top

   
Beleg gesucht für: Tiberius
Belege des Suchbegriffs aus ausgewählten Texten (vollständig: Caes.Gall., Cic.Arch., Cic.S.Rosc., Cic.Lael.)
Anzahl der Treffer: 26
utcumque se ea res habuit, vixdum ingressus Illyricum Tiberius properis matris litteris accitur; neque satis conpertum est, spirantem adhuc Augustum apud urbem Nolam an exanimem reppererit. Tac.ann.1,5,3.Wie dem auch sei: kaum hatte Tiberius Illyrien betreten, als er von der Mutter durch Eilboten zurückgerufen wurde. Man erfuhr nichts Sicheres, ob er den Augustus zu Nola noch lebend oder schon entseelt angetroffen hat.
Primum facinus novi principatus fuit Postumi Agrippae caedes, quem ignarum inerumumque quamvis firmatus animo centurio aegre confecit. nihil de ea re Tiberius apud senatum disseruit: patris iussa simulabat, quibus praescripsisset tribuno custodiae adposito, ne cunctaretur Agrippam morte adficere, quandoque ipse supremum diem explevisset. Tac.ann.1,6,1.Die erste Tat der neuen Herrschaft war die Ermordung des Agrippa Postumus. Er ahnte nichts und war wehrlos und doch hatte der beherzte Centurio Mühe, mit ihm fertig zu werden. Tiberius sprach im Senat kein Wort über den Vorfall. Er tat so, als habe sein Vater dem mit der Bewachung beauftragten Tribunen befohlen, Agrippa unverzüglich den Tod zu geben, sobald er selbst seine Tage beschlossen habe.
nuntianti centurioni, ut mos militiae, factum esse quod imperasset, neque imperasse sese et rationem facti reddendam apud senatum respondit. quod postquam Sallustius Crispus particeps secretorum (is ad tribunum miserat codicillos) comperit, metuens ne reus subderetur, iuxta periculoso ficta seu vera promeret, monuit Liviam ne arcana domus, ne consilia amicorum, ministeria militum vulgarentur, neve Tiberius vim principatus resolveret cunta ad senatum vocando: eam condicionem esse imperandi, ut non aliter ratio constet quam si uni reddatur. Tac.ann.1,6,3.Dem Centurio, der nach Soldatenbrauch die Ausführung des Befehles meldete, gab er zur Antwort, er habe nichts befohlen und jener werde vor dem Senat, was geschehen sei, zu verantworten haben. Als Sallustius Crispus, der an den geheimen Plänen Teil hatte, und auch den schriftlichen Befehl an den Tribunen geschickt hatte, dies erfuhr, befürchtete er, er könne als Schuldiger vorgeschoben werden. Da es in diesem Fall gleich gefährlich war, die Wahrheit oder Lügen vorzutragen, warnte er Livia, man solle doch die Geheimnisse des Hauses. die Ratschläge der Freunde und die Dienstleistungen der Soldaten nicht jedermann wissen lassen; und Tiberius solle nicht den Zauber der Fürstengewalt zunichte machen, indem er alles vor den Senat bringe. Das Geheimnis der Macht sei es, dass die Rechnung nur dann aufgehe, wenn man sie einem gegenüber erstelle.
Nam Tiberius cuncta per consules incipiebat, tamquam vetere re publica et ambiguus imperandi: ne edictum quidem, quo patres in curiam vocabat, nisi tribuniciae potestatis praescriptione posuit sub Augusto acceptae. Tac.ann.1,7,3.Tiberius ließ nämlich alles von den Konsuln ausgehen, als wäre es das alte freie Rom und er noch unentschlossen, ob er die Herrschaft übernehme. Selbst den Erlass, mit dem er die Väter in die Kurie berief, unterzeichnete er bloß als Tribun, was er unter Augustus geworden war.
Inter quae senatu ad infimas obtestationes procumbente, dixit forte Tiberius se ut non toti rei publicae parem, ita quaecumque pars sibi mandaretur eius tutelam suscepturum. Tac.ann.1,12,1.Als sich der Senat unterdessen zu den niedrigsten Bitten und Beschwörungen herabließ, entfiel Tiberius das Wort, zwar fühle er sich nicht stark genug für die Gesamtleitung des Staates, wolle aber die Verwaltung des Teiles übernehmen, den immer sie ihm anvertrauten.
constat Haterium, cum deprecandi causa Palatium introisset ambulantisque Tiberii genua advolveretur, prope a militibus interfectum quia Tiberius casu an manibus eius inpeditus prociderat. neque tamen periculo talis viri mitigatus est, donec Haterius Augustam oraret eiusque curatissimis precibus protegeretur. Tac.ann.1,13,6.Von Haterius ist bekannt, dass er im Palast, wohin er sich nachher begab, um Abbitte zu leisten, sich dem auf- und abgehenden Tiberius zu Füßen warf und beinahe von den Soldaten umgebracht worden wäre, weil Tiberius zufällig, oder weil er über seine Hände strauchelte, zu Boden fiel. Selbst eines solchen Mannes Gefahr vermochte ihn nicht zu besänftigen, bis Haterius die Augusta ansprach und durch ihre angelegensten Bitten Schutz fand.
