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Delphi - Heiliger Bezirk
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Referat Nr. 8: Tempelbau
Henning Danckert - MSS 12 - 1999/2000
 

 

II. Das Poseidon - Heiligtum auf Kap Sounion:

Gelegen an der äußersten Südostspitze Attikas, auf einer 60m über dem Meer empor springenden Landzunge, bildet dieses Heiligtum schon seit der Antike einen wichtigen Kontrollpunkt für den Schiffsverkehr innerhalb des saronischen Golfes, so dass ihm neben der religiösen auch die Bedeutung eines Grenzpostens zukommt.

Aufgrund seiner strategischen Lage ist der Tempelbezirk schon früh, etwa zur Zeit des Peloponnesischen Krieges ab 431 v. Chr., zu einer Befestigungsanlage ausgebaut worden, wovon heute noch die Reste der Befestigungsmauern, der Turm- und Toranlagen, sowie westlich des Kaps gelegene Liegeplätze der Wachtschiffe und eine zerstörte Hafenanlage zeugen. Zu hellenistischer Zeit, also im 3. Jahrhundert v. Chr., wurden wahrscheinlich die meisten dieser militärischen Anlagen erweitert, da sich im Tempelbereich eine Siedlung anlagerte, deren Fundamente im Nordosten des Kaps noch erkennbar sind.

Der Poseidon - Tempel:

Der Tempelbezirk, der sich über den höchsten Punkt des Kaps erstreckt, war vermutlich schon in früharchaischer Zeit eine Kultstätte, da hier zwei über 3m große Kouros – Statuen des Gottes Apollon gefunden wurden. Sie werden heute im Athener Nationalmuseum ausgestellt (Saal 8) und datieren wohl vom Ende des 7. Jh.

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Im 6. Jahrhundert v. Chr. wurde auf Sounion ein erster Steintempel aus Poros bzw. Tuffstein errichtet, der jedoch 480 v. Chr. nach dem Einfall der Perser zerstört wurde.

Die Ruinen, die wir heute an gleicher Stelle betrachten können, stammen von dem Poseidon Tempel, der zwischen 444 und 440 v. Chr. erbaut wurde; also zeitgleich mit dem Parthenon von Athen.
Umgeben wird der heilige Bereich im Norden und Westen von einer kleineren Mauer, dem Peribolos, von dem noch Reste der Grundmauer erhalten sind.
Nur über bestimmte Eingangstore, den Propyläen, gelangte man zu dem Heiligtum, das sich auf einer künstlich aufgeschütteten Terrasse befindet.
Heute erinnern nur noch zwei Säulenstümpfe aus Porosstein und eine Rampe an den ehemaligen, mit Marmor ausgekleideten Zugangsbereich der Kultstätte.

Rechts an dem Propylon schlossen sich zwei „Bankettsäle" an, die sog. Portiki, in denen Pilger und Besucher untergebracht und versorgt wurden. Der größte Portikus grenzte an die Nordwestecke des Peribolos und wurde von einer Mittelreihe mit sechs Säulen getragen, wie uns Fundament - und Säulenreste mitteilen.

Das Tempelgebäude steht exakt auf dem Grundriss seines Vorgängerbaus, was in Betracht der zeitlichen Differenz von mehreren Jahrzehnten eine Besonderheit darstellt, da der Neubau den „moderneren", klassischen Normen eines dorischen Peripteros mit 6 x 13 Säulen entspricht.

