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De rerum naturaLIBER III - lateinisch und deutsch |
1 |
E tenebris tantis tam clarum extollere lumen qui primus potuisti inlustrans commoda vitae, te sequor, o Graiae gentis decus, inque tuis nunc ficta pedum pono pressis vestigia signis, |
Der du zuerst aus Dunkel und Nacht die leuchtende
Fackel Konntest erheben, damit aufhellend des Lebens Geschenke: Dir nur folg' ich, o Zierde der Graien! und setze den Fußtritt Ein in die Spuren, die du mit deinem Fuße bezeichnet. |
5 |
non ita certandi cupidus quam propter amorem
quod te imitari aveo; quid enim contendat hirundo cycnis, aut quid nam tremulis facere artubus haedi consimile in cursu possint et fortis equi vis? tu, pater, es rerum inventor, tu patria nobis |
Nicht wetteifernd mit dir, nein, nur aus Liebe,
dich suchend Nachzuahmen. Wie soll mit dem Schwan wettstreiten die Schwalbe ? Oder das Böckchen mit schwankendem Knie im Lauf mit dem Rennpferd ? Du, o Vater, du bist Erfinder der Dinge; du reichst uns |
10 |
suppeditas praecepta, tuisque ex, inclute, chartis,
floriferis ut apes in saltibus omnia libant, omnia nos itidem depascimur aurea dicta, aurea, perpetua semper dignissima vita. nam simul ac ratio tua coepit vociferari |
Deine Lehren als Kindern: Aus deinen Schriften,
du Edler, Saugen wir, wie die Bienen, die jegliche Blüte bekosten Auf der beblümeten Au', die goldenen Sprüche der Wahrheit; Goldene Sprüche, wert der unvergänglichen Dauer. Denn sobald dein erhabener Geist der Dinge Natur uns |
15 |
naturam rerum divina mente coorta diffugiunt animi terrores, moenia mundi discedunt. totum video per inane geri res. apparet divum numen sedesque quietae, quas neque concutiunt venti nec nubila nimbis |
Laut zu verkünden begann in Worten göttlicher
Weisheit, Flohen dahin die Schrecken der Seele; die Schranken des Weltbaus Weichen zurück; ich seh' im Leeren entstehen die Dinge: Mir erscheinet der Götter Hoheit, die ruhigen Sitze, Die nicht erschüttert der Wind und die feuchten Wolken mit Regen |
20 |
aspergunt neque nix acri concreta pruina cana cadens violat semper<que> innubilus aether integit et large diffuso lumine ridet: omnia suppeditat porro natura neque ulla res animi pacem delibat tempore in ullo. |
Nicht anspritzen, noch bleicher Schnee, vom Froste
gehärtet, Niederfallend entstellt: ein nimmer bewölketer Aether Lacht um sie her und breitet sich aus in Strömen des Lichtes. Auch reicht ihnen Natur von selber alles, und nichts kann Ihre selige Ruh nur Augenblicke vermindern. |
25 |
at contra nusquam apparent Acherusia templa,
nec tellus obstat quin omnia dispiciantur, sub pedibus quae cumque infra per inane geruntur. his ibi me rebus quaedam divina voluptas percipit atque horror, quod sic natura tua vi |
Nirgends erblick' ich jedoch die acherusischen
Schlünde; Auch die Erde vermag nicht abzuhalten die Ansicht Dessen, was unter uns im unendlichen Leeren sich zuträgt. Hier nun ergreift mich himmlische Lust und innerer Schauder, Wann ich bedenke, dass so, durch deine Kräfte des Geistes |
30 |
tam manifesta patens ex omni parte retecta est.
Et quoniam docui, cunctarum exordia rerum qualia sint et quam variis distantia formis sponte sua volitent aeterno percita motu, quove modo possint res ex his quaeque creari, |
Aufgedeckt, die Natur sich von allen Seiten enthüllt
hat. Und nun, da ich gelehrt, wie die Uranfänge der Dinge Alle beschaffen, und wie, verschieden in Formen und Bildung, Frei sie im Flug umschwärmen, erregt durch ewigen Antrieb, Auch wie alles sich kann aus diesen erzeugen und bilden: |
35 |
hasce secundum res animi natura videtur atque animae claranda meis iam versibus esse et metus ille foras praeceps Acheruntis agendus, funditus humanam qui vitam turbat ab imo omnia suffundens mortis nigrore neque ullam |
Scheint mir, es sei zunächst in meinen Versen
des Geistes Und der Seele Natur dir aufzuklären noch übrig, Und hinunterzustoßen mit Macht die Schrecken des Orkus; Jene, welche von Grund aus trüben das Leben der Menschen, Alles mit Todesfarbe beschwärzen und nie dem Gemüte |
40 |
esse voluptatem liquidam puramque relinquit.
nam quod saepe homines morbos magis esse timendos infamemque ferunt vitam quam Tartara leti et se scire animi naturam sanguinis esse, aut etiam venti, si fert ita forte voluntas, |
Reine Freude vergönnen, noch ungestörete
Wollust. Menschen finden sich zwar, die sagen, Krankheit und Schande Seien zu fürchten noch mehr als des Todes finsterer Abgrund; Und sie wüssten, der Seele Natur sei einzig im Blute, Oder im lebenden Hauch, wenn allda man lieber sie aufsucht; |
45 |
nec prosum quicquam nostrae rationis egere, hinc licet advertas animum magis omnia laudis iactari causa quam quod res ipsa probetur. extorres idem patria longeque fugati conspectu ex hominum, foedati crimine turpi, |
Und es brauche hiezu durchaus nicht unserer Lehre.
Merk aus folgendem dir, dass vielmehr um Ruhm zu erhaschen Solches sie prahlen, denn dass aus Überzeugung sie sprächen. Ausgestoßen vom Vaterland, von menschlichem Anblick Gänzlich verjagt, sind sie's, die, mit jeder Schande gebrandmarkt, |
50 |
omnibus aerumnis adfecti denique vivunt, et quo cumque tamen miseri venere parentant et nigras mactant pecudes et manibus divis inferias mittunt multoque in rebus acerbis acrius advertunt animos ad religionem. |
Siech von Kummer und Schmach, doch immer noch
wünschen zu leben: Totenopfer begehn, wo immer ihr Elend sie hintreibt, Schwarzes Opfervieh hinschlachten, den unteren Göttern Weihungen bringen und so, bei widrigen Dingen des Schicksals, Strenger in ihrem Gemüt zum Aberglauben sich wenden. |
55 |
quo magis in dubiis hominem spectare periclis
convenit adversisque in rebus noscere qui sit; nam verae voces tum demum pectore ab imo eliciuntur <et> eripitur persona manare. denique avarities et honorum caeca cupido, |
Um so nötiger ist's, in misslichen Dingen
den Menschen, Und bei widriger Lage des Glücks ihn zu schaun, wie er da sei: Dann erst dringt aus dem Busen hervor die Stimme der Wahrheit; Reißt die Larve man ab, so bleibt die wahre Gestalt stehn. Endlich, der niedere Geiz und die blinde Begierde nach Ehren, |
60 |
quae miseros homines cogunt transcendere fines
iuris et inter dum socios scelerum atque ministros noctes atque dies niti praestante labore ad summas emergere opes, haec vulnera vitae non minimam partem mortis formidine aluntur. |
Sie, die über die Schranken des Rechts unglückliche
Menschen Treiben und oft sie zwingen, als Mitgenossen und Diener Schwarzer Taten bei Nacht und Tag mit rastloser Arbeit Anzustreben zum Gipfel des Glücks: auch diese, die Eiter Unseres Lebens, sie nährt nicht wenig die Furcht vor dem Tode. |
65 |
turpis enim ferme contemptus et acris egestas
semota ab dulci vita stabilique videtur et quasi iam leti portas cunctarier ante; unde homines dum se falso terrore coacti effugisse volunt longe longeque remosse, |
Nämlich Verachtung und Schmach und peinliche
bittere Notdurft Scheinen ihnen getrennt vom süßen befestigten Leben, Gleichsam ihrer bereits an den Pforten des Todes zu warten. Darum suchen die Menschen, von irrigen Schrecken getrieben, Weit zu entfliehen von da, sich weit zu entfernen von diesen: |
70 |
sanguine civili rem conflant divitiasque conduplicant avidi, caedem caede accumulantes, crudeles gaudent in tristi funere fratris et consanguineum mensas odere timentque. consimili ratione ab eodem saepe timore |
Treiben durch Bürgerblut Vermögen zusammen,
verdoppeln Gierig Güter und Gold, auf Mordtat häufend die Mordtat; Grausam froh im Herzen beim Leichenzuge des Bruders, Hassen und scheuen sie noch bei Blutsverwandten das Gastmahl. Eben die selbige Furcht erwecket das Nagen des Neides, |
75 |
macerat invidia ante oculos illum esse potentem,
illum aspectari, claro qui incedit honore, ipsi se in tenebris volvi caenoque queruntur. intereunt partim statuarum et nominis ergo. et saepe usque adeo, mortis formidine, vitae |
Und aus ähnlichem Grund: »Der ist vor den
Augen uns mächtig, Alles schaut nur auf ihn, auf ihn, der im Purpur einherstrahlt; Und wir Armen, wir schleppen uns hin im Staub und im Dunkel.« Manche stürzt in das Grab der Wunsch nach Säulen und Namen; Ja, aus Furcht vor dem Tod ergreift oft also die Menschen |
80 |
percipit humanos odium lucisque videndae, ut sibi consciscant maerenti pectore letum obliti fontem curarum hunc esse timorem: hunc vexare pudorem, hunc vincula amicitiai rumpere et in summa pietate evertere suadet: |
Bitterer Lebenshass und der Hass des himmlischen
Lichtes, Dass sie sich selber den Tod mit traurigem Herzen beschließen; Nicht bedenkend, es sei dieselbige Furcht nur die Quelle Ihres Kummers; nur sie verletze die Scham, das Gewissen, Breche der Freundschaft Band, zerstöre, was heilig und recht ist. |
85 |
nam iam saepe homines patriam carosque parentis
prodiderunt vitare Acherusia templa petentes. nam vel uti pueri trepidant atque omnia caecis in tenebris metuunt, sic nos in luce timemus inter dum, nihilo quae sunt metuenda magis quam |
Wurden am Vaterlande nicht oft, an Freunden und
Eltern Menschen Verräter, um nur zu entgehen des Acherons Schlünden? Denn wie die Kinder erzittern und alles fürchten im Finstern, Also fürchten auch wir, beim hellen Lichte des Tages, Dinge, die eben nicht mehr verdieneten, Furcht zu erwecken, |
90 |
quae pueri in tenebris pavitant finguntque futura.
hunc igitur terrorem animi tenebrasque necessest non radii solis neque lucida tela diei discutiant, sed naturae species ratioque. Primum animum dico, mentem quem saepe vocamus, |
Als was die Kinder im Finstern erschreckt und
womit sie die Angst täuscht. Diese Schrecken des Geistes demnach, dies Dunkel der Seele, Müssen nicht Strahlen der Sonne, die leuchtenden Pfeile des Tages, Sondern Naturansicht und Erkenntnis der Dinge vertreiben. Also sag' ich zuerst, der Geist, den auch öfters Verstand wir |
95 |
in quo consilium vitae regimenque locatum est,
esse hominis partem nihilo minus ac manus et pes atque oculei partes animantis totius extant. * * * sensum animi certa non esse in parte locatum, verum habitum quendam vitalem corporis esse, |
Nennen, welcher den Rat und das Steuer führet
im Menschen, Sei von diesem ein Teil, wie Hand und Fuß und die Augen Immer nur sind ein Teil des ganzen belebeten Wesens. Unter der Weisen Schar sind viele der Meinung gewesen, Dass der Geist nicht sei an gewisse Teile gebunden; |
100 |
harmoniam Grai quam dicunt, quod faciat nos vivere cum sensu, nulla cum in parte siet mens; ut bona saepe valetudo cum dicitur esse corporis, et non est tamen haec pars ulla valentis, sic animi sensum non certa parte reponunt; |
Sondern er sei vielmehr des Körpers lebendige
Stimmung, Harmonie von den Griechen benannt, die Sinn und Empfindung In uns erregt, da der Geist nicht wohn' in dem einzelnen Teile. Und wie zu sagen man pflegt, es genieße der Mensch der Gesundheit, Ob die Gesundheit gleich an keinem der Teile für sich ist; |
105 |
magno opere in quo mi diversi errare videntur.
Saepe itaque, in promptu corpus quod cernitur, aegret, cum tamen ex alia laetamur parte latenti; et retro fit ubi contra sit saepe vicissim, cum miser ex animo laetatur corpore toto; |
Ebenso geben dem Geist sie keinen besonderen
Wohnsitz. Aber sie scheinen hierin mir sehr vom Wahren zu weichen: Kränkelt nicht sichtbar oft der Körper? dennoch im Innern Sind wir heiter und froh; auch wiederum pflegt es zu kommen, Dass an der Seel' erkrankt, wer gänzlich von Körper gesund ist. |
110 |
non alio pacto quam si, pes cum dolet aegri,
in nullo caput interea sit forte dolore. Praeterea molli cum somno dedita membra effusumque iacet sine sensu corpus honustum, est aliud tamen in nobis quod tempore in illo |
Nicht auf andere Art als so, wie den Kranken
der Fuß schmerzt, Unterdessen das Haupt von allen Beschwerden befreit ist. Ferner, wann jegliches Glied in weichem Schlummer versenkt liegt, Hingegossen und ohne Gefühl, vom Schlafe belastet, Ist doch ein anders in uns, das auf mannigfaltige Weise |
115 |
multimodis agitatur et omnis accipit in se laetitiae motus et curas cordis inanis. Nunc animam quoque ut in membris cognoscere possis esse neque harmonia corpus sentire solere, principio fit uti detracto corpore multo |
Wird zur selbigen Zeit umher getrieben, der
Freuden Regungen in sich empfängt und die leeren Sorgen des Herzens. Nun zum Erweise, dass auch in der Tat die Seel' in den Gliedern Einwohnt, nicht Harmonie zu halten pflege den Körper: Sage, wie kommt es, dass oft bei großem Verluste des Körpers |
120 |
saepe tamen nobis in membris vita moretur. Atque eadem rursum, cum corpora pauca caloris diffugere forasque per os est editus aer, deserit extemplo venas atque ossa relinquit; noscere ut hinc possis non aequas omnia partis |
Immer das Leben annoch in unseren Gliedern verweilet?