Idem annus novas caerimonias accepit addito sodalium Augustalium sacerdotio, ut quondam Titus Tatius retinendis Sabinorum sacris sodalis Titios instituerat. sorte ducti e primoribus civitatis unus et viginti: Tiberius Drususque et Claudius et Germanicus adiciuntur. Tac.ann.1,54,1.Dasselbe Jahr erhielt neuen heiligen Dienst, indem zu den bestehenden noch die Priesterschaft der augustalischen Genossen hinzugefügt wurde, so wie vordem Titus Tatius, um den sabinischen Dienst aufrecht zu halten, die titische Genossenschaft eingeführt hatte. Durch das Los wurden einundzwanzig aus den ersten Männern im Staat gezogen. Tiberius und Drusus, Claudius und Germanicus kamen noch dazu.
aliis gentibus ignorantia imperi Romani inexperta esse supplicia, nescia tributa: quae quoniam exuerint, inritusque discesserit ille inter numina dicatus Augustus, ille delectus Tiberius, ne inperitum adulescentulum, ne seditiosum exercitum pavescerent. Tac.ann.1,59,5.Andere Stämme wüssten nichts von der römischen Art zu herrschen, darum auch nichts von ihren Henkerbeilen, nichts von Abgabenzahlungen; da sie sie (die Cherusker) nun dies abgeschüttelt hätten, nun jener als Gott verehrte Augustus, jener auserkorene Tiberius fruchtlos abgezogen seien, sollten sie vor einem unerfahrenen Jüngling, vor einem aufrührerischen Heer nicht erbeben!
Decreta eo anno triumphalia insignia A. Caecinae, L. Apronio, C. Silio ob res cum Germanico gestas. nomen patris patriae Tiberius, a populo saepius ingestum, repudiavit; neque in acta sua iurari, quamquam censente senatu, permisit, cuncta mortalium incerta, quantoque plus adeptus foret, tanto se magis in lubrico dictitans. Tac.ann.1,72,1.In diesem Jahr wurden dem Aulus Caecina, Lucilius Apronius und Gaius Silius wegen ihrer mit Germanicus vollbrachten Taten die Auszeichnungen des Triumphes zuerkannt. Den Titel 'Vater des Vaterlandes', den das Volk Tiberius mehrmals aufzudrängen versuchte, nahm er nicht an; auch erlaubte er nicht, dass man, wie der Senat beschlossen hatte, auf seine Verfügungen schwöre: bei Menschen sei alles unsicher, und je höher einer gestiegen sei, desto schlüpfriger werde der Boden unter ihm.
primus Augustus cognitionem de famosis libellis specie legis eius tractavit, commotus Cassii Severi libidine, qua viros feminasque inlustris procacibus scriptis diffamaverat; mox Tiberius, consultante Pompeio Macro praetore, an iudicia maiestatis redderentur, exercendas leges esse respondit. Tac.ann.1,72,3.Augustus war der erste, der jenes Gesetz zum Vorwand nahm, eine Untersuchung gegen Schmähschriften einzuleiten; bewogen wurde er dazu durch die mutwillige Laune, aus der heraus Cassius Severus Männer und Frauen von Rang in kecken Schriften verunglimpft hatte. Später gab Tiberius, auf die Anfrage des Prätors Pompeius Macer, ob gerichtliche Untersuchungen nach dem Majestätsgesetz statthaft seien, den Bescheid, die Gesetze seien anzuwenden.
sed crebris epistulis Tiberius monebat, rediret ad decretum triumphum: satis iam eventuum, satis casuum. prospera illi et magna proelia: eorum quoque meminisset, quae venti et fluctus, nulla ducis culpa, gravia tamen et saeva damna intulissent. Tac.ann.2,26,2.Aber Tiberius schrieb ein über das andere Mal, er solle zu dem zuerkannten Triumph zurückkommen. Erfolge und Unglücksfälle reichten jetzt. Siegreiche und große Schlachten habe er geschlagen. Er solle auch an die wahrhaft entsetzliche Verluste denken, die Sturm und Meereswogen, ohne Schuld des Feldherrn, verursacht hätten.
facilem adsensum Gallo sub nominibus honestis confessio vitiorum et similitudo audientium dedit. adiecerat et Tiberius non id tempus censurae nec, si quid in moribus labaret, defuturum corrigendi auctorem. Tac.ann.2,33,4.Das mit so ehrbaren Worten verhüllte Bekenntnis des Sittenverfalls und die gleiche Gesinnung der Zuhörer verschaffte Gallus willige Zustimmung. Auch hatte Tiberius zusätzlich bemerkt, jetzt sei nicht Zeit zum Sittenrichten, und wenn die Moral in Gefahr käme, so wisse er einen, der dem abhelfe.
