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M. TULLI
CICERONIS
IN L. CATILINAM ORATIO SECUNDA
HABITA AD POPULUM |
M. TULLIUS
CICERO
ZWEITE REDE GEGEN L.CATILINA
VOR DEM VOLK GEHALTEN |
(2,1)
Tandem aliquando, Quirites, L. Catilinam, furentem audacia, scelus
anhelantem, pestem patriae nefarie molientem, vobis atque huic
urbi ferro flammaque minitantem ex urbe vel eiecimus vel emisimus
vel ipsum egredientem verbis prosecuti sumus. Abiit, excessit,
evasit, erupit. Nulla iam pernicies a monstro illo atque prodigio
moenibus ipsis intra moenia comparabitur. Atque hunc quidem unum
huius belli domestici ducem sine controversia vicimus. Non enim
iam inter latera nostra sica illa versabitur, non in campo, non
in foro, non in curia, non denique intra domesticos parietes pertimescemus.
Loco ille motus est, cum est ex urbe depulsus. Palam iam cum hoste
nullo impediente bellum iustum geremus. Sine dubio perdidimus
hominem magnificeque vicimus, cum illum ex occultis insidiis in
apertum latrocinium coniecimus. |
[1.] So haben wir denn
endlich, Quiriten,
den Lucius
Catilina, der frech bis zur Raserei und Bosheit schnaubend
gegen das Vaterland ruchlos Verderben brütete und euch und
diese Stadt mit Mord und Brand bedrohte, aus der Stadt hinausgetrieben
oder ziehen lassen oder seinen Weggang mit einem Nachruf begleitet.
Fort ist er, draußen ist er, er ist entwichen, er ist durchgebrochen.
Kein Unheil mehr wird von jenem Unhold und Ungeheuer innerhalb
der Mauern gegen die Mauern selbst angezettelt werden. So haben
wir denn diesen einen Führer des inneren Krieges unstreitig
überwunden. Denn nicht mehr wird jener Mordstahl gegen unsere
Brust gezückt sein, nicht mehr werden wir auf dem Marsfeld,
nicht auf dem Forum,
nicht in der Kurie,
nicht mehr endlich innerhalb der Wände unserer Wohnung uns
zu fürchten haben. Seinen Haltepunkt hat er verloren, indem
er aus der Stadt vertrieben wurde. Offen und ungehindert werden
wir jetzt mit ihm als einem Feind einen gerechten Krieg führen.
Ohne Zweifel haben wir den Menschen zu Fall gebracht und aufs
glänzendste besiegt, indem wir ihn aus seinem geheimen Hinterhalt
unter die offenbare Räuberbande hinausgestoßen haben. |
(2,2)
Quod vero non cruentum mucronem, ut voluit, extulit, quod vivis
nobis egressus est, quod ei ferrum e manibus extorsimus, quod
incolumis civis, quod stantem urbem reliquit, quanto tandem illum
maerore esse adflictum et profligatum putatis? Iacet ille nunc
prostratus, Quirites, et se perculsum atque abiectum esse sentit
et retorquet oculos profecto saepe ad hanc urbem, quam e suis
faucibus ereptam esse luget: quae quidem mihi laetari videtur,
quod tantam pestem evomuerit forasque proiecerit. |
Dass er aber
seinen Dolch nicht blutig, wie er wünschte, wegtrug, dass
er bei seinem Auszug uns noch am Leben wusste, dass wir ihm das
Schwert aus den Händen gewunden haben, dass er die Bürger
unverletzt, die Stadt noch stehend zurückließ, welch
empfindlichen, niederschlagenden Kummer muss ihm dies, wie Ihr
euch wohl vorstellen könnt, verursacht haben! Er liegt nun
niedergeworfen, Quiriten,
und fühlt sich geschlagen und zu Boden geschmettert und wendet
gewiss oft den Blick nach dieser Stadt zurück, die zu seinem
Bedauern seinem Rachen entrissen wurde. Diese aber scheint zu
frohlocken, dass sie eine solche Pest ausgespieen und weit von
sich geschleudert hat. |
(2,3)
Ac si quis est talis, qualis esse omnis oportebat, qui in hoc
ipso, in quo exsultat et triumphat oratio mea, me vehementer accuset,
quod tam capitalem hostem non comprehenderim potius quam emiserim,
non est ista mea culpa, Quirites, sed temporum. Interfectum esse
L. Catilinam et gravissimo supplicio adfectum iam pridem oportebat,
idque a me et mos maiorum et huius imperi severitas et res publica
postulabat. Sed quam multos fuisse putatis, qui, quae ego deferrem,
non crederent, quam multos, qui propter stultitiam non putarent,
quam multos, qui etiam defenderent, quam multos, qui propter improbitatem
faverent? Ac si illo sublato depelli a vobis omne periculum iudicarem,
iam pridem ego L. Catilinam non modo invidiae meae, verum etiam
vitae periculo sustulissem. |
[2.] Aber wofern jemand
die Ansicht hat, die alle haben sollten, dass er gerade das, worüber
mein Vortrag mit hohem Selbstgefühl triumphiert, mir zum
Vorwurf macht, dass ich nämlich einen solchen Todfeind nicht
lieber festgenommen als hinausgelassen habe, so ist das nicht
meine Schuld, Quiriten,
sondern die Schuld der Umstände. Schon längst hätte Catilina hingerichtet
und mit der härtesten Todesstrafe belegt werden sollen; und
das forderte nicht allein die Sitte der Vorfahren, sondern die
Strenge der Amtsgewalt, die ich führe, und der Staat selbst.
Aber wie viele, glaubt ihr, hätten sich gefunden, die meinen
Anschuldigungen nicht geglaubt, wie viele, die aus Beschränktheit
sie nicht gastwürdig, wie viele die sogar ihren Gegenstand
verteidigen und aus Schlechtigkeit ihn begünstigt hätten?
Und wenn ich der Meinung wäre, dass mit der Beseitigung jenes
Menschen alle Gefahr von euch entfernt würde, so hätte
ich den Lucius Catilina nicht nur auf die Gefahr hin, Hass auf mich zu laden, sondern
auch mein Leben auf das Spiel zu setzen, schon längst aus
dem Weg geräumt. |
(2,4)
Sed cum viderem, ne vobis quidem omnibus etiam tum re probata
si illum, ut erat meritus, morte multassem, fore, ut eius socios
invidia oppressus persequi non possem, rem huc deduxi, ut tum
palam pugnare possetis, cum hostem aperte videretis. Quem quidem
ego hostem, Quirites, quam vehementer foris esse timendum putem,
licet hinc intellegatis, quod etiam illud moleste fero, quod ex
urbe parum comitatus exierit. Utinam ille omnis secum suas copias
eduxisset! Tongilium mihi eduxit, quem amare in praetexta coeperat,
Publicium et Minucium, quorum aes alienum contractum in popina
nullum rei publicae motum adferre poterat: reliquit quos viros,
quanto aere alieno, quam valentis, quam nobilis! |
Aber da ich sah, dass
ich, während ihr nicht einmal alle es billigen würdet,
wenn ich ihn, wie er es verdiente, mit dem Tode bestraft hätte,
unter der Last des öffentlichen Tages erliegen und auch seine
Genossen nicht würde verfolgen können, so habe ich die
Sache dahin geleitet, dass ihr, wenn ihr ihn als offenbaren Feind
fändet, auch den offenen Kampf beginnen könntet. Für
wie furchtbar ich diesen Feind, da er draußen ist, halte,
könnt ihr, Quiriten,
daraus entnehmen, dass ich es sogar bedauere, dass er mit so kleinem
Gefolge ausgezogen ist. Hätte er doch sein ganzes Heer mit
sich genommen! Da hat er mir den Tongilius mitgenommen, den er
schon im verbrämten Knabenkleid zu lieben angefangen hat;
so auch den Publicius und Munatius, deren im Wirtshaus gemachten
Schulden keine Bewegung im Staat verursachen konnten. Zurückgelassen
hat er - welche Männer! Von welch großer Schuldenlast!