Eben das selbe jedoch, sind wenige Stoffe der Wärme Von ihm entflohn, ist ausgehaucht aus dem Munde die Luft erst, Weichet es plötzlich davon und verlässt die Adern und Knochen. Auch erkennst du hieraus, dass nicht alle Stoffe den gleichen |
125 |
corpora habere neque ex aequo fulcire salutem,
sed magis haec, venti quae sunt calidique vaporis semina, curare in membris ut vita moretur. est igitur calor ac ventus vitalis in ipso corpore, qui nobis moribundos deserit artus. |
Anteil haben am Heil und an der Erhaltung des
Lebens: Sondern am meisten die Stoffe der Luft, die Stoffe der Wärme Sorgen dafür, dass Leben zuletzt in den Gliedern verweile. Wärme demnach und lebendiger Hauch im Innern des Körpers, Diese sind es, die uns im Sterben die Glieder verlassen. |
130 |
quapropter quoniam est animi natura reperta atque animae quasi pars hominis, redde harmoniai nomen, ad organicos alto delatum Heliconi, sive aliunde ipsi porro traxere et in illam transtulerunt, proprio quae tum res nomine egebat. |
Hast du nunmehr erkannt, es sei das Wesen des
Geistes Und der Seel' allein als ein Teil zu betrachten des Menschen, Gib Harmonie den Namen zurück: von des Helikons Wäldern Niedergebracht vielleicht von den Musikern, oder wo sonst sie Her ihn holten, der Sach' ihn anzueignen, die damals |
135 |
quidquid <id> est, habeant: tu cetera percipe
dicta. Nunc animum atque animam dico coniuncta teneri inter se atque unam naturam conficere ex se, sed caput esse quasi et dominari in corpore toto consilium, quod nos animum mentemque vocamus. |
Eigenen Namen vermisste. Den Namen, wie immer
es sein mag, Lasse nur fahren deshalb und vernimm die übrige Rede. Und so sag' ich, die Seel' und der Geist sind untereinander Fest verbunden; nur eine Natur sind beide zusammen. Aber die denkende Kraft, die Geist und Verstand wir benennen, |
140 |
idque situm media regione in pectoris haeret.
hic exultat enim pavor ac metus, haec loca circum laetitiae mulcent: hic ergo mens animusquest. cetera pars animae per totum dissita corpus paret et ad numen mentis momenque movetur. |
Herrscht durch den ganzen Leib, ist gleichsam
diesem zum Haupt da; Und in der Mitte der Brust hat solche den Sitz sich gegründet. Hier schlägt Schrecken und Furcht, und um diese Gegenden schmeichelt Süßer Freuden Genuss; und deshalb wohnet der Geist hier. Untergeordnet ist ihm, was weiter zur Seele gehöret |
145 |
idque sibi solum per se sapit et sibi gaudet,
cum neque res animam neque corpus commovet una. et quasi, cum caput aut oculus temptante dolore laeditur in nobis, non omni concruciamur corpore, sic animus nonnumquam laeditur ipse |
Und sich im Körper zerstreut; sie folget
dem Winke des Geistes: Er nur berät sich selbst und genießet der eigenen Freuden, Ohne dass Körper und Seele daran zugleich mit ihm teilnimmt. Wie wir zuweilen im Haupt und im Auge Schmerzen empfinden, Ohne zu leiden deshalb am ganzen Körper, so leidet |
150 |
laetitiaque viget, cum cetera pars animai per membra atque artus nulla novitate cietur; verum ubi vementi magis est commota metu mens, consentire animam totam per membra videmus sudoresque ita palloremque existere toto |
Selbst zuweilen der Geist, empfängt auch
frohe Gefühle, Während die Seele davon auch nicht im geringsten erregt wird, Weder in Teilen noch Gliedern. Erschüttert heftiger Schrecken Aber den Geist, dann wird durch sämtliche Glieder die Seele Mit ihm zugleich erregt: der Schweiß bricht aus, und der ganze |
155 |
corpore et infringi linguam vocemque aboriri,
caligare oculos, sonere auris, succidere artus, denique concidere ex animi terrore videmus saepe homines; facile ut quivis hinc noscere possit esse animam cum animo coniunctam, quae cum animi <vi> |
Körper erbleichet; es stockt die Zung',
es fehlet die Stimme, Dunkel beziehet das Äug', es gellen die Ohren, das Knie sinkt. Plötzlich sehen wir oft, von Geistesschrecken befallen, Menschen zur Erde stürzen: woraus denn deutlich erhellet, Zwischen der Seel' und dem Geist sei ein Band, ergriffen vom Geiste |
160 |
percussa est, exim corpus propellit et icit.
Haec eadem ratio naturam animi atque animai corpoream docet esse; ubi enim propellere membra, corripere ex somno corpus mutareque vultum atque hominem totum regere ac versare videtur, |
Stößt auf den Körper die Seel'
und wirft ihn danieder zu Boden. Eben das selbe beweist, das Wesen des Geists und der Seele Müsse körperlich sein: wie könnten sie sonst doch die Glieder Vorwärts treiben, vom Schlaf aufraffen den Körper, Gesichtes Züge verändern und ganz den Menschen regieren und wenden? |
165 |
quorum nil fieri sine tactu posse videmus nec tactum porro sine corpore, nonne fatendumst corporea natura animum constare animamque? praeterea pariter fungi cum corpore et una consentire animum nobis in corpore cernis. |
Nichts lässt irgend hiervon sich ohne Berührung
gedenken Noch die Berührung ohne den Körper: wie kann man noch zweifeln, Körperlich sei die Natur des Geistes sowohl als der Seele? Ferner bemerken wir noch, dass Geist und Körper zusammen Ähnlich gestimmet, zugleich auch ähnlich empfinden und leiden. |
170 |
si minus offendit vitam vis horrida teli ossibus ac nervis disclusis intus adacta, at tamen insequitur languor terraeque petitus suavis et in terra mentis qui gignitur aestus inter dumque quasi exsurgendi incerta voluntas. |
Ist ein tödlicher Pfeil, obgleich er das
Leben nicht wegraubt, So in den Körper getrieben, dass Nerven und Knochen er spaltet, Folgt doch Ermattung darauf, ein sanftes Neigen zur Erde Und auf der Erd' alsdann aufwallender Taumel des Geistes, Oft unsicheres Mühen, sich auf von der Erde zu richten. |
175 |
ergo corpoream naturam animi esse necessest,
corporeis quoniam telis ictuque laborat. Is tibi nunc animus quali sit corpore et unde constiterit pergam rationem reddere dictis. principio esse aio persuptilem atque minutis |
Körperlich muss demnach durchaus des Geistes
Natur sein, Da sie, getroffen vom Körper des Pfeils, erkranket und wund wird. Welch ein Körper jedoch dies geistige Wesen, aus welchen Stoffen gebildet es sei, soll jetzt mein Vers dich belehren. Dass es nun äußerst subtil und nur aus dem feinesten Stoff sei, |
180 |
perquam corporibus factum constare. id ita esse
hinc licet advertas animum, ut pernoscere possis. Nil adeo fieri celeri ratione videtur, quam si mens fieri proponit et inchoat ipsa; ocius ergo animus quam res se perciet ulla, |
Dieses behaupt' ich zuerst. Den Grund von solcher
Behauptung Magst du, sobald du genau es erwägst, aus diesem erklären: Nichts scheint in der Natur sich Schnelleres denken zu lassen Als des Geistes Entschluss, das, was in sich selber er vornimmt. Schneller ist also der Geist, als irgend ein anderes Ding ist, |
185 |
ante oculos quorum in promptu natura videtur.
at quod mobile tanto operest, constare rutundis perquam seminibus debet perquamque minutis, momine uti parvo possint inpulsa moveri. namque movetur aqua et tantillo momine flutat, |
Das vor Augen uns liegt und dessen Natur wir
erkennen. Aber was immer so schnell und reglich ist, muss auch aus runden Und aus den winzigsten Stoffen bestehn, die vom leisesten Anhauch In die Bewegung geraten. Und also regt sich das Wasser Leicht und wallet empor von dem allermindesten Anstoß, |
190 |
quippe volubilibus parvisque creata figuris.
at contra mellis constantior est natura et pigri latices magis et cunctantior actus: haeret enim inter se magis omnis materiai copia, ni mirum quia non tam levibus extat |
Weil es aus Stoffen besteht, die äußerst
schlüpfrig und klein sind. Aber schon minder gibt des Honigs zähe Natur nach; Zaudernd fließt er und träg', und mühsamer ist die Bewegung: Denn aneinander klebt schon fester die sämtliche Masse, Weil sie aus solchen Stoffen besteht, die weniger glatt sind, |
195 |
corporibus neque tam suptilibus atque rutundis.
namque papaveris aura potest suspensa levisque cogere ut ab summo tibi diffluat altus acervus, at contra lapidum coniectum spicarumque noenu potest. igitur parvissima corpora pro quam |
Minder subtil von Form und Figur und minder gerundet.
So führt Körner geschütteten Mohns der leiseste Lufthauch Mit sich hinweg, bis zuletzt der erhabene Haufe zerrinnet; Liegen lässt er hingegen den Schutt von Steinen und Spießen. Also, je kleiner ein Körper, je glatter er ist, um so leichter |
200 |
et levissima sunt, ita mobilitate fruuntur; at contra quae cumque magis cum pondere magno asperaque inveniuntur, eo stabilita magis sunt. nunc igitur quoniamst animi natura reperta mobilis egregie, perquam constare necessest |
Wird in Bewegung derselbe gesetzt: was massig
und rauh ist, Reget sich nicht so leicht, und es haftet fester dem Grund an. Nun, da wir haben erkannt die Natur des Geistes, wie diese Äußerst beweglich sei, so muss auch dieselbe bestehen |
205 |
corporibus parvis et levibus atque rutundis.
quae tibi cognita res in multis, o bone, rebus utilis invenietur et opportuna cluebit. Haec quoque res etiam naturam dedicat eius, quam tenui constet textura quamque loco se |
Aus sehr kleinen und glatten und runden Körpern
des Urstoffs. Dieses zu wissen, mein Freund, wird dir in verschiedener Rücksicht Vorteil bringen und Licht und Erkenntnis um dich verbreiten. Auch beweiset dir folgendes noch, wie dünn von Gewebe Diese Geistesnatur; wie gering ihr Körper an Umfang |
210 |
contineat parvo, si possit conglomerari, quod simul atque hominem leti secura quies est indepta atque animi natura animaeque recessit, nil ibi libatum de toto corpore cernas ad speciem, nihil ad pondus: mors omnia praestat, |
Werden würde, wofern man in eins zusammen
sie ballte: Nimm dir den Menschen, sobald der Tod in die sicheren Arme Eingeschlossen ihn hat, wann Geist und die Seele dahin sind: Nichts ist an der Gestalt und nichts am Gewicht ihm entgangen, |
215 |
vitalem praeter sensum calidumque vaporem. ergo animam totam perparvis esse necessest seminibus nexam per venas viscera nervos, qua tenus, omnis ubi e toto iam corpore cessit, extima membrorum circumcaesura tamen se |
Nichts entnimmt ihm der Tod als Hauch des Lebens
und Wärme. Also besteht der Seele Natur aus den winzigsten Stoffen, Eingewebet in Adern und Eingeweiden und Nerven: Denn wenn sie gänzlich entweicht vom ganzen Körper, so fehlet |
220 |
incolumem praestat nec defit ponderis hilum.
quod genus est, Bacchi cum flos evanuit aut cum spiritus unguenti suavis diffugit in auras aut aliquo cum iam sucus de corpore cessit; nil oculis tamen esse minor res ipsa videtur |
Diesem an Umriss nichts, und nicht an der Schwere
das mindste. Ebenso ist's, wann dem Weine der Duft entschwindet, der Salbe Lieblicher Geist in Lüften zerfliegt, auch irgend von andern Körpern der Saft entweicht: nicht wird es das Auge gewahr nur, |
225 |
propterea neque detractum de pondere quicquam,
ni mirum quia multa minutaque semina sucos efficiunt et odorem in toto corpore rerum. quare etiam atque etiam mentis naturam animaeque scire licet perquam pauxillis esse creatam |
Dass sich mindre die Sach', an Gewicht ihr etwas
entgehe. Nämlich Geruch und Saft wird nur durch die Menge des kleinsten Stoffes hervorgebracht von dem ganzen Körper der Dinge. Und so bleibt es nunmehr unleugbar gewiss, dass der Seele Und des Geistes Natur besteh' aus den winzigsten Stoffen: |
230 |
seminibus, quoniam fugiens nil ponderis aufert.
Nec tamen haec simplex nobis natura putanda est. tenvis enim quaedam moribundos deserit aura mixta vapore, vapor porro trahit aera secum; nec calor est quisquam, cui non sit mixtus et aer; |
Weil sie, auch wenn sie entfliehn, an Gewicht
nichts nehmen dem Körper. Aber für einfach dürfen wir doch nicht halten dies Wesen: Denn ein nicht zu bemerkender Hauch, mit Wärme vermischet, Geht vom Sterbenden aus; die Wärme ziehet die Luft nach: Denn sie gesellen sich stets, und mit Wärme vermischet die Luft sich. |
235 |
rara quod eius enim constat natura, necessest
aeris inter eum primordia multa moveri. iam triplex animi est igitur natura reperta; nec tamen haec sat sunt ad sensum cuncta creandum, nil horum quoniam recipit mens posse creare |
Nämlich der Wärme Natur ist locker
bekanntlich; so müssen Viele Samen der Luft sich zwischen derselben bewegen. Dreifach haben wir nun das Wesen des Geistes gefunden: Aber das reicht nicht hin, zu erzeugen Gefühl und Empfindung; Denn die Vernunft f asst nicht, wie von diesen könne nur etwas |
240 |
sensiferos motus, quae denique mente volutat.
quarta quoque his igitur quaedam natura necessest adtribuatur; east omnino nominis expers; qua neque mobilius quicquam neque tenvius extat nec magis e parvis et levibus ex elementis; |
Sinn erzeugenden Trieb, der Gedanken wälzet,
erschaffen. Eine gewisse vierte Natur ist's nötig deswegen Beizufügen, die doch auf keinerlei Weise benennbar. Nichts Beweglicheres, nichts Zarteres lässt sich erdenken; Nichts, das so klein, so glatt in seinem ursprünglichen Stoff sei |
245 |
sensiferos motus quae didit prima per artus.
prima cietur enim, parvis perfecta figuris, inde calor motus et venti caeca potestas accipit, inde aer, inde omnia mobilitantur: concutitur sanguis, tum viscera persentiscunt |
Als dies, was den anfänglichen Stoff zur
Empfindung erteilet. Dieses erregt sich zuerst, da seine Figuren die kleinsten; Dann erhält die Wärme den Stoß, der verborgene Hauch dann, Dann noch die Luft, und dann gerät in Bewegung das Ganze: Drauf erfolget Erschüttrung des Bluts, dann dringt die Empfindung |
250 |
omnia, postremis datur ossibus atque medullis
sive voluptas est sive est contrarius ardor. nec temere huc dolor usque potest penetrare neque acre permanare malum, quin omnia perturbentur usque adeo <ut> vitae desit locus atque animai |
In die inneren Teile, zuletzt in Knochen und
Mark ein, Sei's nun Empfindung der Lust, sei's irgendein schmerzender Anfall. Hierher jedoch zum Innersten mag nicht Schmerz noch ein Übel Dringen so leicht, dass nicht in Aufruhr alles gerate; So dass dem Leben sogar der Ort nicht bleibet, der Seele |
255 |
diffugiant partes per caulas corporis omnis.
sed plerumque fit in summo quasi corpore finis motibus: hanc ob rem vitam retinere valemus. Nunc ea quo pacto inter sese mixta quibusque compta modis vigeant rationem reddere aventem |
Teile von dannen fliehn durch alle Kanäle
des Körpers. Aber gemeiniglich bricht am äußeren Körper sich gleichsam Schon die Erschüttrung; und so erhält das Leben sich annoch. Nun, wie diese vermischt zusammen bestehen, mit welchen Eigenschaften begabet sie sind, das möcht' ich dir dartun |
260 |
abstrahit invitum patrii sermonis egestas; sed tamen, ut potero summatim attingere, tangam. inter enim cursant primordia principiorum motibus inter se, nihil ut secernier unum possit nec spatio fieri divisa potestas, |
Gerne; jedoch mich hält die Dürftigkeit
unserer Sprache, Wider den Willen; so lass nur dies mich kürzlich berühren. Unter sich mit so reglichem Trieb durchlaufen sich diese Uranfänge des Stoffs, dass keiner sich lässet besonders Unterscheiden, auch nicht die Kraft sich teilen durch Trennung; |
265 |
sed quasi multae vis unius corporis extant. quod genus in quovis animantum viscere volgo est odor et quidam color et sapor, et tamen ex his omnibus est unum perfectum corporis augmen, sic calor atque aer et venti caeca potestas |
Sondern, wie mehrere Kräfte des einzigen
Körpers, so sind sie. Gleichermaßen wie man an jeglichem Tiere bemerket Wärme, Geschmack und Geruch, die dennoch zusammen nur einen Völligen Körper bilden: so bildet auf ähnliche Weise Mischung der Wärme, der Luft und jenes verborgenen Hauches |
270 |
mixta creant unam naturam et mobilis illa vis, initum motus ab se quae dividit ollis, sensifer unde oritur primum per viscera motus. nam penitus prorsum latet haec natura subestque nec magis hac infra quicquam est in corpore nostro |
Eine Natur; und hierzu kommt jene bewegliche
Kraft noch, Welche den ändern erteilt den Anfang ihrer Bewegung, Durch die zuerst im Innern entsteht das Empfindungsvermögen. Ganz verborgen in uns liegt jetzt erwähnete Grundkraft; Nichts ist tiefer versteckt in unserem Körper; sie ist es, |
275 |
atque anima est animae proporro totius ipsa.
