercit, illos longa domant inopi ieiunia victu. |
Und an die obersten Höhn schlug brandend das neue Gewoge. Wellen entrafften die meisten, und deren geschonet die Wellen, Diese bezwingt bei dürftiger Kost langwieriger Hunger. |
|
7. Deukalion
und Pyrrha (313-415) |
|
Separat Aonios Oetaeis Phocis ab arvis, terra ferax, dum terra fuit, sed tempore in illo |
Von der Aonier Volk trennt Phokis aitolische Fluren, Fruchtbares Land, da es Land noch war, doch ein Teil von dem Meere |
|
pars maris et latus subitarum campus aquarum. mons ibi verticibus petit arduus astra duobus, nomine Parnasos, superantque cacumina nubes. hic ubi Deucalion (nam cetera texerat aequor) cum consorte tori parva rate vectus adhaesit, |
Dazumal und ein weites Gefild urplötzlicher Wasser.
Dort, Parnassos genannt, strebt hoch ein Berg zu den Sternen Mit zweiteiligem Haupt und beherrscht mit dem Gipfel die Wolken. Wie Deukalion hier - denn das Übrige deckte die Meerflut – Samt dem vermählten Weib anfuhr im gebrechlichen Nachen, |
|
Corycidas nymphas et numina montis adorant fatidicamque Themin, quae tunc oracla tenebat: non illo melior quisquam nec amantior aequi vir fuit aut illa metuentior ulla deorum. Iuppiter ut liquidis stagnare paludibus orbem |
Beten sie an die Mächte des Bergs und korykische Nymphen Und, die jetzt das Orakel besaß, die enthüllende Themis. Nie war besser ein Mann als er und dem Rechten ergebner; Nie trug irgend ein Weib mehr Scheu als sie vor den Göttern. Als nun Iupiter sieht in Morasten versumpfen den Erdkreis |
|
et superesse virum de tot modo milibus unum, et superesse vidit de tot modo milibus unam, innocuos ambo, cultores numinis ambo, nubila disiecit nimbisque aquilone remotis et caelo terras ostendit et aethera terris. |
Und dass übrig verblieb von all den Tausenden Einer Und dass übrig verblieb von all den Tausenden Eine, Beid' unsträflichen Sinns und beide Verehrer der Gottheit, Teilt er die Wolken und zeigt, da der Regen verscheucht von dem Nordwind, Wieder dem Himmel die Erd' und wieder den Aither der Erde. |
|
nec maris ira manet, positoque tricuspide telo mulcet aquas rector pelagi supraque profundum exstantem atque umeros innato murice tectum caeruleum Tritona vocat conchaeque sonanti inspirare iubet fluctusque et flumina signo |
Nicht bleibt zürnend die See. Hinlegend die zackige Waffe Glättet die Flut der Beherrscher des Meers, und den bläulichen Triton
Rufet er, der an der Schulter bedeckt von haftenden Schnecken Über der Tiefe sich hebt, und heißt in die tönende Muschel
Blasen den Gott und heim mit gegebenem Zeichen bescheiden |
|
iam revocare dato: cava bucina sumitur illi, tortilis in latum quae turbine crescit ab imo, bucina, quae medio concepit ubi aera ponto, litora voce replet sub utroque iacentia Phoebo; tum quoque, ut ora dei madida rorantia barba |
Wogen und Ströme zumal. Der nimmt die hohle Drommete, Welche gewunden sich dehnt in die Breite vom untersten Wirbel, Jene Drommete, davon, wenn sie Luft inmitten des Meeres Aufnimmt, hallet der Strand, wo Phoibos sich senkt, wo er aufsteigt. Jetzt auch, wie sie den Mund, der betaut vom triefenden Barte, |
|
contigit et cecinit iussos inflata receptus, omnibus audita est telluris et aequoris undis, et quibus est undis audita, coercuit omnes. iam mare litus habet, plenos capit alveus amnes, flumina subsidunt collesque exire videntur; |
Jenem berührt' und blies das Zeichen gebotenen Rückzugs, Scholl sie zu allen gesamt, zu den Wellen des Landes und Meeres, Und zu denen sie scholl, die alle gehorchten und standen. Fallend verliert sich die Flut; auf scheinen zu tauchen die Hügel; Schon hat Küsten das Meer; voll wallen im Bette die Ströme; |
|
surgit humus, crescunt sola decrescentibus undis, postque diem longam nudata cacumina silvae ostendunt limumque tenent in fronde relictum
Redditus orbis erat; quem postquam vidit inanem et desolatas agere alta silentia terras, |
Boden ersteht, und es hebt sich das Land, wie die Wellen sich senken, Und nach langem Verzug nun zeigen die Wälder entblößte Wipfel und halten im Laub noch Schlamm, der haften geblieben. Dastand wieder die Welt. Wie er leer sie sah und verlassen Und das verödete Land in schauriges Schweigen versunken, |
|
Deucalion lacrimis ita Pyrrham adfatur obortis: 'o soror, o coniunx, o femina sola superstes, quam commune mihi genus et patruelis origo, deinde torus iunxit, nunc ipsa pericula iungunt, terrarum, quascumque vident occasus et ortus, |
Sprach Deukalion so mit quellenden Tränen zu Pyrrha: "Schwester und Ehegemahl, du einziges Weib auf der Erde, Die mir verwandtes Geschlecht und vom Ahn die gemeinsame Herkunft, Dann das Lager vereint, nun selber Gefahren vereinen: Von den Gefilden zumal, die der Morgen bestrahlt und der Abend, |
|
nos duo turba sumus; possedit cetera pontus. haec quoque adhuc vitae non est fiducia nostrae certa satis; terrent etiamnum nubila mentem. quis tibi, si sine me fatis erepta fuisses, nunc animus, miseranda, foret? quo sola timorem |
Sind wir beide das Volk. Das übrige raffte die Meerflut. Und noch immer ist nicht die Bürgschaft unseres Lebens Sicher genug; auch jetzt noch ängstigen Wolken die Seele. Wie, wenn dich das Geschick verschonte ohne den Gatten, Wäre dir jetzt, du Arme, zu Mut? Wie könntest du einsam |
|
ferre modo posses? quo consolante doleres! namque ego (crede mihi), si te quoque pontus haberet, te sequerer, coniunx, et me quoque pontus haberet. o utinam possim populos reparare paternis artibus atque animas formatae infundere terrae! |
Dann aushalten die Angst? Wer sollte dich trösten im Schmerze? Ich - das glaube gewiss -, wenn dich auch deckte die Meerflut, Folgte dir nach, o Weib, und mich auch deckte die Meerflut. Könnt' ich doch mit der Kunst des Vaters von neuem die Völker Schaffen und lebenden Geist einflößen gestalteter Erde! |
|
nunc genus in nobis restat mortale duobus. sic visum superis: hominumque exempla manemus.' dixerat, et flebant: placuit caeleste precari numen et auxilium per sacras quaerere sortes. nulla mora est: adeunt pariter Cephesidas undas, |
Nun ist übrig in uns, den zweien, die sterbliche Gattung - So ist der Götterbeschluss -, wir bleiben als Bilder von Menschen." Sprach's und weinte mit ihr. Sie beschließen, der himmlischen Gottheit
Betend zu nahn und Rat zu erflehn von heiligem Ausspruch. Sonder Verzug gehn beide zugleich an den Strom des Kephisos, |
|
ut nondum liquidas, sic iam vada nota secantes. inde ubi libatos inroravere liquores vestibus et capiti, flectunt vestigia sanctae ad delubra deae, quorum fastigia turpi pallebant musco stabantque sine ignibus arae. |
Der noch nicht sich geklärt, doch einhielt frühere Grenzen. Als sie die Finger darauf in die Wellen getaucht und mit Tropfen Kleider besprenget und Haupt, da lenkt zu der heiligen Göttin Tempel die Schritte das Paar. Noch war an dem Hause der Giebel Schmutzig von hässlichem Tang, und des Feuers entbehrte der Altar. |
|
ut templi tetigere gradus, procumbit uterque pronus humi gelidoque pavens dedit oscula saxo atque ita 'si precibus' dixerunt 'numina iustis victa remollescunt, si flectitur ira deorum, dic, Themi, qua generis damnum reparabile nostri |