Wie einflussreich, wie vornehm! |
(2,5)
Itaque ego illum exercitum prae Gallicanis legionibus et hoc dilectu,
quem in agro Piceno et Gallico Q. Metellus habuit, et his copiis,
quae a nobis cotidie comparantur, magno opere contemno, conlectum
ex senibus desperatis, ex agresti luxuria, ex rusticis decoctoribus,
ex eis, qui vadimonia deserere quam illum exercitum maluerunt;
quibus ego non modo si aciem exercitus nostri, verum etiam si
edictum praetoris ostendero, concident. Hos, quos video volitare
in foro, quos stare ad curiam, quos etiam in senatum venire, qui
nitent unguentis, qui fulgent purpura, mallem secum suos milites
eduxisset: qui si hic permanent, mementote non tam exercitum illum
esse nobis quam hos, qui exercitum deseruerunt, pertimescendos.
Atque hoc etiam sunt timendi magis, quod, quid cogitent, me scire
sentiunt neque tamen permoventur. |
[3.] Da uns nun Galliens Legionen und die Truppen, die Quintus Metellus im picenischen
und gallischen Gebiet
ausgehoben hat, und die Streitmittel, die noch täglich von
uns herbeigebracht werden, zu Gebote stehen, so finde ich jenes
Heer sehr verächtlich, das aus hoffnungslosen Greisen, aus
schwelgerischen Landleuten, aus Bauern, die das Ihrige verprasst
haben, aus Leuten, die lieber gerichtliche Fristen versäumen,
als jenes Heer verlassen wollten, besteht. Wenn ich diesen nicht
allein die Schlachtlinie unseres Heeres, sondern auch nur den
Beschluss des Praetors zeige, so werden sie niederstürzen. Lieber hätte ich
gewünscht, dass er jene Leute, die ich sich auf dem Forum herumtreiben, an der Kurie stehen, und sogar in den Senat kommen sehe, die von Salben glänzen und in Purpur schimmern,
als seine Soldaten mitgenommen hätte. Wenn diese hier bleiben,
so wisst, dass wir nicht sowohl jenes Heer, als diese, die das
Heer verlassen haben, fürchten müssen. Und sie sind
um so mehr zu fürchten, weil sie merken, dass ich weiß,
was sie im Schilde führen, ohne sich dadurch stören
zu lassen. |
(2,6)
Video, cui sit Apulia attributa, quis habeat Etruriam, quis agrum
Picenum, quis Gallicum, quis sibi has urbanas insidias caedis atque incendiorum depoposcerit. Omnia superioris
noctis consilia ad me perlata esse sentiunt; patefeci in senatu
hesterno die; Catilina ipse pertimuit, profugit: hi quid exspectant?
Ne illi vehementer errant, si illam meam pristinam lenitatem perpetuam
sperant futuram. Quod exspectavi, iam sum adsecutus, ut vos omnes
factam esse aperte coniurationem contra rem publicam videretis;
nisi vero si quis est, qui Catilinae similis cum Catilina sentire
non putet. Non est iam lenitati locus; severitatem res ipsa flagitat.
Unum etiam nunc concedam: exeant, proficiscantur, ne patiantur
desiderio sui Catilinam miserum tabescere. Demonstrabo iter: Aurelia
via profectus est; si accelerare volent, ad vesperam consequentur. |
Ich sehe, wer es ist,
dem Apulien angewiesen wurde, wer Etrurien, wer das picenische,
das gallische Gebiet
besetzt hält, wer den Hinterhalt hier in der Stadt zu Mord
und Brand sich auserbeten hat; sie wissen, dass alle Beratungen
der vorigen Nacht mir zugetragen wurden; ich habe dies am gestrigen
Tage im Senat öffentlich
aufgedeckt. Catilina selbst geriet in Angst und ist entflohen. Worauf warten nun diese
noch? Fürwahr, sie irren sich gewaltig, wenn sie hoffen,
meine bisherige Nachsicht werde immerfort dauern. [4.] Was ich
erwartete, habe ich bereits erreicht, dass ihr alle euch überzeugen
könnt, es sei eine offene Verschwörung gegen den Staat
gebildet worden; es müsse denn Leute geben, die meinten,
diejenigen, die dem Catilina ähnlich seien, hätten nicht gleiche Gesinnung wie er.
Milde darf jetzt nicht mehr statthaben, die Sache selbst erfordert
gebieterisch Strenge. Nur eines will ich auch jetzt noch gestatten:
Sie mögen aus der Stadt gehen, sie mögen abreisen, sie
mögen den armen Catilina nicht vor Sehnsucht nach ihnen verschmachten lassen. Den Weg will
ich Ihnen zeigen: er ist auf der aurelischen Straße abgereist;
wenn sie sich beeilen wollen, so werden sie ihn bis gegen Abend
einholen können. |
(2,7)
O fortunatam rem publicam, si quidem hanc sentinam urbis eiecerit!
Uno me hercule Catilina exhausto levata mihi et recreata res publica
videtur. Quid enim mali aut sceleris fingi aut cogitari potest,
quod non ille conceperit? quis tota Italia veneficus, quis gladiator,
quis latro, quis sicarius, quis parricida, quis testamentorum
subiector, quis circumscriptor, quis ganeo, quis nepos, quis adulter,
quae mulier infamis, quis corruptor iuventutis, quis corruptus,
quis perditus inveniri potest, qui se cum Catilina non familiarissime
vixisse fateatur? quae caedes per hosce annos sine illo facta
est, quod nefarium stuprum non per illum? |
Welches Glück für
eine Republik, wenn sie diesen Bodensatz der Stadt ausstoßen
könnte! Wahrlich schon dadurch, dass sie sich des Catilina entledigt hat, scheint mir die Republik erleichtert und neun gestärkt
zu sein. Denn welche Bosheit, welches Verbrechen lässt sich
ersinnen und ausdenken, das er nicht ausgeheckt hätte? Wo
ist ein Giftmischer in ganz Italien,
wo ein Schlächter, wo ein Räuber, wo ein Bandit, wo
ein Verwandtenmörder, wo ein Testamentsfälscher, wo
ein Betrüger, wo ein Schlemmer, wo ein Verschwender, wo ein
Ehebrecher, wo ein verrufenes Weib, wo ein Verführer der
Jugend, wo ein Verführter zu finden, der nicht gestehen müsste,
mit Catilina auf
dem vertrautesten Fuß gelebt zu haben? Welche Mordtat ist
in den letzten Jahren ohne ihn verübt worden? Welche verruchte
Buhlschaft hat nicht er getrieben? |
(2,8)
Iam vero quae tanta umquam in ullo iuventutis inlecebra fuit,
quanta in illo? qui alios ipse amabat turpissime, aliorum amori
flagitiosissime serviebat, aliis fructum libidinum, aliis mortem
parentum non modo impellendo verum etiam adiuvando pollicebatur.