quod genus in nostris membris et corpore toto mixta latens animi vis est animaeque potestas, corporibus quia de parvis paucisque creatast, sic tibi nominis haec expers vis, facta minutis |
Die man möchte die Seele der ganzen Seele
benennen. So wie gemischt die Kräfte des Geistes, der Seele Vermögen Allenthalben im Körper und sämtlichen Gliedern versteckt sind; Denn sie bestehen ja nur aus kleinen und wenigen Stoffen: Ebenso ist auch die Kraft, die unbenannte, dieweil sie |
280 |
corporibus, latet atque animae quasi totius ipsa
proporrost anima et dominatur corpore toto. consimili ratione necessest ventus et aer et calor inter se vigeant commixta per artus atque aliis aliud subsit magis emineatque, |
Nur aus winzigen Stoffen besteht, im Innern verborgen,
Ist die Seele der Seel' und herrschet über den Körper. Gleich auf nämliche Art muss Hauch und Luft und die Wärme Untereinander gemischt im Körper sich kräftig erhalten, Eins vor dem andern sich mehr hervortun oder zurückstehn, |
285 |
ut quiddam fieri videatur ab omnibus unum, ni calor ac ventus seorsum seorsumque potestas aeris interemant sensum diductaque solvant. est etiam calor ille animo, quem sumit, in ira cum fervescit et ex oculis micat acrius ardor; |
Dass aus allen zusammen ein Ganzes scheine zu
werden: Nicht die Wärme, getrennet vom Hauch, von diesem die Luft nicht, Einzeln den Sinn aufheben, und völlig durch Sonderung lösen. Wärme herrscht im Gemüt, wann Zorn sich seiner bemächtigt, Dieser in ihm aufkocht und Glut aus den Augen hervorblitzt. |
290 |
est et frigida multa, comes formidinis, aura,
quae ciet horrorem membris et concitat artus; est etiam quoque pacati status aeris ille, pectore tranquillo fit qui voltuque sereno. sed calidi plus est illis quibus acria corda |
Aber der frostige Hauch ist der Furcht Gefährte,
die Schauder In den Gliedern erregt und den Bau des Körpers erschüttert. Wann die ruhige Luft die Herrschaft über uns ausübt, Schaffet sie Fried' in der Brust und heiteren Blick in dem Auge. Ist ein Gemüt sehr heftig und leicht zum Zorne gereizet, |
295 |
iracundaque mens facile effervescit in ira, quo genere in primis vis est violenta leonum, pectora qui fremitu rumpunt plerumque gementes nec capere irarum fluctus in pectore possunt. at ventosa magis cervorum frigida mens est |
Dann wohnt mehr von der Wärme darin. So
zeichnet der Leu sich Unter der Tiere Geschlechtern durch seine gewaltige Wut aus: Tief aufstöhnend bricht er die Brust mit häufigem Brüllen, Kann nicht fassen die Fluten des Zorns in seinem Gemüte. Aber der kältere Hauch herrscht in dem Sinne des Hirsches, |
300 |
et gelidas citius per viscera concitat auras,
quae tremulum faciunt membris existere motum. at natura boum placido magis aere vivit nec nimis irai fax umquam subdita percit fumida, suffundens caecae caliginis umbra, |
Und er erreget schneller in ihm die frostigen
Lüfte, Die ein zitterndes Beben durch alle Gelenke bewirken. Ruhige Luft belebt die Natur der friedlichen Ochsen; Selten erhebet sich nur des Zornes Fackel in ihnen Dampfend, düstere Nacht und schwarze Schatten ergießend; |
305 |
nec gelidis torpet telis perfixa pavoris; interutrasque sitast cervos saevosque leones. sic hominum genus est: quamvis doctrina politos constituat pariter quosdam, tamen illa relinquit naturae cuiusque animi vestigia prima. |
Auch erstarren sie nicht von den kalten Pfeilen
des Hauches; So dass ihre Natur liegt zwischen den Löwen und Hirschen. Eben so ist's mit dem Menschengeschlecht; ob einige gleich schon Unterweisung gebildeter macht, so bleiben die Spuren Der ihm eignen Natur doch jedem. Wir mögen vergeblich |
310 |
nec radicitus evelli mala posse putandumst, quin proclivius hic iras decurrat ad acris, ille metu citius paulo temptetur, at ille tertius accipiat quaedam clementius aequo. inque aliis rebus multis differre necessest |
Uns bemühen, heraus mit der Wurzel das Übel
zu reißen: Immer wird jener geneigt dem Zorn nachrennen; ein andrer Lässt sich bemächt'gen von Furcht; ein dritter zeigt sich gelassner, Als er sollte, vielleicht: und also bei mehreren Dingen Ist notwendig es auch, dass das Naturell und die Sitten, |
315 |
naturas hominum varias moresque sequacis; quorum ego nunc nequeo caecas exponere causas nec reperire figurarum tot nomina quot sunt principiis, unde haec oritur variantia rerum. illud in his rebus video firmare potesse, |
Welche folgen daraus, verschieden sich zeigen
im Menschen. Doch ich kann dir hiervon nicht alle verborgenen Gründe Jetzt entwickeln und nicht ausfinden alle die Namen Jener Figuren des Stoffs, die diese Verschiedenheit wirken. Nur das scheint mir hierin sich klarer bezeichnen zu lassen; |
320 |
usque adeo naturarum vestigia linqui parvola, quae nequeat ratio depellere nobis, ut nihil inpediat dignam dis degere vitam. Haec igitur natura tenetur corpore ab omni ipsaque corporis est custos et causa salutis; |
Dass die von der Natur uns eingedrücketen
Spuren, Welche Vernunft nicht könnte zurecht sich weisen, so klein sind, Dass nichts hindert, zu führen ein Leben, würdig der Götter. Diese Geistesnatur ist ganz vom Körper umfangen; Ist ihm selber zum Schutz, und der Grund zu seiner Erhaltung. |
325 |
nam communibus inter se radicibus haerent nec sine pernicie divelli posse videntur. quod genus e thuris glaebis evellere odorem haud facile est, quin intereat natura quoque eius, sic animi atque animae naturam corpore toto |
Beide hangen sie fest an einer Wurzel zusammen;
Ohne der beiden Ruin kann keines sich trennen vom andern. Ebenso, wie man den Duft nicht leicht entziehet dem Weihrauch, Ohne damit zugleich desselben Natur zu zerstören; Ebenso könnte man auch nicht leicht den Geist und die Seele |
330 |
extrahere haut facile est, quin omnia dissoluantur.
inplexis ita principiis ab origine prima inter se fiunt consorti praedita vita, nec sibi quaeque sine alterius vi posse videtur corporis atque animi seorsum sentire potestas, |
Ganz dem Körper entziehn, ohn’ alles dadurch
zu zerstören. Also innig verwebt in ihren ursprünglichen Stoffen, Sind sie vom Anfang her bestimmt zu gemeinsamem Leben. Ohne das andere scheint besondere Kräfte von ihnen Keines üben zu können, so wenig der Geist als der Körper; |
335 |
sed communibus inter eas conflatur utrimque motibus accensus nobis per viscera sensus. Praeterea corpus per se nec gignitur umquam nec crescit neque post mortem durare videtur. non enim, ut umor aquae dimittit saepe vaporem, |
Nur durch gemeinsamen Trieb von beiderlei Arten
der Stoffe Wird zusammengehauchet der Sinn, entzündet im Innern. Ferner noch kann sich der Leib nicht bilden ohne die Seele, Noch fortwachsen, noch auch sich dauernd erhalten im Tode. Zwar das Wasser verliert die mitgeteilete Wärme |
340 |
qui datus est, neque ea causa convellitur ipse,
sed manet incolumis, non, inquam, sic animai discidium possunt artus perferre relicti, sed penitus pereunt convulsi conque putrescunt. ex ineunte aevo sic corporis atque animai |
Und verzehret sich selbst nicht dadurch;
es bleibt der Bestand ihm: |
345 |
mutua vitalis discunt contagia motus, maternis etiam membris alvoque reposta, discidium <ut> nequeat fieri sine peste maloque; ut videas, quoniam coniunctast causa salutis, coniunctam quoque naturam consistere eorum. |
So durch Wechselberührung zusammen zum
wirkenden Leben, Schon in der Mutter Leib, selbst noch verborgen im Schoße, Dass Tod oder Ruin auf der beiden Trennung erfolget. Daraus magst du ersehn, da die Wohlfahrt beider vereint ist, Dass auch beider Natur durch Bande zusammengeknüpft sei. |
350 |
Quod super est, siquis corpus sentire refutat
atque animam credit permixtam corpore toto suscipere hunc motum quem sensum nominitamus, vel manifestas res contra verasque repugnat. quid sit enim corpus sentire quis adferet umquam, |
Übrigens, wer Gefühl abspricht dem
Körper und glaubet, Dass nur die Seel' allein, die ganz mit dem Körper gemischt ist, Jene Bewegungen nehme, die Sinn und Gefühl wir benennen: Der bestreitet, was wahr und augenscheinlich uns vorliegt. Denn was es sei, des Körpers Gefühl, wie kann man es dartun |
355 |
si non ipsa palam quod res dedit ac docuit nos?
'at dimissa anima corpus caret undique sensu.' perdit enim quod non proprium fuit eius in aevo multaque praeterea perdit quom expellitur aevo. Dicere porro oculos nullam rem cernere posse, |
Als aus der Sache selbst, aus dem, was Erfahrung
uns lehret? Doch, wann die Seel' entweicht, fehlt ganz die Empfindung dem Körper! Ja, er verlieret nur jetzt, was nie sein eigen gewesen: Vieles verlieret er auch, wann das Alter die Seele hinausjagt. Ferner noch, wenn man uns sagt, die Augen sähen ein Ding nicht, |
360 |
sed per eos animum ut foribus spectare reclusis,
difficilest, contra cum sensus ducat eorum; sensus enim trahit atque acies detrudit ad ipsas, fulgida praesertim cum cernere saepe nequimus, lumina luminibus quia nobis praepediuntur. |
Sondern die Seele schaue durch sie, als eröffnete
Türen, Ist dies schwer zu begreifen, da selbst dagegen ihr Sinn spricht. Dieser ziehet die Bilder an sich und drängt sie zum Blick hin; Und so können wir oft hellschimmernde Dinge nicht sehen, Weil vom strahlenden Lichte die Augen werden geblendet. |
365 |
quod foribus non fit; neque enim, qua cernimus
ipsi, ostia suscipiunt ullum reclusa laborem. praeterea si pro foribus sunt lumina nostra, iam magis exemptis oculis debere videtur cernere res animus sublatis postibus ipsis. |
Gleiches ist nicht mit den Türen der Fall:
die Türe, durch welche Man hinschauet, erhält durch Öffnung keine Beschwerden. Übrigens, sollten die Augen für Türen und Öffnungen gelten, Müsste die Seele noch mehr bei ausgenommenen Augen Können die Dinge sehn, wenn die Pfosten selber hinweg sind. |
370 |
Illud in his rebus nequaquam sumere possis,
Democriti quod sancta viri sententia ponit, corporis atque animi primordia singula primis adposita alternis, variare ac nectere membra. nam cum multo sunt animae elementa minora |
Keineswegs auch magst du hierin beipflichten
der Meinung, Welche der göttliche Mann Demokritos geltend gemacht hat: Dass die Stoffe des Geistes, mit Elementen des Körpers Einzeln gepaart, durch Wechsel das Band der Glieder erhalten. Nämlich die Stoffe des Geists sind ungleich kleiner als jene |
375 |
quam quibus e corpus nobis et viscera constant,
tum numero quoque concedunt et rara per artus dissita sunt, dum taxat ut hoc promittere possis, quantula prima queant nobis iniecta ciere corpora sensiferos motus in corpore, tanta |
Stoffe, woraus der Körper besteht und die
inneren Teile: Diesen auch stehen sie nach an der Zahl und sind in den Gliedern Kärglich verteilt, dass allein nur dieses gewähren wir können: Dass, so viele der Teilchen des Seelenstoffes vonnöten, Sinnerzeugende Regung in unserem Körper zu wecken, |
380 |
intervalla tenere exordia prima animai. nam neque pulveris inter dum sentimus adhaesum corpore nec membris incussam sidere cretam, nec nebulam noctu neque arani tenvia fila obvia sentimus, quando obretimur euntes, |
Ebenso viele darin die Zwischenräume besetzen,
Öfters fühlen wir's nicht, wann Staub dem Körper sich anhängt Oder Kreide sich setzt auf die Haut. Wir fühlen den Nebel Nicht bei der Nacht, noch im Gehen der Spinne luftige Fäden, Die uns umstricken, ihr modriges Kleid, wenn es uns auf das Haupt fällt: |
385 |
nec supera caput eiusdem cecidisse vietam vestem nec plumas avium papposque volantis, qui nimia levitate cadunt plerumque gravatim, nec repentis itum cuiusvis cumque animantis sentimus nec priva pedum vestigia quaeque, |
Nicht die Federdaunen, die fliegenden Flocken
der Distel, Welche, zu leicht an Gewicht, nur mühsam sinken zu Boden. Auch den schleichenden Gang von so manchem kriechenden Tierchen Spüren wir nicht, noch den Tritt von Mücken und andern Insekten, Welche den leisen Fuß hinsetzen auf unsere Leiber. |
390 |
corpore quae in nostro culices et cetera ponunt.