Wie an den Stufen sie nun anlangeten, warfen sich beide Nieder, das kalte Gestein zu küssen mit bebendem Schauer, Und so hoben sie an: "Wenn Himmlische rührt und erweichet Andachtsvolles Gebet, wenn göttliches Zürnen zu wenden: Themis, so sprich: was sollen wir tun, den Verlust zu ersetzen |
|
arte sit, et mersis fer opem, mitissima, rebus!' Mota dea est sortemque dedit: 'discedite templo et velate caput cinctasque resolvite vestes ossaque post tergum magnae iactate parentis!' obstupuere diu: rumpitque silentia voce |
Unsres Geschlechts? Hilf, Gütigste, auf dem versunkenen Leben." Themis gerührt erteilte den Spruch: "Weg gehet vom Tempel, Hüllt euch beide das Haupt und löst die gegürteten Kleider,
Und so werft das Gebein der großen Erzeugerin rückwärts." Lang hält Staunen sie starr; dann bricht mit der Stimme das Schweigen |
|
Pyrrha prior iussisque deae parere recusat, detque sibi veniam pavido rogat ore pavetque laedere iactatis maternas ossibus umbras. interea repetunt caecis obscura latebris verba datae sortis secum inter seque volutant. |
Pyrrha zuerst und versagt dem Gebote der Göttin Gehorsam, Und sie fleht um Erlass mit bebenden Lippen und schaudert, Durch das zerstreute Gebein zu kränken den Schatten der Mutter. Beide erwägen indes für sich des gegebenen Ausspruchs Dunkel verschleierten Sinn und prüfen die Worte genauer. |
|
inde Promethides placidis Epimethida dictis mulcet et 'aut fallax' ait 'est sollertia nobis, aut (pia sunt nullumque nefas oracula suadent!) magna parens terra est: lapides in corpore terrae ossa reor dici; iacere hos post terga iubemur.' |
Drauf mit tröstlichem Wort aufrichtend die Epimethide Sagte Prometheus' Sohn: "Mich trügt entweder die Einsicht, Oder der Spruch ist gerecht und rät kein sträflich Beginnen. Zeugerin nennt er die Erd', und im Leibe der Erde die Steine, Denk ich, sind das Gebein: die sollen wir hinter uns werfen." |
|
Coniugis augurio quamquam Titania mota est,
spes tamen in dubio est: adeo caelestibus ambo diffidunt monitis; sed quid temptare nocebit? descendunt: velantque caput tunicasque recingunt et iussos lapides sua post vestigia mittunt. |
Wenn auch froh die Titane vernimmt des Gatten Enthüllung, Ist doch ihr Hoffen verzagt. So sind misstrauisch die beiden Gegen das Göttergebot. Doch was mag schaden die Probe? Weg nun gehn sie und hüllen das Haupt und entgürten die Kleider;
Hinter sich werfen sie dann auf den Weg die geheißenen Steine. |
|
saxa (quis hoc credat, nisi sit pro teste vetustas?) ponere duritiem coepere suumque rigorem mollirique mora mollitaque ducere formam. mox ubi creverunt naturaque mitior illis contigit, ut quaedam, sic non manifesta videri |
Und das Gestein - wer glaubt' es, wofern nicht zeugte das Alter? - Wird von der Spröde befreit und verliert die starrende Härte, Wird allmählich erweicht und beginnt sich erweicht zu gestalten. Bald, wie es wachsend sich hob und zu milderem Wesen sich wandte, Trat schon sichtlich hervor, doch noch undeutlich im Umriss, |
|
forma potest hominis, sed uti de marmore coepta non exacta satis rudibusque simillima signis, quae tamen ex illis aliquo pars umida suco et terrena fuit, versa est in corporis usum; quod solidum est flectique nequit, mutatur in ossa, |
Menschengestalt, gleich wie aus eben behauenem Marmor,
Nicht vollendet genug und ganz wie rohe Gebilde. Was an den Steinen jedoch war feucht durchdrungen von Säften Und was erdiger Stoff, das ward zum fleischigen Leibe; Aber was unbeugsam und fest, geht über in Knochen, |
|
quae modo vena fuit, sub eodem nomine mansit, inque brevi spatio superorum numine saxa missa viri manibus faciem traxere virorum et de femineo reparata est femina iactu. inde genus durum sumus experiensque laborum |
Und was Ader zuvor, das bleibt mit dem selbigen Namen. Kurz nur währte die Frist, da gewann durch göttliche Fügung Alles Gestein, das der Mann entsendete, männliches Antlitz, Während vom weiblichen Wurf ein Weib neu trat in das Leben. Davon sind wir ein hartes Geschlecht, ausharrend in Mühsal, |
|
et documenta damus qua simus origine nati. |
|
|
8. Erneuerung
der Tierwelt (416-437) |
|
Cetera diversis tellus animalia formis sponte sua peperit, postquam vetus umor ab igne percaluit solis, caenumque udaeque paludes intumuere aestu, fecundaque semina rerum |
Drauf von sich selber gebar die Erde die andern Geschöpfe Mannigfaltiger Art, als warm von dem Feuer der Sonne Ward das verbliebene Nass und der Schlamm und die wässrigen Sümpfe Schwollen von Hitze gespannt und befruchtete Keime der Wesen, |
|
vivaci nutrita solo ceu matris in alvo creverunt faciemque aliquam cepere morando. sic ubi deseruit madidos septemfluus agros Nilus et antiquo sua flumina reddidit alveo aetherioque recens exarsit sidere limus, |
Wie in dem Schoße der Mutter genährt vom belebenden Boden, Wuchsen und mehr und mehr in feste Gestalt sich begaben. Also, wenn sich verliert aus den nassen Gefilden des Niles Siebenmündiger Strom und zum früheren Bette zurückkehrt Und von dem Aithergestirne der frische Morast sich erhitzet, |
|
plurima cultores versis animalia glaebis inveniunt et in his quaedam modo coepta per ipsum nascendi spatium, quaedam inperfecta suisque trunca vident numeris, et eodem in corpore saepe altera pars vivit, rudis est pars altera tellus. |
Trifft zahlreiches Getier in gewendeten Schollen der Landmann Und sieht manche davon erst eben begonnen, gerade Während der Zeit der Geburt, und andere in der Entwicklung Noch nicht fertig gediehn; oft ist an dem selbigen Körper Lebend bereits ein Teil, der andere klumpige Erde. |
|
quippe ubi temperiem sumpsere umorque calorque, concipiunt, et ab his oriuntur cuncta duobus, cumque sit ignis aquae pugnax, vapor umidus omnes res creat, et discors concordia fetibus apta est. ergo ubi diluvio tellus lutulenta recenti |
Denn wo Feuchte gewinnt und Wärme die richtige Mischung, Wird empfangen die Frucht, und alles entsteht von den beiden. Während das Feuer im Streit mit dem Nass, bringt dunstiger Brodem Alles hervor, und der Zeugung ist hold zwieträchtige Eintracht. Wie nunmehr, von der neulichen Flut noch schlammig, die Erde |
|
solibus aetheriis altoque recanduit aestu, edidit innumeras species; partimque figuras rettulit antiquas, partim nova monstra creavit. |
Von dem aitherischen Strahl und den Gluten der Höhe gewärmt war, Brachte sie Arten hervor, unzählige, und sie erneute Alte Gebilde zum Teil, teils zeugte sie neue Geschöpfe. |
|
9. Python (438-451) |
|
Illa quidem nollet, sed te quoque, maxime Python, tum genuit, populisque novis, incognita serpens, |
Zwar ihr war's zum Leid, doch dich auch, mächtiger Python,
Zeugte sie jetzt, und dem neuen Geschlecht, unförmige Schlange, |
|
terror eras: tantum spatii de monte tenebas. hunc deus arcitenens, numquam letalibus armis ante nisi in dammis capreisque fugacibus usus, mille gravem telis exhausta paene pharetra perdidit effuso per vulnera nigra veneno. |
Warst du ein Graun: soviel einnähmest du Raum an dem Berge. Aber der schießende Gott, der nimmer die Waffe des Bogens Brauchte zuvor, als nur bei Hirschen und flüchtigen Rehen, Streckt' ihn hin, zahllos mit Geschossen beschwert, da der Köcher Fast sich erschöpft, und das Gift floss aus durch schwärzliche Wunden.
