3. Die vier Weltzeitalter (1,89-150) | ||
Das goldene Zeitalter ( 89-112) | ||
Aurea prima sata est
aetas, quae vindice nullo, |
Erst nun sprosste von
Gold das Geschlecht, das ohne Bewachung |
|
sponte sua, sine lege
fidem rectumque colebat. poena metusque aberant, nec verba minantia fixo aere legebantur, nec supplex turba timebat iudicis ora sui, sed erant sine vindice tuti. nondum caesa suis, peregrinum ut viseret orbem, |
Willig und ohne Gesetz
ausübte das Recht und die Treue. Strafe und Furcht waren fern; nicht lasen sie drohende Worte Nicht an geheftetem Erz, noch stand ein flehender Haufe Bang vor des Richters Gesicht: Schutz hatten sie ohne den Richter. Noch nicht hatte, gefällt auf heimischen Bergen, die Fichte, |
|
montibus in liquidas
pinus descenderat undas, nullaque mortales praeter sua litora norant; nondum praecipites cingebant oppida fossae; non tuba derecti, non aeris cornua flexi, non galeae, non ensis erat: sine militis usu |
Andere Welt zu sehn,
sich gesenkt in die flüssigen Wogen; Noch von keinem Gestad', als dem ihrigen, wussten die Menschen. Noch umgürteten nicht abschüssige Gräben die Städte; Kein krummgehendes Horn und keine gerade Drommete War, kein Helm, kein Schwert. In behaglicher Muße vergingen, |
|
mollia securae peragebant
otia gentes. ipsa quoque inmunis rastroque intacta nec ullis saucia vomeribus per se dabat omnia tellus, contentique cibis nullo cogente creatis arbuteos fetus montanaque fraga legebant |
Ohne des Kriegers Bedarf
die Tage den sicheren Völkern Undienstbar und verschont von dem Karst und von schneidender Pflugschar Nimmer verletzt gab alles von selbst die gesegnete Erde, Und mit Speisen zufrieden, die zwanglos waren gewachsen, Lasen sie Arbutusfrucht, Erdbeeren an sonniger Halde |
|
cornaque et in duris
haerentia mora rubetis et quae deciderant patula Iovis arbore glandes. ver erat aeternum, placidique tepentibus auris mulcebant zephyri natos sine semine flores; mox etiam fruges tellus inarata ferebat, |
Oder am rauhen Gerank Brombeeren und
rote Cornellen Und von dem ästigen Baume des Iupiter fallende Eicheln. Da war ewiger Lenz, und gelind mit lauem Gesäusel Küsste die Blumen der West, die sprosseten ohne Besamung. Nicht vom Pfluge bestellt trug bald auch Halme die Erde; |
|
nec renovatus ager gravidis
canebat aristis; flumina iam lactis, iam flumina nectaris ibant, flavaque de viridi stillabant ilice mella. |
Ohne zu ruhn ward grau
von belasteten Ähren der Acker. Ströme von Milch nun wallten daher und Ströme von Nektar, Und gelb tropfte herab von der grünenden Eiche der Honig. |
|
Das silberne Zeitalter ( 113-124) | ||
Postquam Saturno tenebrosa
in Tartara misso sub Iove mundus erat, subiit argentea proles, |
Als nunmehr, da gestürzt
in des Tartaros Dunkel Saturnus, Iupiter lenkte die Welt, da folgte das silberne Alter, |
|
auro deterior, fulvo
pretiosior aere. Iuppiter antiqui contraxit tempora veris perque hiemes aestusque et inaequalis autumnos et breve ver spatiis exegit quattuor annum. tum primum siccis aer fervoribus ustus |
Schlechter als Gold,
im Werte voraus dem rötlichen Erze. Iupiter schmälerte nun die Zeit vormaligen Frühlings Und ließ wandeln das Jahr durch Winter und ungleichmäßgen Herbst und flüchtigen Lenz und Glut vierfältig geschieden. Jetzo geschah es zuerst, dass schwül von trockener Hitze |
|
canduit, et ventis glacies
adstricta pependit; tum primum subiere domos; domus antra fuerunt et densi frutices et vinctae cortice virgae. semina tum primum longis Cerealia sulcis obruta sunt, pressique iugo gemuere iuvenci. |
Brannte die Luft und
das Eis starr hing, von den Winden verdichtet. Jetzo traten sie ein in Wohnungen. Wohnungen waren Höhlen und dichtes Gesträuch und mit Bast verbundene Zweige. Jetzo wurde zuerst in gezogenen Furchen der Ceres Samen verscharrt, und vom Joche gedrückt aufseufzten die Rinder. |
|
Das eherne Zeitalter (125-127a) | ||
Tertia post illam successit
aenea proles, saevior ingeniis et ad horrida promptior arma, non scelerata tamen; |
Drauf als drittes erwuchs
nach ihnen das eherne Alter, Wilder im Sinn und derb und den schrecklichen Waffen geneigter, Aber verbrecherisch nicht. |
|
Das eiserne Zeitalter (127b-150) | ||
de duro est ultima ferro.
