Q.Horatii Flacci
carmina
liber primus
Hor.c.1,2: An den Friedensbringer Octavianus
- Eine Reihe schlimmer Vorzeichen (monstra, prodigia) weist drohend zurück auf den Untergang der Menschheit in der Deukalionischen Flut und voraus auf den zu befürchtenden Untergang Roms und seines imperiums. Ursache sind die immer noch ungesühnten Frevel des Bürgerkriegs, in dem Caesar ermordet wurde und die römische Jugend, statt gegen die Parther zu kämpfen, sich selbst dezimierte. (1-12)
- Schon einmal (40 v.Chr.) musste Rom um seine Existenz bangen, als der Tiber (der Gatte der Ilia) eigenmächtig Caesars Ermordung sühnen wollte und mit der Regia und dem Vestatempel, Inbegriff und Zentrum der römischen Macht, hinwegzuspülen drohte. (13-24)
- Hilfe ist auch jetzt nur von der Epiphanie eines Gottes zu erwarten. An wen soll der Dichter-Priester die Gebete des Volkes richten? An Vesta, die schon früher unerbittlich blieb? an Apollo, Venus (die Götter des iulischen Hauses) oder Mars (den Gründungsvater [auctor] Roms? (25-40)
- Doch weilt vielleicht schon Mercurius in Gestalt des Jünglings Octavianus in Rom? Möge er noch lange auf Erden bleiben und Rache an den Parthern üben! (41-52)
- Das Gedicht ist wahrscheinlich 28 v.Chr. entstanden (ohne dass es unbedingt die historische Situation dieses Jahres widerspiegeln müsste): Octavianus dachte noch an einen Rückzug aus der Politik; Horaz drückt in diesem Gedicht Hoffnung und Vertrauen in die junge Herrschaft des Octavianus Augustus aus. Damit ist die früher resignative Haltung (Hor.epod.16) überwunden.
Iam satis terris nivis atque dirae
grandinis misit pater et rubente
dextera sacras iaculatus arcis
terruit urbem,
Schon genug Schnee sandte der Vater und des
Grausen Hagels nieder, und seine glüh'nde
Rechte traf ehrwürdige Burgen, jagte
Beben der Stadt ein
terruit gentis, grave ne rediret
saeculum Pyrrhae nova monstra questae,
omne cum Proteus pecus egit altos
visere montis
Und den Völkern, dass nicht zurück der Pyrrha
Grause Vorzeit kehre mit ihren Wundern,
Da, wo Proteus führte sein Vieh, die hohen
Berge zu schauen,
piscium et summa genus haesit ulmo,
nota quae sedes fuerat columbis,
et superiecto pavidae natarunt
aequore dammae.
Als im Ulmenwipfel die Fische hausten,
Wo vorher Feldtauben sich eingenistet,
Als auf überstömendem Meere schwammen
Schüchterne Hirsche.
vidimus flavom Tiberim retortis
litore Etrusco violenter undis
ire deiectum monumenta regis
templaque Vestae,
Mächtig ab vom tuskischen Ufer prallend
Sah'n wir ziehn die Fluten des fahlen Tiber,
Stürzen ein Denkmäler des Königs und die
Tempel der Vesta,
Iliae dum se nimium querenti
iactat ultorem, vagus et sinistra
labitur ripa Iove non probante u-
xorius amnis.
Während er zum Rächer der tiefbetrübten
Ilia auf sich wirft und am linken Ufer
Lose schweift (nicht billigt es Zeus) der Gatte-
Liebende Flussgott.
audiet civis acuisse ferrum,
quo graves Persae melius perirent,
audiet pugnas vitio parentum
rara iuventus.
Hören wird, wie Bürger die Schwrter wetzten,
Die die furchtbar'n Perser vertilgten besser,
Hören wird den Kampf die durch Schuld der Eltern
Seltene Jugend.
quem vocet divum populus ruentis
imperi rebus? prece qua fatigent
virgines sanctae minus audientem
carmina Vestam?
Welchen Gott soll rufen das Volk, zu wenden
Ab des Reiches Sturz, und mit welcher Bitte
Heilge Jungfraun Vesta bestürmen, die kaum
Hört die Gesänge?
cui dabit partis scelus expiandi
Iuppiter? tandem venias precamur
nube candentis umeros amictus
augur Apollo;
Wem wird Zeus auftragen das Amt, zu sühnen
Diese Greul? Komm endlich herab, wir flehen,
Mit Gewölk die leuchtenden Schultern deckend,
Seher Apollo!
sive tu mavis, Erycina ridens,
quam Iocus circum volat et Cupido;
sive neglectum genus et nepotes
respicis auctor,
Oder willst du lieber, o holde Venus,
Die der Scherz umflattert und Liebesanmut?
