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Novelle, Märchen, Sage (in der Antike)

Interpretationszugänge 

 
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I.) Vergleichende Tabelle

 
Märchen
Sage (Epos / Mythos)
Novelle
 
Es geht hier um die bewusste Reduktion der kurzen Prosaerzählung auf drei Teilgattungen. Die Liste könnte vollständiger lauten: Märchen, Sage (Mythos), Legende, Novelle, Schwank, Anekdote, Fabel. Die Trennschärfe ist selten so klar zu ziehen, wie sie hier definiert wird. Auch wurde und wird die Terminologie nicht immer einheitlich verwendet; sie ist neuzeitlich und hat in der Antike keine unmittelbare Entsprechung.
Sprachgestus
  • Die Überwindung der (moralisch) unvollkommenen Realität und Darstellung einer vollkommenen Idealität.
  • Die Darstellung und Erklärung eines Weltzusammenhangs (Weltgehalt)
  • Die Darstellung einer interessanten ("unerhörten", Goethe; einer "besonderen und überraschenden", P.Ernst) Begebenheit
Funktion
  • Befreiung aus realem Leid; Schaffung von utopischem Glück
  • Weltdeutung und Sinnstiftung
  • Mitteilung eines nicht alltäglichen menschlichen Begebenheit
Handlungs-träger
  • Zauberer, Feen, Riesen, Zwerge, Kinder, Hexen, Tiere,...
  • Unbewusste Integration des Rezipienten in die Welt der Handlungsträger
  • Götter, Helden, Heroen, Könige, Krieger...
  • Erlebte Distanz des Rezipienten zu der Welt der Handlungsträger
  • Natürliche (entheroisierte, entmythologisierte) Personen der raum-zeitlichen Wirklichkeit
  • Ihr Charakter und ihre Motivationen interessieren nur sekundär, insoweit sie die zentrale Begebenheit bedingen.
  • Autonome Identifikation des Rezipienten mit den Handlungsträgern
Raum:
  • Transzendenz:
    • die Menschen retten sich ("wandern") in eine virtuelle und heile Idealwelt
    • der Raum des Märchens ist der ausschließlich intendierte Ort des Geschehens
    • Das Einzelmärchen repräsentiert stellvertretend die Märchenwelt an sich, das Reich der Phantasie oder Magie.
    • Psychoanalytisch kann man die Märchenwelt als Extrapolation unbewusster seelischer Archetypen verstehen.
  • Transzendenz - Immanenz:
    • Die jenseitigen Mächte treten in sinnstiftendem Wirken im Diesseits in Erscheinung.
    • Die Handlung lebt aus dem Raum, in dem sie stattfindet und füllt ihn aus.
    • Die Handlung zielt auch in ihren Teilen stets auf das Weltganze
  • Immanenz:
    • Ein realer, diesseitiger Ort, der die Begebenheit lokalisiert ("in unserer wirklichen Welt", Ch. M.Wieland)
    • Er bleibt aber kulissenhaft Hintergrund und Staffage und ist kein integraler Bestandteil des Geschehens; er kann ohne Nachteil anderswohin verlegt werden
    • Die Begebenheit ist stets ein kleiner, eher beliebiger, in sich abgeschlossener Ausschnitt der vielfältigen Weltwirklichkeit, die sie beispielhaft repräsentiert
    • "... ein Stück aus einem Menschenleben, das eine Spannung, eine Krise hat..." (F.Th.Vischer)
Zeit:
  • Transzendenz: Zeitenthobenheit (statt Hinfälligkeit und Vergänglichkeit)
  • Formal daran erkennbar, dass keine genaue Zeitangaben erfolgen (z.B.: "viele Jahre später")
  • Transzendenz - Immanenz: Zeitgebundenheit, in der sich das Unveränderliche und Ewige (der Wille des Zeus, Orakel, Fatum) konkret entfaltet
  • Immanenz: Eine konkrete historische Situation, in deren Rahmen die Begebenheit spielt. ("...dass sich... die Begebenheiten... alle Tage allenthalben zutragen könnten", Ch. M.Wieland)
Realitätsgrad:
  • Aufhebung der natürlichen Kausalität (Träume, Wünschenm, Zauber, Wunder)
  • Vollzug einer von den Handlungsträgern oft nicht erkannten Weltordnung (Möglichkeit der Tragik)
  • Streben nach strenger Plausibilität im Rahmen menschlicher Welterfahrung
Motive:
Die meisten Motive sind "Wandermotive" und erscheinen in allen drei Teilgattungen, wie z.B. Wette
Dennoch lassen sich einige bevorzugte Motive zuordnen
  • drei freie Wünsche
  • Bewährungsprobe
  • Verzauberung und Erlösung
  • Rätsel und Preis
  • Tapferkeit
  • Ehre
  • List, Klugheit
Stil:
  • typisierend, eindimensional flächenhaft, variationsarm
  • kontrastreich (arm - reich; gut - böse; glücklich - unglücklich)
  • Parataxe bevorzugt
  • Mischung von Typos und Individualität
    • Motivationstypen (arete, Ehre), Handlungsmuster, Szenenabläufe)
  • individualisierend, realistisch differenzierend, plastische Charakterisierung
Aufbau:
  • gradliniges Fortschreiten
  • epischer Aufbau: episodenhaft, Vorgriffe, Rückgriffe, Vordergrund- Hintergrundgeschehen, episches Verweilen, Haupt- und Nebenhandlung, Exkurse, fließende Übergänge, komplex (Querspannung, Horizontalspannung)
  • einfacher dramatischer Aufbau:
    • geraffte Exposition
    • fortschreitende Zuspitzung
    • Peripetie (häufig gepaart mit einem "Dingsymbol", dem "Falken" [P.Heyse, H.Pongs])
    • (Längsspannung, Vertikalspannung)
  • Ereignischsarakter: mehrfaches Durchkreuzen von Absicht und Fügung.
  • "Simplizität des Plans" (Ch. M.Wieland)
  • "strengste Form der Prosadichtung" (Th. Storm)
Formelemente:
  • "es war einmal..."
  • "und wenn sie nicht gestorben sind,..."
  • "Aber als nun das Jahr kam im Umschwung der Jahre,..."
  • "so kam es, dass..."
  • "nun geschah es, dass..."
  • "kaum war..., als plötzlich..."
Zielgruppe:
  • Naturvölker, Kinder (die entsprechend dem Stand ihres Bewusstseins die Welt als 'Märchenwelt' erleben).
  • der mythisch-religiös gebundene Mensch, der die Welt als Spielfeld der Götter versteht
  • Der aufgeklärte und weltoffene Bürger, der seien Erfahrungsschatz durch sein Interesse an nicht alltäglichen (in Vergangenheit und Zukunft möglichen) Begebenheiten erweitert.
Herodot:    