Ceterum Tiberius nomine Germanici trecenos plebi sestertios viritim dedit seque collegam consulatui eius destinavit. nec ideo sincerae caritatis fidem adsecutus amoliri iuvenem specie honoris statuit struxitque causas aut forte oblatas arripuit. Tac.ann.2,42,1.Im übrigen schenkte Tiberius im Namen des Germanicus dem Volk pro Mann 300 Sesterze und bestimmte sich zu seinem Amtsgenossen im Konsulat. Weil man dennoch nicht an die Aufrichtigkeit seiner Liebe glaubte, beschloss er, den jungen Mann unter dem Schein einer Auszeichnung zu entfernen; dafür tischte er neue Gründe auf oder ergriff begierig die, die sich ihm zufällig anboten.
sed Tiberius demoverat Syria Creticum Silanum, per adfinitatem conexum Germanico, quia Silani filia Neroni, vetustissimo liberorum eius, pacta erat, praefeceratque Cn. Pisonem, ingenio violentum et obsequii ignarum, insita ferocia a patre Pisone, qui civili bello resurgentis in Africa partis acerrimo ministerio adversus Caesarem iuvit, mox Brutum et Cassium secutus concesso reditu petitione honorum abstinuit, donec ultro ambiretur delatum ab Augusto consulatum accipere. Tac.ann.2,43,2.Tiberius hatte aber vorher schon den Creticus Silanus, der durch Verlobung seiner Tochter an Nero, den ältesten Sohn des Germanicus, mit diesem verschwägert war, aus Syrien zurückbeordert und die Provinz dem Gneius Piso gegeben, einem Mann von heftiger Gemütsart, der sich fremdem Willen nicht zu fügen wusste und ganz den Trotz seines Vaters Piso geerbt hatte; dieser hatte im Bürgerkrieg die in Afrika wieder auflebende Partei gegen Caesar mit leidenschaftlichstem Diensteifer unterstützt, schloss sich darauf dem Brutus und Cassius an und enthielt sich, nachdem ihm die Rückkehr gestattet war, der Bewerbung um ein Amt, bis man von sich aus an ihn selbst herantrat, das ihm von Augustus zugedachte Konsulat anzunehmen.
divisa namque et discors aula erat tacitis in Drusum aut Germanicum studiis. Tiberius ut proprium et sui sanguinis Drusum fovebat: Germanico alienatio patrui amorem apud ceteros auxeratc et quia claritudine materni generis anteibat, avum M. Antonium, avunculum Augustum ferens. Tac.ann.2,43,5.Der Hof war nämlich in zwei zerstrittene Parteien geteilt, von denen die eine insgeheim dem Drusus, die andere Germanicus zugeneigt war. Tiberius stützte den Drusus als seinen eigenen leiblichen Sohn. Germanicus dagegen wurde gerade wegen der Ablehnung durch seinen Onkel von den andern umso mehr geliebt; auch gab ihm der Glanz des mütterlichen Geschlechtes den Vorrang; denn er konnte als Großvater Marcus Antonius, als Großonkel Augustus aufweisen.
Tiberius cultu habituque eius lenibus verbis perstricto, acerrime increpuit, quod contra instituta Augusti non sponte principis Alexandriam introisset. Tac.ann.2,59,2.Tiberius kritisierte seine Tracht und sein sonstiges Auftreten nur schwach, tadelte aber aufs schärfste, dass er gegen die Anordnung des Augustus und ohne Genehmigung des Fürsten Alexandria betreten hatte.
Tiberius atque Augusta publico abstinuere, inferius maiestate sua rati, si palam lamentarentur, an ne omnium oculis vultum eorum scrutantibus falsi intellegerentur. Tac.ann.3,3,1.Tiberius und Augusta erschienen nicht öffentlich; sie hielten es für unter ihrer Würde, sich öffentlich als Wehklagende zu zeigen; oder geschah es vielleicht, damit sie nicht als heuchlerisch erkannt würden, wenn aller Augen forschend ihr Gesicht durchmusterten?
sed Tiberius saepe apud se pensitato, an coerceri tam profusae cupidines possent, num coercitio plus damni in rem publicam ferret, quam indecorum adtrectare, quod non obtineret, vel retentum ignominiam et infamiam virorum inlustrium posceret, postremo litteras ad senatum composuit, quarum sententia in hunc modum fuit. Tac.ann.3,52,3.Tiberius aber erwog hin und her, ob man denn auch so ganz ausschweifende Begierden einschränken könne, ob nicht am Ende die Einschränkung dem Staat mehr schade, ferner wie unrühmlich es sei, anzugreifen, was er nicht recht durchsetzen könne, oder, wenn doch durchgesetzt, die Schmach und Entehrung vornehmer Männer zur notwendigen Folge hätte. Zuletzt setzte er ein Schreiben an den Senat auf, mit folgendem Inhalt:
atque illa, cui avunculus Augustus, socer Tiberius, ex Druso liberi, seque ac maiores et posteros municipali adultero foedabat, ut pro honestis et praesentibus flagitiosa et incerta expectaret. sumitur in conscientiam Eudemus, amicus ac medicus Liviae, specie artis frequens secretis. Tac.ann.4,3,4.Und sie, die Augustus zum Großonkel, Tiberius zum Schwiegervater und Kinder von Drusus hatte, besudelte sich und ihre Ahnen und ihre Nachkommen mit einem ehebrecherischen Landstädter, um für ein ehrenvolles naheliegendes Glück ein schmachbedecktes, in unsicherer Ferne wirkendes einzutauschen. Eudemus, der Freund und Arzt der Livia, der unter dem Vorwand seiner Kunst oft mit ihr allein war, wurde ins Geheimnis gezogen.
