Protagoras als Repräsentant der Sophistik
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Der Relativismus des Protagoras
5.) 80 A21a (Plat. Theait. 166d ff.
[Apologie des Protagoras]) {Cap.329}
|
[166D] ἐγὼ γάρ φημι
μὲν τὴν ἀλήθειαν
ἔχειν, ὡς γέγραφα·
μέτρον γὰρ ἕκαστον
ἡμῶν εἶναι τῶν
τε ὄντων καὶ μή,
μυρίον μέντοι
διαφέρειν ἕτερον
ἑτέρου αὐτῷ
τούτῳ, ὅτι τῷ
μὲν ἄλλα ἔστι
τε καὶ φαίνεται,
τῷ δὲ ἄλλα. καὶ
σοφίαν καὶ σοφὸν
ἄνδρα πολλοῦ
δέω τὸ μὴ φάναι
εἶναι, ἀλλ' αὐτὸν
τοῦτον καὶ λέγω
σοφόν, ὃς ἄν τινι
ἡμῶν, ᾧ φαίνεται
καὶ ἔστι κακά,
μεταβάλλων ποιήσῃ
ἀγαθὰ φαίνεσθαί
τε καὶ εἶναι.
τὸν δὲ λόγον
αὖ μὴ τῷ ῥήματί
μου δίωκε, [e] ἀλλ'
ὧδε ἔτι σαφέστερον
μάθε, τί λέγω.
οἷον γὰρ ἐν τοῖς
πρόσθεν ἐλέγετο,
ἀναμνήσθητι,
ὅτι τῷ μὲν ἀσθενοῦντι
πικρὰ φαίνεται,
ἃ ἐσθίει, καὶ
ἔστι, τῷ δὲ ὑγιαίνοντι
τἀναντία ἔστι
καὶ φαίνεται.
σοφώτερον μὲν
οὖν τούτων οὐδέτερον
δεῖ ποιῆσαι -
οὐδὲ γὰρ δυνατόν
- οὐδὲ κατηγορητέον,
ὡς ὁ μὲν κάμνων
ἀμαθὴς, [167a] ὅτι
τοιαῦτα δοξάζει,
ὁ δὲ ὑγιαίνων
σοφὸς, ὅτι ἀλλοῖα,
μεταβλητέον
δ' ἐπὶ θάτερα·
ἀμείνων γὰρ ἡ
ἑτέρα ἕξις. οὕτω
δὲ καὶ ἐν τῇ παιδείᾳ
ἀπὸ ἑτέρας ἕξεως
ἐπὶ τὴν ἀμείνω
μεταβλητέον·
ἀλλ' ὁ μὲν ἰατρὸς
φαρμάκοις μεταβάλλει,
ὁ δὲ σοφιστὴς
λόγοις. ἐπεὶ
οὔ τί γε ψευδῆ
δοξάζοντά τίς
τινα ὕστερον
ἀληθῆ ἐποίησε
δοξάζειν· οὔτε
γὰρ τὰ μὴ ὄντα
δυνατὸν δοξάσαι,
οὔτε ἄλλα, παρ'
ἃ ἂν πάσχῃ, ταῦτα
δὲ ἀεὶ ἀληθῆ.
[b] ἀλλ' οἶμαι πονηρᾶς
ψυχῆς ἕξει δοξάζοντα
συγγενῆ ἑαυτῆς
χρηστὴ ἐποίησε
δοξάσαι ἕτερα
τοιαῦτα, ἃ δή
τινες τὰ φαντάσματα
ὑπὸ ἀπειρίας
ἀληθῆ καλοῦσιν,
ἐγὼ δὲ βελτίω
μὲν τὰ ἕτερα
τῶν ἑτέρων, ἀληθέστερα
δὲ οὐδέν. καὶ
τοὺς σοφοὺς, ὦ
φίλε Σώκρατες,
πολλοῦ δέω βατράχους
λέγειν, ἀλλὰ
κατὰ μὲν σώματα
ἰατροὺς λέγω,
κατὰ δὲ φυτὰ
γεωργούς. φημὶ
γὰρ καὶ τούτους
τοῖς φυτοῖς ἀντὶ
πονηρῶν αἰσθήσεων,
ὅταν τι αὐτῶν
ἀσθενῇ, χρηστὰς
καὶ ὑγιεινὰς
†αἰσθήσεις τε
καὶ ἀληθεῖς ἐμποιεῖν,
τοὺς δέ γε σοφούς
τε καὶ ἀγαθοὺς
ῥήτορας ταῖς
πόλεσι τὰ χρηστὰ
ἀντὶ τῶν πονηρῶν
δίκαια δοκεῖν
εἶναι ποιεῖν.
ἐπεὶ οἷά γ' ἂν
ἑκάστῃ πόλει
δίκαια καὶ καλὰ
δοκῇ, ταῦτα καὶ
εἶναι αὐτῇ, ἕως
ἂν αὐτὰ νομίζῃ.
