6. Pygmalion (10,243-297) | ||
'Quas quia Pygmalion
aevum per crimen agentis viderat, offensusvitiis, quae plurima menti |
Weil er gesehn, wie die
ihr Leben in Schande verbrachten, Wollte, zurück durch die Fehler geschreckt, die dem weiblichen Sinne |
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femineae natura dedit,
sine coniuge caelebs vivebat thalamique diu consorte carebat. interea niveum mira feliciter arte sculpsit ebur formamque dedit, qua femina nasci nulla potest, operisque sui concepit amorem. |
Zahlreich gab die Natur,
Pygmalion ohne Gefährtin Ehlos bleiben, und lang auch teilt' er mit keiner das Lager. Schneeiges Elfenbein mit seltnem Geschick und Gelingen Schnitzt er indes und verleiht ihm Gestalt, wie auf Erden geboren Lebt kein Weib, und es weckt sein Werk ihm verlangende Sehnsucht. |
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virginis est verae facies,
quam vivere credas, et, si non obstet reverentia, velle moveri: ars adeo latet arte sua. miratur et haurit pectore Pygmalion simulati corporis ignes. saepe manus operi temptantes admovet, an sit |
Wirkliche Jungfrau scheint
die Gestalt, und man meinte, lebendig Sei sie und wolle, wofern nicht Scham es verböte, sich regen. So lässt Kunst nicht sehen die Kunst. In Entzücken verloren, Fasst zu dem scheinbaren Leib Pygmalion glühende Liebe. Oft legt prüfend die Hand er daran, ob Leib das Gebilde |
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corpus an illud ebur,
nec adhuc ebur esse fatetur. oscula dat reddique putat loquiturque tenetque et credit tactis digitos insidere membris et metuit, pressos veniat ne livor in artus, et modo blanditias adhibet, modo grata puellis |
Oder ob Elfenbein, und
für Bein nicht kann er es halten. Küsse auch gibt er und glaubt sie erwidert und spricht und umarmt sie, Wähnt gar, dass sich die Haut den berührenden Fingern bequeme, Und ist besorgt, dass Bläue vom Druck anhafte den Gliedern. Bald liebkost er sie auch, bald bringt er ihr artige Gaben, |
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munera fert illi conchas
teretesque lapillos et parvas volucres et flores mille colorum liliaque pictasque pilas et ab arbore lapsas Heliadum lacrimas; ornat quoque vestibus artus, dat digitis gemmas, dat longa monilia collo, |
Wie sie den Mädchen
genehm, Meermuscheln, gerundete Steinchen, Vöglein niedlich von Wuchs, buntfarbige Blumen in Menge, Lilien, Bälle dazu mit Streifen und Tränen vom Baume, Die Heliaden geweint. Mit Gewand auch schmückt er die Glieder, Fügt langreichende Schnur an den Hals, an die Finger Gesteine; |
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aure leves bacae, redimicula
pectore pendent: cuncta decent; nec nuda minus formosa videtur. conlocat hanc stratis concha Sidonide tinctis adpellatque tori sociam adclinataque colla mollibus in plumis, tamquam sensura, reponit. |
Perlen enthangen dem
Ohr, und es schwankt ein Gehenk' vor dem Busen. All dies schmückt sie; doch nackt ist sie ebenso reizend. Sorgsam legt er sie hin auf den Pfühl von sidonischer Farbe, Nennt sie Genossin des Betts und gibt dem gelehneten Nacken, Gleich als hätt' er Gefühl, nachgiebige Flaumen zur Ruhstatt. |
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'Festa dies Veneris
tota celeberrima Cypro venerat, et pandis inductae cornibus aurum conciderant ictae nivea cervice iuvencae, turaque fumabant, cum munere functus ad aras constitit et timide "si, di, dare cuncta potestis, |
Venus' heiliger Tag,
hochfeierlich allen auf Kypros, Kehrete jetzt, und mit Gold die gewundenen Hörner umzogen Sanken, getroffen vom Beil im schneeigen Nacken, die Kühe. Weihrauch dampfte empor. Pygmalion, als er geopfert, Stand am Altar und sagte verzagt: "Wenn alles, ihr Götter, |
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sit coniunx, opto,"
non ausus "eburnea virgo" dicere, Pygmalion "similis mea" dixit "eburnae." sensit, ut ipsa suis aderat Venus aurea festis, vota quid illa velint et, amici numinis omen, flamma ter accensa est apicemque per aera duxit. |
Möglich für
euch, gebt mir zur Gattin" - ,die helfende Jungfrau' Trug zu sagen er Scheu – "ein Weib wie die elfene Jungfrau." Selber der Feier genaht ward inne die goldene Venus, Was er gemeint mit dem Wunsch, und, ein Zeichen gewährender Gottheit, Dreimal flackerte hell und zog sich zur Spitze die Flamme. |
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ut rediit, simulacra
suae petit ille puellae incumbensque toro dedit oscula: visa tepere est; admovet os iterum, manibus quoque pectora temptat: temptatum mollescit ebur positoque rigore subsidit digitis ceditque, ut Hymettia sole |
Wie er daheim, ging jener
sogleich zum Bilde des Mägdleins, Neigte sich über das Bett und küsste sie. Wärme verspürt er. Wiederum nahte sein Mund; mit der Hand auch prüft er den Busen. Siehe, das Elfenbein wird weich, und befreit von der Starrheit Sinkt an den Fingern es ein, fügsam wie Wachs vom Hymettos, |
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cera remollescit tractataque
pollice multas flectitur in facies ipsoque fit utilis usu. dum stupet et dubie gaudet fallique veretur, rursus amans rursusque manu sua vota retractat. corpus erat! saliunt temptatae pollice venae. |
Das, von der Sonne erweicht,
sich unter dem knetenden Daumen Schmiegt in manche Gestalt und brauchbar durch den Gebrauch wird. Während er staunt und zagend sich freut und Täuschung befürchtet, Naht er mit liebender Hand der Ersehneten wieder und wieder: Ja, es ist Leib. Aufbeben, geprüft mit dem Daumen, die Adern. |
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tum vero Paphius plenissima
concipit heros verba, quibus Veneri grates agat, oraque tandem ore suo non falsa premit, dataque oscula virgo sensit et erubuit timidumque ad lumina lumen attollens pariter cum caelo vidit amantem. |
Da nun richtet beglückt
an Venus der paphische Heros Worte des Danks volltönenden Mundes. Nun endlich vereint er Wirklichem Munde den Mund, und die Jungfrau fühlt mit Erröten, Wie er sie küsst, und, scheu aufschlagend zum Lichte die lichten Augen, erblickt sie zugleich mit dem Himmel des Liebenden Antlitz. |
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coniugio, quod fecit,
adest dea, iamque coactis cornibus in plenum noviens lunaribus orbem illa Paphon genuit, de qua tenet insula nomen. |
Selber erscheint bei
dem Bund, dazu sie verholfen, die Göttin. Als neun Male sodann sich die Hörner geschlossen zum Vollmond, Bracht' sie die Paphos zur Welt, von welcher der Insel der Name. |