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Vorsokratische Philosophie

Xenophanes und der Götterglaube

Originalbeitrag von Wal.Buchenberg@t-online.de

 

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Die Gedanken des Xenophanes, der im ionischen Kolophon um 570 geboren wurde und wahrscheinlich mit 25 Jahren nach Unteritalien auswanderte, wurzelten noch in der biologistischen Denktradition der ionischen Naturphilosophen. Es wird von ihm berichtet, dass er Thales bewundert habe, und er teilte mit Thales und den Ioniern das Bemühen um naturimmanente Erklärungen von Naturerscheinungen. Doch die Philosophie des Xenophanes streifte die genealogischen und patriarchalischen Gedankenelemente seiner Vorgäuml;nger ab.

Auch wenn heutige Schulkinder über tiefere naturwissenschaftliche Einsicht verfügen als die alten ionischen Philosophen, so liegt den falschen Deutungen der Ionier noch die alte biologistische Vorstellung von der Natur als ein sich selbst regelnder Organismus zugrunde, die mit dem handwerklich-technologischen Denken eines Platon oder Aristoteles verloren ging und die erst mit Hegel und den modernen Naturwissenschaften wiederentdeckt wurde.

So soll Xenophanes gelehrt haben, der Blitz entstehe, „indem eine Wolke infolge ihrer Bewegung aufleuchte", Kometen und Meteore „seien Konzentrationen oder Bewegungen von zu Feuer gewordenen Wolken", ebenso bestehe die Sonne „aus zu Feuer gewordenen Wolken".

Wie der Blitz so wurden von Xenophanes auch alle anderen leuchtenden Himmelskörper auf Wolkenerscheinungen zurückgeführt. Einerseits lag darin wohl der Wille, alle Himmelsphänomene auf einen einzigen Zusammenhang zu reduzieren, andererseits ist sein Bemühen spürbar, nicht nur die Phänomene der Erde, sondern auch die des Himmels mit beobachtbaren irdischen Wechselwirkungen zu erklären. Himmel und Erde waren für Xenophanes nur verschiedene Bereiche eines einzigen kosmischen Systems.

Beeindruckend ist sein denkerisches Selbstbewusstsein, das aus wenigen vorhandenen Informationen weitreichende Schlüsse zog und so zu welten- und zeitenumspannenden Theorien fand. Das intellektuelle Selbstvertrauen eines Marx oder eines Einstein spricht z. B. aus folgendem Gedankengang: „Xenophanes behauptet, es finde eine Mischung der Erde mit dem Meer statt, und die Erde werde im Laufe der Zeit vom Feuchten aufgelöst. Er führt folgende Beweise dafür an: mitten im Lande und auf den Bergen werden Muscheln gefunden, und, sagt er, in Syrakus ist in den Steinbrüchen der Abdruck eines Fisches und von Robben gefunden worden, auf Paros tief im Gestein der Abdruck eines Lorbeers, auf Malta plattenartige Formen von allen möglichen Seetieren. Er meint, dies sei geschehen, als alles damals Schlamm gewesen sei, und der Abdruck im Schlamm sei trocken und hart geworden. Alle Menschen würden umkommen, wenn die Erde in das Meer geschwemmt und dann zu Schlamm würde; danach fange sie aber wieder an zu entstehen ..."

Die Naturtheorien des Xenophanes kamen wie alle Theorien der ionischen Naturphilosophen ohne das Wirken von Göttern aus. Aber Xenophanes war der erste, der innerhalb seiner Lehren den Glauben an die alte patriarchalische Götterfamilie ausdrücklich kritisierte.

über die Göttervorstellungen der Griechen spottete er: „Homer und Hesiod haben die Götter mit allem befrachtet, was bei Menschen übelgenommen wird und getadelt wird: stehlen und ehebrechen und einander betrügen." Er konstatierte, dass diese Götter nur eine äußerliche Nachbildung von Menschen waren: „Die Afrikaner behaupten, ihre Götter seien stumpfnasig und schwarz, die Thraker meinen, sie seien blauäugig und blond." Und: „Die Menschen nehmen an, die Götter seien geboren, sie trügen Kleider, hätten Stimme und Körper - wie sie selbst."