Oder siehst du, Gründer, auf dein verlassen
Volk und die Enkel,
heu nimis longo satiate ludo,
quem iuvat clamor galeaeque leves
acer et Marsi peditis cruentum
voltus in hostem;
Satt des Schauspiels, ach, des nur allzu langen,
Den ergötzt Schlachtlärm und die blanken Helme
Und des Marsers grimmiger Blick auf seinen
Blutigen Gegner?
sive mutata iuvenem figura
ales in terris imitaris almae
filius Maiae patiens vocari
Caesaris ultor,
Oder ahmst, beflügelter Sohn Sohn der hehren
Maia, du mit andrer Gestalt auf Erden
Einen Jüngling nach und erträgst zu heißen
Rächer des Cäsar?
serus in caelum redeas diuque
laetus intersis populo Quirini,
neve te nostris vitiis iniquum
ocior aura
Spät erst kehr' zum Himmel zurück und lange
Weile huldvoll unter Quirinus' Volke,
Nicht zu schnell entrücke der Aether dich, ob
Unsrer Gebrechen
tollat: hic magnos potius triumphos,
hic ames dici pater atque princeps,
neu sinas Medos equitare inultos
te duce, Caesar.
Zürnend! Hier erfreue vielmehr dich großer
Siegesruhm, und Vater und Fürst zu heißen!
Lass, da du uns Führer, nicht ungeahndet
schweifen die Meder!
Aufgabenvorschläge:
- Erstellen Sie mit Hilfe eines größeren Wörterbuchs eine Wortfeldanalyse zu "vates" und überprüfen Sie, ob Horaz in seinem Selbstverständnis als Dichter der ganzen Bedeutungsbreite des Wortes gerecht wird oder durch eine spezifische Differenz nur einen Teil des Allgemeinbegriffs ausfüllt!
- religiös-sakraler Aspekt: furor (μανία), Weissagung, Gebetshaltung
- politischer Aspekt: Situationsdiagnose, Ursachenanamnese, Heilungsprognose.
- poetischer Aspekt: carmen (in seinem ursprünglichen Sinn)
- Welche Einzelbewegungen finden Sie im Ablauf des Gedichtes?
- Gegenwart - Vergangenheit - Zukunft
- 3. Person (misit pater, 2) - 1. Person (vidimus, 13) - 3. Person (audiet.. iuventus, 21-24) - 2. Person (mavis, 33; respicis, 36; bis zum Ende: te duce, Caesar, 52)
- Aussagen - Fragen - iussive Aufforderungen
- Heben Sie einzelne Motive (Leitmotiv, Hauptmotive, Nebenmotive ?) heraus, die für das Gedicht Bedeutung haben! Dabei sei unter "
Motiv" jeder objektive Sachverhalt verstanden, der das Interesse des Dichters findet (und dadurch zum Motiv wird). Äußerlich ist der Motivcharakter einer Wendung häufig durch betonte Versstelle, Wortbezüge, anaphorischen Gebrauch u.ä. erkennbar.
- Handelt es sich bei folgenden Beobachtungen um ein Motiv?
- scelus - ultor (29, 18, 44, 51)
- satis (1) - nimium (17) - nimis (37)
- terror - monstra (4, 5, 6)
- questae - querenti (6, 17)
- Iupiter - Motiv 2, 19, 30 (pater, 2 (vgl. 50))
- Vesta - Apollo - Mars (Quirinus) - Mercurius (25ff.)
- iam (1) - tandem (30) - serus, diuque (45)
- hic -hic (49, 50)
- vidimus (13) - audiet (21,23) -audientem (27)
- Ist das Gedicht durch seinen politischen Gehalt tendenziös geworden (vgl die beiden Thesen von Enzensberger
und Brecht)? Informieren Sie sich allgemein über das politische Denken des Horaz!
- Lässt sich mit Gewinn folgender Satz von Max Picard (zitiert nach Hirschenauer / Weber (Hgg). S. 34) auf unser Gedicht anwenden: "Das eben macht den Zauber des Gedichtes aus, dass das Vorher und Nachher der Uhrenzeit aufgehoben ist."?
Deutsche Übersetzung: O. Kreußler (Vs.39 geändert).zu "Horaz" und "Obbarius"
3384
Horaz / Obbarius, Th.
Q.Horatii Flacci Opera omnia, lat. - Horaz' Sämtliche Werke, in metrischen Übersetzungen, ausgewählt von Th. Obbarius
Paderborn (Schöningh) 3/1872
Spezielle Literatur zum Thema Horaz - Augustuszu "Horaz" und "Augustus"
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Doblhofer, E.