usque adeo prius est in nobis multa ciendum quam primordia sentiscant concussa animai, semina corporibus nostris inmixta per artus, et quam in his intervallis tuditantia possint |
Also müssen vorerst in Menge die Stoffe
des Körpers, Eingemischt in die Glieder, erweckt und rege gemacht sein, Ehe die Stoffe der Seel' erregt zur Empfindung gelangen, Ehe sie können zusammen, aus weiten Räumen gestoßen, |
395 |
concursare coire et dissultare vicissim. Et magis est animus vitai claustra coercens et dominantior ad vitam quam vis animai. nam sine mente animoque nequit residere per artus temporis exiguam partem pars ulla animai, |
Laufen, sich einen, und dann abspringen im treibenden
Wechsel. Kräftiger hält zusammen der Geist die Bande des Lebens, Herrschet darob mit mehrerer Macht als die Kräfte der Seele. Ohne des Geistes Kraft kann auch kein Teilchen der Seele Augenblicke sich nur in des Körpers Gliedern verweilen; |
400 |
sed comes insequitur facile et discedit in auras
et gelidos artus in leti frigore linquit. at manet in vita cui mens animusque remansit, quamvis est circum caesis lacer undique membris; truncus adempta anima circum membrisque remota |
Sondern es eilt als Begleiter davon und verflieget
in Lüften, Lässt die erstarreten Glieder zurück im Froste des Todes. Aber wem Kraft des Geistes noch bleibt, dem bleibt auch das Leben, Selbst bei verstümmeltem Leib, bei ganz zerfleischeten Gliedern; Rumpf nur, der Seele beraubt in den abgerissenen Gliedern, |
405 |
vivit et aetherias vitalis suscipit auras; si non omnimodis, at magna parte animai privatus, tamen in vita cunctatur et haeret; ut, lacerato oculo circum si pupula mansit incolumis, stat cernundi vivata potestas, |
Lebet er, atmet annoch den Hauch ätherischer
Lüfte. Ist nur die Seele nicht ganz, obgleich in beträchtlichem Teile, Von ihm genommen, so zaudert er noch im Leben und hängt dran. Wie bei verletzetem Aug', ist nur die Pupille darin nicht Angegriffen; sie doch, zu sehn, die lebendige Kraft hält, |
410 |
dum modo ne totum corrumpas luminis orbem et circum caedas aciem solamque relinquas; id quoque enim sine pernicie non fiet eorum. at si tantula pars oculi media illa peresa est, occidit extemplo lumen tenebraeque secuntur, |
Hast du den ganzen Kreis nur nicht zerstöret
des Auges, Rundum ihn abgeschält und aus aller Verbindung gerissen: Denn dies könnte nicht ohne Verlust von beiden geschehen. Ist hingegen der kleineste Teil der Mitte zerfressen, Dann erlöscht urplötzlich das Licht, und die Finsternis folget, |
415 |
incolumis quamvis alioqui splendidus orbis. hoc anima atque animus vincti sunt foedere semper. Nunc age, nativos animantibus et mortalis esse animos animasque levis ut noscere possis, conquisita diu dulcique reperta labore |
Ob vollkommen auch hell und gesund der übrige
Kreis ist: Eben ein solches Band hält Geist und Seele zusammen. Auf denn, damit du erkennst, dass der Geist und das Wesen der Seele, Mit dem Körper zugleich erzeuget, auch sterblich wie er sei: Lass mich anjetzt, was Fleiß und süßes Bemühen erforscht hat, |
420 |
digna tua pergam disponere carmina vita. tu fac utrumque uno subiungas nomine eorum atque animam verbi causa cum dicere pergam, mortalem esse docens, animum quoque dicere credas, qua tenus est unum inter se coniunctaque res est. |
|
425 |
Principio quoniam tenuem constare minutis corporibus docui multoque minoribus esse principiis factam quam liquidus umor aquai aut nebula aut fumus; - nam longe mobilitate praestat et a tenui causa magis icta movetur, |
Dir im würdigen Lied, mein Memmius, ferner
entwickeln. Füge die beiden jedoch in einen Namen zusammen, Dass, wenn des Wortes Bequemlichkeit halben ich nenne die Seele Und sie für sterblich erkläre, du Gleiches verstehest vom Geist auch, Da sie zusammengeknüpft und beide hierinnen nur eins sind. |
430 |
quippe ubi imaginibus fumi nebulaeque movetur;
quod genus in somnis sopiti ubi cernimus alte exhalare vaporem altaria ferreque fumum; nam procul haec dubio nobis simulacra geruntur - nunc igitur quoniam quassatis undique vasis |
Schon von Bildern des Nebels und Rauchs in Bewegung
gesetzet. Ebenso, wann wir sehen, versenkt im Schlafe, die hohen Opferaltäre flammen, und Rauch sich erheben von ihnen; Wo kein Zweifel entsteht, dass solches durch Bilder erzeugt wird. Wenn du das Wasser demnach aus lecken Gefäßen zerrinnen |
435 |
diffluere umorem et laticem discedere cernis,
et nebula ac fumus quoniam discedit in auras, crede animam quoque diffundi multoque perire ocius et citius dissolvi in corpora prima, cum semel ex hominis membris ablata recessit; |
Siehst und entweichen sein Nass und Rauch und
Nebel zerfliegen: Glaube mir, eben auch so verdunste die Seele, ja schneller, Löse sich eiliger auf in die uranfänglichen Körper, Ist sie einmal entflohn und entwichen den Gliedern des Menschen. |
440 |
quippe etenim corpus, quod vas quasi constitit
eius, cum cohibere nequit conquassatum ex aliqua re ac rarefactum detracto sanguine venis, aere qui credas posse hanc cohiberier ullo, corpore qui nostro rarus magis incohibens sit? |
Kann der Körper sie nicht, der gleichsam
der Seele Gefäß ist, Länger zusammenhalten, wann Zufall solchen zerrüttet, Oder zu großer Verlust des Blutes ihn gänzlich erschöpft hat: Wie doch vermöchte die Luft sie fester zusammenzuhalten, Die weit lockerer ist als unser Körper und dünner? |
445 |
Praeterea gigni pariter cum corpore et una crescere sentimus pariterque senescere mentem. nam vel ut infirmo pueri teneroque vagantur corpore, sic animi sequitur sententia tenvis. inde ubi robustis adolevit viribus aetas, |
Ferner bemerken wir noch, dass, zugleich erzeuget
die Seele Mit dem Körper, zugleich heranwächst mit ihm und altert. Weich und zart ist das Kind, ihm schwanken die Kräfte des Körpers, Und mit ihnen der Sinn. Nun reifet das stärkere Alter, |
450 |
consilium quoque maius et auctior est animi vis.
post ubi iam validis quassatum est viribus aevi corpus et obtusis ceciderunt viribus artus, claudicat ingenium, delirat lingua <labat> mens, omnia deficiunt atque uno tempore desunt. |
Und mit diesem zugleich die Überlegung und
Denkkraft. Hat die gewaltige Zeit zuletzt den Körper zerrüttet, Und die Glieder sinken mit stumpf gewordenen Kräften, Dann so sinkt auch der Geist, Gedank' und Sprache verirrt sich, Jegliche Kraft nimmt ab, zuletzt fällt alles auf einmal. |
455 |
ergo dissolui quoque convenit omnem animai naturam, ceu fumus, in altas aeris auras; quando quidem gigni pariter pariterque videmus crescere et, <ut> docui, simul aevo fessa fatisci. Huc accedit uti videamus, corpus ut ipsum |
Also löset sich auf das gesamte Wesen der
Seele, Und es zergeht, wie der Rauch in den hohen Lüften zergehet: Sintemal wir es sehn sich zugleich mit dem Körper erzeugen, Gleich fortwachsen mit ihm und mürbe vom Alter zerlechzen. Kommt noch hinzu, dass wir sehen den Körper befallen von Krankheit |
460 |
suscipere inmanis morbos durumque dolorem, sic animum curas acris luctumque metumque; quare participem leti quoque convenit esse. quin etiam morbis in corporis avius errat saepe animus; dementit enim deliraque fatur, |
Schrecklicher Art, gedrückt von empfindlichen
Schmerzen und Leiden; Gleiches bemerken wir auch an der Seele, die Kummer und Furcht drückt: Sind nicht beide daher die Genossen ähnlichen Schicksals? Ja, wann der Körper erkrankt, irrt oftmals selber der Geist auch, Fällt in Wahnsinn, spricht verkehrete irrige Dinge: |
465 |
inter dumque gravi lethargo fertur in altum aeternumque soporem oculis nutuque cadenti; unde neque exaudit voces nec noscere voltus illorum potis est, ad vitam qui revocantes circum stant lacrimis rorantes ora genasque. |
Auch versinkt er zuweilen in schweren Schlummer
durch Schlafsucht, Tief in den ewigen Schlaf, mit sinkenden Augen und Antlitz. Stimmen der Menschen hört er nun nicht, er kennt die Gesichter Seiner Freunde nicht mehr, die um ihn stehen, zum Leben Ihn aufrufend, und Wang' und Gesicht mit Tränen benetzen. |
470 |
quare animum quoque dissolui fateare necessest,
quandoquidem penetrant in eum contagia morbi; nam dolor ac morbus leti fabricator uterquest, multorum exitio perdocti quod sumus ante. [et quoniam mentem sanari corpus ut aegrum |
Darum musst du gestehn, auflösbar müsse
der Geist sein, Weil ansteckendes Gift der Krankheit in ihn hineindringt. Krankheit und Schmerz, sie sind Urheber des Todes ja beide, Wie der Verlust so mancher hiervon schon längst uns belehrt hat. |
475 |
et pariter mentem sanari corpus inani] denique cor, hominem cum vini vis penetravit acris et in venas discessit diditus ardor, consequitur gravitas membrorum, praepediuntur crura vacillanti, tardescit lingua, madet mens, |
Endlich, hat die Gewalt des Weines die Herzen durchdrungen Und die verteilete Glut sich ein in die Adern geschlichen, Dann folgt Schwere der Glieder; der Fuß versaget, die Zunge Lallet, es schwimmen die Augen, die Seel’ ist selber betrunken. |
480 |
nant oculi, clamor singultus iurgia gliscunt,
et iam cetera de genere hoc quae cumque secuntur, cur ea sunt, nisi quod vehemens violentia vini conturbare animam consuevit corpore in ipso? at quae cumque queunt conturbari inque pediri, |
Lärm und Geschrei entsteht, und Schluchzen
und widrige Zanksucht Und was immer noch pflegt in dergleichen Fällen zu kommen. Aber was ist’s wohl sonst, als dass der gewaltsame Krafttrank Pfleget im Körper selbst die Seel’ in Verwirrung zu setzen? Was nun verwirren sich lässt, sich in seinen Wirkungen hindern, |
485 |
significant, paulo si durior insinuarit causa, fore ut pereant aevo privata futuro. Quin etiam subito vi morbi saepe coactus ante oculos aliquis nostros, ut fulminis ictu, concidit et spumas agit, ingemit et tremit artus, |
Zeiget, wann irgend ein Grund, der stärker
noch wirket, hinzudringt, Dass es könne zerstört, des künftigen Währens beraubt sein. Wie von dem Donner gerührt stürzt plötzlich einer zur Erde, Welchen ergreift des Übels Gewalt: es stehet der Schaum ihm Auf den Lippen, er stöhnt, er zittert in allen Gelenken; |
490 |
desipit, extentat nervos, torquetur, anhelat
inconstanter, et in iactando membra fatigat, ni mirum quia vis morbi distracta per artus turbat agens animam, spumans [ut] in aequore salso ventorum validis fervescunt viribus undae. |
Sinnlos liegt er, gespannt vom Krampf und gefoltert,
und keuchet Wiederholend, und wirft, und ermattet im Werfen, die Glieder. Ebenso wie die Gewalt des Giftes, zerteilt in den Gliedern, Stürmet und stößt auf den Geist, so kochen und schäumen die Wogen Auf dem gesalzenen Meere, von heftigen Winden getrieben. |
495 |
exprimitur porro gemitus, quia membra dolore
adficiuntur et omnino quod semina vocis eliciuntur et ore foras glomerata feruntur qua quasi consuerunt et sunt munita viai. desipientia fit, quia vis animi atque animai |
Seufzer erpresset die Brust, weil Schmerz die
Glieder befasset, Welcher von innen sogar die Stoffe der Stimme hinaustreibt Und nach dem Munde sie führt als ihrem gewöhnlichen Ausgang, Wo sie in Haufen gedrängt den Damm der Lippen durchbrechen. Wahnsinn aber entsteht, da die Kraft des Geists und der Seele |
500 |
conturbatur et, ut docui, divisa seorsum disiectatur eodem illo distracta veneno. inde ubi iam morbi reflexit causa, reditque in latebras acer corrupti corporis umor, tum quasi vaccillans primum consurgit et omnis |
In Verwirrung gerät, und weil, wie ich oben
gelehret, Diese getrennt durch den giftigen Stoff auseinandergezerrt sind. Ist nun des Übels Grund auf einige Weise gehoben, Ist der scharfe verdorbene Saft zurück aus dem Körper In die Gefäße gekehrt, so erhebt der Kranke sich anfangs Gleichsam im Taumel nur und nimmt allmählich Besinnkraft |
505 |
paulatim redit in sensus animamque receptat.
haec igitur tantis ubi morbis corpore in ipso iactentur miserisque modis distracta laborent, cur eadem credis sine corpore in aere aperto cum validis ventis aetatem degere posse? |
Und mit dieser zuletzt die ganze Seele zurücke. Diese nun, welche du siehst mit so großen Übeln behaftet, Schon in dem Körper selbst elendiger Weise zerrissen: Diese, glaubest du noch, sie könn’ auch ohne den Körper, Frei in den Lüften, zu Stürmen gesellt, sich lebend erhalten? |
510 |
Et quoniam mentem sanari corpus ut aegrum cernimus et flecti medicina posse videmus, id quoque praesagit mortalem vivere mentem. addere enim partis aut ordine traiecere aecumst aut aliquid prosum de summa detrahere hilum, |
Sehen die Seele wir nun durch Heilkraft wieder
genesen, Durch Arzeneien erweckt, wie den kranken Körper, so deutet Auch schon dieses darauf, dass sterblich ihre Natur sei. Teile müsste man fügen hinzu, die Lage versetzen, Immer, so wenig es sei, dem Ganzen etwas benehmen, |
515 |
commutare animum qui cumque adoritur et infit
aut aliam quamvis naturam flectere quaerit. at neque transferri sibi partis nec tribui vult inmortale quod est quicquam neque defluere hilum; nam quod cumque suis mutatum finibus exit, |
Wenn man versuchte, der Seele Natur zu verändern,
auch irgend Eines andern Dinges Natur zu wenden gedächte. Doch das Unsterbliche will nicht Teile versetzen sich lassen, Oder sich etwas eignen hinzu, noch Minderung leiden. Denn was einmal verlässt die Grenzen des eigenen Daseins, |
520 |
continuo hoc mors est illius quod fuit ante.
ergo animus sive aegrescit, mortalia signa mittit, uti docui, seu flectitur a medicina. usque adeo falsae rationi vera videtur res occurrere et effugium praecludere eunti |
Stirbt in dem Augenblick, in dem, was zuvor es
gewesen. Ob nun erkranket die Seel’ und ob sie geneset durch Heilkunst, Immer gibt sie von sich das Merkmal sterblicher Abkunft. Also scheinet sogar betrüglichen Schlüssen die Wahrheit Selbst entgegenzugehn, zu verschließen denselben den Ausweg |
525 |
ancipitique
refutatu convincere falsum. Denique saepe hominem paulatim cernimus ire et membratim vitalem deperdere sensum; in pedibus primum digitos livescere et unguis, inde pedes et crura mori, post inde per artus |
Und zu besiegen den Irrtum mit doppelschneidigen
Gründen. Oftmals sehen wir auch, wie der Mensch allmählich dahingeht, Ein Glied nach dem andern Gefühl und Leben verlieret. Gelblich werden zuerst an den Füßen Nägel und Zehen; Drauf erstirbt der Fuß, die Beine; die Spuren des kalten |
530 |
ire alios tractim gelidi vestigia leti. scinditur atque animae haec quoniam natura nec uno tempore sincera existit, mortalis habendast. quod si forte putas ipsam se posse per artus introsum trahere et partis conducere in unum |
Todes schleichen von da hinauf zu den übrigen
Gliedern. Trennt nun diese Natur der Seele sich selber, und ist nur Unvollständig sie da in einem und selbigem Zeitpunkt, Muss man für sterblich sie halten. Und denkst du, sie könnte sich etwa Einwärts ziehn aus den Gliedern, in eins zusammen sich drängen |
535 |
atque ideo cunctis sensum diducere membris, at locus ille tamen, quo copia tanta animai cogitur, in sensu debet maiore videri; qui quoniam nusquamst, ni mirum, ut diximus <ante>, dilaniata foras dispargitur, interit ergo. |
Und den sämtlichen Gliedern dadurch Empfindung
benehmen, Müsste sich doch der Ort, wo sich solche Fülle der Seele Anhäuft, mehr mit Gefühl begabt und empfindlicher zeigen: Aber da nirgendwo sich ein solcher befindet, so muss sie Stückweis werden verjagt aus dem Körper und gehet dann unter. |
540 |
quin etiam si iam libeat concedere falsum et dare posse animam glomerari in corpore eorum, lumina qui lincunt moribundi particulatim, mortalem tamen esse animam fateare necesse nec refert utrum pereat dispersa per auras |
Lass indessen mich auch den irrigen Satz dir
gewähren, Dass aufwenden sich könn’ in dem Körper derer die Seele, Die teilweise verlässt das Licht des Lebens im Sterben: Immer kannst du noch nicht vom Tod lossprechen die Seele. Wenig liegt ja daran, ob diese zerstiebet in Lüften, |
545 |
an contracta suis e partibus obbrutescat, quando hominem totum magis ac magis undique sensus deficit et vitae minus et minus undique restat. Et quoniam mens est hominis pars una locoque fixa manet certo, vel ut aures atque oculi sunt |
Oder ob sie verdumpft bei zusammengezogenen Teilen,
Wann die Empfindung zuletzt von jeglicher Seite den Menschen Mehr und mehr verlässt, stets minder vom Leben zurück bleibt. Da nun die Seel’ ein Teil des Menschen ist, ihren bestimmten Sitz in dem Körper hat wie die Augen oder die Ohren |
550 |
atque alii sensus qui vitam cumque gubernant,
et vel uti manus atque oculus naresve seorsum secreta ab nobis nequeunt sentire neque esse, sed tamen in parvo lincuntur tempore tali, sic animus per se non quit sine corpore et ipso |
Oder ein anderer Sinn, die Steuerführer
des Lebens; Und gleichwie nun die Hand, das Äug’ und die Nase, besonders, Abgeschnitten vom Leib nicht fühlen können noch da sein, Sondern in kurzer Zeit hinschwinden müssen in Moder: Also kann auch der Geist für sich nicht selber und ohne |
555 |
esse homine, illius quasi quod vas esse videtur,
sive aliud quid vis potius coniunctius ei fingere, quandoquidem conexu corpus adhaeret. Denique corporis atque animi vivata potestas inter se coniuncta valent vitaque fruuntur; |
Körper des Menschen bestehn, der gleichsam
dessen Gefäß ist Oder ein Näheres noch, wenn sich irgend etwas Verbundners Denken noch lässt; dieweil fest an ihm hanget der Körper. Endlich noch wirkt die lebendige Kraft des Körpers, der Seele Nur in Verbindung gesetzt, zusammen genießend dos Lebens. |
560 |
nec sine corpore enim vitalis edere motus sola potest animi per se natura nec autem cassum anima corpus durare et sensibus uti. scilicet avolsus radicibus ut nequit ullam dispicere ipse oculus rem seorsum corpore toto, |
Ohne den Körper vermag allein die Seele
für sich nicht Lebenserregungen wecken, noch ohne die Seele der Körper Dauernd erhalten sich selbst und seiner Sinne gebrauchen. Ebenso wie das Aug’, aus seiner Umfassung gerissen Und von dem Körper getrennt, die Kraft zu sehen verlieret: |
565 |
sic anima atque animus per se nil posse videtur.
