1. Der Ort Olympia
Das bekannte Olympia, Ausgangsort der Olympischen Spiele, die neu seit 1896
wieder gefeiert werden und weltweit den Namen "Olympia"
verbreiten, liegt auf der Peloponnes. Heute ist der gleichnamige Ort
unbedeutend. Von großer historischer Bedeutung ist das unweit davon gelegene
antike Olympia, eine Ruinenstätte, die den Ausgangspunkt der antiken
olympischen Spiele darstellt.
Die antike Stadt lag am Fluss Alpheios, der nach ca. 20 km in das Ionische
Meer mündet. Olympia liegt also landeinwärts. Mit dem ähnlich benannten Berg
Olymp hat der Ort nichts zu tun. Der Olymp, der Sitz der antiken griechischen
Götter, ist ein Bergmassiv in Thessalien mit ca. 2900 m an der Grenze zur
Republik Makedonien in Nordgriechenland.
Die antiken Olympischen Spiele, die den Ruhm des Ortes begründeten, wurden
zu Ehren des Göttervaters Zeus abgehalten. Sie datieren vom Anfang des 8.
Jahrhunderts v. Chr. Teilnehmen durften zuerst nur Peloponnesier, später alle
Griechen. Die Leitung der anfänglich von den Bewohnern der Gegend um Olympia
ausgerichteten Spiele bzw. Wettkämpfe (ἀγών)
ging Ende des 6. Jahrhunderts an Elis über. Der Kult in Olympia galt Zeus und einer Reihe anderer Götter. (1) (2)
Aus den reichen archäologischen Schätzen Olympias werden nachfolgend die
Giebelfiguren am berühmten Zeustempel, die Heraklesmetopen und die Hermesstatue
des Praxiteles behandelt.
2. Die Heraklesmetopen des Zeustempels von Olympia
2.1 Begriff der Metope (3)
Der Begriff der Metope kommt aus der griechischen Architektur bzw. der
bildenden Kunst (Skulptur, Relief, Malerei). „Metopen" sind zusammen
mit den Triglyphen ("Dreischlitz") als Schmuckelemente oberhalb des
Architrav angeordnet. "Architrav" ist der Auflagebalken über den
Säulen. Die Metopen sind Bestandteil des dorischen Tempels, dessen Stil etwa ab
600 v.Chr. festzustellen ist.
Metopen sind meist aus Stein, aber auch aus Ton, mit Reliefs versehen oder
bemalt. Metopen aus bemaltem Holz sind nicht mehr vorhanden.
2.2 Der Zeustempel von Olympia
Die Heraklesmetopen waren am Zeustempel in Olympia zu bewundern, dem
Hauptheiligtum von Olympia. Es handelt sich um 12 Metopen, die die bekannten
Taten des Herakles (Halbgott aus der griechischen Mythologie) darstellen.
Der Tempel wurde etwa um 470 - 456 erbaut und zwar von Libon
aus Elis. Er ist
der größte dorische Tempel auf der Peloponnes und misst 27,7 x 66,4 m (4). Er ist
durch ein Erdbeben untergegangen. In dem Tempel befand sich eine der
berühmtesten Götterstatuen der Antike, die Zeusstatue des Phidias aus Gold und
Elfenbein. Berühmt geworden ist er auch durch die Herkulesmetopen und die
Skulpturen (Reliefs) an dem West- und Ostgiebel.
Im späten 19. Jahrhundert begannen die Ausgrabungen.
2.3 Die Heraklesmetopen
a) Wesentliches ornamentales Gestaltungsmerkmal oberhalb des Architravs sind
die berühmten Heraklesmetopen, die im Museum von Olympia, soweit erhalten,
ausgestellt sind. Ursprünglich waren sie oberhalb der Vorhalle (pronaon) und
der Hinterhalle des Tempels (opisthodomos) angeordnet (5) (6).
Drei der
Originalmetopen sind im Louvre in Paris, die anderen nach Auffinden von
wesentlichen Teilen im Museum von Olympia ausgestellt (7).
