1 |
[5,22,1] Tunc Psyche, et corporis et animi alioquin infirma, fati tamen saevitia subministrante viribus roboratur et prolata lucerna et adrepta novacula sexum audacia mutatur. (Apul.met.5,22,1) [5,22,1] Psyche, sonst schwach und mutlos, fühlt jetzt, da des Schicksals Wut ihr hilft, sich stark: sie holt die Lampe hervor, ergreift hastig das Messer und wird mutig wie ein Mann. |
|
2 |
[5,22,2] Sed cum primum luminis oblatione tori secreta claruerunt, videt omnium ferarum mitissimam dulcissimamque bestiam, ipsum illum Cupidinem formonsum deum formonse cubantem, cuius aspectu lucernae quoque lumen hilaratum increbruit et acuminis sacrilegi novaculam paenitebat. (Apul.met.5,22,2) [5,22,2] Doch als sich im Schein des Lichts das Geheimnis des Lagers erhellt, sieht sie das Tier, das von allen zahmste und zärtlichste Tier, eben jenen Cupido, den reizenden Gott in reizendem Schlaf. Bei seinem Anblick erheiterte sich sogar das Licht der Laterne und das Messer schämte sich seiner verruchten Spitze. |
|
3 |
[5,22,3] At vero Psyche tanto aspectu deterrita et impos animi, marcido pallore defecta tremensque desedit in imos poplites et ferrum quaerit abscondere, sed in suo pectore; quod profecto fecisset, nisi ferrum timore tanti flagitii manibus temerariis delapsum evolasset. (Apul.met.5,22,3) [5,22,3] Doch Psyche, bei solchem Anblick verwirrt und außer sich, sinkt totenbleich kraftlos und zitternd tief in die Knie und sucht das Messer zu verbergen, zu bergen in der eignen Brust. Ja, sie hätte es getan, wäre es ihr nicht aus Furcht vor solch schändlicher Tat aus unsicherer Hand auf den Boden entglitten. |
|
4 |
[5,22,4] Iamque lassa, salute defecta, dum saepius divini vultus intuetur pulchritudinem, recreatur animi. Videt capitis aurei genialem caesariem ambrosia temulentam, cervices lacteas genasque purpureas pererrantes crinium globos decoriter impeditos, alios antependulos, alios retropendulos, quorum splendore nimio fulgurante iam et ipsum lumen lucernae vacillabat. (Apul.met.5,22,4) [5,22,4] Erschöpft und verzweifelt erholt sie sich allmählich, während sie öfter die Schönheit des göttlichen Antlitzes anstaunt.
Sie sieht des goldenen Hauptes ergötzliche, von Ambrosia trunkenen Locken, die den milchweißen Nacken, die Purpurwangen umwallenden schön gelegten Locken, einige vorn, andere hinten sich herabringelnd, durch deren allzu strahlenden Glanz selbst das Licht der Laterne zur Funzel verblasste. |
|
5 |
[5,22,5] Per umeros volatilis dei pinnae roscidae micanti flore candicant et quamvis alis quiescentibus extimae plumulae tenellae ac delicatae tremule resultantes inquieta lasciviunt. (Apul.met.5,22,5) [5,22,5] An den Schultern des geflügelten Gottes funkeln mit schimmernder Blüte betaute Federn, und obgleich die Flügel ruhen, treiben die äußersten zarten und reizenden Federchen in zitterndem Tanz ihr unruhiges Spiel. |
|
6 |
[5,22,6] Ceterum corpus glabellum atque luculentum et quale peperisse Venerem non paeniteret. ante lectuli pedes iacebat arcus et pharetra et sagittae, magni dei propitia tela. (Apul.met.5,22,6) [5,22,6] Der übrige Leib war glatt und ansehnlich, so dass es Venus nicht leid tun musste, ihn geboren zu haben. Vor den Füßen des Bettes lagen Bogen und Köcher und Pfeile, des mächtigen Gottes huldvolle Waffen. |
|
|
|
|
Lat. zu "Apuleius"
Goldene Esel. Metamorphosen. Text und Ãœbersetzung v. E.Brandt / W.Ehlers
Gesammelte Werke von Apuleius: Metamorphosen : Der goldene Esel und Amor und Psyche und Die Geschichte von dem Mann im Faß ; Vollständige Deutsche Ausgabe
1. Aufl. e-artnow, 2014 [Online Ressource (588 KB, 430 S.)]
Das Märchen von Amor und Psyche : Lateinisch/Deutsch (Bibliogr. erg. Ausg. 2004) -
Metamorphosen oder Der goldene Esel, lat. u. dt. von R.Helm
Berlin, Akademie-Verlag 5/1961.
Apuleius Madaurensis. Metamorphoses. Book XI. The Isis book. Text, introduction and commentary
Keulen, Wytse Hette
Leipzig, Dieterich (Sammlung Dieterich Bd. 55) 1949
in: S.Müller (Hg): Große römische Erzähler, Vollmer, Lengerich, o.J. S.217-259