Zur Novelle bei Herodot vgl. "Herodot und sein Werk" (O. Regenbogen):

  • Die ionische Novelle
    • ist eine der Prosakunstformen der  "rationalen" und "kritischen" ἱστορίη
    • stellt eine fremdartige aber überraschende "Neuheit" dar, gebunden an eine große Persönlichkeit.
    • hat die Tendenz zur Entmythologisierung, (Rationalisierung, Humanisierung, Hellenisierung).
    • ihr Sprachstil ist einfach, schmucklos kurz, das pointierte Gespräch.
  • Neuerungen bei Herodot:
    • Sie tritt nicht (wie vor Herodot) ausschließlich als Einzelnovelle auf, sondern als kompositionell aufeinander bezogenen Novellenkränze: Die "Gyges"-Novelle ist z.B. konstitutiv für die Novellen um Kroisos und den gesamten "Lydikos Logos". 
  • Beispiele:

 

 
 
Literatur:
zu "Märchen"
1618
Ackermann, Erich
Märchen der Antike
Frankfurt am Main : Fischer, 1989

1231
Aly, W.
Volksmärchen, Sage und Novelle bei Herodot und seinen Zeitgenossen
Göttingen (Vandenhoeck) 1969

4556
Apuleius
Das Märchen von Amor und Psyche : Lateinisch/Deutsch (Bibliogr. erg. Ausg. 2004) -
Stuttgart : Reclam, 2013

1620
Corvin-Wiersbitzki, Otto Julius Bernhard von
Midas : eine antike Märchen-Extravaganza
Berlin-Friedenau : Thiel, 1886

1615
Franke, Peter
Märchen der Antike
Hamburg : Jumbo, 1998

29
Glaser, O
Perdikkassage (ein Sonnenmärchen) und andere Dynastiegründersagen bei Herodot
in: Gymn.1-2/1936 S.21ff.

1614
Heldmann, Georg
Märchen und Mythos in der Antike? : Versuch einer Standortbestimmung
München [u.a.] : Saur, 2000

2694
Hölscher, Uvo
Die Odyssee. Epos zwischen Märchen und Roman
München, Beck 2/2000

1323
Jehle, M.I.
Das deutsche Kunstmärchen von der Romantik zum Naturalismus
1935

1335
Kaminski, W.
Vom Zauber der Märchen. Ein pädagogischer Leitfaden zu den Sammlungen der Brüder Grimm
Mainz 1997

1322
Lüthi, M.
Das europäische Volksmärchen, Form und Wesen, eine literaturwissenschaftliche Darstellung
Bern 2/1961

1336
Lüthi, M.
Es war einmal. Vom Wesen des Volksmärchens
Göttingen 8/1998

1337
Lüthi, M.
Märchen
Stuttgart 9/1997

1616
Maier, Friedrich
Europa - Ikarus - Orpheus : abendländische Symbolfiguren in Ovids Metamorphosen
Bamberg : Buchner, 1998