protinus inrupit venae peioris in aevumomne nefas: fugere pudor verumque fidesque; |
Hart ist das letzte von Eisen.
Jählings brachen herein in die Zeit von schlechterer AderAlle die Greul; es entflohen die Scham und die Treu' und die Wahrheit, |
|
in quorum subiere locum
fraudesque dolusque insidiaeque et vis et amor sceleratus habendi. vela dabant ventis nec adhuc bene noverat illos navita, quaeque prius steterant in montibus altis, fluctibus ignotis insultavere carinae, |
Und an die Statt einzogen
Betrug und tückische Falschheit, Hinterlist und Gewalt und verruchte Begier des Besitzes. Segel entfaltete nun der Schiffer den wenig bekannten Winden, und Kiele, die lang auf hohen Gebirgen gestanden, Schwammen geschaukelt umher auf nimmer befahrenen Wogen. |
|
communemque prius ceu
lumina solis et auras cautus humum longo signavit limite mensor. nec tantum segetes alimentaque debita dives poscebatur humus, sed itum est in viscera terrae, quasque recondiderat Stygiisque admoverat umbris, |
Fluren, zuvor wie die
Luft und das Licht der Sonne gemeinsam, Zeichnete jetzt mit begrenzendem Strich vorsichtig der Messer; Und nicht wurde geheischt bloß Saat und schuldige Nahrung Von dem ergiebigen Feld: ein ging's in der Erde Geweide. Schätze, die jene versteckt und stygischen Schatten genähert, |
|
effodiuntur opes, inritamenta
malorum. iamque nocens ferrum ferroque nocentius aurum prodierat, prodit bellum, quod pugnat utroque, sanguineaque manu crepitantia concutit arma. vivitur ex rapto: non hospes ab hospite tutus, |
Werden gewühlt
ans Licht, Anreizungen böser Gelüste. Heillos Eisen bereits und Gold heilloser als Eisen Stiegen herauf: auf steiget der Krieg, der streitet mit beidem Und mit der blutigen Faust schlägt klirrende Waffen zusammen. Lebensbedarf gibt Raub. Von dem Wirt ist der Gast, von dem Eidam |
|
non socer a genero,
fratrum quoque gratia rara est; inminet exitio vir coniugis, illa mariti, lurida terribiles miscent aconita novercae, filius ante diem patrios inquirit in annos: victa iacet pietas, et virgo caede madentis |
Selber der Schwäher
bedroht; auch selten sind Brüder in Eintracht. Tod gar sinnet der Mann dem Weib, wie diese dem Gatten; Graunvoll brauen den Trank Stiefmütter von bleichendem Sturmhut; Lang vor der Zeit schon forscht der Sohn nach den Jahren des Vaters. Achtende Scheu ist dahin, und von blutbefeuchteten Ländern |
|
ultima caelestum terras
Astraea reliquit. |
Kehrte die Jungfrau
heim, Astraia, der Himmlischen letzte. |