ni mirum quia <per> venas et viscera mixtim, per nervos atque ossa tenentur corpore ab omni nec magnis intervallis primordia possunt libera dissultare, ideo conclusa moventur |
Ebenso scheinen für sich nichts Seel’ und
Geist zu vermögen. Nämlich darum, weil solche gemischt in die innern Gefäße Und in die Nerven und Knochen, vom ganzen Körper umschränkt sind, Auch die Stoffe sich nicht so frei in geräumlichen Weiten Flüchten können; wodurch, zusammengeschlossen, erregt wird |
570 |
sensiferos motus, quos extra corpus in auras
aeris haut possunt post mortem eiecta moveri propterea quia non simili ratione tenentur; corpus enim atque animans erit aer, si cohibere sese anima atque in eos poterit concludere motus, |
Sinnerzeugender Trieb, den, außer dem Körper,
in Lüften, Hat sie der Tod entjagt, nicht wieder erwecken sie können, Weil kein ähnliches Band sie fasst und fürder zurückhält. Denn es erzeugte die Luft so Leib als Seele, wenn diese Halten sich könnte darin, sich zusammenschließen zu jenen |
575 |
quos ante in nervis et in ipso corpore agebat.
quare etiam atque etiam resoluto corporis omni tegmine et eiectis extra vitalibus auris dissolui sensus animi fateare necessest atque animam, quoniam coniunctast causa duobus. |
Lebensbewegungen, welche zuvor im Körper
sie übte. Also muss man gestehn, dass, wenn aller Hülle des Körpers Gänzlich entblößt und ausgejagt der lebendige Hauch ist, Aufgelöset auch werde der Sinn des Geists und die Seele, Weil derselbige Grund für beider Leben bedingt ist. |
580 |
Denique cum corpus nequeat perferre animai discidium, quin in taetro tabescat odore, quid dubitas quin ex imo penitusque coorta emanarit uti fumus diffusa animae vis, atque ideo tanta mutatum putre ruina |
Da nun ferner die Seele nicht lasst vom Körper
sich trennen, Ohne dass dieser sogleich in stinkende Fäulnis gerate: Könntest du zweifeln, dass nicht, aus den innersten Sitzen getrieben, Ihm entfließen, wie Rauch, zerstreut die Kräfte der Seele? Würd’ in faulen Ruin so gänzlich der Körper zerfallen, |
585 |
conciderit corpus, penitus quia mota loco sunt
fundamenta foras manant animaeque per artus perque viarum omnis flexus, in corpore qui sunt, atque foramina? multimodis ut noscere possis dispertitam animae naturam exisse per artus |
Hätten aus ihren Fugen sich nicht die Stützen
gehoben, Und entflösse sie nicht aus allen Gelenken, die Seele, Allen Kanälen und Poren, die irgend im Körper befindlich? Alles beweiset sonach durch mehrere Gründe, die Seele Habe zerteilet die Glieder verlassen und seie vorher schon |
590 |
et prius esse sibi distractam corpore in ipso,
quam prolapsa foras enaret in aeris auras. Quin etiam finis dum vitae vertitur intra, saepe aliqua tamen e causa labefacta videtur ire anima ac toto solui de corpore <velle> |
In sich getrennet und selbst im Körper zerrissen
gewesen, Ehe sie noch sich ergoss und auf in die wehende Luft schwamm. Selbst noch inner den Schranken des Lebens, wann irgend ein Zufall Mächtig sie trifft, scheint oft entkräftet gänzlich die Seele Hinzuscheiden, sich nach und nach von dem Körper zu lösen. |
595 |
et quasi supremo languescere tempore voltus molliaque exsangui <trunco> cadere omnia membra. quod genus est, animo male factum cum perhibetur aut animam liquisse; ubi iam trepidatur et omnes extremum cupiunt vitae reprehendere vinclum; |
Schon erbleicht das Gesicht als wie beim nahenden
Ende, Und es sinken erschlaffet herab am Körper die Glieder. Dies ist, was insgemein im Leben man nennet die Ohnmacht; Oder man sagt, es entweiche der Geist: man zaget, man suchet Anzuknüpfen aufs neu die letzten Fäden des Lebens. |
600 |
conquassatur enim tum mens animaeque potestas
omnis. et haec ipso cum corpore conlabefiunt, ut gravior paulo possit dissolvere causa. Quid dubitas tandem quin extra prodita corpus inbecilla foras in aperto, tegmine dempto, |
Innigst werden erschüttert alsdann die Kräfte
des Geistes Und der Seele; sie sinken zugleich mit dem Körper zusammen: Wenig braucht es nur noch, so würden sie gänzlich gelöst sein. Auch hier zweifelst du noch, dies schwache Seelchen, gestoßen Aus des Körpers Behältnis, in freien Lüften, der Hülle |
605 |
non modo non omnem possit durare per aevom, sed minimum quodvis nequeat consistere tempus? nec sibi enim quisquam moriens sentire videtur ire foras animam incolumem de corpore toto, nec prius ad iugulum et supera succedere fauces, |
Aller beraubt, ob es wohl nicht Ewigkeiten durchdauern, Nein, nur in Augenblicken der Zeit erhalten sich könne? Keiner noch hat, wie es scheint, jemals im Sterben empfunden, Dass die Seele gesund und heil aus dem Körper hinausgeht, Erst zu der Kehle hinauf, dann zur Mundeshöhle hinansteigt: |
610 |
verum deficere in certa regione locatam; ut sensus alios in parti quemque sua scit dissolui. quod si inmortalis nostra foret mens, non tam se moriens dissolvi conquereretur, sed magis ire foras vestemque relinquere, ut anguis. |
Sondern vielmehr sie erlischt am eignen bestimmeten Orte, Wie jedweder andere Sinn an eigener Stelle Aufgelöset sich fühlt. Und wär’ unsterblich die Seele, Würde sie sterbend so sehr sich über die Trennung beklagen? Würde sie sich nicht freun, zu scheiden, ihr Kleid zu verlassen, Wie die Schlang’ ihr Gewand, wie der alternde Hirsch das Geweih lässt? |
615 |
Denique cur animi numquam mens consiliumque
gignitur in capite aut pedibus manibusve, sed unis sedibus et certis regionibus omnibus haeret, si non certa loca ad nascendum reddita cuique sunt, et ubi quicquid possit durare creatum |
Endlich, warum erzeugt des Geistes verständige
Kraft sich Nie in dem Haupt, noch in Füßen und Händen, und sitzet nur einzig Jeglichem fest am bestimmeten Ort, in der eigenen Gegend? Ist nicht Ursach hiervon, dass jedes den sicheren Ort hat Seiner Geburt, allwo fort kann das Erschaffene dauern? |
620 |
atque ita multimodis partitis artubus esse, membrorum ut numquam existat praeposterus ordo? usque adeo sequitur res rem, neque flamma creari fluminibus solitast neque in igni gignier algor. Praeterea si inmortalis natura animaist |
Dies auch findet auf mancherlei Art sich im Baue
der Glieder, So dass nie sich verkehrt hierin die Ordnung erweiset. Also erfolgt ein Ding aus dem andern; es werden aus Fluten Nie sich die Flammen bilden, noch Eis sich erzeugen im Feuer. Ist unsterblich dennoch die Natur und das Wesen der Seele, |
625 |
et sentire potest secreta a corpore nostro, quinque, ut opinor, eam faciundum est sensibus auctam. nec ratione alia nosmet proponere nobis possumus infernas animas Acherunte vagare. pictores itaque et scriptorum saecla priora |
Kann sie, getrennet vom Leib, fortdauernd Empfindung
erhalten, Müssen wir mit fünf Sinnen sie auch, wie es scheinet, begaben. Sonst wie könnte man sich die unteren Seelen gedenken, Schwärmend umher um des Acherons Flut? Auch haben noch immer Dichter und Maler der vorigen Zeit dieselben uns also |
630 |
sic animas intro duxerunt sensibus auctas. at neque sorsum oculi neque nares nec manus ipsa esse potest animae neque sorsum lingua neque aures; haud igitur per se possunt sentire neque esse. Et quoniam toto sentimus corpore inesse |
Vorgestellet und stets sie ausgestattet mit Sinnen.
Aber besonders und einzeln für sich kann ohne die Seele Weder das Auge bestehn, noch die Nase, noch selber die Hand auch Oder die Zunge; das Ohr kann ebenso wenig die Töne Für sich vernehmen allein, noch irgend allein sich erhalten. Fühlen wir nun durchaus lebendigen Sinn in dem Körper, |
635 |
vitalem sensum et totum esse animale videmus,
si subito medium celeri praeciderit ictu vis aliqua, ut sorsum partem secernat utramque, dispertita procul dubio quoque vis animai et discissa simul cum corpore dissicietur. |
Sehen auch, dass er durchaus zum lebenden Wesen
beseelt sei: Traf ihn plötzlich ein Schlag, der mit allgewaltiger Kraft ihn Mitten spaltet’ entzwei, dass die beiden Hälften zerfielen, Müsste die Seele fürwahr zu gleichen Teilen getrennet, Auseinandergerissen zugleich mit dem Körper auch sie sein. |
640 |
at quod scinditur et partis discedit in ullas,
scilicet aeternam sibi naturam abnuit esse. falciferos memorant currus abscidere membra saepe ita de subito permixta caede calentis, ut tremere in terra videatur ab artubus id quod |
Aber was irgend geteilt kann werden, in Stücke
zerrissen, Mag sich eben dadurch lossprechen von ewiger Dauer. Sichelbewaffnete Wagen, vom Blut der Erschlagenen dampfend, Sagt man, mähten die Glieder so schnell hinweg, dass am Boden Uns noch der abgeschnittene Teil in Regung sich zeige, |
645 |
decidit abscisum, cum mens tamen atque hominis
vis mobilitate mali non quit sentire dolorem; et simul in pugnae studio quod dedita mens est, corpore relicuo pugnam caedesque petessit, nec tenet amissam laevam cum tegmine saepe |
Ehe des Menschen Gefühl die schnelle Verwundung
erreicht hat. Da nun der kampfbegierige Geist fortwährend auf Streit denkt, Strebt mit dem übrigen Körper er noch, zu fechten, zu morden; Wird auch oft nicht gewahr, dass seine verlorene Linke Ward mit dem Schilde zugleich durch das Rad und die reißenden Sicheln |
650 |
inter equos abstraxe rotas falcesque rapaces,
nec cecidisse alius dextram, cum scandit et instat. inde alius conatur adempto surgere crure, cum digitos agitat propter moribundus humi pes. et caput abscisum calido viventeque trunco |
Unter die Rosse geschleudert. Ein anderer fühlet
im Drange, Wenn er die Mauern ersteigt, die abgeschlagene Hand nicht; Wieder ein anderer will empor mit dem Schenkel sich heben, Den er eben verlor und welcher mit zuckenden Zehen Sterbend schon neben ihm liegt. Vom warmen lebendigen Rumpfe Abgeschnitten das Haupt, zeigt annoch es Züge des Lebens, |
655 |
servat humi voltum vitalem oculosque patentis,
donec reliquias animai reddidit omnes. quin etiam tibi si, lingua vibrante, minanti serpentis cauda, procero corpore, utrumque sit libitum in multas partis discidere ferro, |
Noch vom Boden herauf die offenstehenden Augen,
Bis die Reste der Seele zuletzt sich alle verlieren. Ja auch, wenn du versuchst, die beiden Enden der Schlange, Die mit der Zunge blitzt, mit dem Schweife droht und dem langen Vorgestrecketen Leib, in mehrere Teile zu schneiden: |
660 |
omnia iam sorsum cernes ancisa recenti volnere tortari et terram conspargere tabo, ipsam seque retro partem petere ore priorem, volneris ardenti ut morsu premat icta dolore. omnibus esse igitur totas dicemus in illis |
Jegliches Stück alsdann, mit der frischen
Wunde beschnitten, Schmerzlich sich krümmen du siehst, mit Eiter den Boden bespritzend; Rückwärts wird sich der vordere Teil nach dem hinteren drehen, Einzubeißen darin, aus Schmerz der brennenden Wunde. Sagen müsste man nun, es sei in jedem der Stücke |
665 |
particulis animas? at ea ratione sequetur unam animantem animas habuisse in corpore multas. ergo divisast ea quae fuit una simul cum corpore; quapropter mortale utrumque putandumst, in multas quoniam partis disciditur aeque. |
Eine besondere Seele: woraus dann weiter erfolgte,
Dass der Körper des einzigen Tiers viel Seelen enthalte. Also ist diese geteilt, sie, die mit dem Körper vorher nur Eins war: beide dadurch beweisen ihr sterbliches Dasein, Weil sie auf gleiche Art sich teilen in mehrere Stücke. |
670 |
Praeterea si inmortalis natura animai constat et in corpus nascentibus insinuatur, cur super ante actam aetatem meminisse nequimus nec vestigia gestarum rerum ulla tenemus? nam si tanto operest animi mutata potestas, |
Ist nun, ferner, in ihrer Natur unsterblich
die Seele, Schleicht sie bei seiner Geburt sich ein in den Körper des Menschen: Sage, wie kommt’s, dass nichts der vorhergegangenen Jahre Man sich erinnern noch kann ? Warum blieb nirgends die Spur uns Dessen, was ehmals geschah? Sind so nun die Kräfte des Geistes |
675 |
omnis ut actarum exciderit retinentia rerum,
non, ut opinor, id ab leto iam longius errat; qua propter fateare necessest quae fuit ante interiisse, et quae nunc est nunc esse creatam. Praeterea si iam perfecto corpore nobis |
Umgeändert, dass ganz ihm entfiel, was
vormals geschehen, Nun, so weichet es auch, wie mich dünkt, nicht ferne vom Tod ab; Und man müsste gestehn, es sei die vorige Seele Untergegangen und jetzt die jetzige Seele geschaffen. Kommt doch der Seele belebete Kraft erst dann in den Körper, |
680 |
inferri solitast animi vivata potestas tum cum gignimur et vitae cum limen inimus, haud ita conveniebat uti cum corpore et una cum membris videatur in ipso sanguine cresse, sed vel ut in cavea per se sibi vivere solam |
Wann vollendet schon ist sein Bau, wann über
des Lebens Schwelle wir durch die Geburt eintreten: was hat sie vonnöten, Scheinen zu wollen, sie wachse mit ihm im Blut und in Gliedern ? Mag wie im Käfig vielmehr viel besser für sich und allein sie |
685 |
convenit, ut sensu corpus tamen affluat omne.