1619
Moog-Grünewald, Maria
Metamorphosen der "Metamorphosen" : Rezeptionsarten der ovidischen Verwandlungsgeschichten in Italien und Frankreich im 16. und 17. Jahrhundert
Heidelberg : Winter, 1979

4578
Reinhardt, Udo
Mythen – Sagen – Märchen. Eine Einführung mit exemplarischen Motivreihen
Freiburg/Fr.: Rombach 2012 (Reihe Paradeigmata 17)

1621
Robert, Carl
Archaeologische Märchen : aus alter und neuer Zeit
Berlin : Weidmann, 1886

4039
Schuster, M.
Der Werwolf und die Hexen. Zwei Schauermärchen bei Petronius
in: WienStud.48,1930,149-178



zu "Novelle"
2044
Ackermann, Kathrin
Von der philosophisch-moralischen Erzählung zur modernen Novelle : 'contes' und 'nouvelles' von 1760 bis 1830
Frankfurt am Main : Klostermann, 2004

1231
Aly, W.
Volksmärchen, Sage und Novelle bei Herodot und seinen Zeitgenossen
Göttingen (Vandenhoeck) 1969

4555
Apuleius
Gesammelte Werke von Apuleius: Metamorphosen : Der goldene Esel und Amor und Psyche und Die Geschichte von dem Mann im Faß ; Vollständige Deutsche Ausgabe
1. Aufl. e-artnow, 2014 [Online Ressource (588 KB, 430 S.)]

4556
Apuleius
Das Märchen von Amor und Psyche : Lateinisch/Deutsch (Bibliogr. erg. Ausg. 2004) -
Stuttgart : Reclam, 2013

4551
Apuleius / Helm, Rudolf
Metamorphosen oder Der goldene Esel, lat. u. dt. von R.Helm
Berlin, Akademie-Verlag 5/1961.

4554
Apuleius / Keulen, Wytse Hette
Apuleius Madaurensis. Metamorphoses. Book XI. The Isis book. Text, introduction and commentary Keulen, Wytse Hette
Leiden : Koninklijke Brill NV, 2014

4553
Apuleius / Mauersberger, Arno
Amor und Psyche, deutsch von Arno Mauersberger
Leipzig, Dieterich (Sammlung Dieterich Bd. 55) 1949

4552
Apuleius / Rode, August
Amor und Psyche, übersett von August Rode
in: S.Müller (Hg): Große römische Erzähler, Vollmer, Lengerich, o.J. S.217-259

1612
Chariton
Chäreas und Kallirrhoe oder Die Folgen der Eifersucht : eine antike Novelle, übersetzt von D.C.Schmieder
Leipzig : Kleefeld, 1807

1613
Chariton
Die Folgen der Eifersucht : eine antike Novelle, übersetzt von D.C.Schmieder
Leipzig, 1811

38
Erbse, H.
Funktion der Novellen im Werk Herodots
in: Kurz..: Gnomos., München 1981

4016
Grisebach, E.
Die Wanderung der Novelle von der treulosen Witwe durch die Weltliteratur
Berlin 2,1889

463
Herodotos
Die Novellen und Anekdoten des Herodotos, (deutsch) mit Illustrationen von Werner Klemke
Leipzig, Koehler & Amelang 1968

1334
Himmel, H.
Geschichte der deutschen Novelle
1963

4061
Lefèvre, Eckard
Studien zur Struktur der "Milesischen" Novelle bei Petron und Apuleius
Stuttgart, Steiner, 1997

1332
Lockemann, F.
Gestalt und Wandlungen der deutschen Novelle. Geschichte einer literarischen Gattung im 19. und 20. Jahrhundert
1957

1611
Miron, Auguste V. B.
Argonautika : eine Schiffsreise durch die antike Welt ; eine Novelle ; [anlässlich der Ausstellung "Unterwegs zum Goldenen Vlies - Archäologische Funde aus Georgien", Saarbrücken, im Mai 1995]
Stuttgart : Theiss, 1995

1333
Wiese, B.v.
Novelle
1963; 3/1967


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