Sie stellen die zwölf Taten des Herakles dar und sind vermutlich die erste
künstlerische Gesamtzusammenfassung dieses Zwölfkampfes aus der griechischen
Mythologie. Darstellungen davon oder von Teilen sind im übrigen in der
griechischen Kunst verbreitet (8) . Für einzelne Abenteuer gibt es verschiedene
Überlieferungen.
b) Es handelt sich bei den Taten des Herakles um
- die Tötung des nemäischen Löwen mit bloßen Händen, der den Bewohnern
der Stadt Nemea wegen ihrer Gottlosigkeit gesandt war (Darstellung u.a. durch
Metope am Athener-Schatzhaus in Delphi ) (9)
- die Tötung der lernäischen Hydra durch Abschlagen der ständig
nachwachsenden Schlangenköpfe. Sie war den Bewohnern von Lerna in Argos von
Hera gesandt, um sich dadurch an Herakles zu rächen, dass die Hydra die
Bewohner seiner Heimat tötete. Iolaos, ein Freund Herakles' begleitete ihn und
kauterisierte die Stümpfe der abgeschlagenen Köpfe, damit keine neuen
Schlangenköpfe nachwachsen konnten ( u.a. Reliefdarstellung in Delphi ) (10)
- die Tötung der menschenfressenden stymphalischen Vögel
in Arkadien (Metope am Zeustempel in Olympia, s.u.) (11)
- Bezwingung des kretischen Stiers; hier gibt es zwei Überlieferungen zu
Herkunft des Stiers und Verhalten des Herakles (Metope aus Olympia, s.u.); in einer Variante tötet Herakles den Stier nicht, sondern bringt ihn zu
seinem Auftraggeber Eurystheus, der den Stier freilässt, der später von Theseus
bei Marathon getötet wird (12).
- Fangen der kerynithischen Hirschkuh mit ihren goldenen Hörnern
(Metope am Athener-Schatzhaus in Delphi)
- Erbeutung des Gürtels der Amazonenkönigin
Hippolyte, die am Schwarzen
Meer lebte; der Gürtel war ihr von ihrem Vater Ares, dem Kriegsgott geschenkt
worden ( Abb. einer Reliefplatte in Delphi ) (13) (14)
- Fangen des wilden Ebers des Erymanthosgebirges ("Erymanthischer
Eber"); Herakles fängt das Wildschwein, aber sein Auftraggeber
Eurystheus versteckt sich furchtsam in einem in die Erde eingelassenen Vorratsgefäß
(Darstellung u.a. auf einer Metope aus Knossos ) (16)
- Erbeutung der menschenfressenden Pferde des Königs Diomedes aus Thrakien (auch ein Sohn des Ares), den Herakles seinen eigenen Pferden
zum Fraß und zu deren Beruhigung vorwarf (Darstellung u.a. auf einer
Reliefplatte aus Delphi) (17)
- Erbeutung der Rinder des Geryones; Herakles besiegte mit einer Keule die
drei Leiber des Geryones und die Wächter der Rinder Eurytion, ein Sohn des
Ares und Orthros, einen dreiköpfigen Hund mit Schlangenschwanz (18)
- Die Erbeutung der Äpfel der Hesperiden ( s.u.) bei Atlas
- Abstieg in den Hades und Bezwingung des Höllenhundes Kerberos, der
ebenfalls dreiköpfig ist und aus dessen Körper Schlangen
hervorbrechen (19).
- Ausmisten des Augeiasstalls.
c) Die zwölf Metopen aus Marmor sind gut erhalten. Sie entstanden um etwa
460 v.Chr. Die Figuren der Reliefs sind ca. 1,60 m hoch, haben also durchaus
etwa Körpergröße der antiken Menschen, wenn auch nicht die überhöhte
Größe, wie man sie von Götter- und Halbgöttergestalten erwarten würde.
Dazu muss man bedenken, dass sie in einer Höhe von ca. 20 m angebracht waren.
Für den Betrachter verkleinert das zum einen optisch die Figur, zum anderen erscheinen sie dem nachdenkenden Betrachter sehr groß. Die Stilrichtung ist der
sog. „strenge Stil" der griechischen Vorklassik. Die Künstler sind
unbekannt.
d) Zu einzelnen in der Literatur abgebildeten Metopen kann man folgendes
festhalten:
- Metope Herakles und Atlas (Museum Olympia)
Diese Metope ist wohl die bekannteste noch vorhandene Darstellung. Herakles trägt das Dach der Welt mit nach außen gestreckten Händen. Mit
einer Hand hilft ihm dabei Athene. Atlas, für den er handelt, bringt ihm gerade
die Äpfel der Hesperiden, die Herakles aufmerksam zu betrachten scheint. Man
sieht die durch das Gewicht mäßig angespannten Muskeln des Herakles. Der
Gesichtsausdruck verrät aber nicht von der Mühe, sie scheint gar nicht
vorhanden. Auch die Göttin Athene schaut zu Atlas und beobachtet das Geschehen
distanziert. Zum Schutz trägt er eine Decke o.ä. über der Schulter.