Nunc vero quam subito non solum ex urbe verum etiam ex agris ingentem
numerum perditorum hominum conlegerat! Nemo non modo Romae sed
ne ullo quidem in angulo totius Italiae oppressus aere alieno
fuit, quem non ad hoc incredibile sceleris foedus asciverit. |
Fand man je bei einem
Menschen so viele für die Jugend verführerische Eigenschaften
wie bei ihm, der selber andere auf eine schändliche Weise
liebte und der Liebe anderer aufs schmutzigste frönte, dem
einen die Befriedigung seiner Begierden, dem anderen den Tod seiner
Eltern versprach, wobei er sie nicht allein aufreizte, sondern
auch unterstützte. Und jetzt - in wie kurzer Zeit hatte er
nicht allein aus der Stadt, sondern auch vom Land eine gar große
Zahl von liederlichen Leuten zusammengebracht! Kein mit Schulden
überladener Mensch war weder in Rom, noch in irgendeinem
Winkel von ganz Italien,
den er nicht zu diesem unglaublichen Bund des Verbrechens herbeigezogen
hätte. |
(2,9)
Atque ut eius diversa studia in dissimili ratione perspicere possitis,
nemo est in ludo gladiatorio paulo ad facinus audacior, qui se
non intimum Catilinae esse fateatur, nemo in scaena levior et
nequior, qui se non eiusdem prope sodalem fuisse commemoret. Atque
idem tamen stuprorum et scelerum exercitatione adsuefactus frigore
et fame et siti et vigiliis perferendis fortis ab istis praedicabatur,
cum industriae subsidia atque instrumenta virtutis in libidine
audaciaque consumeret. |
[5.] Um
euch ferner seine verschiedenen Neigungen an unähnlichen
Gegenständen darzustellen: es gibt in der Fechterschule keinen
zu Gewaltstreichen etwas mehr als gewöhnlich verwegenen Menschen,
der sich nicht einen Busenfreund des Catilina nennt. Niemand ist auf der Schaubühne, der unter die Leichtsinnigeren
und Schlechteren gehört, und nicht zu erzählen weiß,
dass er mit jenem beinahe in Kameradschaft gestanden habe. Und
doch wurde derselbe Mann, der bei seiner Übung in Buhlschaften
Schlechtigkeiten an Ertragung von Kälte, Hunger, Durst und
Nachtwachen sich gewöhnt hatte, von jenen Menschen als tapferer
gepriesen, da doch jene Hilfsmittel der Tätigkeit und Werkzeuge
der Tugend an Ausschweifungen und Frechheit verschwendet wurden. |
(2,10)
Hunc vero si secuti erunt sui comites, si ex urbe exierint desperatorum
hominum flagitiosi greges, o nos beatos, o rem publicam fortunatum,
o praeclaram laudem consulatus mei! Non enim iam sunt mediocres
hominum libidines, non humanae et tolerandae audaciae; nihil cogitant
nisi caedem, nisi incendia, nisi rapinas. Patrimonia sua profuderunt,
fortunas suas obligaverunt; res eos iam pridem, fides nuper deficere
coepit: eadem tamen illa, quae erat in abundantia, libido permanet.
Quod si in vino et alea comissationes solum et scorta quaererent,
essent illi quidem desperandi, sed tamen essent ferendi: hoc vero
quis ferre possit, inertis homines fortissimis viris insidiari,
stultissimos prudentissimis, ebrios sobriis, dormientis vigilantibus?
qui mihi accubantes in conviviis, complexi mulieres impudicas,
vino languidi, conferti cibo, sertis redimiti, unguentis obliti,
debilitati stupris eructant sermonibus suis caedem bonorum atque
urbis incendia. |
Wenn aber
diesem seine Genossen nachgefolgt sind, wenn die schmachbedeckten
Banden verzweifelter Menschen die Stadt verlassen haben, wie wohl
wird es uns dann sein, wie glücklich wird die Republik sein!
Welch herrlicher Ruhm für mein Konsulat! Denn nach nichts
Gewöhnlichem trachtet die Begierde jenes Menschen, nicht
mehr menschlich und erträglich ist ihre Frechheit: sie sinnen
auf nichts, als auf Mord, Brand und Raub. Ihr Erbgut haben sie
durchgebracht, ihr Vermögen haben sie verpfändet; schon
lange fehlt es ihnen an Mitteln und seit kurzem auch an Kredit;
doch ist ihnen die selbe Begehrlichkeiten wie im Überfluss
geblieben. Wenn sie beim Wein und Würfelspiel nur an nächtliche
Schmausereien dächten, so wären sie zwar hoffnungslos
unverbesserliche Menschen, aber sie wären doch noch zu ertragen.
Wer aber möchte das erträglich finden, wenn feige Menschen
den tapfersten Männern, einfältige den Klugen, Trunkenbolde
den Nüchternen, Schlafende den Wachenden Nachstellungen bereiten?
Sie, die gelagert bei Schmausereien, im Arme unzüchtiger
Weiber, betäubt vom Wein, überfüllt von Speisen,
geschmückt mit Kränzen, duftend von Salben, entkräftet
durch Hurerei, uns vom Mord der Gutgesinnten, von Brandstiftung
in der Stadt etwas vorzulallen wagen? |
(2,11)
Quibus ego confido impendere fatum aliquod et poenam iam diu improbitati,
nequitiae, sceleri, libidini debitam aut instare iam plane aut
certe appropinquare. Quos si meus consulatus, quoniam sanare non
potest, sustulerit, non breve nescio quod tempus sed multa saecula
propagarit rei publicae. Nulla enim est natio, quam pertimescamus,
nullus rex, qui bellum populo Romano facere possit. Omnia sunt
externa unius virtute terra marique pacata: domesticum bellum
manet, intus insidiae sunt, intus inclusum periculum est, intus
est hostis. Cum luxuria nobis, cum amentia, cum scelere certandum
est. Huic ego me bello ducem profiteor, Quirites; suscipio inimicitias
hominum perditorum; quae sanari poterunt, quacumque ratione sanabo,
quae resecanda erunt, non patiar ad perniciem civitatis manere.
Proinde aut exeant aut quiescant aut, si et in urbe et in eadem
mente permanent, ea, quae merentur, exspectent. |
Aber ich bin überzeugt,
dass irgendein Verhängnis ihnen bevorsteht, dass die Strafen,
die ihre Ruchlosigkeit, Nichtswürdigkeit, Lasterhaftigkeit
und Ausschweifung längst verdient hätte, ihnen entweder
schon auf den Fersen oder doch im Anzug und nicht mehr ferne sind.
Wenn mein Konsulat, weil es sie nicht zu besseren vermag, sie
vertilgt haben wird, so wird es das Dasein des Staates nicht auf
eine bestimmte kurze Zeit, sondern auf viele Menschenalter hin
ausdehnen. Denn es gibt keine Nation, die wir zu fürchten
hätten, keinen König, der mit dem Römervolk Krieg
zu führen vermöchte. Alle auswärtigen Verhältnisse
sind durch eines Mannes ( Pompeius)
Tapferkeit zu Land und Meer friedlich geworden. Nur ein innerer
Krieg ist noch vorhanden, im Inneren bestehen Nachstellungen,
im Innern hat die Gefahr sich festgesetzt, im Innern ist der Feind.