|
|
neve operis famam posset delere vetustas, instituit sacros celebri certamine ludos, Pythia de domitae serpentis nomine dictos. hic iuvenum quicumque manu pedibusve rotave vicerat, aesculeae capiebat frondis honorem. |
Und dass nimmer den Ruhm des Werkes vertilge das Alter, Stiftet' ein heiliges Fest mit gefeierten Kämpfen Apollon, Nach dem gebändigten Tiere die pythischen Spiele geheißen. Wer von den Jünglingen dort mit der Faust, mit den Füßen, dem Wagen Hatte gesiegt, empfing die Ehre des eichenen Laubes. |
|
nondum laurus erat, longoque decentia crine tempora cingebat de qualibet arbore Phoebus. |
Lorbeer war noch nicht, und von jeglichem Baume bekränzte Seine von wallendem Haar anmutigen Schläfen sich Phoibos. |
|
10. Daphne (452-567) |
|
Primus amor Phoebi Daphne Peneia, quem non fors ignara dedit, sed saeva Cupidinis ira, Delius hunc nuper, victa serpente superbus, |
Phoibos liebte zuerst die peneische Daphne, wofür nicht
Blindes Geschick ihn entflammt, nein, der rächende Zorn des Cupido. Den jüngst hatte gesehn, wie die Hörner er bog am gespannten |
|
viderat adducto flectentem cornua nervo 'quid' que 'tibi, lascive puer, cum fortibus armis?' dixerat: 'ista decent umeros gestamina nostros, qui dare certa ferae, dare vulnera possumus hosti, qui modo pestifero tot iugera ventre prementem |
Strange, der delische Gott, noch stolz auf der Schlange Besiegung. "Was soll die kräftige Wehr bei dir, mutwilliger Knabe?", Spottet' er, "solches Gerät ist meinen Schultern geziemend, Der ich sicher das Wild wie den Feind zu treffen verstehe, Der ich Python erlegt, der gebläht mit dem giftigen Bauche |
|
stravimus innumeris tumidum Pythona sagittis. tu face nescio quos esto contentus amores inritare tua, nec laudes adsere nostras!' filius huic Veneris 'figat tuus omnia, Phoebe, te meus arcus' ait; 'quantoque animalia cedunt |
So viel' Hufen beschwert, unlängst mit unzähligen Pfeilen. Wenn du entfachst mit der Fackel ich weiß nicht welches Verlangen, Lass' es Genüge dir sein: nicht eigne dir meinen Ruhm an!" Venus' Knabe versetzt: "Dein Bogen, o Phoibos, erreiche Alles, der meinige dich! So weit vor dem Gott die Geschöpfe |
|
cuncta deo, tanto minor est tua gloria nostra.' dixit et eliso percussis aere pennis inpiger umbrosa Parnasi constitit arce eque sagittifera prompsit duo tela pharetra diversorum operum: fugat hoc, facit illud amorem; |
Weichen gesamt, so weit steht dein Ruhm unter dem meinen." Sprach's und säumte nicht und teilte rasch mit bewegten Schwingen die Luft und stand auf der schattigen Höh' des Parnassos. Zwei der Geschosse entnimmt er dem pfeilumschließenden Köcher, Ungleichartig an Kraft. Eins scheucht, eins wecket die Liebe. |
|
quod facit, auratum est et cuspide fulget acuta, quod fugat, obtusum est et habet sub harundine plumbum. hoc deus in nympha Peneide fixit, at illo laesit Apollineas traiecta per ossa medullas;
protinus alter amat, fugit altera nomen amantis |
Welches sie weckt, ist golden und glänzt mit spitziger Schärfe; Welches sie scheucht, ist stumpf, und Blei ist unter dem Rohre. Dieses versendet der Gott zur peneischen Nymphe; das andre Schnellt er durch das Gebein ins innerste Mark dem Apollo. Der fühlt Liebe sogleich; sie flieht vor der Liebenden Namen: |
|
silvarum latebris captivarumque ferarum exuviis gaudens innuptaeque aemula Phoebes: vitta coercebat positos sine lege capillos. multi illam petiere, illa aversata petentes inpatiens expersque viri nemora avia lustrat |
Nur an der Wälder Versteck und am Fang des erbeuteten Wildes Findet sie Lust nach dem Bilde der stets jungfräulichen Phoibe. Fesselnd schlang sich ein Band um das kunstlos liegende Haupthaar. Viele wohl warben um sie; doch jene den Werbenden abhold, Flüchtig und scheu vor dem Mann, durchstreift Einöden der Wälder,
|
|
nec, quid Hymen, quid Amor, quid sint conubia curat.