quare etiam atque etiam neque originis esse putandumst expertis animas nec leti lege solutas; nam neque tanto opere adnecti potuisse putandumst corporibus nostris extrinsecus insinuatas, |
Leben, und doch mit Gefühl den ganzen Körper
behauchen. Und so halte man ja nicht unteilhaftig des Ursprungs Unsere Seelen, und nicht gelöst vom Gesetze des Todes. Könnten auch dann sie so eng und genau mit dem Körper verknüpft sein, Wären sie eingeflößt von außenher in denselben? |
690 |
quod fieri totum contra manifesta docet res - namque ita conexa est per venas viscera nervos ossaque, uti dentes quoque sensu participentur; morbus ut indicat et gelidai stringor aquai et lapis oppressus subitis e frugibus asper - |
Wie doch im Gegenteil die Sach’ uns selber beweiset,
Dass sie so angeknüpft an die Adern, Nerven und Knochen Sind, dass die Zähne sogar teilnehmen an unserm Gefühle. Hiervon zeuget der Schmerz an den Zähnen, der Schreck vor dem kalten Wasser, und dann, wann man beißt auf harte Kerne der Steinfrucht. |
695 |
nec, tam contextae cum sint, exire videntur incolumes posse et salvas exsolvere sese omnibus e nervis atque ossibus articulisque, quod si forte putas extrinsecus insinuatam permanare animam nobis per membra solere, |
Und so scheinet auch nicht, dass, da sie so innig
verwebt sind, Wohlbehalten und heil los winden sich könnten die Seelen, Frei aus allen den Nerven und Knochen und Gliedern entschlüpfen. Möchtest du glauben vielleicht, die eingegossene Seele Breite zerfließend sich aus durch den Bau der sämtlichen Glieder? |
700 |
tanto quique magis cum corpore fusa peribit;
quod permanat enim, dissolvitur, interit ergo; dispertitur enim per caulas corporis omnis. ut cibus, in membra atque artus cum diditur omnis, disperit atque aliam naturam sufficit ex se, |
Dann dürft’ eher sie noch, mit dem Körper
zerflossen, vergehen; Denn was zerfließet, löset sich auf, geht unter dahero. Also durch alle Kanäle des ganzen Körpers verteilet, Würden sich auch - wie die Speise vergeht, von den Gliedern des Körpers Eingesogen, aus sich ein anderes Wesen nun herstellt -: |
705 |
sic anima atque animus quamvis integra recens
<in> corpus eunt, tamen in manando dissoluuntur, dum quasi per caulas omnis diduntur in artus particulae quibus haec animi natura creatur, quae nunc in nostro dominatur corpore nata |
Also auch See!’ und Geist, obgleich ursprünglich
ein Ganzes, Als in den Körper sie kamen, dennoch auflösen zerfließend, Da sich die Teilchen, woraus die beiden Naturen gebildet, Gleichsam wie durch Kanäle in sämtliche Glieder verteilen: Und die Seele, die jetzt im Körper behauptet die Herrschaft, |
710 |
ex illa quae tunc periit partita per artus. quapropter neque natali privata videtur esse die natura animae nec funeris expers. Semina praeterea linquontur necne animai corpore in exanimo? quod si lincuntur et insunt, |
Wär’ entstanden aus der, die verloren gegangen
durch Teilung. Nicht des Tags der Geburt entledigt scheinet dahero Unsere Seele, noch auch befreit vom Tage des Hingangs. Weiter fraget man noch: lässt in dem entseeleten Körper Stoffe die Seele zurück? Und lässt sie dieselben darinnen, |
715 |
haut erit ut merito inmortalis possit haberi,
partibus amissis quoniam libata recessit. sin ita sinceris membris ablata profugit, ut nullas partis in corpore liquerit ex se, unde cadavera rancenti iam viscere vermes |
Könnte man solche mit Recht für unvergänglich
dann halten, Sie, die Teilchen verlor und dürftiger von uns gewichen? Ist sie doch ohne Verlust und mit heilen Gliedern entflohen, So, dass nirgend von ihr ein Teil in dem Körper zurückblieb: Sage, woher die Leichen aus faulem Gedärme die Maden |
720 |
expirant atque unde animantum copia tanta exos et exanguis tumidos perfluctuat artus? quod si forte animas extrinsecus insinuari? vermibus et privas in corpora posse venire credis nec reputas cur milia multa animarum |
Hauchen ? woher umwoget des Körpers schwellende
Glieder Solch ein wimmelndes Heer von bein- und blutlosen Wesen? Glaubst du, es schleichen vielleicht von außen sich in das Gewürme Eigene Seelen ein und verbinden sich dann mit dem Körper? Aber bedenkst du wohl, wie so viele tausend der Seelen |
725 |
conveniant unde una recesserit, hoc tamen est
ut quaerendum videatur et in discrimen agendum, utrum tandem animae venentur semina quaeque vermiculorum ipsaeque sibi fabricentur ubi sint, an quasi corporibus perfectis insinuentur. |
Da nun kämen zusammen, wo sonst nur eine
gewohnt hat? Doch nicht dieses allein, bedenklicher ist noch die Frage: Haben die Seelen sich wohl die einzelnen Stoffe der Würmer Selber erjagt und bauen daraus sich die häusliche Wohnung; Oder schlüpfen sie ein nach vollendeter Bildung der Körper? |
730 |
at neque cur faciant ipsae quareve laborent dicere suppeditat. neque enim, sine corpore cum sunt, sollicitae volitant morbis alguque fameque; corpus enim magis his vitiis adfine laborat, et mala multa animus contage fungitur eius. |
Aber warum sie es tun und solche Bemühung
sich geben, Wäre nicht abzusehn, da ohne den Körper von Krankheit Unangefochten, auch nicht vom Frost noch Hunger, sie schwärmen. Nur der Körper allein liegt krank an Übeln von der Art; Er nur steckt das Gemüt mit mannigfaltigem Leid an. |
735 |
sed tamen his esto quamvis facere utile corpus,
cum subeant; at qua possint via nulla videtur. haut igitur faciunt animae sibi corpora et artus. nec tamen est ut qui [cum] perfectis insinuentur corporibus; neque enim poterunt suptiliter esse |
Aber gesetzt, es frommte den Seelen, sich Körper
zu bauen Und in diese zu ziehn: wie könnten sie solches bewirken? Nimmer bilden daher sich die Seelen Körper und Glieder, Werden auch keinesfalls in die ausgebildeten Körper Eingegossen: wie könnten damit sie so innig verwebt sein |
740 |
conexae neque consensu contagia fient. Denique cur acris violentia triste leonum seminium sequitur, volpes dolus, et fuga cervos? a patribus datur et [a] patrius pavor incitat artus, et iam cetera de genere hoc cur omnia membris |
Oder zusammengestimmt die zarten Berührungen
wirken? Endlich, warum erzeuget die mordbegierige Wut sich Immer im Löwengeschlecht? die List in den Füchsen? Vom Vater Erbet der scheue Hirsch die Furcht, die die Glieder ihm anspornt. So auch mit mehreren noch: warum wächst eigen in Sitten, |
745 |
ex ineunte aevo generascunt ingenioque, si non, certa suo quia semine seminioque vis animi pariter crescit cum corpore quoque? quod si inmortalis foret et mutare soleret corpora, permixtis animantes moribus essent, |
Wie in den Gliedern, ein jedes heran vom frühesten
Alter? Ist’s nicht, weil aus bestimmeten Samen, aus eigener Zeugung Mit dem Körper zugleich die Kraft der Seele heranwächst? War’ unsterblich sie nun und pflegte sie Körper zu wechseln, Würde bei ähnlichen Tieren vermischte Sitten man finden: |
750 |
effugeret canis Hyrcano de semine saepe cornigeri incursum cervi tremeretque per auras aeris accipiter fugiens veniente columba, desiperent homines, saperent fera saecla ferarum. illud enim falsa fertur ratione, quod aiunt |
Vom hyrkanischen Stamm die Rüde würde
den Anlauf Ästiger Hirsche scheun; in den hohen Lüften der Habicht Würde zittern und fliehn, sobald sich ihm nahte die Taube: Tiere besäßen Vernunft, der Mensch würd’ ohne Vernunft sein. Denn nur ein irriger Wahn ist das, wenn sie sagen, der Seele |
755 |
inmortalem animam mutato corpore flecti; quod mutatur enim, dissolvitur, interit ergo; traiciuntur enim partes atque ordine migrant; quare dissolui quoque debent posse per artus, denique ut intereant una cum corpore cunctae. |
Ewiges Wesen ändre zugleich mit verändertem
Körper. Was sich verändert, löset sich auf, geht unter dahero, Weil die Teile versetzt, die Ordnung derselben verrückt wird: Und so müssten sich auch auflösen können die Seelen Schon in den Gliedern, zuletzt mit dem Körper zugleich zu vergehen. |
760 |
sin animas hominum dicent in corpora semper ire humana, tamen quaeram cur e sapienti stulta queat fieri, nec prudens sit puer ullus, [si non, certa suo quia semine seminioque] nec tam doctus equae pullus quam fortis equi vis. |
Sagen sie doch, es gingen nur immer die menschlichen
Seelen Über in menschliche Körper, so frag’ ich, warum doch aus Weisen Können Törichte werden? dem Kind nicht eigen die Klugheit? Nicht das Fohlen gewandt, wie das abgerichtete Ross ist? Und nun werden sie noch die Ausflucht nehmen und sagen, |
765 |
scilicet in tenero tenerascere corpore mentem
confugient. quod si iam fit, fateare necessest mortalem esse animam, quoniam mutata per artus tanto opere amittit vitam sensumque priorem. quove modo poterit pariter cum corpore quoque |
Dass in dem zarten Leib auch zarter sich bilde
die Seele. Wär’ es an dem, so würde sich doch entscheiden der Ausspruch, Sterblich müsse sie sein, die gänzlich verändert im Körper Jetzo das vorige Leben verliert, die vorige Sinnkraft. Und wie könnte die Seel’ in Kraft mit dem Körper erwachsen, |
770 |
confirmata cupitum aetatis tangere florem vis animi, nisi erit consors in origine prima? quidve foras sibi vult membris exire senectis? an metuit conclusa manere in corpore putri et domus aetatis spatio ne fessa vetusto |
Mit ihm erreichen zugleich die erwünschte
Blüte des Lebens, Wann ursprünglich sie nicht die Teilgenossin von ihm war? Warum begehret hinaus sie zu gehn aus den alternden Gliedern? Fürchtet sie etwa, verschlossen im faulenden Körper zu bleiben? Oder vielleicht vom Ruin des alten gebrechlichen Hauses |
775 |
obruat? at non sunt immortali ulla pericla. Denique conubia ad Veneris partusque ferarum esse animas praesto deridiculum esse videtur, expectare immortalis mortalia membra innumero numero certareque praeproperanter |
Überschüttet zu werden ? was kann der
Unsterblichen schaden? Lächerlich wär’ es fürwahr zu denken, es fänden sich Seelen Bei der Begattung und bei der Geburt der Tiere zugegen, Auszuspähn, die Unsterblichen sie, in unendlicher Anzahl, Sterbliche Glieder; im Streit wetteifernd untereinander, |
780 |
inter se quae prima potissimaque insinuetur;
si non forte ita sunt animarum foedera pacta, ut quae prima volans advenerit insinuetur prima neque inter se contendant viribus hilum. Denique in aethere non arbor, non aequore in alto |
Welcher von ihnen zuerst der Eingang werde verstattet.
Müsste denn sein, es bestund’ ein Vergleich schon unter den Seelen, Dass die erste, die kommt, zuerst auch finde den Einlass, Und sie des Zwistes daher durchaus nicht hätten vonnöten. Endlich so findet man nicht den Baum im Aether, noch Wolken |
785 |
nubes esse queunt nec pisces vivere in arvis
nec cruor in lignis neque saxis sucus inesse. certum ac dispositumst ubi quicquid crescat et insit. sic animi natura nequit sine corpore oriri sola neque a nervis et sanguine longius esse. |
Unter der Tiefe des Meers; kein Fisch kann leben
auf Feldern, Noch im Holze sich Blut, noch Saft sich befinden in Steinen: Sondern bestimmt ist der Ort, wo jedes gedeihen und sein kann. Ebenso kann der Seele Natur nicht sonder den Körper Oder allein entstehn, von Blut und Nerven getrennet. |
790 |
quod si posset enim, multo prius ipsa animi vis
in capite aut umeris aut imis calcibus esse posset et innasci quavis in parte soleret, tandem in eodem homine atque in eodem vase manere. quod quoniam nostro quoque constat corpore certum |
Könnte sie das, so würde vielmehr die
geistige Kraft sich Können erzeugen im Haupt, in den Schultern, den untersten Fersen; Könnt’ inwohnen vielmehr in jeglichem Teile des Körpers, Als in demselben Gefäße desselben Menschen zu bleiben. Sintemal aber auch das in unserem Körper bestimmt ist, |
795 |
dispositumque videtur ubi esse et crescere possit
sorsum anima atque animus, tanto magis infitiandum totum posse extra corpus durare genique. quare, corpus ubi interiit, periisse necessest confiteare animam distractam in corpore toto. |
Angewiesen uns scheinet der Ort, wo der Geist
und die Seele Können besonders wohnen und da sich entwickeln, so ist es Überweisender noch, dass, außer dem Körper, das Ganze Könne den Ursprung nicht und nicht Fortdauerung haben. Löset sonach der Körper sich auf, so muss auch die Seele Untergehen mit ihm, die im ganzen Körper verteilt ist. |
800 |
quippe etenim mortale aeterno iungere et una
consentire putare et fungi mutua posse desiperest; quid enim diversius esse putandumst aut magis inter se disiunctum discrepitansque, quam mortale quod est inmortali atque perenni |
Unsinn ist es fürwahr, das Sterbliche paaren
zu wollen Mit dem Unsterblichen, Sinn und gemeinsames Wirken den beiden Zuzuschreiben! Was lässt sich nur irgend Verschiedneres denken, Was, das getrennter, das mehr misshellig untereinander, Als wann das Sterbliche sich mit dem Unvergänglichen, Ew’gen |
805 |
iunctum in concilio saevas tolerare procellas?