Mit der Üppigkeit, mit dem Wahnsinn, mit dem Verbrechen haben
wir zu kämpfen. Für diesen Krieg, Quiriten,
erkläre ich mich zum Anführer; ich nehme die Feindschaft
dieser schlechten Menschen auf mich. Was noch zu heilen ist, will
ich, so gut ich kann, heilen. Was ausgeschnitten werden muss,
werde ich nicht zum Verderben des Staates weiter um sich greifen
lassen. Daher sollen jene entweder sich fortbegeben oder sich
ruhig verhalten oder, wenn sie in der Stadt und bei ihrer Gesinnung
bleiben, das Los erwarten, das sie verdienen. |
(2,12)
At etiam sunt, qui dicant, Quirites, a me eiectum esse Catilinam.
Quod ego si verbo adsequi possem, istos ipsos eicerem, qui haec
loquuntur. Homo enim videlicet timidus aut etiam permodestus vocem
consulis ferre non potuit; simul atque ire in exsilium iussus
est, paruit. Quin hesterno die, cum domi meae paene interfectus
essem, senatum in aedem Iovis Statoris convocavi, rem omnem ad
patres conscriptos detuli. Quo cum Catilina venisset, quis eum
senator appellavit, quis salutavit, quis denique ita aspexit ut
perditum civem ac non potius ut importunissimum hostem? Quin etiam
principes eius ordinis partem illam subselliorum, ad quam ille
accesserat, nudam atque inanem reliquerunt. |
[6.] Aber es gibt auch
Leute, Quiriten,
die behaupten, Catilina sei durch mich in die Verbannung geschickt worden. Wenn ich dies
mit einem Wort durchsetzen könnte, so würde ich gerade
auch diejenigen, die so reden, in die Verbannung schicken. Es
ist in der Tat sehr glaublich, dass er schüchterne, ja sogar
höchst bescheidene Mann die Rede des Konsuls nicht zu ertragen
vermochte. Sobald man ihm sagte, er solle in die Verbannung gehen,
gehorchte er, er ging. Am gestrigen Tag, Quiriten,
als ich in meinem Haus beinahe ermordet worden wäre, berief
ich den Senat in
den Tempel Iupiters, des
Erhalters, zusammen, und berichtete die ganze Sache an die versammelten
Väter. Als Catilina dahinkam, welcher Senator hat ihm angesprochen, welcher gegrüßt?
Ja, wer hat ihn bloß als verdorbenen Bürger und nicht
vielmehr als den unverschämtesten Feind angesehen? Ja auch
die Vornehmsten dieses Standes ließen die Seite der Bänke,
wo er sich hinwandte, leer und unbesetzt. |
(2,13)
Hic ego, vehemens ille consul, qui verbo civis in exsilium eicio,
quaesivi a Catilina, in nocturno conventu ad M. Laecam fuisset
necne. Cum ille homo audacissimus conscientia convictus primo
reticuisset, patefeci cetera: quid ea nocte egisset, ubi fuisset,
quid in proximam constituisset, quem ad modum esset ei ratio totius
belli descripta, edocui. Cum haesitaret, cum teneretur, quaesivi,
quid dubitaret proficisci eo, quo iam pridem pararet, cum arma,
cum securis, cum fascis, cum tubas, cum signa militaria, cum aquilam
illam argenteam, cui ille etiam sacrarium domi suae fecerat, scirem
esse praemissam. |
Da habe dann ich, der
rasch zupackende Konsul, der ich mit einem Wort die Bürger
in die Verbannung schickte, den Catilina gefragt, ob er bei der nächtlichen Zusammenkunft bei Marcus
Laeca gewesen sei oder nicht? Als dieser frechste Mensch durch
sein Gewissen überführt anfangs verstummte, machte ich
das übrige bekannt: was er in dieser Nacht getrieben, wo
er gewesen, was er auf die nächste vorhabe, wie der Plan
für den ganzen Krieg von ihm entworfen sei, darüber
gab ich Auskunft. Da er in Verlegenheit war und sich getroffen
fühlte, fragte ich ihn, warum er noch säume, dorthin
zu ziehen, wohin er es schon längst im Sinn habe, da ich
ja wisse, dass Waffen, dass Beile, dass Rutenbündel, dass
Trompeten, dass Feldzeichen, dass jener silberne Adler, für
den er sogar ein Heiligtum des Frevels in seinem Haus hatte errichten
lassen, vorausgeschickt seien. |
(2,14)
In exsilium eiciebam, quem iam ingressum esse in bellum videram?
Etenim, credo: Manlius iste centurio, qui in agro Faesulano castra
posuit, bellum populo Romano suo nomine indixit, et illa castra
nunc non Catilinam ducem exspectant, et ille eiectus in exsilium
se Massiliam, ut aiunt, non in haec castra conferet. O condicionem
miseram non modo administrandae verum etiam conservandae rei publicae!
Nunc si L. Catilina consiliis, laboribus, periculis meis circumclusus
ac debilitatus subito pertimuerit, sententiam mutaverit, deseruerit
suos, consilium belli faciendi abiecerit, et ex hoc cursu sceleris
ac belli iter ad fugam atque in exsilium converterit, non ille
a me spoliatus armis audaciae, non obstupefactus ac perterritus
mea diligentia, non de spe conatuque depulsus, sed indemnatus
innocens in exsilium eiectus a consule vi et minis esse dicetur;
et erunt qui illum, si hoc fecerit, non improbum sed miserum,
me non diligentissimum consulem sed crudelissimum tyrannum existimari
velint! |
Habe ich ihn nun in
die Verbannung geschickt, da ich sah, dass er schon Schritte zum
Krieg getan hatte? Denn hat vielleicht jener Hauptmann Manlius,
der auf dem Gebiet von Faesulae ein Lager aufgeschlagen hat, in eigenem Namen dem römischen
Volk Krieg angekündigt? Wartet jenes Lager jetzt nicht auf Catilina als seinen
Feldherrn? Wird er, der Verbannte, sich, wie gewisse Leute sagen,
nach Massilia, und nicht in dieses Lager begeben? [7.] Wie unglücklich
ist doch das Los nicht allein derer, die den Staat zu verwalten,
sondern auch derer, die ihn zu erhalten haben! Wenn Lucius Catilina jetzt durch meine Maßregeln und Anstrengungen und auf meine
Gefahr hin eingeengt und seiner Macht beraubt plötzlich in
Angst geraten, seine Meinung ändern, die Seinigen im Stich
lassen und den Plan zur Anstiftung eines Krieges aufgeben sollte,
wenn er, diese Bahn des Verbrechens und der Feindseligkeiten verlassen
und den Weg der Flucht und der Verbannung einschlagen sollte,
so wird man nicht sagen, er sei durch mich der Waffen seiner Frechheit
beraubt, durch meine Tätigkeit in Bestürzung gesetzt
und geschreckt und von seinen Hoffnungen und Unternehmungen verdrängt
worden, sondern er sei unverurteilt, unschuldig vom Konsul durch
Gewalt und Drohungen in die Verbannung gejagt worden; und es wird
Leute geben, die wünschen, dass er, wenn er dies tut, nicht
als Verbrecher, sondern als unglücklich, ich nicht als gewissenhafter
Konsul, sondern als höchst grausamer Tyrann gelte. |
(2,15)
Est mihi tanti, Quirites, huius invidiae falsae atque iniquae
tempestatem subire, dum modo a vobis huius horribilis belli ac
nefarii periculum depellatur. Dicatur sane eiectus esse a me,
dum modo eat in exsilium. Sed mihi credite, non est iturus. Numquam
ego ab dis immortalibus optabo, Quirites, invidiae meae relevandae
causa, ut L. Catilinam ducere exercitum hostium atque in armis
volitare audiatis, sed triduo tamen audietis; multoque magis illud
timeo, ne mihi sit invidiosum aliquando, quod illum emiserim potius
quam quod eiecerim. Sed cum sint homines, qui illum, cum profectus
sit, eiectum esse dicant, idem, si interfectus esset, quid dicerent? |
Gern will ich das Opfer
bringen, Quiriten,
den Sturm jenes falschen und unbilligen Vorwurfs über mich
ergehen zu lassen, wenn nur die Gefahr dieses furchtbaren frevelhaften
Krieges von euch abgewendet wird. Mag man immerhin sagen, er sei
durch mich vertrieben, wenn er nur in die Verbannung geht. Aber
glaubt mir, er wird nicht gehen. Niemals werde ich es zwar von
den unsterblichen Göttern erflehen, dass ihr, Quiriten,
damit ich jener schlimmen Vorwürfe entledigt werde, die Nachricht
erhaltet, Lucius Catilina stehe an der Spitze eines feindlichen Heeres und renne bewaffnet
umher, aber in drei Tagen werde dir diese Nachricht doch erhalten;
und ich fürchte weit mehr, man möchte mir einst eher
zum Vorwurf machen, dass ich ihn hinausgelassen, als dass ich
ihn vertrieben habe. Aber da es Leute gibt, die ihn, da er nun
abgereist ist, einen Vertriebenen nennen, was würden diese
sagen, wenn er gar getötet worden wäre? |
(2,16)
Quamquam isti, qui Catilinam Massiliam ire dictitant, non tam
hoc queruntur quam verentur. Nemo est istorum tam misericors,
qui illum non ad Manlium quam ad Massiliensis ire malit. Ille
autem, si me hercule hoc, quod agit, numquam antea cogitasset,
tamen latrocinantem se interfici mallet quam exsulem vivere. Nunc
vero, cum ei nihil adhuc praeter ipsius voluntatem cogitationemque
acciderit, nisi quod vivis nobis Roma profectus est, optemus potius,
ut eat in exsilium quam queramur. |
Doch diejenigen, die
behaupten, Catilina gehen nach Massilia, fürchten das mehr, als dass sie es bedauern.