Berühmt ist folgender Gedanke des Xenophanes: „Wenn aber die Rinder und Pferde und Löwen Hände hätten und mit diesen Händen malen könnten und Bildwerke schaffen wie Menschen, so würden die Pferde die Götter abbilden und malen in der Gestalt von Pferden, die Rinder mit der Figur von Rindern. Sie würden solche Statuen meißeln, die ihrer eigenen Körpergestalt entsprechen." Wie kühn diese Gedanken waren, lässt sich daran ermessen, dass Sokrates noch 200 Jahre nach Xenophanes wegen Gottlosigkeit angeklagt und zum Tod verurteilt werden konnte.

Die homerischen Götter waren das idealisierte Abbild sozialer Rollen der alten Gesellschaft: des Patriarchen und seiner Gattin mit dem vielfältigen Verwandtschafts- und Freundespersonal einer großen patriarchalischen Hauswirtschaft. Die Menschenähnlichkeit dieser Götter (= Anthropomorphismus) in ihrer äußeren Gestalt und in ihrem Sozialverhalten trat erst zutage, als die patriarchalische Gesellschaft der Bauernkrieger bei den Griechen schon untergegangen war. Als Folge der Umwälzung der griechischen Lebensweise fanden Xenophanes und seine philosophischen Nachfolger einen einzigen neuen Gott, der nur „mit des Geistes Denkkraft alles bewegt". Es war ein Intellektuellen- und Herrschergott, der nicht mehr die äußere Gestalt des Menschen oder sein Sozialverhalten idealisierte, sondern den menschlichen Intellekt.

In diesem neuen Gottesbild finden wir sowohl Übereinstimmung wie Nichtübereinstimmung mit dem Menschenbild. Gott und Mensch stimmen überein als „Geistwesen" und als Person, auch wenn diese Personwerdung Gottes erst allmählich von den griechischen Philosophen herausgearbeitet wurde. Das Gottesbild des Xenophanes trug noch viele Züge einer unpersönlichen „Naturseele".

Gleichzeitig überstieg aber das neue Gottesbild alle Einzelmenschen, weil es nicht mehr ein idealisiertes Abbild von festen sozialen Rollen war, sondern die Personifikation des Menschengeistes schlechthin, des Geistes der Gattung Mensch. Daher beschrieb Xenophanes diesen neuen Gott als „den ganz anderen", als „weder dem Körper noch der Einsicht nach den sterblichen Menschen gleich". Selbst in dieser Differenz zu den Menschen blieb dieses Gottesbild insofern anthropomorph oder menschlich bestimmt, als seine Andersartigkeit nur als Negation des Menschenbildes ausgesprochen werden konnte und somit an den Menschen als Vergleichsgrundlage gebunden blieb.

Dieser Paradigmenwechsel in der griechischen Gottesvorstellung war einerseits Ausdruck zunehmender Individualisierung in einer warenproduzierenden Gesellschaft, in der Einzelproduzenten mit wechselnden Tätigkeiten an wechselnden Orten eine immer wichtigere Rolle spielen. Andererseits floss in dieses neue Gottesbild vom „Denkergott" die wachsende Bedeutung der Kopfarbeit ein, die mit zunehmender Arbeitsteilung über immer mehr handarbeitende freie und unfreie Produzenten und Dienstleistende herrschte.

Nicht nur wurde die gesellschaftliche Arbeit bei den Griechen durch die Aufspaltung weniger lebenslanger und an die Söhne weitergegebener Berufe in immer neue spezialisierte Tätigkeiten aufgeteilt, die nicht mehr lebenslang ausgeübt oder vererbt werden mussten, - noch tiefgreifender war die wachsende Trennung der geistigen Planungs- und Leitungstätigkeit von der ausführenden Handarbeit innerhalb der einzelnen Tätigkeiten.