saepe pater dixit: 'generum mihi, filia, debes,' saepe pater dixit: 'debes mihi, nata, nepotes'; illa velut crimen taedas exosa iugales pulchra verecundo suffuderat ora rubore |
Und sie bekümmert sich nicht um Hymen und Amor und Ehe. "Tochter", ermahnte sie oft ihr Vater, "ich harre des Eidams." "Tochter", ermahnte sie oft ihr Vater, "du schuldest mir Enkel." Sie, der wie ein Vergehn hochzeitliche Fackeln verhasst sind, Steht im schönen Gesicht von züchtiger Röte begossen, |
|
inque patris blandis haerens cervice lacertis 'da mihi perpetua, genitor carissime,' dixit 'virginitate frui! dedit hoc pater ante Dianae.' ille quidem obsequitur, sed te decor iste quod optas esse vetat, votoque tuo tua forma repugnat: |
Und mit schmeichelndem Arm umschlingend den Nacken des Vaters Bittet sie: "Wehre mir nicht, jungfräulich, geliebtester Vater,
Immer zu sein. Einst hat es Dianen vergönnt der Erzeuger." Jener gestattet es zwar; doch nicht lässt sein dich der Liebreiz, Was du begehrst, und deine Gestalt wehrt deinem Verlangen. |
|
Phoebus amat visaeque cupit conubia Daphnes, quodque cupit, sperat, suaque illum oracula fallunt, utque leves stipulae demptis adolentur aristis, ut facibus saepes ardent, quas forte viator vel nimis admovit vel iam sub luce reliquit, |
Phoibos liebt und ersehnt der geschauten Daphne Umarmung Und hofft, was er ersehnt. Ihn trügt sein eignes Orakel. So wie, der Ähren beraubt, verbrennen die nichtigen Stoppeln, Wie von der Fackel der Zaun aufflammt, die ein Wanderer sorglos Näherte oder vielleicht in der Frühe des Morgens zurückließ: |
|
sic deus in flammas abiit, sic pectore toto
uritur et sterilem sperando nutrit amorem. spectat inornatos collo pendere capillos et 'quid, si comantur?' ait. videt igne micantes sideribus similes oculos, videt oscula, quae non |
So ist entfacht zur Flamme der Gott, und im ganzen Gemüte Lodert er auf und nährt die vergebliche Liebe mit Hoffnung. Kunstlos sieht er das Haar ihr hangen im Nacken und denket: "Wie, wenn es wäre gepflegt?" Die Augen von Feuer erglänzend Schaut er licht wie Sterne. Er schaut den Mund, und Genüge |
|
est vidisse satis; laudat digitosque manusque bracchiaque et nudos media plus parte lacertos; si qua latent, meliora putat. fugit ocior aura illa levi neque ad haec revocantis verba resistit: 'nympha, precor, Penei, mane! non insequor hostis; |
Findet er nicht am Schaun. Er preist die Finger und Hände, Preist den Arm und die Achsel entblößt bis über die Hälfte.
Was sich verbirgt, dünkt schöner ihm noch. Sie flieht wie ein Lufthauch Eilends davon und steht nicht still, wie er solches ihr nachruft: "Nymphe, du Kind des Peneios, bleibe! Nicht folg' ich ein Feind dir.
|
|
nympha, mane! sic agna lupum, sic cerva leonem, sic aquilam penna fugiunt trepidante columbae, hostes quaeque suos: amor est mihi causa sequendi! me miserum! ne prona cadas indignave laedi crura notent sentes et sim tibi causa doloris! |
Nymphe, bleibe! So flieht das Lamm vor dem Wolf, vor dem Löwen Also der Hirsch, vor dem Aar mit zitternder Schwinge die Taube, Jedes vom Feinde gescheucht. Mich nötigt Liebe zu folgen. Ach, wenn du nur nicht fällst, und den Fuß zu gut der Verletzung Nur nicht ritzet ein Dorn, und Schmerz durch mich du erleidest! |
|
aspera, qua properas, loca sunt: moderatius, oro,
curre fugamque inhibe, moderatius insequar ipse. cui placeas, inquire tamen: non incola montis, non ego sum pastor, non hic armenta gregesque horridus observo. nescis, temeraria, nescis, |
Rauh ist der Weg, auf welchem du eilst. Sei mäßig im Laufe – Höre mich - hemme die Flucht! Selbst will ich dir mäßiger folgen.
Wem du gefällst, erforsche doch erst. Kein Mann vom Gebirge Bin ich oder ein Hirt; nicht hab' ich auf Rinder noch Schafe Acht hier, lässig im Aussehn. Du weißt nicht, Törin, du weißt nicht, |
|
quem fugias, ideoque fugis: mihi Delphica tellus et Claros et Tenedos Patareaque regia servit; Iuppiter est genitor; per me, quod eritque fuitque estque, patet; per me concordant carmina nervis. certa quidem nostra est, nostra tamen una sagitta |
Wem du entfliehst; drum fliehest du nur. Die delphische Landschaft, Tenedos huldigt mir und Klaros und Pataras Hofburg. Iupiter hat mich gezeugt. Durch mich wird kund, was gewesen, Was sein wird und was ist. Durch mich stimmt Sang zu den Saiten. Sicher ist mein Geschoss; doch sicherer trifft als das meine |
|
certior, in vacuo quae vulnera pectore fecit! inventum medicina meum est, opiferque per orbem dicor, et herbarum subiecta potentia nobis. ei mihi, quod nullis amor est sanabilis herbis nec prosunt domino, quae prosunt omnibus, artes!' |
Eins noch, welches mir schlug im ruhigen Busen die Wunde. Heilende Kunst ist erfunden von mir, und Helfer auf Erden Werd' ich genannt, und mir sind dienstbar die Kräfte der Kräuter. Ach, dass keines vermag von den Kräutern die Liebe zu heilen, Und dem Besitzer die Kunst nicht nützt, die jeglichem nützet!" |
|
Plura locuturum timido Peneia cursu fugit cumque ipso verba inperfecta reliquit, tum quoque visa decens; nudabant corpora venti, obviaque adversas vibrabant flamina vestes, et levis inpulsos retro dabat aura capillos, |
Mehr noch hätt' er gesagt; doch ängstlich entfloh des Peneios Tochter und ließ ihn selbst und die unvollendete Rede, Reizend zu sehn auch da. Den Körper enthüllten die Winde, Und das Gewand ward flatternd bewegt vom begegnenden Hauche, Und das gehobene Haar trieb rückwärts der drängende Luftzug.
|
|
auctaque forma fuga est. sed enim non sustinet ultra
perdere blanditias iuvenis deus, utque monebat ipse Amor, admisso sequitur vestigia passu. ut canis in vacuo leporem cum Gallicus arvo vidit, et hic praedam pedibus petit, ille salutem; |
Flucht zeigt schöner den Wuchs. Da mag der unsterbliche Jüngling Nicht mehr das schmeichelnde Wort aufwenden, und wie ihn Cupido Selbst antrieb, so folgt er beschleunigten Laufes den Schritten. Wie wenn im offenen Felde den Hasen der gallische Spürhund Schaut und dieser mit Hast nach dem Fang strebt, jener nach Rettung; |
|
alter inhaesuro similis iam iamque tenere sperat et extento stringit vestigia rostro, alter in ambiguo est, an sit conprensus, et ipsis morsibus eripitur tangentiaque ora relinquit: sic deus et virgo est hic spe celer, illa timore. |
Immer erscheint einholend der Hund; jetzt, jetzt ihn zu packen Hofft er und streift ganz nah mit der schnappenden Schnauze die Läufe; Jener vermeint bestürzt, schon sei er gefangen, und reißt sich
Los von dem beißenden Zahn und verlässt den berührenden Rachen:
So ist eilig in Furcht das Mädchen, der Gott in Erwartung. |
|
qui tamen insequitur pennis adiutus Amoris, ocior est requiemque negat tergoque fugacis inminet et crinem sparsum cervicibus adflat. viribus absumptis expalluit illa citaeque victa labore fugae spectans Peneidas undas |
Doch der Verfolgende rennt, von den Fittichen Amors gefördert, Schneller und gönnt nicht Rast, und dicht an der Fliegenden Rücken Ist er gebeugt und behaucht im Nacken das fliegende Haupthaar. Nun, da versagt die Kraft, erblasst sie, und von der Mühsal Flüchtigen Laufes erschöpft, die peneischen Wellen gewahrend, |
|
'fer, pater,' inquit 'opem! si flumina numen habetis, qua nimium placui, [tellus, aut hisce, vel istam quae facit, ut laedar,] mutando perde figuram!' vix prece finita torpor gravis occupat artus, mollia cinguntur tenui praecordia libro, |
Fleht sie: "Vater, ach hilf, wenn Macht euch Strömen gegeben! Lass die Erd' mich verschlingen, auf der zu sehr ich gefallen, Oder verwandle diese Gestalt, die Grund meiner Kränkung." Wie sie kaum es erfleht, fasst starrende Lähmung die Glieder, Und mit geschmeidigem Bast umzieht sich der schwellende Busen. |
|
in frondem crines, in ramos bracchia crescunt, pes modo tam velox pigris radicibus haeret, ora cacumen habet: remanet nitor unus in illa. Hanc quoque Phoebus amat positaque in stipite dextra sentit adhuc trepidare novo sub cortice pectus |
Grünend erwachsen zu Laub die Haare, zu Ästen die Arme; Fest hangt, jüngst noch flink, ihr Fuß an trägem Gewurzel. Wipfel verdeckt das Gesicht; nichts bleibt als die glänzende Schönheit. So auch liebt sie der Gott. An den Stamm die Rechte gehalten Fühlt er, wie noch bebt in der bergenden Rinde der Busen, |
|
conplexusque suis ramos ut membra lacertis oscula dat ligno; refugit tamen oscula lignum. cui deus 'at, quoniam coniunx mea non potes esse, arbor eris certe' dixit 'mea! semper habebunt te coma, te citharae, te nostrae, laure, pharetrae; |
Und mit den Armen die Äste, als wären es Glieder, umfangend, Gibt er Küsse dem Holz. Den Küssen entzieht sich das Holz auch.