Niemand von diesen Menschen ist so mitleidig, dass er nicht lieber
wünschte, er möchte zu Manlius, als zu den Massiliern
gehen. Er aber, wenn er auch wirklich das, womit er umgeht, vorher
nie im Sinne gehabt hätte, würde doch lieber als Räuber
fallen wollen, als in der Verbannung leben. Da ihm aber bisher
nichts gegen seinen Wunsch und Plan widerfahren ist, außer
dass er aus Rom abreisen und mich lebend zurücklassen musste,
so wollen wir lieber wünschen, als es beklagen, dass er in
die Verbannung gehe. |
(2,17)
Sed cur tam diu de uno hoste loquimur et de eo hoste, qui iam
fatetur se esse hostem, et quem, quia, quod semper volui, murus
interest, non timeo: de his, qui dissimulant, qui Romae remanent,
qui nobiscum sunt, nihil dicimus? Quos quidem ego, si ullo modo
fieri possit, non tam ulcisci studeo quam sanare sibi ipsos, placare
rei publicae, neque, id qua re fieri non possit, si iam me audire
volent, intellego. Exponam enim vobis, Quirites, ex quibus generibus
hominum istae copiae comparentur; deinde singulis medicinam consilii
atque orationis meae, si quam potero, adferam. |
[8.] Aber warum rede
ich so lange von diesem einzigen Feind, und zwar von einem solchen
Feind, der sich als solchen anerkennt und den ich nicht fürchte,
weil, was ich immer wünschte, zwischen ihm und mir die Mauer
der Stadt liegt? Warum sage ich nichts von denen, die ihre Gesinnung
verbergen, die in Rom zurückbleiben, die unter uns sind?
An diesen wünschte ich, wenn es irgend möglich wäre,
nicht sowohl Rache zu nehmen, sondern sie zu besseren, und mit
dem Staat auszusöhnen; und ich vermag nicht einzusehen, warum
dies, wenn sie nur selbst wollten, nicht ausführbar sein
sollte. Ich will euch nämlich darlegen, Quiriten,
aus welchen Gruppierungen jene Streitkräfte gesammelt werden.
Dann will ich jeder von ihnen durch meinen Rat und Vortrag ein
Heilmittel darbieten, wenn ich es vermag. |
(2,18)
Unum genus est eorum, qui magno in aere alieno maiores etiam possessiones
habent, quarum amore adducti dissolvi nullo modo possunt. Horum
hominum species est honestissima - sunt enim locupletes - voluntas
vero et causa impudentissima. Tu agris, tu aedificiis, tu argento,
tu familia, tu rebus omnibus ornatus et copiosus sis, et dubites
de possessione detrahere, adquirere ad fidem? Quid enim exspectas?
bellum? Quid ergo? in vastatione omnium tuas possessiones sacrosanctas
futuras putes? an tabulas novas? Errant, qui istas a Catilina
exspectant: meo beneficio tabulae novae proferuntur, verum auctionariae;
neque enim isti, qui possessiones habent, alia ratione ulla salvi
esse possunt. Quod si maturius facere voluissent neque, id quod
stultissimum est, certare cum usuris fructibus praediorum, et
locupletioribus his et melioribus civibus uteremur. Sed hosce
homines minime puto pertimescendos, quod aut deduci de sententia
possunt aut, si permanebunt, magis mihi videntur vota facturi
contra rem publicam quam arma laturi. |
Die eine Gruppe besteht
aus solchen, die bei großer Schuldenlast doch noch größeres
Vermögen besitzen, an das sie eine so starke Anhänglichkeit
haben, dass sie sich gar nicht von ihm trennen können. Diese
Menschen haben ein gar ehrbares Aussehen, denn sie sind wohlhabend,
aber ihre Gesinnung und ihre Stellung ist höchst unrühmlich.
Du wolltest mit Landereien, mit Gebäuden, mit Geld, mit Gesinde,
mit allem möglichen Besitztum ausgerüstet und im Überfluss
versehen sein, und dich bedenken, deinen Besitz zu vermindern,
und dafür an Kredit zu gewinnen? Denn auf was willst du warten?
Auf Krieg? Wie? Meinst du, bei der allgemeinen Verwüstung
werden eine Besitzungen als ein Heiligtum unverletzt bleiben?
Oder erwartet du eine Schuldentilgung? Die sind im Irrtum, die
eine solche von Catilina erwarten. Ich werde die Wohltat einer Schuldentilgung in Vorschlag
bringen, aber durch Versteigerungen. Denn jene Leute, die Grundeigentum
haben, können sich durch kein anders Mittel retten. Hätten
sie sich entschlossen, dies früher zu tun, und nicht, was
höchst unklug ist, mit dem Ertrag von Landgütern sich
gegen Zinsforderungen decken wollen, so würden wir an ihnen
nicht allein wohlhabendere, sondern auch bessere Bürger haben.
Aber diese Leute halte ich für gar nicht furchtbar, weil
sie entweder auf andere Gesinnungen gebracht werden können
oder, wie es scheint, wenn sie darauf beharren, eher geeignet
sind, gegen den Staat Wünsche zu hegen als Waffen zu tragen. |
(2,19)
Alterum genus est eorum, qui, quamquam premuntur aere alieno,
dominationem tamen exspectant, rerum potiri volunt, honores, quos
quieta re publica desperant, perturbata se consequi posse arbitrantur.