Das Fundament des Bauwerks bildet ein dreistufiger Stylobat, der sich über eine Fläche von 31 m x 13,5 m ausdehnt. Cella, Pronaos und Opisthodom wurden von 34 dorischen Säulen umrandet, von denen heute noch 16 Stück aufgerichtet sind. 
Anhand dieser Säulen lassen sich einige Besonderheiten feststellen, die speziell nur bei diesem Tempel vorkommen. 
Die Säulen des Tempels, die der dorischen Ordnung angehören, erwecken einen „schlanken", relativ eleganten und leichten Eindruck, so dass sie fast ionisch Wirken.
Dieses Phänomen beruht auf der Tatsache, dass sie eine Höhe von 6,10 m aufweisen, ihr Basisdurchmesser jedoch bei nur 1 m liegt. Daraus ergibt sich, dass die Säulen mehr als sechsmal so hoch wie breit sind, was für die dorische Ordnung ziemlich ungewöhnlich ist, da das Richtmaß hier bei viereinhalb- bis höchstens fünfmal so hoch wie breit lag. Zudem ist der Echinus, die Wulst zwischen Säulenschaft und Abakus, vergleichsweise schlank, d. h. nicht angeschwollen gestaltet worden.
Das einzige, was die Säulen etwas breiter erscheinen lässt, ist die Verminderung der Anzahl der Kanneluren von den üblichen 20 auf 16. Diese Baumaßnahme trägt also nicht zur Ästhetik des Tempels bei, sondern besitzt ausschließlich eine Schutzfunktion gegen die Erosion des Gesteins durch Wetter, Wind und Wellen. Die verkleinerte Oberfläche bietet den Naturgewalten nämlich eine geringere Angriffsmöglichkeit, so dass die Verwitterung verzögert wird.
Eine letzte Besonderheit der Säulen ist das verwendete Material, Marmor aus dem nahen Agrileza. Er enthält fast keine Eisenbestandteile, wodurch die gelbbräunliche Oxidation ausbleibt und die Säulen ihr schönes Weiß behalten. Die starke Abgegriffenheit der Säulen beruht auf der gröberen Konsistenz des Marmors, der nicht so fein ist wie etwa pentelischer Marmor.

Die Giebelfelder, die im Osten des Kaps auf 13 Friesplatten zu sehen sind, stellen den Kampf der Lapithen gegen die Kentauren dar, sowie Szenen aus den Abenteuern des Theseus, dem Sohn von Poseidon (oder Aigeus).

Weiter im Südosten, wo die Peribolos-Mauer und die Klippe aufeinandertreffen, zeigen sich noch einige Fundamentreste des in den Fels gehauenen Poseidonaltars.

Die letzte, bautechnische Spezialität des Tempels findet sich in der Tempelvorhalle oder im Pronaos: Es handelt sich hierbei um den Architrav des äußeren Säulenkranzes, der mit den Anten und den Säulen des Pronaos verbunden wurde. Die eigentlich beide von einander durch den Umgang getrennten Bauglieder, der Architrav der Außensäulen und der Architrav über den Säulen des Pronaos, bilden eine räumliche Einheit. Durch diese Überbrückung des Umgangs an zwei Stellen erfährt die Vorhalle des Tempels eine besondere Betonung. 
Diese architektonische Besonderheit hat der Poseidon Tempel mit dem Hephaistos Tempel in Athen gemeinsam, wenngleich wir den Baumeister nicht mehr bestimmen können.

Der eigentliche Reiz von Kap Sounion entsteht jedoch erst durch die Harmonie von der malerischen Landschaft mit dem kunstvollen Bauwerk, was von den Touristen oft als Postkarten - Idylle bezeichnet wird und auch schon vor hundert Jahren Lord Byron (1788 – 1824), einem englischen Romantiker und Dichter, faszinierte und ihn regelrecht gefangen nahm. Er wollte sich in dem Heiligtum verewigen und ritzte daher seinen Namen in eine der Säulen ein. Überhaupt war Griechenland seine zweite Heimat geworden, da er hier seine Inspiration hernahm, wie das unbestätigte Zitat: "Wenn ich ein Dichter bin, dann hat mich die griechische Luft dazu gemacht!", verdeutlicht. Seine Liebe zu diesem Land ging so weit, dass er im Unabhängigkeitskrieg Griechenlands mitkämpfte und 1824 sogar in Griechenland (Mesolongi ) an Malaria verstarb.

Rekonstruktionszeichnung des Tempelbezirks

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Quellen – Verzeichnis:

  1. K. Bötig: Griechenland: Festland und Peloponnes, Köln (DuMont) 1996
  2. C. und F. Burian: Der große Polyglott Reiseführer: Griechenland, München (Polyglott) 1972
  3. M. Grant: Die klassischen Griechen, Bergisch Gladbach (Lübbe) 1991
  4. M. Maaß: Das antike Delphi – Orakel, Schätze und Monumente, Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 1993
  5. M. Mehling / G. Rebhan / H. Scharf: Knaurs Kulturführer in Farbe: Griechische Inseln, München ( Droemer Knaur) 1987
  6. E. Melas: Delphi – Die Orakelstätte des Apollon, Köln (DuMont) 1990
  7. M. Pausch / T. Pago: Vis - a - vis Reiseführer: Griechenland: Athen und das Festland, München (Falk) 1998
  8. L. Schneider / C. Höcker: Griechisches Festland, Köln (DuMont) 1996
  9. R. Speich: Südgriechenland, Band 1: Kunst- und Reiseführer, Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz (Kohlhammer) 1978

Bildnachweis:

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