"Weil du", sprach er sodann, "nicht mein kannst werden als Gattin, Werde denn mein als Baum. Dich soll nun ständig die Leier, Dich soll tragen das Haar, dich ständig der Köcher, o Lorbeer! |
|
tu ducibus Latiis aderis, cum laeta Triumphum vox canet et visent longas Capitolia pompas; postibus Augustis eadem fidissima custos ante fores stabis mediamque tuebere quercum, utque meum intonsis caput est iuvenale capillis, |
Latiums Führern gesellt sei du, wenn fröhliche Stimmen Jubeln Triumph und zum Capitol lang wallet der Festzug. Treulicher Wächter zugleich den augustischen Pfosten in Zukunft Sollst du stehn vor dem Tor und inmitten die Eiche behüten. Und wie jugendlich trägt mein Haupt frei wachsende Locken, |
|
tu quoque perpetuos semper gere frondis honores!'
finierat Paean: factis modo laurea ramis adnuit utque caput visa est agitasse cacumen. |
Habe du fort und fort die beständige Zierde des Laubes." Paian hatt' es gesagt. Der Lorbeer nickte mit jungen Zweigen dazu und schien wie ein Haupt zu bewegen den Wipfel. |
|
11. Io (568-746) |
|
Est nemus Haemoniae, praerupta quod undique claudit silva: vocant Tempe; per quae Peneos ab imo |
In Haimonien liegt, von bewaldeten Bergen umschlossen, Tempe genannt, ein Hain, durch welchen vom unteren Pindus |
|
effusus Pindo spumosis volvitur undis deiectuque gravi tenues agitantia fumos nubila conducit summisque adspergine silvis inpluit et sonitu plus quam vicina fatigat: haec domus, haec sedes, haec sunt penetralia magni |
Strömend zu Tal sich wälzt in schaumigen Wellen Peneios Und im gewichtigen Fall mit flüchtigen Dämpfen getränkte Wolken erregt und die Wipfel umher mit spritzendem Regen Netzt und mit dem Gebraus nicht bloß die Nähe betäubet. Hier ist das Haus und der Sitz, hier sind die Gemächer des großen |
|
amnis, in his residens facto de cautibus antro,
undis iura dabat nymphisque colentibus undas. conveniunt illuc popularia flumina primum, nescia, gratentur consolenturne parentem, populifer Sperchios et inrequietus Enipeus |
Stromgotts. Hausend allhier in der felsumwölbeten Grotte
Gab er den Wellen Gesetz und den Wellen bewohnenden Nymphen. Dorthin kamen zuerst zusammen die heimischen Flüsse, Zweifelnd im Sinn, ob sie Trost, ob Glückwunsch brächten dem Vater, Pappelumlaubt Spercheios und rastlos immer Enipeus, |
|
Apidanosque senex lenisque Amphrysos et Aeas,
moxque amnes alii, qui, qua tulit inpetus illos, in mare deducunt fessas erroribus undas. Inachus unus abest imoque reconditus antro fletibus auget aquas natamque miserrimus Io |
Greis Apidanos auch und der sanfte Amphrysos und Aias; Andere Ströme sodann, die, wo das Gelüste sie hintreibt, Führen hinab zum Meer vom Irren ermüdete Wellen. Inachos nur ist fern. In der untersten Grotte verborgen Mehrt er mit Zähren die Flut; denn Io betrauert der Ärmste |
|
luget ut amissam: nescit, vitane fruatur an sit apud manes; sed quam non invenit usquam, esse putat nusquam atque animo peiora veretur. Viderat a patrio redeuntem Iuppiter illam flumine et 'o virgo Iove digna tuoque beatum |
Als ein verlorenes Kind. Er weiß nicht, ob sie am Leben, Ob bei den Manen sie sei; doch sie, die er nirgends gefunden, Scheint ihm nirgends zu sein, und er fürchtet im Herzen das Schlimmste. Iupiter hatt' unlängst, wie sie kehrte vom Strome des Vaters, Jene geschaut und gesagt: "O Jungfrau Iupiters würdig, |
|
nescio quem factura toro, pete' dixerat 'umbras altorum nemorum' (et nemorum monstraverat umbras) 'dum calet, et medio sol est altissimus orbe! quodsi sola times latebras intrare ferarum, praeside tuta deo nemorum secreta subibis, |
Die einst liebend beglückt, ich weiß nicht wen, in den Schatten Komm zum stämmigen Hain", und er wies nach dem Schatten des Haines, "Da Glut sendet in der Mitte des Kreises die Sonne.