praeterea quaecumque manent aeterna necessest aut quia sunt solido cum corpore respuere ictus nec penetrare pati sibi quicquam quod queat artas dissociare intus partis, ut materiai |
Sollte verbinden, vereint des Schicksals Stürme
zu tragen? Ferner, was irgendein Ding zur ewigen Dauer bestimmt macht, Liegt entweder darin, dass dasselbe dichter Natur sei, Nicht vom Schlage zermalmt, noch getrennt kann werden durch Eindrang, Welcher im Innern löste die engen Bande der Teile: |
810 |
corpora sunt, quorum naturam ostendimus ante,
aut ideo durare aetatem posse per omnem, plagarum quia sunt expertia sicut inanest, quod manet intactum neque ab ictu fungitur hilum, aut etiam quia nulla loci sit copia circum, |
Dies ist, wie ich gezeigt, die Natur ursprünglicher
Körper. Oder auch könnt’ es dadurch sich in ewiger Dauer erhalten, Weil es des Angriffs fähig nicht ist, und dies ist das Leere: Unberührbar bleibt’s und achtet des äußeren Schlags nicht. Oder auch ewig ist das, was keinen Raum um sich her hat, |
815 |
quo quasi res possint discedere dissoluique,
sicut summarum summast aeterna, neque extra quis locus est quo diffugiant neque corpora sunt quae possint incidere et valida dissolvere plaga. Quod si forte ideo magis inmortalis habendast, |
Wohin die Ding’ entfliehen und da auflösen sich könnten:
So ist ewig die Summe des Alls; kein Ort ist vorhanden Außer ihm, um zu entfliehn; kein Körper auch, der auf dasselbe Niederfallen, durch heftigen Stoß zerschellen es könnte. Wäre darum noch mehr für unsterblich die Seele zu halten, |
820 |
quod vitalibus ab rebus munita tenetur, aut quia non veniunt omnino aliena salutis, aut quia quae veniunt aliqua ratione recedunt pulsa prius quam quid noceant sentire queamus, * * * praeter enim quam quod morbis cum corporis aegret, |
Weil sie sich findet beschützt von lebenerhaltenden
Dingen, Weil ihr das Schädliche sich durchaus entweder nicht nahet Oder, wofern es sich naht, durch irgend etwas zuvor wird Abgestoßen, bevor den Schaden wir können empfinden: Abgerechnet, dass auch mit dem Körper sie selber erkranket, |
825 |
advenit id quod eam de rebus saepe futuris macerat inque metu male habet curisque fatigat, praeteritisque male admissis peccata remordent. adde furorem animi proprium atque oblivia rerum, adde quod in nigras lethargi mergitur undas. |
Kommt
herbei, was sie oft um die kommenden Dinge sich härmen Lässt und in Angst schlimm hält und mit Sorgen quälend ermattet, Und, sind die Sünden vergangen, so beißt sie doch das Gewissen. Füge den Wahnsinn hinzu, der eignet dem Geist, und Vergessen, Füge hinzu, dass sie taucht in die dunklen letharfischen Wolken! |
830 |
Nil igitur mors est ad nos neque pertinet hilum,
quandoquidem natura animi mortalis habetur. et vel ut ante acto nihil tempore sensimus aegri, ad confligendum venientibus undique Poenis, omnia cum belli trepido concussa tumultu |
Nichts ist also der Tod, nichts geht er im mindesten
uns an, Sintemal der Seele Natur für sterblich erkannt wird. Und wie in voriger Zeit kein Ungemach wir empfanden, Als der Pöner zum Streit von allen Seiten herandrang; Alles, vom Kriegsgeräusch erschüttert, starrend erbebte |
835 |
horrida contremuere sub altis aetheris auris,
in dubioque fuere utrorum ad regna cadendum omnibus humanis esset terraque marique, sic, ubi non erimus, cum corporis atque animai discidium fuerit, quibus e sumus uniter apti, |
Unter den hohen Lüften des Aethers; das
menschliche Schicksal Unentschieden noch lag, wohin sich neige die Herrschaft Über das Land und das Meer: so wird auch, wenn wir nun nicht sind, Hat sich der Leib und die Seele getrennt, durch deren Gemeinschaft Einzig zusammengefügt wir bestehn, nichts treffen uns können; |
840 |
scilicet haud nobis quicquam, qui non erimus
tum, accidere omnino poterit sensumque movere, non si terra mari miscebitur et mare caelo. et si iam nostro sentit de corpore postquam distractast animi natura animaeque potestas, |
Uns, die wir dann nicht sind, nichts können
Empfindung erregen, Mischte sich auch mit der Erde das Meer, mit dem Meere der Himmel. Und erhielte sich noch Empfindung in Teilen des Körpers, Wann von diesem bereits sich getrennet der Seele Natur hat, Geht es doch uns nicht an, die in eins wir zusammengeknüpft nur |
845 |
nil tamen est ad nos, qui comptu coniugioque
corporis atque animae consistimus uniter apti. nec, si materiem nostram collegerit aetas post obitum rursumque redegerit ut sita nunc est, atque iterum nobis fuerint data lumina vitae, |
Durch Gemeinschaft und Band des Geists und der
Seele bestehen. Ja, wann künftige Zeit die Stoffe von unserem Dasein Sammeln sollte, zurück in die jetzige Lage sie bringen, Sollte des Lebens Licht aufs neu uns wieder geschenkt sein: Würde doch dieses nicht mehr uns selbst im geringsten betreffen, |
850 |
pertineat quicquam tamen ad nos id quoque factum,
interrupta semel cum sit repetentia nostri. et nunc nil ad nos de nobis attinet, ante qui fuimus, <nil> iam de illis nos adficit angor. nam cum respicias inmensi temporis omne |
Da doch einmal in uns die Wiederholung des Unsern
Unterbrochen und nun von uns, die wir ehe gewesen, Nichts sich beziehet auf uns: so wenig der Kummer uns jetzo Um das Künftige trifft, was aus unserem Stoffe die Zeit macht. Schauest du nämlich zurück auf unermesslicher Zeiten |
855 |
praeteritum spatium, tum motus materiai multimodi quam sint, facile hoc adcredere possis, semina saepe in eodem, ut nunc sunt, ordine posta haec eadem, quibus e nunc nos sumus, ante fuisse. nec memori tamen id quimus reprehendere mente; |
Weiten vergangenen Raum, auf den so verschiedenen
Wechsel Aller Stoffe, so dürftest du wohl dich leichtlich bereden, Oftmals seien sie schon in ähnlicher Lage gewesen, Als jetzt selbige sind: doch davon erinnern wir nichts uns; Denn es hat sich dazwischen die Pause des Lebens geworfen, |
860 |
inter enim iectast vitai pausa vageque deerrarunt passim motus ab sensibus omnes. debet enim, misere si forte aegreque futurumst; ipse quoque esse in eo tum tempore, cui male possit accidere. id quoniam mors eximit, esseque prohibet |
Und weit irrten sie ab, die Stoffe, vom Gang
der Empfindung. Wahrlich, wen Elend und Not in der Zukunft sollte betreffen, Müsst’ in derselbigen Zeit doch da sein, könnt’s ihm begegnen: Aber da dieses der Tod aufhebt und, weil er zuvor war, Dies ihn verhindert, zu sein und dieselbigen Übel zu tragen |
865 |
illum cui possint incommoda conciliari, scire licet nobis nihil esse in morte timendum nec miserum fieri qui non est posse, neque hilum differre an nullo fuerit iam tempore natus, mortalem vitam mors cum inmortalis ademit. |
In derselben Verbindung wie wir, so ist es begreiflich,
Dass im Tode für uns nichts weiter zu fürchten bevorsteht, Elend werden nicht kann, der nicht ist, ganz es dasselbe Jetzo seie für ihn, ob er niemals wurde geboren, Dem der unsterbliche Tod das sterbliche Leben genommen. |
870 |
Proinde ubi se videas hominem indignarier ipsum,
post mortem fore ut aut putescat corpore posto aut flammis interfiat malisve ferarum, scire licet non sincerum sonere atque subesse caecum aliquem cordi stimulum, quamvis neget ipse |
Siehest du Menschen demnach voll Unmut über
sich selber, Hingesetzt nach dem Tode dereinst verfaulen zu müssen, Oder von Flammen verzehrt, von Tieren zermalmet zu werden: Glaube, da klingt es nicht rein, es liegt ein verborgener Stachel Unter dem Herzen: obgleich ein solcher noch immer behauptet, |
875 |
credere se quemquam sibi sensum in morte futurum;
non, ut opinor, enim dat quod promittit et unde nec radicitus e vita se tollit et eicit, sed facit esse sui quiddam super inscius ipse. vivus enim sibi cum proponit quisque futurum, |
Dass er nicht glaube, Gefühl und Empfindung
zu haben im Tode. Was er verspricht, das hält er nicht ganz, wie mich dünkt, noch von Herzen, Reißt und schleudert sich nicht mit der Wurzel hinaus aus dem Leben; Sondern er lässt von sich selbst unwissend noch etwas zurücke. Wer sich’s einzig nun denkt, es werde sein Körper in Zukunft |
880 |
corpus uti volucres lacerent in morte feraeque,
ipse sui miseret; neque enim se dividit illim nec removet satis a proiecto corpore et illum se fingit sensuque suo contaminat astans. hinc indignatur se mortalem esse creatum |
Noch von Vögeln zerhackt, zerrissen werden
von Tieren, Wehklagt über sich selbst; er trennet und sondert sich selber Nicht hinlänglich genug von dem hingeworfenen Leichnam, Bildet sich ein, er sei’s, und steckt ihn mit seinem Gefühl an. Also verwünscht er zuletzt durchaus sein sterbliches Dasein; |
885 |
nec videt in vera nullum fore morte alium se,
qui possit vivus sibi se lugere peremptum stansque iacentem <se> lacerari urive dolere. nam si in morte malumst malis morsuque ferarum tractari, non invenio qui non sit acerbum |
Siebet nicht ein, dass nach wirklichem Tod kein
anderer er sei, Der lebendig sich selbst, den Verschiedenen, könne betrauern, Stehend sich Liegenden klagen, verbrannt und zerrissen zu werden. Ist es ein Übel jedoch, zermalmet im Tode zu werden Unter der Tiere Gebiss, so find’ ich doch nicht es gelinder, |
890 |
ignibus inpositum calidis torrescere flammis
aut in melle situm suffocari atque rigere frigore, cum summo gelidi cubat aequore saxi, urgerive superne obrutum pondere terrae. 'Iam iam non domus accipiet te laeta neque uxor |
Über das Feuer gelegt von heißen Flammen
zu braten, Oder in Honig erstickt zu werden, zu starren von Kälte, Auf des frostigen Steines geglättete Fläche gestrecket, Noch von betretener Last der Erd’ erdrücket zu werden. »Aber dein freundliches Haus empfängt dich nicht mehr, noch die teure |
895 |
optima, nec dulces occurrent oscula nati praeripere et tacita pectus dulcedine tangent. non poteris factis florentibus esse tuisque praesidium. misero misere' aiunt 'omnia ademit una dies infesta tibi tot praemia vitae.' |
Gattin; dir laufen nicht mehr entgegen die lieblichen
Kinder, Küsse zu rauben von dir, dich labend mit schweigender Wonne. Nicht sind blühende Taten hinfort dir vergönnt, noch der Deinen Schutz und Hülfe zu sein. Dich bracht’, Elender, elendig Ein verhasster Tag um alle Geschenke des Lebens.« |
900 |
illud in his rebus non addunt 'nec tibi earum
iam desiderium rerum super insidet una.' quod bene si videant animo dictisque sequantur, dissoluant animi magno se angore metuque. 'tu quidem ut es leto sopitus, sic eris aevi |
Also sagen sie; doch sie vergessen hinzu noch
zu setzen: »Kein Verlangen auch wird nach allem diesem dich quälen.« Wenn sie nur dieses genau beherzigten, folgten den Lehren, Würden sie großer Angst und Furcht des Gemüts sich entladen. »Du zwar, wie du hier liegst, im Bett’ entschlummert, so wirst du |
905 |
quod super est cunctis privatus doloribus aegris;
at nos horrifico cinefactum te prope busto insatiabiliter deflevimus, aeternumque nulla dies nobis maerorem e pectore demet.' illud ab hoc igitur quaerendum est, quid sit amari |
Alle die künftige Zeit von Kummer und Schmerzen
befreit sein: Wir hingegen, wir wollen dich Aschegewordenen neben Deiner schaudererregenden Gruft unablässig beweinen; Kein Tag soll uns je wegnehmen den Kummer vom Herzen.« Fragen möcht’ ich sie wohl: was hierin denn immer so herb sei, |
910 |
tanto opere, ad somnum si res redit atque quietem,
cur quisquam aeterno possit tabescere luctu. Hoc etiam faciunt ubi discubuere tenentque pocula saepe homines et inumbrant ora coronis, ex animo ut dicant: 'brevis hic est fructus homullis; |
Wenn doch alles zuletzt auf Ruh’ und Schlummer
hinausläuft, Dass sich sollte der Mensch verzehren in ewiger Trauer? Oft auch machen es so die Menschen bei ihren Gelagen; Dass, wann den Becher sie halten, das Haupt umhüllet mit Kränzen, Seufzend sie sprechen: »Dies ist der kurze Genuss für das Menschlein! |
915 |
iam fuerit neque post umquam revocare licebit.'
tam quam in morte mali cum primis hoc sit eorum, quod sitis exurat miseros atque arida torrat, aut aliae cuius desiderium insideat rei. nec sibi enim quisquam tum se vitamque requiret, |
Bald ist dieser auch hin, und nimmer kehrt er
zurücke.« Gleichsam als wäre nur dies das größte Übel im Tode, Dass sie, die Armen, der Durst auszehr, und brennend sie quäle, Oder als ob noch irgend die Lust nach etwas sie plage! Niemand ist seinethalben besorgt, noch vermisst er das Leben, |
920 |
cum pariter mens et corpus sopita quiescunt;
nam licet aeternum per nos sic esse soporem, nec desiderium nostri nos adficit ullum, et tamen haud quaquam nostros tunc illa per artus longe ab sensiferis primordia motibus errant, |
Wann in Schlummer versenkt so Geist als Körper
dahin liegt: Möchte für solchen der Schlaf auch Ewigkeiten durchdauern, Könnte doch kein Verlangen nach sich ihn weiter berühren. Und doch weichen alsdann in den Gliedern die Stoffe des Lebens Allzu ferne nicht ab von der sinnlichen Lebenserregung, |
925 |
cum correptus homo ex somno se colligit ipse.
multo igitur mortem minus ad nos esse putandumst, si minus esse potest quam quod nihil esse videmus; maior enim turbae disiectus materiai consequitur leto nec quisquam expergitus extat, |
Da doch der Mensch sich vom Schlaf aufrafft und
wieder sich sammelt. Und so hat denn der Tod weit mindern Bezug auf uns selber; Wenn das minder noch heißt, was ganz und gar nicht Bestand hat. Größere Trennung erfolgt, mehr werden die Stoffe zerstreuet Nach dem Tode; von da ist keiner noch wieder erwachet, |
930 |
frigida quem semel est vitai pausa secuta. Denique si vocem rerum natura repente. mittat et hoc alicui nostrum sic increpet ipsa: 'quid tibi tanto operest, mortalis, quod nimis aegris luctibus indulges? quid mortem congemis ac fles? |
Hat ihn einmal erreicht die kalte Pause des Lebens. Endlich noch, wenn die Natur die Stimm’ urplötzlich erhübe, Strafend einen von uns in diesem Tone: »Was ist dir, Sterblicher, dass du so sehr in bänglichem Trauern dich abhärmst? Warum klagst du und weinest den Tod? War anders das Leben, |
935 |
nam si grata fuit tibi vita ante acta priorque
et non omnia pertusum congesta quasi in vas commoda perfluxere atque ingrata interiere; cur non ut plenus vitae conviva recedis aequo animoque capis securam, stulte, quietem? |
Das du bishero geführt, ein angenehmes Geschenk
dir; Sind nicht alle die Freuden wie durch ein zerlechztes Gefäß dir Hingeflossen, und ohne Genuss dir die Tage zerronnen: Warum stehst du nicht auf, wie ein satter Gast von der Mahlzeit, Nimmst mit willigem Herzen, o Tor, die sichere Ruh’ an? |
940 |
sin ea quae fructus cumque es periere profusa
vitaque in offensost, cur amplius addere quaeris, rursum quod pereat male et ingratum occidat omne, non potius vitae finem facis atque laboris? nam tibi praeterea quod machiner inveniamque, |
Ist dir hingegen alles versiegt, was sonst du
genossen, Ist dir das Leben verhasst: was willst du noch mehreres zutun, Das nur wieder verdirbt und dir ungenossen zugrundgeht; Machst nicht lieber der Qual und dem ganzen Leben ein Ende? Denn in der Tat nicht weiß ich, was fürder zu deinem Vergnügen |
945 |
quod placeat, nihil est; eadem sunt omnia semper.
si tibi non annis corpus iam marcet et artus confecti languent, eadem tamen omnia restant, omnia si perges vivendo vincere saecla, atque etiam potius, si numquam sis moriturus', |
Irgend ersinnen ich soll: wie einmal, gehet es
immer. Würde dein Körper auch nicht entkräftet von Jahren, und welkten Matt nicht die Glieder dahin, so bleibt es doch immer dasselbe, Könnte dein Leben sich auch Jahrhunderte siegend erhalten, Ja, vielmehr wann du nie das Ende desselben erreichtest.« |
950 |
quid respondemus, nisi iustam intendere litem
naturam et veram verbis exponere causam? grandior hic vero si iam seniorque queratur atque obitum lamentetur miser amplius aequo, non merito inclamet magis et voce increpet acri: |
Sage, was könnten hierauf wir erwidern,
als dass die Natur uns Rechtlich beklaget und wahr die Beschuldigung sei, die sie vorbringt? Aber wann einer, der selbst elend, den Tod noch bejammert, Sollte sie nicht vielmehr auf ihn losfahren und schelten: »Packe dich fort, du Schlund! und lass dein Jammern und Heulen.« |
955 |
'aufer abhinc lacrimas, baratre, et compesce
querellas. omnia perfunctus vitai praemia marces; sed quia semper aves quod abest, praesentia temnis, inperfecta tibi elapsast ingrataque vita, et nec opinanti mors ad caput adstitit ante |
Ist es ein Alter jedoch, ein Greis, der immer
noch wehklagt: »Du hast jedes Geschenk des Lebens genossen, und welkst nun. Weil du noch immer begehrst, was du nicht hast; was du besitzest, Immer verschmähest, so ist unreif und ohne Genuss dir Dieses Leben entfallen. Nun steht zu den Häuptern der Tod dir, |
960 |
quam satur ac plenus possis discedere rerum.
nunc aliena tua tamen aetate omnia mitte aequo animoque, age dum, magnis concede necessis?' iure, ut opinor, agat, iure increpet inciletque; cedit enim rerum novitate extrusa vetustas |
Ehe du dir es versehn, und ehe gesättigt
du hingehst. Lass nun, was ohnehin nicht deinem Alter mehr ansteht: Auf, und ohne Verdruss, tritt’s Jüngeren ab; denn es muss sein!« Würde Natur nicht mit Recht so handeln, uns tadeln und schelten? Muss das Veraltete nicht, hinweggedränget vom Neuen, |
965 |
semper, et ex aliis aliud reparare necessest.