Horaz und Augustus
in: ANRW II.31.3 (1981) 1922-1986
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Die Augustuspanegyrik des Horaz in formalhistorischer Sicht
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Horaz
Darmstadt (WBG) 1963
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Froesch, Hartmut
Dichter und Staatsmacht. Vergil, Horaz, Ovid und Augustus
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Heinze, R.
Augusteische Kultur.
Darmstadt (WBG) 1960
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Hommel, H.
Horaz. Der Mensch und das Werk
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Horace, poetics and politics
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Klingner, Friedrich
Studien zur griechischen und römischen Literatur. Herausgegeben von Klaus Bartels, mit einem Nachwort von Ernst Zinn.
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Safe and subsidized. Vergil and Horace sing Augustus
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Horaz als politischer Dichter
1935, in: Oppermann (Hg.): Wege zu Horaz, 37-61
Sententiae excerptae:Lat. zu "Hor.c.1,2,"
1671
Iam satis!
Genug jetzt!
Hor.c.1,2,1
1672
Audiet pugnas vitio parentum | rara iuventus.
Hören wird den Kampf die durch Schuld der Eltern | Seltene Jugend.
Hor.c.1,2,23f.
1673
Serus in caelum redeas.
Spät erst kehr' zum Himmel zurück!
Hor.c.1,2,45
Literatur:zu "Hor.c.1,2,"
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Fraenkel, E.
Horaz
Darmstadt (WBG) 1963
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Horaz / Krüger
Des Q. Horatius Flaccus Sämtliche Werke für den Schulgebrauch erklärt:
I. Teil: Oden, Epoden, v. C.W.Nauck u. O. Weißenfels
II. Teil: Satiren und Epistel. (1. Satiren, 2. Epistel), von G.T.A.Krüger
Leipzig / Berlin (Teubner) 15/1904
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Horaz / Obbarius, Th.
Q.Horatii Flacci Opera omnia, lat. - Horaz' Sämtliche Werke, in metrischen Übersetzungen, ausgewählt von Th. Obbarius
Paderborn (Schöningh) 3/1872
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Die Gedichte des Horaz, deutsch von Rudolf Alexander Schröder. Geamtausgabe Oden, Carmen saeculare, Epoden
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Horaz / Voß, J.H.
Horaz. Sämtliche Werke; übersetzt von J.H. Voss
Leipzig (Reclam) o.J.
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Die Oden des Horaz in deutscher Sprache von Vincenz Hundhausen, mit einem Titelbild von Grunenberg
Berlin (Borngräber) o.J.
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Kiessling / Heinze
I: Horaz, Oden und Epoden, erklärt von A.Kiessling, neunte Aufl. besorgt v. R.Heinze, mit einem Nachwort und bibliograph. Nachträgen von E.Burck
II: Satiren, erklärt von A.Kiessling, siebente Aufl. besorgt v. R.Heinze, mit einem Nachwort und bibliograph. Nachträgen von E.Burck
III: Briefe.
Berlin (Weidmann) 9/1958; 7/1959; 6/1959
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Nisbet, R.G.M. / Hubbard, M.A.
A Commentary on Horace, Odes Book I.
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Horaz, Lyrische Gedichte, Kommentar für Lehrer der Gymnasien und für Studierende
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Lehrerkommentar zu Horaz
Stuttgart (Klett) o.J.
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Die Lyrik des Horaz, Eine Interpretation der Oden, Bd- I/II
Darmstadt (WBG) 1972/1973
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Wili, W.
Horaz und die augusteische Kultur
Basel (Schwabe) 1965 [Ndr.: Darmstadt (WBG)]
Spezielle Literatur zum politischen Denken des Horazzu "Hor" und "Polit"
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Ableitinger-Grünberger, D.
Der junge Horaz und die Politik. Studien zur 7. und 16. Epode
Heidelberg 1971
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Kiernan, Victor G.
Horace, poetics and politics
Basingstoke, Macmillan, 1999
2882
Pöschl, Viktor
Horaz und die Politik. Pöschl geht der Frage nach: Wie verhält sich die politische Sphäre im Werk des Horaz zur persönlichen?
Heidelberg, C. Winter Verlag 2,1963 (Sb. d.Heidelb. Akad.d.Wiss. 1956,4)
3462
Schröder, Rudolf Alexander
Horaz als politischer Dichter
1935, in: Oppermann (Hg.): Wege zu Horaz, 37-61
4273
Schwan, Alexander
Humanismus und Christentum
in: Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft, TBd.19, (Herder) Freiburg, Basel, Wien, 1981
- /Lat/hor/horc102.php - Letzte Aktualisierung: 17.07.2024 - 15:59