Hegest du Scheu, allein zu betreten die Schlüfte des Wildes, Sicher geleitet ein Gott dich hinein in die Tiefe des Waldes, |
|
nec de plebe deo, sed qui caelestia magna sceptra manu teneo, sed qui vaga fulmina mitto. ne fuge me!' fugiebat enim. iam pascua Lernae consitaque arboribus Lyrcea reliquerat arva, cum deus inducta latas caligine terras |
Und kein niedriger Gott, nein, welcher das himmlische Szepter Hält in gewaltiger Hand und zuckende Blitze versendet. Fliehe mich nicht!" Denn sie floh. Hinweg schon über die Weiden
Lernas war sie geeilt und Lyrkeias waldige Fluren: Da umhüllte der Gott mit bergendem Dunkel die Lande |
|
occuluit tenuitque fugam rapuitque pudorem. Interea medios Iuno despexit in Argos et noctis faciem nebulas fecisse volucres sub nitido mirata die, non fluminis illas esse, nec umenti sensit tellure remitti; |
Weit und breit und hemmte die Flucht und nahm ihr die Ehre. Grad' auf die Felder hinab sah Iuno indes von der Höhe Und war höchst erstaunt, dass Nacht am heiteren Tage Flüchtige Nebel gebracht. Wohl merkte sie, dass sich die Dünste Weder entwanden dem Fluss, noch stiegen vom wässrigen Boden, |
|
atque suus coniunx ubi sit circumspicit, ut quae deprensi totiens iam nosset furta mariti. quem postquam caelo non repperit, 'aut ego fallor aut ego laedor' ait delapsaque ab aethere summo constitit in terris nebulasque recedere iussit. |
Und nach dem Ehegemahl sucht rings ihr spähendes Auge, Da ihr die Schliche bekannt des öfter betroffenen Gatten. Wie sie ihn nicht im Himmel entdeckt: "Ich irre mich", sprach sie,
"Oder ich werde gekränkt." Und der Höhe des Aithers entglitten Hatte sie Stand auf der Erd' und hieß sich entfernen die Nebel. |
|
coniugis adventum praesenserat inque nitentem Inachidos vultus mutaverat ille iuvencam; bos quoque formosa est. speciem Saturnia vaccae, quamquam invita, probat nec non, et cuius et unde quove sit armento, veri quasi nescia quaerit. |
Doch er hatte geahnt der Gattin Besuch und gewandelt Inachos' Tochter zuvor in Gestalt der weiß glänzenden Färse. Auch als Kuh ist sie schön. Die saturnische Göttin, zwar ungern,
Preist das stattliche Rind, und sie fragt, unkundig erscheinend, Wessen es sei und woher, und wohin zur Herde gehörig. |
|
Iuppiter e terra genitam mentitur, ut auctor desinat inquiri: petit hanc Saturnia munus. quid faciat? crudele suos addicere amores, non dare suspectum est: Pudor est, qui suadeat illinc, hinc dissuadet Amor. victus Pudor esset Amore, |
Dass sie die Erde gezeugt, lügt Iupiter, weiteren Fragen, Wie sie entstand, zu entgehn. Zum Geschenke begehret sie Iuno. Was nun tun? Hart war' es, hinweg die Geliebte zu geben; Weigerung regte Verdacht. Hier ist es die Scham, die ihm zurät; Dort rät Liebe ihm ab. Scham wäre gewichen der Liebe; |
|
sed leve si munus sociae generisque torique vacca negaretur, poterat non vacca videri! Paelice donata non protinus exuit omnem diva metum timuitque Iovem et fuit anxia furti, donec Arestoridae servandam tradidit Argo. |
Doch wenn das leichte Geschenk der Genossin des Stamms und des Lagers Würde versagt, die Kuh, nicht Kuh dann möchte sie scheinen. Als er die Buhle geschenkt, war frei doch nicht von Besorgnis Iuno sogleich, denn sie scheute den Gott und bangte vor Diebstahl, Bis sie den Argos bestellt zum Hüter, den Sohn des Arestor. |
|
12. Argus (625-688) |
|
centum luminibus cinctum caput Argus habebat inde suis vicibus capiebant bina quietem, cetera servabant atque in statione manebant. constiterat quocumque modo, spectabat ad Io, ante oculos Io, quamvis aversus, habebat. |
Hundert Augen zugleich trug Argos am Haupt in der Runde: Immer ergaben sich zwei in wechselnder Folge dem Schlummer, Während die anderen all' achtsam auf dem Posten verblieben. Wie er den Stand auch immer gewählt, er schaute nach Io; Io stand vor dem Blick, auch wenn er gewendet das Antlitz. |
|
luce sinit pasci; cum sol tellure sub alta est, claudit et indigno circumdat vincula collo. frondibus arboreis et amara pascitur herba. proque toro terrae non semper gramen habenti incubat infelix limosaque flumina potat. |
Weiden darf sie am Tag; ist unter der Erde die Sonne, Schließt er sie ein und legt um den Hals unwürdige Bande. Nahrung ist ihr das Laub von den Bäumen und bittere Kräuter. Statt auf schwellendem Pfühl muss ruhn auf dem Boden die Arme, Der nicht immer begrast, und sie trinkt aus schlammigen Flüssen. |
|
illa etiam supplex Argo cum bracchia vellet tendere, non habuit, quae bracchia tenderet Argo, conatoque queri mugitus edidit ore pertimuitque sonos propriaque exterrita voce est. venit et ad ripas, ubi ludere saepe solebat, |
Wenn sie mit Flehen empor zu Argos die Arme zu heben Trachtete, war sie der Arme beraubt, die sie hübe zu Argos. Wollte sie klagen ihr Leid, so stieg ein Gebrüll aus dem Munde: Bebend vernahm sie den Ton und erschrak vor der eigenen Stimme. Auch an den Strand, wo oft sie vormals pflegte zu spielen, |
|
Inachidas: rictus novaque ut conspexit in unda cornua, pertimuit seque exsternata refugit. naides ignorant, ignorat et Inachus ipse, quae sit; at illa patrem sequitur sequiturque sorores et patitur tangi seque admirantibus offert. |
Kam sie, an Inachos' Strand, und wie sie im Wasser die neuen Hörner erblickt, da bebt sie und flieht vor sich selbst mit Entsetzen. Keine Naiade erkennt, auch Inachos selber erkennt nicht, Wer sie sei; doch sie folgt dem Erzeuger und folget den Schwestern; Streicheln lässt sie sich gern und tritt den Bewundernden näher. |
|
decerptas senior porrexerat Inachus herbas: illa manus lambit patriisque dat oscula palmis nec retinet lacrimas et, si modo verba sequantur, oret opem nomenque suum casusque loquatur; littera pro verbis, quam pes in pulvere duxit, |
Inachos reicht ihr gerupftes Gras, der bejahrte Stromgott: Jene leckt ihm die Hand, gibt Küsse den Fingern des Vaters Und gönnt Tränen den Lauf, und wenn nur folgten die Worte, Würd' um Hilfe sie flehn und Namen verkünden und Schicksal. Aber gezeichnet im Staub mit dem Fuß gab traurige Kunde |
|
corporis indicium mutati triste peregit. 'me miserum!' exclamat pater Inachus inque gementis cornibus et nivea pendens cervice iuvencae 'me miserum!' ingeminat; 'tune es quaesita per omnes nata mihi terras? tu non inventa reperta |
Von dem gewandelten Leib die Schrift an der Stelle der Worte. "Weh mir!" ruft im Schmerz Greis Inachos aus, und die Hörner Hält er umfasst und den schneeigen Hals der stöhnenden Färse: "Weh mir!" klagt sein Ruf, "du bist's, o Tochter, die ringsum
Ich in den Landen gesucht? Du warst mein Jammer verschollen |
|
luctus eras levior! retices nec mutua nostris dicta refers, alto tantum suspiria ducis pectore, quodque unum potes, ad mea verba remugis! at tibi ego ignarus thalamos taedasque parabam, spesque fuit generi mihi prima, secunda nepotum. |