- Reinigung des Augeiasstalles (Museum von Olympia)
Die heute noch bekannte mythische Darstellung von der Reinigung der völlig verwahrlosten Rinderställe des Königs
Augeias von Elis lässt
Herakles als Wasserbaumeister erscheinen, der zum Misten den Fluss Peneios ableitet
und dorthin „entsorgt". Bei dieser gigantischen Aufgabe wird er von
Athene unterstützt, die hier einen griechischen Helm trägt, eines der Symbole
der Athene. Mit dieser Vorgehensweise vermeidet er die für den Helden
entehrende Arbeit der Stallreinigung. Auf dem Marmorrelief, soweit noch
erhalten, sieht man, wie Herakles kräftig an einem Seil oder etwas ähnlichem
zieht oder stößt, den Blick nach unten gerichtet, den rechten Fuß nach vorn,
das linke Bein nach hinten gestellt, um optimalen Krafteinsatz zu erzeugen. Vielleicht öffnet er eine Schleuse oder eine ähnliche Sperre,
die das Wasser hereinschießen lässt, durch dessen Druck der Mist in den Fluss
gespült werden soll. (Der Fluss ist in heutiger Terminologie der Vorfluter, die
Heroentat des Herakles im Altertum wäre heute strafbare vorsätzliche
Gewässerverschmutzung, eine Umweltstraftat.) Nach der schematischen Darstellung
bei Karabatea soll der Mist weggeschaufelt werden; die Deutung überzeugt den
Verfasser allerdings nicht, hat doch Herakles ein Paddel in der Hand.
- - Herakles und Kerberos; der Hund schaut offenbar zu Herakles auf und wird
gezogen; dass es sich um einen besonders furchterregenden Hund handele, kann man aber nicht
sagen (22).
3. Die Giebelfiguren des Zeustempels (23)
Berühmt sind die ebenfalls rekonstruierten Reliefskulpturen des West- und
des Ostgiebels des Zeustempels (24). Wie die Künstler der Metopen, sind auch die
Schöpfer des Giebels nicht bekannt.
3.1 Westgiebel
a) Auf dem Westgiebel ist der Kampf der Lapithen (25) mit den Kentauren
dargestellt. Die Kentauren, halb Pferd, halb Mensch, waren zur Hochzeit des
Peirithoos bei den Lapithen eingeladen und versuchten die Braut sowie die
anderen Frauen ( und Knaben ) (26) zu entführen. Daraus entstand ein Kampf auf Leben
und Tod ( Kentaurenkampf) (27), der ein beliebter Gegenstand der griechischen Kunst des
5. Jahrhunderts war und die Selbstbehauptung der Griechen gegen die Perser
symbolisiert haben kann (28). Die Kentauren hatten ihre Gastgeber unentschuldbar
durch die Verletzung des heiligen Gastrechts beleidigt (29). Die Kentauren mussten
wegen dieser Verletzung des göttlichen Rechts unterliegen.
b) In der Mitte ist Apollo, der nach rechts blickend mit seiner Armbewegung
die Ordnung wiederherstellt. Links und rechts von Apollo sind Peirithoos und
Theseus ( der Freund des Peirithoos ) zu sehen (30). Die Kentauren waren wilde
Naturdämonen, die gegen die Gesetze der Gemeinschaft verstießen. Sie sind
demgemäß wild und unzivilisiert dargestellt; sie haben im Unterschied zu den
Lapithen Vollbärte.
Die Szenen sind gewalttätig. Ein gutes Beispiel ist ein Kentaur, der wild
und roh eine der Frauen oder Mädchen an Hüfte und linker Brust umfasst; die
Frau in einem Faltengewand, scheint sich heftig zu wehren, wie ihr
Gesichtsausdruck und das an der Brust heruntergerutschte Kleid zeigt. Sie
stößt ihm den Ellenbogen ins Gesicht (31). In der Rekonstruktion ist das die erste
Gruppe der ringenden Personen links von Apollo, die den Kentaur Eurytion mit
der Braut Deidameia zeigen soll. In einer weiteren Szene hat ein Lapith einen
Kentaur in den Schwitzkasten genommen, er ist vielleicht dabei, ihm das Genick
zu brechen. Der Kentaur hat sich in seinen Arm verbissen. Schließlich soll als
Beispiel auf eine weitere Gruppe hingewiesen werden, in der ein Kentaur wiederum
ein halbliegendes Mädchen gewaltsam umarmt, das sich unter großer Anstrengung
zu befreien sucht; dabei ist ihr Peplos, ihr Kleid, auf der linken Seite
herabgerutscht und lässt die Brust frei (32).