ceterum Tiberius per omnis valetudinis eius dies, nullo metu an ut firmitudinem animi ostentaret, etiam defuncto necdum sepulto, curiam ingressus est. consulesque sede vulgari per speciem maestitiae sedentis honoris locique admonuit, et effusum in lacrimas senatum victo gemitu simul oratione continua erexit: Tac.ann.4,8,2.Übrigens kam Tiberius während der ganzen Dauer der Krankheit, entweder weil er nichts befürchtete oder um seine Seelenstärke zur Schau zu tragen, ja auch als er gestorben und noch nicht bestattet war, in die Kurie. Die Konsuln, die sich zum Ausdruck ihrer Betrübnis in der Reihe der anderen niedergelassen hatten, erinnerte er an ihren Ehrenplatz, und als sich der Senat in Tränen ergoss, unterdrückte er sein Schluchzen und suchte ihn in zusammenhängendem Vortrag aufzurichten:
Haec vulgo iactata super id, quod nullo auctore certo firmantur, prompte refutaveris. quis enim mediocri prudentia, nedum Tiberius tantis rebus exercitus, inaudito filio exitium offerret, idque sua manu et nullo ad paenitendum regressu? quin potius ministrum veneni excruciaret, auctorem exquireret, insita denique etiam in extraneos cunctatione et mora adversum unicum et nullius ante flagitii compertum uteretur? Tac.ann.4,11,1.Dieses allgemein verbreitete Gerücht lässt sich abgesehen davon, dass es keinen sicheren Gewährsmann für sich hat, leicht widerlegen. Denn welcher einigermaßen besonnene Mensch, ganz zu schweigen von dem durch eine so große Schule gegangenen Tiberius, würde dem Sohn, ohne ihn zu hören, den Tod darreichen, und dies mit eigener Hand, ohne jede Möglichkeit zur Reue? Warum hätte er nicht viel eher den, von dessen Hand der Giftbecher kam, foltern, nach dem Angeber forschen und die zaudernde Bedenklichkeit, die ihm sogar gegen Fremde eigen war, auch gegen den einzigen Sohn anwenden sollen, den er zuvor keines Verbrechens schuldig befundenen hatte?
At Tiberius nihil intermissa rerum cura, negotia pro solaciis accipiens, ius civium, preces sociorum tractabat; factaque auctore eo senatus consulta ut civitati Cibyraticae apud Asiam, Aegiensi apud Achaiam, motu terrae labefactis, subveniretur remissione tributi in triennium. Tac.ann.4,13,1.Aber Tiberius widmete sich ununterbrochen der Regierungstätigkeit; er fand im Geschäft seinen Trost und behandelte die Rechtssachen der Bürger und die Gesuche der Bundesgenossen. Auf seinen Antrag wurde vom Senat beschlossen, den Städten Kibyra in Asien und Aegium in Achaia, die unter einem Erdbeben gelitten hatten, durch einen Erlass ihrer Abgaben auf drei Jahre zu helfen.
sane paucos ad suprema principis dies posse vitari: quem ad modum evasurum imminentis iuventam? an, cum Tiberius post tantam rerum experientiam vi dominationis convulsus et mutatus sit, G. Caesarem vix finita pueritia, ignarum omnium aut pessimis innutritum, meliora capessiturum Macrone duce, qui ut deterior ad opprimendum Seianum delectus plura per scelera rem publicam conflictavisset? prospectare iam se acrius servitium eoque fugere simul acta et instantia. Tac.ann.6,48,2.Wohl wäre es möglich, durch diese letzten paar Tage des Fürsten sich hindurchzuwinden; wie aber der Jugend dessen entrinnen, der vor der Tür stehe? Wenn Tiberius bei seiner reichen Erfahrung durch den überwältigenden Reiz der Willkürherrschaft aus dem Geleise gerissen und ein ganz anderer geworden sei, wie solle ein Gaius Caesar, kaum über das Knabenalter hinaus, unwissend in allem oder in der Schule des Lasters geschult, den besseren Weg betreten - an der Hand eines Macro, der, weil schlimmer als Seianus, zu dessen Sturz erkoren, durch noch mehr Verbrechen das Gemeinwesen zerrüttet habe? Schon sehe er eine noch stärkere Knechtschaft herannahen und wolle darum dem Erlittenen und Bevorstehenden zugleich entfliehen.
neque fefellit: nam Tiberius – incertum an offensus tantoque magis iram premens - instaurari epulas iubet discumbitque ultra solitum, quasi honori abeuntis amici tribueret. Charicles tamen labi spiritum nec ultra biduum duraturum Macroni firmavit. Tac.ann.6,50,3.Doch merkte es Tiberius. Er ließ frisch auftragen - vielleicht suchte er, dadurch beleidigt, nur umso mehr seinen Zorn zu unterdrücken - und blieb über die gewohnte Zeit bei Tisch, als wolle er dem Freund vor seiner Reise eine Ehre erweisen. Charikles jedoch versicherte Macro, seine Lebenskraft nehme ab, und werde nicht länger als zwei Tage durchhalten.
pavor hinc in omnis, et ceteri passim dispergi, se quisque maestum aut nescium fingere; Caesar in silentium fixus a summa spe novissima expectabat. Macro intrepidus opprimi senem iniectu multae vestis iubet discedique ab limine. sic Tiberius finivit octavo et septuagesimo aetatis anno. Tac.ann.6,50,5.Allgemeines Bangen und Beben! Die anderen verlieren sich dahin und dorthin, und jeder tat niedergeschlagen oder ahnungslos. Gaius sah sich, in dumpfes Schweigen versenkt, von der schwindelndsten Höhe herabgestürzt und erwartete seine letzte Stunde. Nur Macro verliert die Fassung nicht: er befiehlt, den Greis mit einem Haufen übergeworfener Teppiche zu ersticken, und sagt, jetzt solle alles die Schwelle verlassen. So endete Tiberius im 78. Jahr seines Lebens.