Minder, denn also entdeckt. Du schweigst, und erwidernde Worte Redest du nicht und drängst nur Seufzer vom Grunde des Herzens Und, was allein dir vergönnt, du brüllst zu unseren Klagen. Arglos richtet' ich zu für dich Brautkammer und Fackeln; Erst nach dem Eidam stand mein Hoffen und dann nach den Enkeln, |
|
de grege nunc tibi vir, nunc de grege natus habendus. nec finire licet tantos mihi morte dolores; sed nocet esse deum, praeclusaque ianua leti aeternum nostros luctus extendit in aevum.' talia maerenti stellatus submovet Argus |
Nun harrt dein von der Herde ein Mann, ein Sohn von der Herde, Und nicht ist mir erlaubt, durch Tod mein Leiden zu ändern: Mir zum Verderb ja bin ich ein Gott, und unsere Trauer Dehnt in ewige Zeit die verschlossene Pforte des Todes." Aber den jammernden Greis drängt fort der vieläugige Argos, |
|
ereptamque patri diversa in pascua natam abstrahit. ipse procul montis sublime cacumen occupat, unde sedens partes speculatur in omnes. Nec superum rector mala tanta Phoronidos ultra ferre potest natumque vocat, quem lucida partu |
Reißt vom Vater das Kind und treibt sie zu anderen Weiden. Selber begibt er sich fern auf die Höhe des ragenden Berges, Wo er sich setzt und weit nach jeglicher Seite sich umschaut. Doch der Unsterblichen Haupt kann länger der Phoronide Qual nicht sehn, und den Sohn, den die lichte Pleiade geboren, |
|
Pleias enixa est letoque det imperat Argum. parva mora est alas pedibus virgamque potenti somniferam sumpsisse manu tegumenque capillis. haec ubi disposuit, patria Iove natus ab arce desilit in terras; illic tegumenque removit |
Ruft er her und gebietet durch Mord zu vertilgen den Argos. Rasch nimmt jener den Hut auf das Haupt, an die Füße die Flügel
Und in die mächtige Hand die Schlummer verleihende Rute. Wie er sich fertig gemacht, schwebt Iupiters Sohn von des Vaters Burg auf die Erde hinab. Dort wieder entfernt er die Flügel |
|
et posuit pennas, tantummodo virga retenta est: hac agit, ut pastor, per devia rura capellas dum venit abductas, et structis cantat avenis. voce nova captus custos Iunonius 'at tu, quisquis es, hoc poteras mecum considere saxo' |
Und legt nieder den Hut und behält in den Händen den Stab nur. Damit treibt er als Hirt quer durch die Gefilde die Ziegen, Die er im Gehn mitbracht', und bläst auf gefügeten Halmen. Zauberisch klang das neue Getön dem iunonischen Wächter: "He, wer immer du seist", rief Argos, "du könntest dich setzen |
|
Argus ait; 'neque enim pecori fecundior ullo herba loco est, aptamque vides pastoribus umbram.' Sedit Atlantiades et euntem multa loquendo detinuit sermone diem iunctisque canendo vincere harundinibus servantia lumina temptat. |
Zu mir hier auf den Stein; denn üppiger wächst für die Herde Nirgends das Gras, und du siehst für Hirten erquicklichen Schatten." Atlas' Spross nahm Platz und wusste mit vielem Gerede Plaudernd zu dehnen den Tag und strebte, die wachsamen Augen Einzuwiegen gemach mit dem Spiel auf verbundenen Rohren. |
|
ille tamen pugnat molles evincere somnos et, quamvis sopor est oculorum parte receptus, parte tamen vigilat. quaerit quoque (namque reperta fistula nuper erat), qua sit ratione reperta. |
Jener bekämpft jedoch des Schlummers gelinde Bestrickung, Und obschon sich dem Schlaf ein Teil von den Augen ergeben, Hält er die anderen wach. Auch fragt er - denn neulich erfunden War das flötende Spiel -, was Anlass gab zur Erfindung. |
|
13. Syrinx (689-747) |
|
Tum deus 'Arcadiae gelidis sub montibus' inquit |
Drauf sprach also der Gott: "In Arkadiens kalten Gebirgen
|
|
'inter hamadryadas celeberrima Nonacrinas naias una fuit: nymphae Syringa vocabant. non semel et satyros eluserat illa sequentes et quoscumque deos umbrosaque silva feraxque rus habet. Ortygiam studiis ipsaque colebat |
War die schönste im Kreis der nonakrischen Hamadryaden Eine Najade unlängst: die Nymphen nannten sie Syrinx. Mehrmals war sie bereits entschlüpft den nachstellenden Satyrn Und den Göttern zumal, die der schattige Wald und das Saatfeld Hegt. Sie weihte sich ganz der ortygischen Göttin mit Neigung |
|
virginitate deam; ritu quoque cincta Dianae falleret et posset credi Latonia, si non corneus huic arcus, si non foret aureus illi; sic quoque fallebat. Redeuntem colle Lycaeo Pan videt hanc pinuque caput praecinctus acuta |
Und jungfräulichem Sinn. Nach Sitte Dianens gegürtet Konnte sie täuschen und selbst wohl gelten als Tochter Latonas, Wär' ihr nicht ein Bogen von Hörn und ein goldener jener. Doch so täuschte sie auch. Wie sie einst heimging vom Lykaios, Schaute sie Pan, und das Haupt umwunden mit nadliger Fichte |
|
talia verba refert' - restabat verba referre et precibus spretis fugisse per avia nympham, donec harenosi placidum Ladonis ad amnem venerit; hic illam cursum inpedientibus undis ut se mutarent liquidas orasse sorores, |
Hub zu reden er an." Noch war zu erzählen die Rede, Und wie die Nymphe geflohn, nicht achtend der dringenden Bitten, Durch pfadloses Gefild, bis dass zu des sandigen Ladon Ruhigem Strom sie gelangt und, als ihr die Wellen versperrten Weiteren Lauf, um Wandlung gefleht zu den flüssigen Schwestern; |
|
Panaque cum prensam sibi iam Syringa putaret, corpore pro nymphae calamos tenuisse palustres, dumque ibi suspirat, motos in harundine ventos effecisse sonum tenuem similemque querenti. arte nova vocisque deum dulcedine captum |
Wie dann Pan, da schon er gedachte zu haschen die Syrinx, Statt der Nymphe Gestalt Schilfrohr in den Armen gehalten, Und, als seufzend er stand, die wehende Luft in dem Schilfe Leises Geflüster erregt, das ähnlich ertönte wie Klage, Wie er entzückt vom Zauber des Tons und der neuen Erfindung |
|
'hoc mihi colloquium tecum' dixisse 'manebit,' atque ita disparibus calamis conpagine cerae inter se iunctis nomen tenuisse puellae. talia dicturus vidit Cyllenius omnes subcubuisse oculos adopertaque lumina somno; |
Hatte gesagt: "Das soll fortan uns beide vereinen!" Und an den Halmen sodann, die er ungleich untereinander Hatte verbunden mit Wachs, den Namen des Mädchens erhalten. Solches zu sagen bereit sah schon der kyllenische Jüngling Alle die Wimpern gesenkt und verdeckt vom Schlummer die Augen. |
|
supprimit extemplo vocem firmatque soporem languida permulcens medicata lumina virga. nec mora, falcato nutantem vulnerat ense, qua collo est confine caput, saxoque cruentum deicit et maculat praeruptam sanguine rupem. |
Gleich nun hält er die Stimme zurück und verstärkt die Betäubung, Mit dem bezaubernden Stab die schläfrigen Lider bestreichend. Rasch dann führt er den Streich auf den Nickenden mit dem gekrümmten Schwert, wo das Haupt sich schließt an den Hals, und stürzt ihn vom Felsen Blutig hinab und befleckt das schroffe Gestein mit dem Blute. |
|
Arge, iaces, quodque in tot lumina lumen habebas,
exstinctum est, centumque oculos nox occupat una. Excipit hos volucrisque suae Saturnia pennis collocat et gemmis caudam stellantibus inplet.
protinus exarsit nec tempora distulit irae |
Argos, du liegst, und das Licht, das so viel Leuchten erfüllte, Ist dir verlöscht, und es hüllt ein Dunkel das Hundert von Augen.