ἀλλ' ὁ σοφὸς ἀντὶ
πονηρῶν ὄντων
αὐτοῖς ἑκάστων
χρηστὰ ἐποίησεν
εἶναι καὶ δοκεῖν.
κατὰ δὲ τὸν αὐτὸν
λόγον καὶ ὁ σοφιστὴς
τοὺς παιδευομένους
οὕτω δυνάμενος
παιδαγωγεῖν
σοφός τε καὶ ἄξιος
πολλῶν χρημάτων
τοῖς παιδευθεῖσιν.
καὶ οὕτω σοφώτεροί
τέ εἰσιν ἕτεροι
ἑτέρων καὶ οὐδεὶς
ψευδῆ δοξάζει,
καὶ σοί, ἐάν τε
βούλῃ ἐάν τε
μή, ἀνεκτέον
ὄντι μέτρῳ· σῴζεται
γὰρ ἐν τούτοις
ὁ λόγος οὗτος. |
[d] Denn ich behaupte zwar, dass es sich mit der Wahrheit
so verhält, wie ich geschrieben habe, nämlich Maßstab
sei ein jeder von uns, für das Seiende und für das Nichtseiende.
Tausendfach aber unterscheidet sich der eine vom anderen genau dadurch,
dass für den einen dieses ist und erscheint, für den anderen
aber jenes. Und ich bin auch weit davon entfernt zu leugnen, dass
es Weisheit gibt und weise Menschen. Sondern genau den nenne ich weise,
der einen von uns, dem Schlechtes erscheint und ist, umwandelt und
so erreicht, dass ihm Gutes erscheint und ist. Greife aber diese meine
Behauptung nicht wiederum nur nach dem bloßen Wortlaut auf,
[e] sondern lass dich folgendermaßen deutlicher belehren, was
ich damit meine. Ruf dir ins Gedächtnis, was wir vorhin gesagt
haben: was der Kranke isst, ist und erscheint ihm bitter, während
dem Gesunden das Gegenteil ist und erscheint. Weiser nun darf man
keinen von beiden machen, denn das ist auch gar nicht möglich.
Auch darf man vom Kranken nicht behaupten, er sei unwissend, [167a]
weil er derartiges meint, und vom Gesunden nicht, er sei weise, nur
weil er andersartiges meint. Man muss den Kranken aber in diesen Zustand
versetzen, denn es ist der bessere Zustand. Genauso muss man auch
in der Erziehung einen Wechsel von dem einen zu dem besseren Zustand
bewirken. Während aber der Arzt diesen Wandel durch Arznei erreicht,
macht es der Sophist durch Reden. Aber keineswegs kann man jemanden,
der Falsches meint, dazu bringen, dass er später Richtiges meint.
Man kann nämlich weder Nichtseiendes meinen, noch etwas anderes
außer dem, was man erlebt, und dieses ist immer wahr. [b] Allerdings
glaube ich, dass man bei jemandem, der infolge einer schlechten seelischen
Verfassung auch Dementsprechendes meint, durch eine gute seelische
Verfassung bewirkt, etwas entsprechend anderes zu meinen. Diese Vorstellungen
nun nennen einige aus Unkenntnis wahr. Ich dagegen nenne die einen
besser als die anderen, wahrer aber keineswegs. Die Weisen aber, mein
lieber Sokrates, bezeichne ich nicht im entferntesten als Frösche,
sondern bezüglich der Körper nenne ich sie Ärzte, bezüglich
der Pflanzen Bauern. Denn ich behaupte, dass auch sie den Pflanzen
anstelle der lästigen Empfindungen, [c] wenn eine von ihnen krank
ist, gute und gesunde Empfindungen und Zustände verschaffen.
Die weisen und guten Redner aber bewirken, dass den Städten das
Gute anstelle des Lästigen gerecht zu sein scheint. Denn was
einer jeden Polis gerecht und gut erscheint, das ist es auch für
sie, solange sie es glaubt. Aber der Weise bewirkt, dass für
sie anstelle dessen, was jedesmal lästig für sie ist, das
ist und erscheint, was gut ist. Aus demselben Grund ist auch der Sophist,
der seine Schüler auf diese Weise erziehen kann, weise [d] und
verdient reichlichen Lohn von denen, die er erzogen hat. Und auf die
einen weiser als die anderen, und meint zugleich keiner etwas Falsches.