Aegyptum copiasque, quibus coerceretur, iam inde a divo Augusto equites Romani obtinent loco regum: ita visum expedire, provinciam aditu difficilem, annonae fecundam, superstitione ac lascivia discordem et mobilem, insciam legum, ignaram magistratuum, domi retinere. regebat tum Tiberius Alexander, eiusdem nationis. Tac.hist.1,11,1.Ägypten und die Truppen, die es kontrollieren sollten, verwalteteten schon seit dem vergöttlichten Augustus römische Ritter mit königlicher Machtvollkommenheit. So schien es geraten, die schwer zugängliche, getreidereiche, durch Aberglauben und Zuchtlosigkeit innerlich zerrissene und unzuverlässige Provinz, die nichts von Gesetzen, nichts von Beamten wissen wollte, bei seinem Haus zu behalten. Damals hatte sie einen einheimischen Regenten, Tiberius Alexander.
Konnte hier keine weiteren Belege finden
Anzahl der Treffer: 100
tum D. lunius Silanus primus sententiam rogatus, quod eo tempore consul designatus erat, de iis, qui in custodiis tenebantur, et praeterea de L. Cassio, P. Furio, P. Umbreno, Q. Annio, si deprehensi forent, supplicium sumundum decreverat; isque postea permotus oratione C. Caesaris pedibus in sententiam Ti. Neronis iturum se dixit, quod de ea re praesidiis additis referundum censuerat. Sall.Cat.50,4Nun wurde Decimus Iunius Silanus, weil er zu dieser Zeit designierter Konsul war, zuerst nach seiner Meinung befragt. Er hatte sich dahin erklärt, dass an denen, die sich in Gewahrsam befanden, und an Lucius Cassius, Publius Furius, Publius Umbrenus und Quintus Annius, wenn sie aufgegriffen würden, die Todesstrafe zu vollziehen sei. Später sagte er, unter dem Eindruck der Rede des Gaius Caesar, er werde sich bei der Abstimmung dem Antrag des Tiberius Nero anschließen. Dieser hatte nämlich beantragt, erst die Wachen zu verstärken und dann den Sachverhalt neu zu verhandeln.
An vero vir amplissimus, P. Scipio, pontifex maximus, Ti. Gracchum mediocriter labefactantem statum rei publicae privatus interfecit: Catilinam orbem terrae caede atque incendiis vastare cupientem nos consules perferemus? Nam illa nimis antiqua praetereo, quod C. Servilius Ahala Sp. Maelium novis rebus studentem manu sua occidit. Cic.Catil.1,3Konnte doch der hochachtbare Mann Publius Scipio, der Oberpriester, als Privatmann den Tiberius Gracchus, weil dieser eine minder bedeutende Erschütterung des Bestandes der Republik bewirken wollte, töten: und wir, die Konsuln, sollten es dulden, dass Catilina die ganze Welt mit Mord und Brand zu verwüsten trachtet? Denn ich übergehe jene veraltete Geschichte, wo Quintus Servilius Ahala den Spurius Maelius, der eine Staatsumwälzung beabsichtigte, mit eigener Hand erschlug.
Ego vero si velim et nostrae civitatis exemplis uti et aliarum, plura proferre possim detrimenta publicis rebus quam adiumenta, per homines eloquentissimos importata; sed ut reliqua praetermittam, omnium mihi videor, exceptis, Crasse, vobis duobus, eloquentissimos audisse Ti. et C. Sempronios, quorum pater, homo prudens et gravis, haudquaquam eloquens, et saepe alias et maxime censor saluti rei publicae fuit: atque is non accurata quadam orationis copia, sed nutu atque verbo libertinos in urbanas tribus transtulit, quod nisi fecisset, rem publicam, quam nunc vix tenemus, iam diu nullam haberemus. At vero eius filii diserti et omnibus vel naturae vel doctrinae praesidiis ad dicendum parati, cum civitatem vel paterno consilio vel avitis armis florentissimam accepissent, ista praeclara gubernatrice, ut ais, civitatum eloquentia rem publicam dissipaverunt. Cic.de_orat.1,38.Ja, wenn ich mich auf Beispiele unserer und anderer Staaten berufen wollte, so könnte ich mehr Nachteile als Vorteile anführen, die dem Gemeinwesen durch die beredtesten Männer gebracht sind; doch um anderes zu übergehen, so waren, wie ich glaube, unter allen Rednern, die ich gehört habe, wenn ich euch beide, Crassus, ausnehme, die größten die beiden Sempronier, Tiberius und Gaius, deren Vater, ein verständiger und achtungswürdiger Mann, aber keineswegs beredt, die Wohlfahrt des Staates sowohl zu anderen Zeiten oft als ganz besonders während seiner Zensur förderte. Und dieser hat nicht durch eine sorgfältige Fülle der Rede, sondern durch einen Wink und ein Wort die Freigelassenen in die städtischen Zünfte versetzt. Hätte er dies nicht getan, so würden wir den Staat, den wir jetzt kaum noch behaupten können, schon längst gar nicht mehr haben. Aber seine beredten und mit allen Gaben der Natur und allen Hilfsmitteln der Gelehrsamkeit zum Reden ausgerüsteten Söhne haben, da sie doch den Staat durch die Klugheit ihres Vaters und durch die Waffen ihres Großvaters in der höchsten Blüte überkommen hatten, durch diese deine Lenkerin der Staaten, wie du die Beredsamkeit nennst, das Vermögen des Staates zerrüttet.