Iuno nimmt sie heraus und setzt in des heiligen Vogels Federn sie ein und füllt den Schweif mit gestirnten Juwelen. Zornig entbrannte sie jetzt und verschob nicht länger die Rache. |
|
horriferamque oculis animoque obiecit Erinyn paelicis Argolicae stimulosque in pectore caecos condidit et profugam per totum exercuit orbem. ultimus inmenso restabas, Nile, labori; quem simulac tetigit, positisque in margine ripae |
Graunvoll rückt sie dem Blick und dem Geist der argolischen Buhle Vor der Erinys Gestalt und senkt verborgene Stacheln Ihr in die Brust und jagt sie im Schreck rings über den Erdkreis. Du warst übrig zuletzt, Nilstrom, der unendlichen Drangsal. Als sie diesen erreicht, da sank sie am Rande des Ufers |
|
procubuit genibus resupinoque ardua collo, quos potuit solos, tollens ad sidera vultus et gemitu et lacrimis et luctisono mugitu cum Iove visa queri finemque orare malorum. coniugis ille suae conplexus colla lacertis, |
Nieder, die Knie gebeugt, und mit rückwärts strebendem Nacken, Was allein ihr vergönnt, das Gesicht zu den Sternen erhebend Schien sie mit Klagegestöhn und Tränen und schmerzlichem Brüllen,
Iupiter zeihend der Schuld, zu erflehen ein Ende der Leiden. Da bat jener, den Arm um den Hals der Gemahlin geschlungen, |
|
finiat ut poenas tandem, rogat 'in' que 'futurum pone metus' inquit: 'numquam tibi causa doloris haec erit,' et Stygias iubet hoc audire paludes. Ut lenita dea est, vultus capit illa priores fitque, quod ante fuit: fugiunt e corpore saetae, |
Endlich zu setzen ein Ziel der strafenden Pein: "Für die Zukunft", Sprach er, "banne die Furcht! Nie soll Ursache des Schmerzes Io dir sein." Und er heißt es vernehmen die stygischen Sümpfe.
Als nun Iuno erweicht, nimmt jene das frühere Antlitz Wieder und wird wie zuvor. Von dem Körper entweichen die Haare; |
|
cornua decrescunt, fit luminis artior orbis, contrahitur rictus, redeunt umerique manusque, ungulaque in quinos dilapsa absumitur ungues: de bove nil superest formae nisi candor in illa. officioque pedum nymphe contenta duorum |
Schrumpfend vergeht das Gehörn; eng ziehn sich die Kreise der Augen, Schmäler das Maul; nun kehren zurück die Schultern und Hände; In fünf Zehen geteilt allmählich verliert sich die Klaue; Und nichts bleibt an ihr von der Kuh als die blendende Weiße. Aufrecht schreitet begnügt mit nur zwei Füßen die Nymphe;
|
|
erigitur metuitque loqui, ne more iuvencae mugiat, et timide verba intermissa retemptat. |
Worte getraut sie sich kaum, dass nicht nach Sitte des Rindes Brülle der Mund, und versucht sich verzagt abbrechend im Reden. |
|
14. Phaeton (1,747-2,400) |
|
|
Nunc dea linigera colitur celeberrima turba. huic Epaphus magni genitus de semine tandem creditur esse Iovis perque urbes iuncta parenti |
Leinwand tragende Schar ehrt jetzt die gefeierte Göttin. Ihr wird endlich geglaubt, dass Epaphos sei von des großen Iupiter Samen gezeugt, und rings in den Städten besitzt er |
|
templa tenet. fuit huic animis aequalis et annis Sole satus Phaethon, quem quondam magna loquentem nec sibi cedentem Phoeboque parente superbum non tulit Inachides 'matri' que ait 'omnia demens credis et es tumidus genitoris imagine falsi.' |
Tempel der Mutter gesellt. An Stolz war ihm wie an Jahren Phaethon gleich, Sols Sohn. Als der einst prahlte mit Hochmut Und vor ihm nicht wich und sich rühmte des Phoibos als Zeugers, Trug's nicht Inachos' Sproß: "Du glaubst auch", sprach er, "der Mutter Alles, du Tor! Dich bläht das Bild des erlogenen Vaters." |
|
erubuit Phaethon iramque pudore repressit et tulit ad Clymenen Epaphi convicia matrem 'quo' que 'magis doleas, genetrix' ait, 'ille ego liber, ille ferox tacui! pudet haec opprobria nobis et dici potuisse et non potuisse refelli. |
Phaethon glüht' im Gesicht, und die Scham nur hemmte den Jähzorn, Und vor Klymene bracht' er des Epaphos Schmähung und sagte: "Dass du, Mutter, es recht auch fühlst, ich habe geschwiegen, Ich so trotzig und keck. O Schmach, dass jener den Vorwurf Mir zu sagen vermocht, und ich ihn nicht zu entkräften! |
|
at tu, si modo sum caelesti stirpe creatus, ede notam tanti generis meque adsere caelo!' dixit et inplicuit materno bracchia collo perque suum Meropisque caput taedasque sororum traderet oravit veri sibi signa parentis. |
Aber wenn anders ich bin aus himmlischem Samen entsprossen, Gib mir Beweis von dem hohen Geschlecht, mir den Himmel zu sichern." Phaethon sprach's und umfing der Zeugerin Hals, und bei Merops Und bei dem eigenen Haupt und den Hochzeitsfackeln der Schwestern Bat er sie, kund zu tun durch ein Zeichen den wirklichen Vater. |
|
ambiguum Clymene precibus Phaethontis an ira mota magis dicti sibi criminis utraque caelo bracchia porrexit spectansque ad lumina solis 'per iubar hoc' inquit 'radiis insigne coruscis, nate, tibi iuro, quod nos auditque videtque, |
Klymene, mochte sie nun mehr folgen den Bitten des Sohnes Oder dem Zorn, den gab die Beschuldigung, streckte die Beide zum Himmel empor, und schauend zum Glanze des Phoibos Sagte sie: "Dort bei dem Licht in der Pracht hellblitzender Strahlen Schwör' ich dir, Sohn, bei dem Licht, das uns anhöret und anblickt:
|
|
hoc te, quem spectas, hoc te, qui temperat orbem, Sole satum; si ficta loquor, neget ipse videndum se mihi, sitque oculis lux ista novissima nostris! nec longus labor est patrios tibi nosse penates. unde oritur, domus est terrae contermina nostrae: |
Er, den droben du siehst, ja, Sol, der Erquicker des Weltalls, Hat dich gezeugt. Ist Lüge mein Wort, dann geb' er sich nimmer Mir zu schaun, dann scheine der Tag mir heute zum letzten. Leicht ist die Mühe für dich, die Penaten des Vaters zu finden:
Nah angrenzt das Haus, wo er aufsteigt, unserem Lande. |
|
si modo fert animus, gradere et scitabere ab ipso!' emicat extemplo laetus post talia matris dicta suae Phaethon et concipit aethera mente Aethiopasque suos positosque sub ignibus Indos sidereis transit patriosque adit inpiger ortus. |
Bist du gewillt, geh hin, und er wird dich selber belehren." Phaethon springt sogleich, als solches die Mutter geredet, Auf in freudiger Hast, und im Geist umfasst er den Aither. Sein Aithiopenvolk durcheilt er rasch und die Inder Unter dem heißen Gestirn und erreicht Sols östliche Wohnung. |
|
|
|
|
Übersetzung nach R.Suchier bearbeitet von E.Gottwein |