Quibus hoc praecipiendum videtur, - unum scilicet et idem, quod
reliquis omnibus, - ut desperent id, quod conantur, se consequi
posse: primum omnium me ipsum vigilare, adesse, providere rei
publicae; deinde magnos animos esse in bonis viris, magnam concordiam,
maximam multitudinem, magnas praeterea militum copias; deos denique
immortalis huic invicto populo, clarissimo imperio, pulcherrimae
urbi contra tantam vim sceleris praesentis auxilium esse laturos.
Quod si iam sint id, quod summo furore cupiunt, adepti, num illi
in cinere urbis et in sanguine civium, quae mente conscelerata
ac nefaria concupiverunt, consules se aut dictatores aut etiam
reges sperant futuros? Non vident id se cupere, quod, si adepti
sint, fugitivo alicui aut gladiatori concedi sit necesse? |
[9.] Zu der zweiten
Gruppe gehören diejenigen, die, obwohl von Schulden gedrückt,
doch die Hoffnung nähren, zur Gewaltherrschaft zu gelangen.
Sie wollen sich des Staatsruders bemächtigen; sie glauben,
die Ehrenstellen, zu denen sie bei ruhigen Zeiten im Staat keine
Aussicht haben, durch eine Staatsumwälzung erlangen zu können.
Diesen muss man die Lehre geben, - die selbe einzige Lehre nämlich,
die auch die anderen alle angeht, - sie sollen nur die Hoffnung
aufgeben, ihre Absichten zu erreichen, da fürs erste ich
selbst wachsam überall bei der Hand bin und für das
Staatswohls sorge, da ferner die Gutgesinnten hohen Mut, große
Eintracht, eine sehr große Überzahl und außerdem
große Streitkräfte für sich haben, da endlich
die unsterblichen Göttern diesem unbesiegten Volk, diesem
ruhmvollen Reich, dieser herrlichen Stadt gegen die so großer
Macht des Frevels augenscheinlich Hilfe leisten werden. Wenn Sie
nunmehr das, wonach sie mit wütender Begierde trachten, erreicht
haben werden, hoffen sie denn über den Aschenhaufen der Stadt
Konsuln und Diktatoren oder sogar Könige zu werden, was sie
in ihren verruchten und verbrecherischen Sinnen gewünscht
haben? Sehen Sie denn nicht, dass sie nach etwas trachten, das
sie im Fall des Gerlingens notwendig einem entlaufenen Sklaven
oder Fechter abtreten müssten? |
(2,20)
Tertium genus est aetate iam adfectum, sed tamen exercitatione
robustum; quo ex genere iste est Manlius, cui nunc Catilina succedit.
Hi sunt homines ex eis coloniis, quas Sulla constituit; quas ego
universas civium esse optimorum et fortissimorum virorum sentio,
sed tamen ei sunt coloni, qui se insperatis ac repentinis pecuniis
sumptuosius insolentiusque iactarunt. Hi dum aedificant tamquam
beati, dum praediis lectis, familiis magnis, conviviis apparatis
delectantur, in tantum aes alienum inciderunt, ut, si salvi esse
velint, Sulla sit eis ab inferis excitandus: qui etiam non nullos
agrestis homines tenuis atque egentis in eandem illam spem rapinarum
veterum impulerunt. Quos ego utrosque in eodem genere praedatorum
direptorumque pono, sed eos hoc moneo, desinant furere ac proscriptiones
et dictaturas cogitare. Tantus enim illorum temporum dolor inustus
est civitati, ut iam ista non modo homines, sed ne pecudes quidem
mihi passurae esse videantur. |
Die dritte Gruppe ist
zwar durch das Alter schon geschwächt, aber durch Übung
stark. Dazu gehört jener Manlius, an dessen Stelle jetzt Catilina tritt.
Das sind Leute aus den Kolonien, die Sulla angelegt hat, von denen ich weiß, dass sie im allgemeinen
aus ganz braven Bürgern und tapferen Männern bestehen;
aber diese Ansiedler sind doch solche Leute, die bei unerhofftem
und plötzlichem Geldgewinn sich dem Aufwand und Übermut
zu sehr überlassen haben. Indem sie wie hochbegüterte
Leute Bauten unternahmen, indem sie sich mit Landgütern,
Sänften, großer Dienerschaft, reichlichen Gastmählern
Vergnügen machten, sind sie in so großer Schulden geraten,
dass sie, wenn sie sich retten wollen, den Sulla aus der Unterwelt heraufbeschwören müssen. Diese haben
auch einige Landleute von geringem Stand und großer Dürftigkeit
zu der selben Hoffnung auf jene alten Räubereien aufgeregt.
Diese beiden, Quiriten,
setze ich in die selbe Gruppe der Räuber und Plünderer;
aber ich gebe Ihnen die Warnung: sie sollen aufhören, sich
mit tollen Gedanken zu tragen und über Ächtungen und
Diktaturen zu brüten. Denn der Unwille über jene Zeiten
ist den Bürgern so tief eingeprägt, dass nicht nur Menschen,
sondern selbst die Tiere sich dergleichen, wie ich denke, nicht
mehr würden gefallen lassen. |
(2,21)
Quartum genus est sane varium et mixtum et turbulentum; qui iam
pridem premuntur, qui numquam emergunt, qui partim inertia, partim
male gerendo negotio, partim etiam sumptibus in vetere aere alieno
vacillant, qui vadimoniis, iudiciis, proscriptione bonorum defetigati
permulti et ex urbe et ex agris se in illa castra conferre dicuntur.
Hosce ego non tam milites acris quam infitiatores lentos esse
arbitror. Qui homines [quam] primum, si stare non possunt, conruant,
sed ita ut non modo civitas sed ne vicini quidem proximi sentiant.
Nam illud non intellego quam ob rem, si vivere honeste non possunt,
perire turpiter velint, aut cur minore dolore perituros se cum
multis quam si soli pereant arbitrentur. |
[10.] Die vierte Gruppe
ist allerdings verschiedenartig, gemischt und unruhig: das sind
Leute, die längst in Verlegenheit sind, und sich niemals
erholen werden; die teils durch Traurigkeit, teils durch schlechte
Führung ihrer Geschäfte, teils durch Aufstand unter
einer alten Schuldenlast wanken; die durch gerichtliche Vorladungen,
Prozesse, Ausbietung ihrer Güter bestürmt, in großer
Zahl, wie man sagt, aus der Stadt und dem Land jenem Lager zuziehen.
Diese halte ich nicht für tüchtige Soldaten, sondern
für Aufschub suchende Schuldenberger. Wenn diese Menschen
fürs erste sich nicht aufrecht halten können, so mögen
sie fallen; aber so, dass nicht allein der Staat, sondern auch
die nächsten Nachbarn es nicht empfinden. Denn das sehe ich
nicht ein, warum sie, wenn sie nicht ehrlich leben können,
mit Schande umkommen wollen; oder warum sie meinen, es werde weniger
schmerzlich für sie sein, mit vielen, als allein zu fallen. |
(2,22)
Quintum genus est parricidarum, sicariorum, denique omnium facinerosorum.
Quos ego a Catilina non revoco; nam neque ab eo divelli possunt
et pereant sane in latrocinio, quoniam sunt ita multi, ut eos
carcer capere non possit. Postremum autem genus est non solum
numero, verum etiam genere ipso atque vita, quod proprium Catilinae
est, de eius dilectu, immo vero de complexu eius ac sinu; quos
pexo capillo, nitidos, aut imberbis aut bene barbatos videtis,
manicatis et talaribus tunicis, velis amictos, non togis; quorum
omnis industria vitae et vigilandi labor in antelucanis cenis
expromitur. |
Die fünfte Gruppe
besteht aus Verwandtenmördern, Banditen, kurz aus allen möglichen
Verbrechern. Diese rufe ich von Catilina nicht ab, denn sie können sich nicht von ihm trennen. Immerhin
mögen sie in der Räuberbande umkommen, weil ihre Zahl
zu groß ist, als dass das Gefängnis sie fassen könnte.