Ti. quidem Gracchum rem publicam vexantem a Q. Tuberone aequalibusque amicis derelictum videbamus. Cic.Lael.37.aWir haben erlebt, wie Tiberius Gracchus, als er den Staat beunruhigte, von Quintus Tubero und von seinen Altersfreunden gänzlich verlassen wurde.
At C. Blossius Cumanus, hospes familiae vestrae, Scaevola, cum ad me, quod aderam Laenati et Rupilio consulibus in consilio, deprecatum venisset, hanc, ut sibi ignoscerem, causam adferebat, quod tanti Ti. Gracchum fecisset, ut, quidquid ille vellet, sibi faciendum putaret. Cic.Lael.37.bAls aber Gaius Blossius aus Cumae, ein Gastfreund eurer Familie, mein Scaevola, zu der Zeit, wo mich die Konsuln Laenas und Rupilius bloß zur Beratung bei der Untersuchung beigezogen hatten, zu mir gekommen war, um sich zu entschuldigen, so führte er für die erbetene Verzeihung den Grund an, er habe so viel auf Tiberius Gracchus gehalten, dass er glaubte, alles tun zu müssen, was jener nur wollte.
Videtis, quam nefaria vox! Et hercule ita fecit, vel plus etiam, quam dixit; non enim paruit ille Ti. Gracchi temeritati, sed praefuit, nec se comitem illius furoris, sed ducem praebuit. Cic.Lael.37.dIhr seht, welch ein frevelhaftes Wort das war! Und in der Tat so handelte er auch; ja er tat noch weit mehr, als er ausgesprochen hatte. Denn er war nicht bloß das dienende Werkzeug der unbesonnenen Pläne des Tiberius Gracchus, sondern leitete sie sogar; nicht bloß den Begleiter des tollen Aufrührers gab er ab, sondern sogar seinen Führer.
tum et cum iis et inter se coniunctissimos fuisse M'. Curium, Ti. Coruncanium memoriae proditum est. Cic.Lael.39.bsodann ist uns geschichtlich überliefert, dass Manius Curius und Tiberius Coruncanius mit diesen Männern und unter sich selbst auf sehr vertrautem Fuß gelebt haben.
At vero Ti. Gracchum sequebantur C. Carbo, C. Cato, et minime tum quidem C. frater, nunc idem acerrimus. Cic.Lael.39.eUnd doch hielt es mit Tiberius Gracchus ein Gaius Carbo und Gaius Cato, sowie der eigene Bruder Gaius; dieser, damals sein unbedeutendster Anhänger, jetzt der hitzigste.
Ti. Gracchus regnum occupare conatus est, vel regnavit is quidem paucos menses. Cic.Lael.41.aTiberius Gracchus strebte nach Alleinherrschaft oder er war vielmehr wenige Monate lang in ihrem Besitz.
Nam Carbonem, quocumque modo potuimus, propter recentem poenam Ti. Gracchi sustinuimus; Cic.Lael.41.cDenn Carbo haben wir, weil die Strafe des Tiberius Gracchus noch in zu frischem Andenken war, auf alle mögliche Art geschont.
Hac nos adulescentes benevolentia senes illos, L. Paulum, M. Catonem, C. Galum, P. Nasicam, Ti. Gracchum, Scipionis nostri socerum, dileximus; Cic.Lael.101.aEin solches Gefühl der Wertschätzung und wohlwollender Liebe hegte ich in meiner Jugend gegen jene Greise, den Lucius Paulus, Marcus Cato, Gaius Galus, Publius Nasica, Tiberius Gracchus, den Schwiegervater unseres Scipio.
at Germani Carbone et Cassio et Scauro Aurelio et Servilio Caepione Maximoque Mallio fusis vel captis quinque simul consulares exercitus populo Romano, Varum tresque cum eo legiones etiam Caesari abstulerunt; nec impune C. Marius in Italia, divus Iulius in Gallia, Drusus ac Nero et Germanicus in suis eos sedibus perculerunt: mox ingentes C. Caesaris minae in ludibrium versae. Tac.Germ.37,5Dagegen haben die Germanen den Carbo und Cassius und Scaurus Aurelius und Servilius Caepio auch den Mallius Maximus geschlagen oder gefangen genommen, haben damit zugleich dem römischen Volk fünf konsularische Heere, dann den Varus und mit ihm drei Legionen auch noch dem Caesar Augustus abgenommen. Und nicht ungestraft haben Gaius Marius in Italien, der verewigte Iulius Caesar in Gallien, Drusus und (Tiberius) Nero und Germanicus sie auf ihrem eigenen Boden geschlagen. Dann kamen die großartigen Drohanstalten des Gaius Caesar (Caligula), die zum Gespött wurden.
