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Griechische Tempelarchitektur
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Inhalt | Einleitung | Vorzeit | Tempeltypen | Peripteros | Dor.Ordnung | Ion.Ordnung | Vergleich | Anhang

DER PERIPTEROS

Nachdem in den vorigen Kapiteln die Anfänge des griechischen Tempelbaus, seine Ursprünge und die Grundformen griechischer Tempel betrachtet wurden, bleibt immer noch die Frage, wie die Tempel nun aussahen und worauf ihre Wirkung auf den Beschauer beruht.

Zur Beantwortung dieser Frage soll die Betrachtung des wichtigsten Grundtyps, des Peripteros, dienen. Alles was für ihn typisch ist und was seine Wirkung hervorruft, trifft im allgemeinen auch auf alle anderen Tempelformen zu (vgl. Kap. 3).

Von dem Tempelunterbau dem Stereobat,  ragt die oberste Quaderschicht, die Euthynterie, als umlaufende, sorgfältig bearbeitete Kante knapp über dem Erdboden hervor. Auf dem Stereobat ruht der Stufenunterbau, die Krepis oder auch Krepidoma, meist bestehend aus drei hohen Stufen, durch die die Standfläche der Peristasis deutlich über das Gelände gehoben wird. Die Höhe der Stufen bei den Großbauten ist nicht menschlichen Dimensionen angepasst (z.B. Höhe der Stufen des Zeustempels in Olympia von 49 cm bzw. 56 cm). Der Zugang erfolgt über Rampen an der Stimseite. Die oberste Stufe, der Stylobat, ist deckungsgleich zu der Tempeldecke. Innerhalb der Peristasis ist der Kernbau, der Naos, als eigenes Haus völlig ausgebildet. Er steht auf einem durch eine sehr niedrige Stufe vom Stylobat abgegrenzten Fundament, dem Toichobat. Der Raum zwischen den Fundamenten der Säulen und der Cella wurde, wie z.B. in Nemea deutlich zu sehen ist, einfach aufgeschüttet. Das Mauerwerk des Naos besitzt meist als Sockel eine Orthostatenreihe, d.h. eine Reihe hochkant gestellter Quader. Darüber erhebt sich der isodome Verband von Kalksteinblöcken, also ein Mauerwerk gleicher Schichthöhe mit wechselseitig übereinander liegenden Fugen. Die Blöcke werden, wie überhaupt alle übereinander liegenden Teile des Tempels, durch Dübel zusammengehalten. Die horizontale Verbindung erfolgt durch gebogene, in das Baumaterial eingelassene Klammern. Zunächst eine, später zwei Reihen von zweistöckigen Säulenreihen tragen fast immer das Dach innerhalb der Cella und unterteilen sie in zwei bzw. drei Schiffe. Anstelle der Säulen können auch von beiden Seiten vorspringende Mauerzungen treten (z.B. Heraion in Olympia). Rings um den Naos erheben sich die Säulen zu einem gleichmäßigem Baldachin. Der Säulendurchmesser bestimmt in seinem Verhältnis zum Abstand der Säulenachsen, dem sogenannten Säulenjoch, den plastischen Charakter des Tempels. Vitruv gibt sogar neben der Unterteilung nach Grundrissformen (Buch III, Kap. II) eine Unterteilung der Tempel in fünf Klassen nach eben diesem Verhältnis an. Die dorischen oder ionischen Säulen (s. unten) tragen das Gebälk mit einem flachen Giebeldach, das den Tempel zusammenstrafft, ohne ihn zu erdrücken (s. Abb. 7/8).

Unabhängig von der Säulenordnung sind es immer dieselben fünf Eigenheiten, die die Wirkung des griechischen Tempels auf den Beschauer ausmachen. Da wäre zunächst die Autarkie des Tempels. Die Griechen fügten den Tempel nicht in die Landschaft ein, sondern ließen ihn über ihr thronen. Durch den Unterbau hebt er sich über den Boden, durch den Baldachin seiner Säulen grenzt er sich nach außen gegen die Umgegend ab.

Dennoch betrachteten die Griechen Tempel und Landschaft als Einheit - die Verbindung liegt jedoch im mythischen Bereich (vergl. Kap.1). Die Abgrenzung gegenüber der Umgebung wird auch noch dadurch verstärkt, dass er sich weder um benachbarte Gebäude kümmert noch um den Betrachter. Innerhalb der Heiligtümer folgt die Stellung der Tempel keinem festen Schema. Sie stehen frei ohne durchgehende Achsenverbindungen. Lediglich die Ost-West-Ausrichtung ist ihnen im allgemeinen gemeinsam. Die Steigerung der Ausstrahlung des Baus durch zentrale Zugänge und optische Achsen wurde erstmals im Hellenismus durchgeführt. Mit perspektivischen Verkürzungen und Überschneidungen, die den Reiz eines Bauwerks steigern, wurde erstmals gegen Ende der Klassik experementiert.