Die letzte Gruppe ist es nicht allein der Zahl, sondern auch der
Art und Lebensweise nach: sie gehört dem Catilina ganz zu eigen an, ist seine auserlesene Schar, ja sie besteht
aus seinen Busenfreunden und Schoßkindern, die ihr die ihr
in sorgfältigem Lockenbau, von Salben glänzend, entweder
unbärtig, oder mit schönem Bart seht; in Unterkleidern
mit Ärmeln, die bis auf die Fersen gehen, und mit Segeln,
nicht mit Oberkleidern angetan; die ihre ganze Lebenstätigkeit
und Wachsamkeit durch Schmausereien, die bis zum Morgen dauern,
erproben. |
(2,23)
In his gregibus omnes aleatores, omnes adulteri, omnes impuri
impudicique versantur. Hi pueri tam lepidi ac delicati non solum
amare et amari neque saltare et cantare, sed etiam sicas vibrare
et spargere venena didicerunt. Qui nisi exeunt, nisi pereunt,
etiam si Catilina perierit, scitote hoc in re publica seminarium
Catilinarum futurum. Verum tamen quid sibi isti miseri volunt?
num suas secum mulierculas sunt in castra ducturi? Quem ad modum
autem illis carere poterunt, his praesertim iam noctibus? Quo
autem pacto illi Appenninum atque illas pruinas ac nivis perferent?
nisi idcirco se facilius hiemem toleraturos putant, quod nudi
in conviviis saltare didicerunt. |
In diesen Banden treiben
sich alle Spieler, alle Ehebrecher, alle unreinen und unkeuschen
Leute herum; diese so niedlichen und stutzerhaften Jungen haben
nicht allein zu lieben und sich lieben zu lassen, nicht allein
zu siegen und zu tanzen, sondern auch Dolche zu schwingen und
Gift zu verspritzen gelernt. Wenn diese nicht fortgehen, wenn
sie nicht umkommen, so wisst, dass, wenn auch Catilina umkommt, doch in dieser Republik eine Pflanzschule von jungen
Catilinen vorhanden sein wird. Womit jedoch tragen sich diese
erbärmlichen Menschen? Wollen Sie Ihre Dirnen mit sich ins
Lager führen? Wie werden sie diese aber missen können,
zumal da jetzt die Nächte so lang sind? Auf welche Weise
werden jene den Appenninus und den dortigen Reif und Schnee aushalten?
Sie müssten denn meinen, dass sie darum, weil sie sich daran
gewöhnt haben, nackt bei den Gastmähler zu tanzen, den
Winter leichter werden ertragen können. |
(2,24)
O bellum magno opere pertimescendum, cum hanc sit habiturus Catilina
scortorum cohortem praetoriam! Instruite nunc, Quirites, contra
has tam praeclaras Catilinae copias vestra praesidia vestrosque
exercitus. Et primum gladiatori illi confecto et saucio consules
imperatoresque vestros opponite; deinde contra illam naufragorum
eiectam ac debilitatam manum florem totius Italiae ac robur educite.
Iam vero urbes coloniarum ac municipiorum respondebunt Catilinae
tumulis silvestribus. Neque ego ceteras copias, ornamenta, praesidia
vestra cum illius latronis inopia atque egestate conferre debeo. |
11. O welch höchst
furchtbarer Krieg, in dem Catilina eine solche Leibwache von Huren haben wird! Rüstet nun, Quiriten,
gegen diese trefflichen Scharen Catilinas eure Streitmittel und euer Heere und stellt fürs erste jenem
geschwächten und wunden Fechter eure Konsuln und Feldherrn
gegenüber! Dann lasst gegen jene verworfene und entkräftete
Bande von Schiffbrüchigen die Blüte und den Kern von
ganz Italien ausziehen!
Dann werden ferner die Städte der Kolonien und Municipien
gegen die in Wäldern von Catilina besetzten Anhöhen ein Gleichgewicht bilden. Auch brauche
ich eure sonstigen Streitkräfte, ausgezeichneten Vorzüge
und Sicherungsmittel mit der Armut und Hilflosigkeit jenes Räubers
nicht zu vergleichen. |
(2,25)
Sed si, omissis his rebus, quibus nos suppeditamur, eget ille,
senatu, equitibus Romanis, urbe, aerario, vectigalibus, cuncta
Italia, provinciis omnibus, exteris nationibus, si his rebus omissis
causas ipsas, quae inter se confligunt, contendere velimus, ex
eo ipso, quam valde illi iaceant, intellegere possumus. Ex hac
enim parte pudor pugnat, illinc petulantia;
hinc pudicitia, illinc stuprum; hinc fides, illinc fraudatio;
hinc pietas, illinc scelus; hinc constantia, illinc furor; hinc
honestas, illinc turpitudo; hinc continentia, illinc libido; hinc
denique aequitas, temperantia, fortitudo, prudentia, virtutes
omnes certant cum iniquitate, luxuria, ignavia, temeritate, cum
vitiis omnibus; postremo copia cum egestate, bona ratio cum perdita,
mens sana cum amentia, bona denique spes cum omnium rerum desperatione
confligit. In eius modi certamine ac proelio nonne, si hominum
studia deficiant, di ipsi immortales cogant ab his praeclarissimis
virtutibus tot et tanta vitia superari? |
Wenn wir vielmehr, auch
abgesehen von all dem, was wir zur Stütze haben und jener
nicht hat, den Senat,
den römischen Rittern,
dem Volk, der Hauptstadt, der Staatskasse,
den Steuern, dem gesamten Italien,
allen Provinzen und auswärtigen Nationen, wenn wir, sage ich, von diesem
abgesehen, die Sache selbst, die von beiden Seiten sich kämpfend
gegenübersteht, vergleichen wollen, so können wir schon
daraus sehen, wie sehr jene im Nachteil sind. Denn auf dieser
Seite kämpft Ehrgefühl, dort Frechheit, hier Keuschheit,
dort Unzucht, hier Treue, dort Betrug, hier Frömmigkeit,
dort Laster, hier Besonnenheit, dort Tollheit, hier Ehrbarkeit,
dort Schande, hier Enthaltsamkeit, dort Ausschweifungen, kurz
Billigkeit, Mäßigung, Tapferkeit, Klugheit, ja alle
Tugenden streiten gegen Unbilligkeit, gegen Üppigkeit, gegen
Feigheit, gegen Unbesonnenheit, gegen alle Laster. Endlich steht
Überfluss dem Mangel, richtige Einsicht einem zerrütteten
Verstand, gesunde Vernunft der Unvernunft, gute Hoffnung der vollständigen
Hoffnungslosigkeit entgegen. Werden nicht bei einem solchen Kampf
und Streit, wenn auch die Anstrengungen der Menschen zu schwach
wären, doch die unsterblichen Götter für so treffliche
Tugenden den Sieg über so viele und so arge Laster erzwingen? |
(2,26)
Quae cum ita sint, Quirites, vos, quem ad modum iam antea dixi,
vestra tecta vigiliis custodiisque defendite; mihi, ut urbi sine
vestro metu ac sine ullo tumultu satis esset praesidii, consultum
atque provisum est. Coloni omnes municipesque vestri certiores
a me facti de hac nocturna excursione Catilinae facile urbis suas
finisque defendent; gladiatores, quam sibi ille manum certissimam
fore putavit, quamquam animo meliore sunt quam pars patriciorum,