[Cic.off.1,76,3] Nec plus Africanus, singularis et vir et imperator in exscindenda Numantia rei publicae profuit quam eodem tempore P. Nasica privatus, cum Ti. Gracchum interemit; Cic.off.1,76,3Auch hat Africanus, so einzig er ist, als Mensch und als Feldherr durch die Zerstörung Numantias dem Staat nicht mehr genützt als zur selben Zeit Publius Nasica, der kein Amt bekleidete, ihm dadurch nützte, dass er den Tiberius Gracchus aus dem Weg räumte.
sed veteris populi Romani prospera vel adversa claris scriptoribus memorata sunt; temporibusque Augusti dicendis non defuere decora ingenia, donec gliscente adulatione deterrerentur. Tiberii Gaique et Claudii ac Neronis res florentibus ipsis ob metum falsae, postquam occiderant, recentibus odiis compositae sunt. Tac.ann.1,1,2.Was das alte Römervolk angeht, so haben hochberühmte Geschichtsschreiber seine frohen und seine widrigen Geschicke der Nachwelt überliefert. Auch den Zeiten des Augustus fehlte es, sie zu beschreiben, nicht an Männern, die ihre Vorzüge hatten, bis allmählich die Schmeichelei überhand nahm und sie abschreckte. Die Regierung des Tiberius und Gaius, des Claudius und Nero wurde, solange sie auf ihrer Höhe standen, aus Furcht verfälscht und nach ihrem Ende mit noch frischem Hass geschildert.
inde consilium mihi pauca de Augusto et extrema tradere, mox Tiberii principatum et cetera, sine ira et studio, quorum causas procul habeo. Tac.ann.1,1,3.Daher mein Entschluss, von Augustus Weniges, und zwar nur von seinem Ende, sodann die Regierung des Tiberius und das Weitere - ohne Parteilichkeit für und wider - zu berichten. Zu beidem liegen mir die Beweggründe fern.
Ceterum Augustus subsidia dominationi Claudium Marcellum sororis filium admodum adulescentem pontificatu et curuli aedilitate, M. Agrippam ignobilem loco, bonum militia et victoriae socium, geminatis consulatibus extulit, mox defuncto Marcello generum sumpsit; Tiberium Neronem et Claudium Drusum privignos imperatoriis nominibus auxit, integra etiam tum domo sua. Tac.ann.1,3,1.Übrigens sorgte Augustus auch für Stützen seiner Alleinherrschaft: seinen noch ganz jungen Schwestersohn Claudius Marcellus zeichnete er durch das Pontifikat und die kurulische Ädilität aus, Marcus Agrippa, einen Mann von niederer Abkunft, dabei aber tüchtig im Krieg und Gefährte seiner Siege, dadurch, dass er ihn zwei Mal hintereinander Konsul werden ließ; später, als Marcellus gestorben war, nahm er ihn zu Schwager. Seinen Stiefsöhnen Tiberius Nero und Claudius Drusus verlieh er den Titel "Imperator", obgleich in sein eigenes Haus noch keine Lücke gekommen war.
at hercule Germanicum Druso ortum octo apud Rhenum legionibus inposuit adscirique per adoptionem a Tiberio iussit, quamquam esset in domo Tiberii filius iuvenis, sed quo pluribus munimentis insisteret. Tac.ann.1,3,5.Doch setzte er - man höre - den Germanicus, des Drusus Sohn, über die acht Legionen am Rhein, und Tiberius musste ihn adoptieren, obwohl dieser einen eigenen erwachsenen Sohn hatte. Er wollte sich eben mit recht vielen Stützen absichern!
trucem Agrippam et ignominia accensum non aetate neque rerum experientia tantae moli parem, Tiberium Neronem maturum annis, spectatum bello, set vetere atque insita Claudiae familiae superbia, multaque indicia saevitiae, quamquam premantur, erumpere. Tac.ann.1,4,3.Agrippa sei ein wilder Trotzkopf, durch die Beschimpfung verbittert und nach Alter und Erfahrung einer so gewaltigen Aufgabe nicht gewachsen. Tiberius Nero zwar reif an Jahren und im Krieg erprobt, - aber er teile den altangestammten Hochmut der Claudier; auch breche in manchen Anzeichen, so sehr er an sich halte, der Wüterich hervor;
utcumque se ea res habuit, vixdum ingressus Illyricum Tiberius properis matris litteris accitur; neque satis conpertum est, spirantem adhuc Augustum apud urbem Nolam an exanimem reppererit. Tac.ann.1,5,3.Wie dem auch sei: kaum hatte Tiberius Illyrien betreten, als er von der Mutter durch Eilboten zurückgerufen wurde. Man erfuhr nichts Sicheres, ob er den Augustus zu Nola noch lebend oder schon entseelt angetroffen hat.
acribus namque custodiis domum et vias saepserat Livia, laetique interdum nuntii vulgabantur, donec provisis quae tempus monebat simul excessisse Augustum et rerum potiri Neronem fama eadem tulit. Tac.ann.1,5,4.Livia hatte nämlich Haus und Zugänge mit scharfen Wachen gesperrt, von Zeit zu Zeit wurden erfreuliche Nachrichten ausgegeben, bis alles, was die Umstände erforderten, vorgesehen war und sich mit der Nachricht, dass Augustus verschieden sei, sich die Kunde verbreitete, Tiberius sei Herrscher.