Du aber musst es dir wohl oder übel gefallen lassen, Maßstab
zu sein. Denn meine Lehre habe ich durch meine Darstellung wieder
gerettet. (Üb. Martens) |
ἐγώ |
Sokrates antwortet für Protagoras, der seit etwa 10 Jahren tot ist |
ἔχειν
<οὕτως>, ὡς... |
|
τῶν τε
ὄντων καὶ μὴ
<ὄντων>) |
|
μυρίον
διαφέρειν |
sich tausendfach unterscheiden,
unendlich besser sein |
πολλοῦ
δέω + Inf. |
bin weit davon entfernt zu... |
μὴ φάναι |
in Abrede stellen |
τὸ ῥῆμα,
ατος |
Wortlaut |
οὐδὲ γὰρ
δυνατόν <ἐστιν> |
|
κατηγορέω |
behaupte (vorwurfsvoll) |
ὡς ὁ μὲν
κάμνων ἀμαθής
<ἐστιν> |
|
ὁ δὲ ὑγιαίνων
σοφός <ἐστιν>,
ὅτι ἀλλοῖα <δοξάζει> |
|
ἐπεί |
im HS: indes |
τὰ μὴ ὄντα |
´sc.τὰ ἀληθῆ
in ontologischem Sinn |
παρ’ ἃ ἂν
πάσχῃ |
(im Vergleich zu) außer
dem, was er empfindet [ästhetischer Wahrheitsbegriff: Sein
ist nicht (wie bei Parmenides), sondern resultiert aus einem jeweiligen
Dafürhalten] |
πονηρᾶς
ψυχῆς ἕξει δοξάζοντα
συγγενῆ ἑαυτῆς
χρηστὴ ἐποίησε
δοξάσαι ἕτερα
τοιαῦτα |
ἀλλ’ οἶμαι
<ὅτι> χρηστὴ
ψυχὴ ψυχὴν πονηρᾷ
ἕξει δοξάζουσαν
συγγενῆ ἑαυτῆς
ἐποίησε δοξάσαι
ἕτερα τοιαῦτα
(συγγενῆ τῆς
χρηστῆς ψυχῆς) |
ὁ βάτραχος |
Frosch (Anspielung auf frühere
Gesprächsstelle 80 B1 (Plat. Theait. 161c): Austauschbarkeit
von ἄνθρωπος gegen βάτραχος) |
καὶ σοὶ
ἀνεκτέον ὄντι
μέτρῳ |
auch du musst es hinnehmen, Maß
zu sein |
21 A stellt sich "als
Versuch einer Explikation des Homomensurasatzes" dar. (Glaeser 30).
1.) Lässt sich auf
der Grundlage dieser "Apologie des Protagoras" die rein subjektivistische
These aufrecht erhalten, dass alle subjektiven ethischen Positionen "gleichwertig"
seien, da sie ja jeweils einem subjektiven Dafürhalten entsprechen?
Offenbar darf man Protagoras nicht ohne weiteres die These einer totalen
ethischen Indifferenz unterstellen; denn er spricht ebenso von einem "gesunden"
und einem "kranken" Dafürhalten wie von der Möglichkeit
der erzieherischen Einflussnahme; ein Wertstandpunkt kann dem anderen
"tausendfach überlegen sein". Das Kriterium für die
relative Werthöhe ist aber kein absoluter ontologischer Wertbegriff
(wie etwa das platonische "agathon"), sondern das wandelbare
(gleichgültig ob subjektive oder in der Regel eher kollektive) Wert-Empfinden
der Menschen. Wenn Protagoras also (apriorische) "Wahrheit"
ablehnt, so geht er doch von der überprüfbaren Angemessenheit,
einem situativen "Passen", der Normalität oder Richtigkeit
eines Standpunktes aus.
80A25 (Plat.Prot.339a) {Cap. 324} Bildung
als literarische Kompetenz
|
ἡγοῦμαι
[...] ἀνδρὶ παιδείας
μέγιστον μέρος
εἶναι περὶ ἐπῶν
δεινὸν εἶναι·
ἔστιν δὲ τοῦτο
τὰ <ὑπὸ τῶν ποιητῶν
λεγόμενα> οἷόν
τ' εἶναι συνιέναι,
ἅ τε <ὀρθῶς>
πεποίηται καὶ
ἃ μή, καὶ ἐπίστασθαι
διελεῖν τε καὶ
ἐρωτώμενον
λόγον δοῦναι. |
Meines Erachtens, sagte
er, ist für die Bildung des Menschen nichts wichtiger, als
in den Werken der Dichter gründlich bewandert zu sein. Darunter
verstehe ich aber, dass er imstande sei, was die Dichter vortragen,
daraufhin zu beurteilen, ob es gelungen ist oder nicht, und dass
er sich auf die Einzelerklärung verstehe wie auch darauf,
etwaige Fragen zu beantworten. (Übers. nach Apelt) |
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Nicht-Denkfehler und natürliche Sprache bei Platon. Gerechtigkeit und Frömmigkeit in Platons Protagoras
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Rechtsphilosophie und Rechtsdenken im Zeitalter der Sophistik [Griech. Rechtsdenken II],
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- Letzte Aktualisierung: 30.12.2020 - 11:10 |