potestate tamen nostra continebuntur. Q. Metellus, quem ego hoc
prospiciens in agrum Gallicum Picenumque praemisi, aut opprimet
hominem aut eius omnis motus conatusque prohibebit. Reliquis autem
de rebus constituendis, maturandis, agendis iam ad senatum referemus,
quem vocari videtis. |
[12.] Da dem so ist, Quiriten, so verteidigt
ihr, wie bereits bisher geschehen, eure Wohnungen durch Tag- und
Nachtwachen! Ich habe Maßregeln und Vorsorge getroffen,
dass die Stadt, ohne dass ihr etwas zu besorgen habt, und ohne
alles Geräusch hinlänglich gesichert ist. Alle eure
Kolonisten und Bürger in euren Freistädten sind von
diesem nächtlichen Auszug des Catilina durch mich benachrichtigt und werden ihre Städte und Grenzen
leicht verteidigen. Die Fechter, die er für seine zahlreichste
und zuverlässigste Hilfsmannschaft hielt, obwohl sie besser
gesinnt sind als ein Teil der Patrizier, werden doch durch eure
Macht im Zaum gehalten werden. Quintus Metellus, den ich in Erwartung
dieses Ereignisses, in das Gallische und Picenische vorausgeschickt habe, wird jenen Menschen entweder
überwältigen oder alle seine Bewegungen und Unternehmungen
vereiteln. Über die Anordnung, Beschleunigung und den Vollzug
des übrigen werde ich nunmehr dem Senat Bericht erstatten, der, die ihr seht, zusammengerufen wird. |
(2,27)
Nunc illos, qui in urbe remanserunt atque adeo qui contra urbis
salutem omniumque vestrum in urbe a Catilina relicti sunt, quamquam
sunt hostes, tamen, quia nati sunt cives, monitos etiam atque
etiam volo. Mea lenitas adhuc si cui solutior visa est, hoc exspectavit,
ut id, quod latebat, erumperet. Quod reliquum est, iam non possum
oblivisci meam hanc esse patriam, me horum esse consulem, mihi
aut cum his vivendum aut pro his esse moriendum. Nullus est portis
custos, nullus insidiator viae: si qui exire volunt, conivere possum; qui vero se in urbe commoverit, cuius ego non modo factum
sed vel inceptum ullum conatumve contra patriam deprehendero,
sentiet in hac urbe esse consules vigilantis, esse egregios magistratus,
esse fortem senatum, esse arma, esse carcerem, quem vindicem nefariorum
ac manifestorum scelerum maiores nostri esse voluerunt. |
Nun will ich diejenigen,
die in der Stadt zurückgeblieben sind und die sogar, um gegen
die Stadt und euer aller Wohl zu handeln, von Catilina in der Stadt zurückgelassen wurden, obwohl sie Feinde sind,
doch, weil sie geborene Bürger sind, aufs dringendste gewarnt
haben. Wenn meine Milde jemanden bisher zu nachlässig schien,
so hat sie darauf gewartet, dass das, was verborgen war, an den
Tag kommen möchte. Übrigens darf ich hier nicht vergessen,
dass dies mein Vaterland ist, dass ich der Konsul dieser Bürger
bin, dass ich mit ihnen entweder zu leben oder für sie zu
sterben habe. An den Toren ist keine Wache, auf den Straßen
kein Hinterhalt. Wer abreisen will, kann ich noch retten. Wer
sich aber in der Stadt rührt, wen ich nicht bloß über
einer Tat, sondern auch nur über einem Plan und Unternehmen
gegen das Vaterland treffe, der wird erfahren, dass in dieser
Stadt wachsame Konsuln und treffliche Obrigkeiten sind, dass ein
entschlossener Senat und Waffen hier sind, dass wir einen Kerker haben, den unsere
Vorfahren zum Strafort für ruchlose und offenbare Verbrechen
bestimmt haben. |
(2,28)
Atque haec omnia sic agentur, ut maximae res minimo motu, pericula
summa nullo tumultu, bellum intestinum ac domesticum post hominum
memoriam crudelissimum et maximum me uno togato duce et imperatore
sedetur. Quod ego sic administrabo, Quirites, ut, si ullo modo
fieri poterit, ne improbus quidem quisquam in hac urbe poenam
sui sceleris sufferat. Sed si vis manifestae audaciae, si impendens
patriae periculum me necessario de hac animi lenitate deduxerit,
illud profecto perficiam, quod in tanto et tam insidioso bello
vix optandum videtur, ut neque bonus quisquam intereat paucorumque
poena vos omnes salvi esse possitis. |
[13.] Und all das soll
so ausgeführt werden, Quiriten,
dass die größten Angelegenheiten mit der kleinsten
Bewegung, die ärgsten Gefahren ohne Lärm, ein innerer
und bürgerlicher Krieg, seit Menschengedenken der blutigste
und schwerste, durch mich allein als Führer und Feldherr
im Friedenskleid beseitigt werde. Und ich werde die Sache so zu
leiten suchen, dass, wenn es irgendwie möglich ist, nicht
einmal irgendein Bösewicht in dieser Sache die Strafe für
sein Verbrechen erleide. Aber wenn die Gewalt offenbarer Frechheit,
wenn die dem Vaterland drohende Gefahr mich von der Milde meiner
Gesinnung abzuweichen zwingen sollte, so werde ich gewiss das,
was man bei einem so schweren und hinterlistigen Kampf kaum wünschen
zu dürfen glaubt, erreichen, dass kein Gutgesinnter umkomme,
und euer aller Rettung durch die Bestrafung weniger Menschen gesichert
werden könne. |
(2,29)
Quae quidem ego neque mea prudentia neque humanis consiliis fretus
polliceor vobis, Quirites, sed multis et non dubiis deorum immortalium
significationibus, quibus ego ducibus in hanc spem sententiamque
sum ingressus; qui iam non procul, ut quondam solebant, ab externo
hoste atque longinquo, sed hic praesentes suo numine atque auxilio
sua templa atque urbis tecta defendunt. Quos vos, Quirites, precari,
venerari, implorare debetis ut, quam urbem pulcherrimam florentissimam
potentissimamque esse voluerunt, hanc omnibus hostium copiis terra
marique superatis a perditissimorum civium nefario scelere defendant. |
Und dies verspreche
ich euch nicht im Vertrauen auf meine Klugheit, noch auf menschliche
Ratschläge, sondern auf viele und unzweifelhafte Winke der
unsterblichen Götter, unter deren Leitung ich diese Hoffnung
und diesen Entschluss gefasst habe, die jetzt nicht aus der Ferne,
wie sie vormals pflegten, gegen einen auswärtigen und entlegenen
Feind, sondern hier gegenwärtig durch ihr Walten und ihren
Beistand ihre Tempel und die Wohnungen der Stadt beschützen.
Zu ihnen müsst ihr, Quiriten,
beten, sie verehren und anflehen, dass sie diese Stadt, die sie
zur herrlichsten, blühendsten und mächtigsten erhoben
haben, jetzt, nachdem alle Streitkräfte der Feinde zu Land
und zu See besiegt sind, gegen den ruchlosen Frevel verdorbener
Bürger beschützen mögen. |
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