Eine zweite Eigenschaft der griechischen Tempelarchitektur ist ihr mehr plastisches als räumliches Wesen (vgl. Gottfried Gruben, Griechische Tempel und Heiligtümer S.110). Der Tempel beinhaltet anders als z.B. die aufstrebende, lichtdurchflutete, gotische Kathedrale keinen Raum. Die Cella ist schmal, nur durch die Tür erhellt und meist noch durch Säulenreihen geteilt, auch wenn diese aus statischen Gründen nicht erforderlich sind (Aphaia-Tempel auf Aigina). Sie ist lediglich der notwendige Raum für das Bildnis der Gottheit und wird meist auch nur wegen dieses Bildes betreten. So folgt das Wesen der Tempel den Gesetzen der Plastik, mit der die Entstehung der Tempel ja aufs engste verknüpft ist, d.h. die dreidimensionale Form steht über der Funktion. Der tektonische Aufbau beruht auf dem Ausgleich von Gegensatzpaaren. Der Tempel vereint in sich die Gegensätze zwischen geschlossenem Kernbau und offener Ringhalle zwischen axialem Richtungsbau und allseitig gleicher Ausstrahlung, zwischen senkrecht / waagrecht und tragend und lastend. Der Ausgleich zwischen diesen Gegensatzpaaren bestimmt den Eindruck des Tempels auf den Beschauer. Besonders die Gegensätze von vertikaler und horizontaler bzw. tragend und lastend werden in den verschiedenen Säulenordnungen auf unterschiedliche Weisen ausgearbeitet. Der tektonische Aufbau wurde auch durch die Forderung absoluter Allseitigkeit des Tempels bestimmt. Dies führte, wie noch zu zeigen ist, zu zum Teil erheblichen Problemen (dorischer und ionischer Eckkonflikt - s. Kap. 5/6).

Eine weitere Wesenseigenschaft der Tempel spricht bereits Vitruv in seinem dritten Buch an: "Aedium compositio constat ex symmetria, cuius rationem diligentissime architecti tenere debent ... Namque non potest aedis ulla sine symmetria atque proportione rationem habere compositionis...". (Die Formgebung der Tempel beruht auf der Symmetrie, deren Logik die Architekten auf das sorgfältigste einhalten müssen. Denn ein Tempel kann ohne jede Symmetrie und Proportion nicht eine Vernunft der Konstruktion besitzen ...). Es ist den griechischen Tempeln, wie sich bei der Betrachtung der Säulenordnungen noch zeigen wird ein festes System von Proportionen zugrunde gelegt. Jedes konstruktive oder schmückende Element ist in sich durchgeformt; seine Proportionen sind im Rahmen des Ganzen absolut richtig. So schreibt Vitruv: "Wenn man sich also darüber einig ist, dass die Zahlenordnung (des Tempels - Anm. des Verfassers) von den Gliedern des Menschen herqeleitet ist (s.Kap. 5/6) und dass zwischen den einzelnen Gliedern und der Gesamterscheinung des Körpers eine entsprechende, auf einem Grundmaß (modulus) beruhende Symmetrie besteht, bleibt nur übrig, dass wir denjenigen Anerkennung zollen, die beim Bau der Tempel der unsterblichen Götter die Glieder ihrer Bauwerke so geordnet haben, dass mit Hilfe von Proportion und Symmetrie deren Gliederungen im einzelnen wie im Ganzen zu einander passend geschaffen wurden." (Vitruv III, Kap. 1, 9). Die Proportionierung der Teile gehorcht einer auch dem Auge einsichtigen fast natürlichen Logik. Ein Kanon, also ein Entwurfs- und Proportionierungsschema, wie ihn Vitruv beschreibt, existierte jedoch nicht. Das zeigen schon die vielen Abweichungen von den von Vitruv beschriebenen Proportionen an den griechischen Tempeln. Eine letzte Eigenheit der griechischen Tempel ist ihr, bereits in Kapitel 3 angedeuteter Ursprung im Holzbau. Der griechische Steinbau seinerseits zeigt die charakteristischen Elemente des Holzbaus, welche sich bei der Übertragung der Holzkonstruktion in Stein erhalten konnten.

Im nachfolgenden sollen nun die verschiedenen Säulenordnungen betrachtet werden und darauf untersucht werden, wie sich ihre Tektonik verhält, wie ihre Allseitigkeit erreicht wird und wo sich Elemente des Holzbaus zeigen.

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