3.2 Der Ostgiebel
a) Der Ostgiebel stellt den Wettstreit des Pelops mit Oinomaos dar, der mit
einem Wagenrennen einhergeht. Oinomaos, König von Elis, so der Mythos, wollte
seine Tochter Hippodameia nicht heiraten lassen. Nach der Literatur war Grund
die Angst vor der Tötung durch den Schwiegersohn oder die inzestuöse Liebe zur
eigenen Tochter (33). Die „Bewerber" mussten in einem Wagenrennen gegen ihn
antreten. Er überholte sie mit seinen von seinem Vater Ares stammenden Pferden
und tötete sie. Der ebenfalls mythologisch verschieden gedeutete Pelops (34) besiegt
ihn durch Verrat des Wagenlenkers Myrtilos (35) und Oinomaos wird von seinen eigenen
Pferden zu Tode geschleift.
b) In der Mitte steht Zeus, der die Vorbereitungen des Rennens verfolgt.
Links und rechts neben ihm sind die Konkurrenten und die zugehörigen
Vierergespanne und „Rennteams" angeordnet (36). Vergleicht man die Szene mit
dem Kentaurenkampf an dem anderen Giebel, fällt hier die Ruhe der Situation auf.
Man kann mit Andronicos bejahen, dass die Szene einen Augenblick des Stillstands
wiedergibt (37).
4. Die Zeusstatue des Pheidias:
Pheidias
arbeitete an dem thronenden
Zeus aus Goldelfenbein zwischen 438 und 430 v. Chr. in einer eigens
dazu errichteten Werkstatt (τὸ ἐργαστήριον)
in Olympia. Das Standbild war 12 m hoch und galt schon in der Antike
als "Weltwunder". Zeus erscheint als Weltenbeherrscher (παντοκράτωρ). In der linken Hand hält
er das Szepter mit Adler, in der Rechten die Siegesgöttin Nike. Die
eindringliche Wirkung des Bildes dürfte auch auf die religiös-philosophische
Durchdringung des Gottesbegriffs ausgestrahlt haben, wie sie auch in
vielen literarischen Belegen zum Ausdruck
kommt.
5. Die Hermesstatue aus Olympia (38) (39)
5.1 Die Hermesstatue gehört dem nachklassischen Stil an. Sie ist
möglicherweise von Praxiteles (40) um 340 v.Chr. (41) geschaffen worden. Die Statue stand
im Heratempel (42). Über die genauen Lebensumstände des Praxiteles, der etwa
zwischen 370 und 320 v.Chr. lebte, ist nichts bekannt. Welche Werke tatsächlich
von ihm stammen, war vermutlich schon in der Antike umstritten, Fälschungen
sind sicher vorgekommen (43). Nach einer antiken Quelle gehört eben die Hermesstatue
aus dem Heratempel in Olympia zu den Werken des Praxiteles, steht aber
jedenfalls unter seinem Einfluss (44).
Die Marmorskulptur ist 2,13 m hoch, sie wurde 1877
im Heratempel wiedergefunden.
5.2 Der Götterbote Hermes hat seinen kindlichen Bruder Dionysos auf dem
linken Arm und bringt ihn zu den Bienennymphen zur Pflege (45). Nach der Literatur
soll Hermes dem Kindbruder Trauben hinhalten, nach denen Dionysos greift. Hermes
stützt sich danach auf einen Baumstumpf, sein Himation (46), sein
Mäntelchen, hat er
darüber geworfen. Hermes und Dionysos sind nackt, Hermes zeigt seinen "klassischen"
jugendlichen kraftvollen Körper (47). Er schaut auf seinen Bruder Dionysos mit
großer Liebe und Zuneigung (48) (49). Natürlich lassen sich solche
Skulpturen vielfach deuten, wie die Literatur zeigt.
6. Die Nike des Paionios:
Die Nike des Paionios aus Mende in Thrakien
stand auf einem hohen Dreieckssockel vor dem Zeustempel. Sie ist das einzige
original erhaltene Skulptur der hochklassischen
Periode. |