Die athenischen Lohnlisten für einen Tempelfries aus dem Jahr 408/407 zählen z.B. folgende Bildhaueraufgaben am Fries auf: „... Phyromachos aus dem Demos Kephisia erhielt für den Jüngling neben dem Brustpanzer, 60 Drachmen. Praxias, der im Demos Melite wohnt, erhielt für das Pferd und den dahinter zu sehenden Mann, der es mit der Peitsche antreibt, 120 Drachmen. Antiphanes aus dem Demos Kerameis, erhielt für den Wagen und den Jüngling und die zwei Pferde, die angespannt werden, 240 Drachmen... Die Relieffiguren dieses Frieses waren nicht von den aufgelisteten Bildhauern, Freien und Sklaven, entworfen worden, obwohl sie das vielleicht gekonnt hätten. Von einem von ihnen wird in der Liste gesagt, er habe (auf eigene Faust) eine Stele in seinen Bildabschnitt „hinzugefügt". Diese Bildhauer vereinten nicht mehr Plan und Ausführung, Kopf- und Handarbeit in einer Person, sondern arbeiteten für einen Tageslohn von einer Drachme nach fremden Plänen und fremden Anweisungen. Diese Arbeitsteilung zwischen wenigen planenden und befehlenden Kopfarbeitern und vielen ausführenden Handarbeitern setzte sich in Griechenland bei allen ländlichen und städtischen Arbeiten immer stärker durch und diese Art der Arbeitsteilung machte die Arbeit von Sklaven erst möglich.

Die Griechen emanzipierten sich dadurch und in dem Maße von den Naturgewalten (und von der alten Naturphilosophie), insoweit sie mit der Beherrschung der Technik und der Naturstoffe gleichzeitig die Herrschaft über Menschen errichteten und ausbauten.

Der neue Philosophengott war nicht einfach nur „Geist", er war notwendig auch „Herrscher" - wie die griechischen Philosophen nicht einfach nur Denker waren, sondern auch direkt oder indirekt Nutznießer fremder Arbeitskraft und damit Herren über fremde Arbeitskraft.

Für seinen Idealstaat, in dem ein Philosoph herrschen oder der Herrscher philosophieren sollte, hatte sich Platon - 250 Jahre nach Xenophanes - , nur die Menschwerdung dieses Philosophengottes auf der Erde erdacht. Die verfeinerte Vorherrschaft der Kopfarbeit über die Handarbeit durch Kombination aller arbeitsteilig zersplitterten Denkkraft in einem einzigen Kopf bildet die innere Logik des Platon‘schen Herrschaftskonzepts.

Denn ganz selbstverständlich bildeten die griechischen Philosophen nur einen spezialisierten Teil der aristokratischen Kopfarbeiter, und griechische Aristokraten kannten angesehenere und einträglichere Beschäftigungen als die Philosophie. Xenophanes soll so verarmt gewesen sein, dass er die Begräbniskosten für seine Kinder nicht aufbringen konnte und sie mit eigener Hand begraben musste.

 

Sententiae excerptae:
Griech. zu "Xenophan"
Literatur:
zu "Xenophan"
1445
Capelle, W.
Die Vorsokratiker. Die Fragmente und Quellenberichte , übersetzt und eingeleitet von...
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1447
Diels, H. / Kranz, W.
Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und deutsch, I-III [maßgebliche Ausgabe der Vorsokratiker]
Belin (Weidmann) 1960

2383
Fraenkel, H.
Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums. Eine Geschichte der griechischen Epik, Lyrik, Prosa bis zur Mitte des fünften Jahrhunders
New York 1951; München (Beck) 1962

2384
Fraenkel, H.
Wege und Formen frühgriechischen Denkens. Literarische und philosohigeschichtliche Studien
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1449
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Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums. Eine Geschichte der griechischen Epik, Lyrik und Prosa bis zur Mitte des 5. Jhs.
München (Beck) 2/1962

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Philosophische Arbeitsbücher 3. Diskurs Religion
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Die Welt des Parmenides. Der Ursprung des europäischen Denkens. Hg.v. A.F.Petersen unter Mitwirkung von Jorgen Mejer
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Schadewaldt, W.
Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Die Vorsokratiker und ihre Voraussetzungen. Tübinger Vorlesungen Bd. I
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1434
Schäfer, Chr.
Xenophanes von Kolophon. Ein Vorsokratiker zwischen Mythos und Philosophie.
Stuttgart: Teubner, 1996

1441
Schirnding, A.v.
Am Anfang war das Staunen. Ãœber den Ursprung der Philosophie bei den Griechen
München (Kösel) 1978

1436
Wolf, E.
Vorsokratiker und frühe Dichter [Griechisches Rechtsdenken I],
Frankfurt/M (Klostermann) 1950


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