Nec quisquam in baratrum nec Tartara deditur atra; materies opus est, ut crescant postera saecla; quae tamen omnia te vita perfuncta sequentur; nec minus ergo ante haec quam tu cecidere cadentque. |
Weichen? immer sich aus dem anderen wieder ergänzen?
Nichts versinkt in den Schlund, und nichts in des Tartarus Nächte. Neuer Stoff ist vonnöten zur Bildung neuer Geschlechter, Die dir alle jedoch einst, abgelebet, noch folgen; Denn wie die vorige Welt wirst du und die künftige fallen. |
970 |
sic alid ex alio numquam desistet oriri vitaque mancipio nulli datur, omnibus usu. respice item quam nil ad nos ante acta vetustas temporis aeterni fuerit, quam nascimur ante. hoc igitur speculum nobis natura futuri |
Also wird immerfort aus dem einen entstehen das andre: Keiner erhält das Leben zum Eigentum, alle zum Nießbrauch. Schaue zurück: was ist sie für uns, die ewige Dauer Jener vergangenen Zeit, noch ehe geboren wir waren? Diese hält die Natur uns gleichsam vor, als den Spiegel |
975 |
temporis exponit post mortem denique nostram. numquid ibi horribile apparet, num triste videtur quicquam, non omni somno securius exstat? Atque ea ni mirum quae cumque Acherunte profundo prodita sunt esse, in vita sunt omnia nobis. |
Jener künftigen Zeit, die nachfolgt unserem Tode. Siehst du was Schreckliches drin? erscheinet ein trauriges Bild dir? Ist’s nicht sicherer dort als selbst in dem ruhigsten Schlafe? Was von den Seelen man sagt, die tief sich im Acheron fänden, Das ist alles bei uns in dem gegenwärtigen Leben. |
980 |
nec miser inpendens magnum timet aere saxum Tantalus, ut famast, cassa formidine torpens; sed magis in vita divom metus urget inanis mortalis casumque timent quem cuique ferat fors. nec Tityon volucres ineunt Acherunte iacentem |
Tantalus fürchtet nicht, wie es heißt, den drohenden
Felsen, Aufgehängt in der Luft, mit eitelem starrendem Beben: Sondern im Leben vielmehr drückt nichtige Furcht vor den Göttern Nieder die Menschen; sie schrecket der Fall, der treffen sie könnte. Tityos, ausgestrecket am Acheron, graben die Geier |
985 |
nec quod sub magno scrutentur pectore quicquam perpetuam aetatem possunt reperire profecto. quam libet immani proiectu corporis exstet, qui non sola novem dispessis iugera membris optineat, sed qui terrai totius orbem, |
Nicht in das Fleisch: was sollten fürwahr auch immer
sie finden Unter der mächtigen Brust, um ewige Zeiten zu wühlen? Wann er auch schon daliegt mit ungeheuerem Körper, Dass die zerstreueten Glieder nicht nur neun Hufen bedeckten, Sondern der Erde sämtlichen Kreis: doch kann er nicht endlos |
990 |
non tamen aeternum poterit perferre dolorem nec praebere cibum proprio de corpore semper. sed Tityos nobis hic est, in amore iacentem quem volucres lacerant atque exest anxius angor aut alia quavis scindunt cuppedine curae. |
Ewige Schmerzen erdulden; noch, könnt’ er es, immer
die Äsung Seines eigenen Leibs darreichen den gierigen Vögeln. Der ist Tityos uns, den siech die Liebe dahin wirft Und ihr Geier zerhackt; den bängliche Kümmernis ausfrisst, Oder die schändliche Gier das Herz zerschneidet mit Sorge. |
995 |
Sisyphus in vita quoque nobis ante oculos est, qui petere a populo fasces saevasque secures imbibit et semper victus tristisque recedit. nam petere imperium, quod inanest nec datur umquam, atque in eo semper durum sufferre laborem, |
Auch ist Sisyphus uns beständig im Leben vor Augen:
Er ist’s, der sich im Sinn festsetzt, das Beil und die Bündel Sich zu erstreben vom Volk, doch immer zurücke gewiesen, Traurig kehret davon. Denn stets zu begehren die Herrschaft, Welche man nicht erhält, und stets zu verfehlen den Endzweck, Immer jedoch die drückende Last von diesem zu tragen: |
1000 |
hoc est adverso nixantem trudere monte saxum, quod tamen <e> summo iam vertice rusum volvitur et plani raptim petit aequora campi. deinde animi ingratam naturam pascere semper atque explere bonis rebus satiareque numquam, |
Heißt das nicht bergan den Fels mit strebender Arbeit
Wälzen, welcher jedoch, sobald er den Gipfel erreicht hat, Wieder zurücke rollt, die Fläche der Ebene suchend? Endlich, die undankbare Natur des Gemütes zu nähren, Nie des Guten genug, sich nimmer ersättigen lassen – |
1005 |
quod faciunt nobis annorum tempora, circum cum redeunt fetusque ferunt variosque lepores, nec tamen explemur vitai fructibus umquam, hoc, ut opinor, id est, aevo florente puellas quod memorant laticem pertusum congerere in vas, |
Wie wir bei dem Genusse der zirkelnden Zeiten des Jahres,
Die uns Geburten mancherlei Art und Ergötzungen reichen, Doch hinlänglich uns nie mit des Lebens Gütern begnügen -, Ist das nicht, wie mich dünkt, die Geschichte der blühenden Jungfraun, Die stets schöpfen das Nass in einen durchstoßenen Eimer, |
1010 |
quod tamen expleri nulla ratione potestur. Cerberus et Furiae iam vero et lucis egestas, Tartarus horriferos eructans faucibus aestus! qui neque sunt usquam nec possunt esse profecto; sed metus in vita poenarum pro male factis |
Welchen zu füllen jedoch jedwede Bemühung umsonst
ist? Cerberus nun und die Furien noch und des Tartarus Nächte, Der aus scheußlichem Schlund ausstößt den schrecklichen Glutbrand : Diese Dinge sind nie gewesen und können auch nie sein. Aber im Leben schon ist der Strafen greuliches Schrecknis |
1015 |
est insignibus insignis scelerisque luela, carcer et horribilis de saxo iactus deorsum, verbera carnifices robur pix lammina taedae; quae tamen etsi absunt, at mens sibi conscia factis praemetuens adhibet stimulos torretque flagellis, |
Für die greuliche Tat: da sind, zur Büßung
des Frevels, Kerker, der grässliche Sturz vom Felsen hinab, und des Henkers Ruten, Folter und Pech, und glühendes Eisen, und Fackeln. Und sind diese nicht da, so braucht das schuld’ge Gewissen Schon vorfürchtend den Stachel und gibt sich die brennende Geißel: |
1020 |
nec videt interea qui terminus esse malorum possit nec quae sit poenarum denique finis, atque eadem metuit magis haec ne in morte gravescant. hic Acherusia fit stultorum denique vita. Hoc etiam tibi tute interdum dicere possis. |
Siehet dabei das Ende noch nicht, das den Übeln bevorstehn
Könnte, noch wo die Strafe zuletzt aufhören noch werde; Fürchtet vielmehr, dass im Tode vielleicht sie noch schwerer erwachse: So ist das Leben der Toren das wahre Leben im Orkus. Auch dies könntest du wohl dir selbst zuweilen noch sagen: |
1025 |
'lumina sis oculis etiam bonus Ancus reliquit, qui melior multis quam tu fuit, improbe, rebus. inde alii multi reges rerumque potentes occiderunt, magnis qui gentibus imperitarunt. ille quoque ipse, viam qui quondam per mare magnum |
»Hat doch den guten Ankus das Licht der Augen verlassen«,
Der viel besser doch war als du, du Nimmerbegnügter! Andere Könige sind und andre Beherrscher der Völker Untergegangen nach ihm, die mächtigen Völkern geboten. Jener auch selbst, der sich einst den Weg durch die Meere gebahnet, |
1030 |
stravit iterque dedit legionibus ire per altum ac pedibus salsas docuit super ire lucunas et contempsit equis insultans murmura ponti, lumine adempto animam moribundo corpore fudit. Scipiadas, belli fulmen, Carthaginis horror, |
Über die Tiefen hinweg die Legionen geführet, Über die salzigen Schlünde sie lehrete gehen mit Füßen Und mit dem stampfenden Rosse das Zürnen der Woge verhöhnt hat: Er auch erlosch und haucht’ aus sterbendem Körper die Seel’ aus. Auch der Scipiade, der Kriegesdonner, Karthagos |
1035 |
ossa dedit terrae proinde ac famul infimus esset. adde repertores doctrinarum atque leporum, adde Heliconiadum comites; quorum unus Homerus sceptra potitus eadem aliis sopitus quietest. denique Democritum post quam matura vetustas |
Schrecken, er gab wie der niedrigste Knecht die Gebeine der
Erde. Füge die Stifter hinzu der Wissenschaften und Künste; Füge hinzu die Genossen der Helikonischen Musen, Unter denen Homerus sich einzig des Zepters bemächtigt [Und mit den anderen nun in demselben ewigem Schlaf ruht]. Endlich Demokritos; als das übergereifete Alter |
1040 |
admonuit memores motus languescere mentis, sponte sua leto caput obvius optulit ipse. ipse Epicurus obit decurso lumine vitae, qui genus humanum ingenio superavit et omnis restinxit stellas exortus ut aetherius sol. |
Nun ihn ermahnte, dass matt des Geistes Erinnerung werde,
Bracht er selber sein Haupt freiwillig entgegen dem Tode. Selbst Epicurus starb, nach abgelaufener Lichtbahn: Er, der das Menschengeschlecht an Geist übertraf und sie alle Auslöscht’, wie die erwachende Sonn’ auslöschet die Sterne. |
1045 |
tu vero dubitabis et indignabere obire? mortua cui vita est prope iam vivo atque videnti, qui somno partem maiorem conteris aevi, et viligans stertis nec somnia cernere cessas sollicitamque geris cassa formidine mentem |
Und du stehest noch an und sträubst dich dawider, zu
sterben? Dem fast lebend das Leben, bei sehenden Augen schon tot ist! Der du den größesten Teil der Zeit im Schlummer dahin bringst, Wachend schnarchst, und nie aufhörest Träume zu sehen; Immer von nichtiger Furcht umher in der Seele getrieben, |
1050 |
nec reperire potes tibi quid sit saepe mali, cum ebrius urgeris multis miser undique curis atque animo incerto fluitans errore vagaris.' Si possent homines, proinde ac sentire videntur pondus inesse animo, quod se gravitate fatiget, |
Oftmals finden nicht kannst, welch Übel dich eigentlich
treffe, Wann wie ein Trunkener du von Sorgen taumelst und zitterst Und auf schwankender Woge des ungewissen Gemüts schwebst. Könnten die Menschen genauso, wie sie die innere Last doch Scheinen zu fühlen, von der die Schwere nieder sie drücket, |
1055 |
e quibus id fiat causis quoque noscere et unde tanta mali tam quam moles in pectore constet, haut ita vitam agerent, ut nunc plerumque videmus quid sibi quisque velit nescire et quaerere semper, commutare locum, quasi onus deponere possit. |
Auch die Ursach’ ergründen davon, woher in dem Herzen
Solch eine Masse gleichsam von Übel sich pflege zu häufen: Wahrlich sie führeten nicht ihr Leben, wie jetzt wir es sehen. Keiner weiß, was er will, und dennoch sucht er beständig; Sucht, und verändert den Ort, als könnt’ er der Last sich entladen. |
1060 |
exit saepe foras magnis ex aedibus ille, esse domi quem pertaesumst, subitoque <revertit>, quippe foris nihilo melius qui sentiat esse. currit agens mannos ad villam praecipitanter auxilium tectis quasi ferre ardentibus instans; |
Oft geht jener heraus aus seiner geräumigen Wohnung,
Dem zu Hause zu sein es länger ekelt; doch alsbald Kehrt er zurück; denn er fühlet, es sei nichts draußen ihm besser. Plötzlich treibt er darauf mit verhängtem Zügel zur Villa, Gleich als eilt’ er dahin, sein Haus von Flammen zu retten: |
1065 |
oscitat extemplo, tetigit cum limina villae, aut abit in somnum gravis atque oblivia quaerit, aut etiam properans urbem petit atque revisit. hoc se quisque modo fugit, at quem scilicet, ut fit, effugere haut potis est: ingratius haeret et odit |
Doch kaum hat er die Schwelle berührt, so gähnt
er sogleich auf; Schwerer Schlummer befällt ihn, er sucht sich selbst zu vergessen, Oder er kehrt schnell wieder zurück und eilet der Stadt zu. Also suchet sich jeder zu fliehn: umsonst, denn er selbst ist’s, Dem er nimmer entflieht, der wider Willen sich aufdrängt: |
1070 |
propterea, morbi quia causam non tenet aeger; quam bene si videat, iam rebus quisque relictis naturam primum studeat cognoscere rerum, temporis aeterni quoniam, non unius horae, ambigitur status, in quo sit mortalibus omnis |
Und das, weil der Behaftete nicht den Grund von der Krankheit
Einsieht: säh’ er ihn ein, er verließe das übrige gänzlich, Suchte der Dinge Natur vor allem zuerst zu erkennen. Denn nicht ist es zu tun um einzelne wenige Stunden; Nein, um die ewige Zeit, in welcher der künftige Zustand |
1075 |
aetas, post mortem quae restat cumque manendo. Denique tanto opere in dubiis trepidare periclis quae mala nos subigit vitai tanta cupido? certe equidem finis vitae mortalibus adstat nec devitari letum pote, quin obeamus. |
Bleibend noch nach dem Tod fortdauert den Sterblichen immer. Endlich, wie hat sich so sehr die böse Begierde nach Leben Unsrer bemeistert, um stets in Gefahr und Zweifel zu zagen? Allzu gewiss nur steht dem Menschen das sterbliche Ziel da: Keiner vermag zu entgehen dem Tod, wir folgen ihm alle. |
1080 |
praeterea versamur ibidem atque insumus usque nec nova vivendo procuditur ulla voluptas; sed dum abest quod avemus, id exsuperare videtur cetera; post aliud, cum contigit illud, avemus et sitis aequa tenet vitai semper hiantis. |
Übrigens drehen wir uns und bleiben in selbigem Kreislauf;
Neues Vergnügen bildet sich nicht durch längeres Leben; Sondern solang es uns fehlt, wonach wir schmachten, so dünkt es Weit uns das Beste; doch ist es erlangt, so geizt man nach anderm. Immer erhält ein ähnlicher Durst uns lechzend nach Leben, |
1085 |
posteraque in dubiost fortunam quam vehat aetas, quidve ferat nobis casus quive exitus instet. nec prorsum vitam ducendo demimus hilum tempore de mortis nec delibare valemus, quo minus esse diu possimus forte perempti. |
Immer in Zweifel gesetzt vom Glücke des künftigen
Tages, Was uns der Zufall bringt, was der Ausgang, welcher bevorsteht. Durch ein verlängertes Leben entziehn wir der Dauer des Todes Keinen Moment; nichts schälet dadurch sich irgend der Zeit ab, Dass wir weniger lang die Beute gewesen des Todes. |
1090 |
proinde licet quod vis vivendo condere saecla, mors aeterna tamen nihilo minus illa manebit, nec minus ille diu iam non erit, ex hodierno lumine qui finem vitai fecit, et ille, mensibus atque annis qui multis occidit ante. |
Mögen daher Jahrhunderte dir ablaufen im Leben, Dir wird immer der Tod nicht minder ein ewiger bleiben. Ja, nicht weniger lang wird bald auch jener nun nicht sein, Der mit dem heutigen Tage das Ziel des Lebens erreicht hat, Als der Monate schon zuvor und Jahre verbleicht ist. |
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