Primum facinus novi principatus fuit Postumi Agrippae caedes, quem ignarum inerumumque quamvis firmatus animo centurio aegre confecit. nihil de ea re Tiberius apud senatum disseruit: patris iussa simulabat, quibus praescripsisset tribuno custodiae adposito, ne cunctaretur Agrippam morte adficere, quandoque ipse supremum diem explevisset. Tac.ann.1,6,1.Die erste Tat der neuen Herrschaft war die Ermordung des Agrippa Postumus. Er ahnte nichts und war wehrlos und doch hatte der beherzte Centurio Mühe, mit ihm fertig zu werden. Tiberius sprach im Senat kein Wort über den Vorfall. Er tat so, als habe sein Vater dem mit der Bewachung beauftragten Tribunen befohlen, Agrippa unverzüglich den Tod zu geben, sobald er selbst seine Tage beschlossen habe.
multa sine dubio saevaque Augustus de moribus adulescentis questus, ut exilium eius senatus consulto sanciretur perfecerat: ceterum in nullius umquam suorum necem duravit, neque mortem nepoti pro securitate privigni inlatam credibile erat. propius vero Tiberium ac Liviam, illum metu, hanc novercalibus odiis, suspecti et invisi iuvenis caedem festinavisse. Tac.ann.1,6,2.Ohne Zweifel hatte sich Augustus über das Betragen des Jünglings oft arg beklagt und darauf gedrungen, dass seine Verbannung durch einen Senatsbeschluss bestätigt wurde. Nie aber trieb er die Härte bei einem Familienmitglied bis zum Blutvergießen, und es ist nicht glaubhaft, dass er für die Sicherheit des Stiefssohns das Leben des Enkels opferte. Wahrscheinlicher ist, dass Tiberius und Livia, er aus Furcht, sie in stiefmütterlichem Hass, nicht Eiligeres zu tun hatten, als den verdächtigen und verhassten jungen Mann zu ermorden.
nuntianti centurioni, ut mos militiae, factum esse quod imperasset, neque imperasse sese et rationem facti reddendam apud senatum respondit. quod postquam Sallustius Crispus particeps secretorum (is ad tribunum miserat codicillos) comperit, metuens ne reus subderetur, iuxta periculoso ficta seu vera promeret, monuit Liviam ne arcana domus, ne consilia amicorum, ministeria militum vulgarentur, neve Tiberius vim principatus resolveret cunta ad senatum vocando: eam condicionem esse imperandi, ut non aliter ratio constet quam si uni reddatur. Tac.ann.1,6,3.Dem Centurio, der nach Soldatenbrauch die Ausführung des Befehles meldete, gab er zur Antwort, er habe nichts befohlen und jener werde vor dem Senat, was geschehen sei, zu verantworten haben. Als Sallustius Crispus, der an den geheimen Plänen Teil hatte, und auch den schriftlichen Befehl an den Tribunen geschickt hatte, dies erfuhr, befürchtete er, er könne als Schuldiger vorgeschoben werden. Da es in diesem Fall gleich gefährlich war, die Wahrheit oder Lügen vorzutragen, warnte er Livia, man solle doch die Geheimnisse des Hauses. die Ratschläge der Freunde und die Dienstleistungen der Soldaten nicht jedermann wissen lassen; und Tiberius solle nicht den Zauber der Fürstengewalt zunichte machen, indem er alles vor den Senat bringe. Das Geheimnis der Macht sei es, dass die Rechnung nur dann aufgehe, wenn man sie einem gegenüber erstelle.
Sex. Pompeius et Sex. Appuleius consules primi in verba Tiberii Caesaris iuravere, apudque eos Seius Strabo et C. Turranius, ille praetoriarum cohortium praefectus, hic annonae; mox senatus milesque et populus. Tac.ann.1,7,2.Die Konsuln Sextus Pompeius und Sextus Appuleius leisteten zuerst Tiberius Caesar den Treueeid; bei ihnen dann Seius Strabo und Gaius Turranius, jener Oberster der Leibwache, dieser Oberaufseher der Getreideversorgung; sofort auch Senat, Heer und Volk.
Nam Tiberius cuncta per consules incipiebat, tamquam vetere re publica et ambiguus imperandi: ne edictum quidem, quo patres in curiam vocabat, nisi tribuniciae potestatis praescriptione posuit sub Augusto acceptae. Tac.ann.1,7,3.Tiberius ließ nämlich alles von den Konsuln ausgehen, als wäre es das alte freie Rom und er noch unentschlossen, ob er die Herrschaft übernehme. Selbst den Erlass, mit dem er die Väter in die Kurie berief, unterzeichnete er bloß als Tribun, was er unter Augustus geworden war.
Nihil primo senatus die agi passus [est] nisi de supremis Augusti, cuius testamentum inlatum per virgines Vestae Tiberium et Liviam heredes habuit. Livia in familiam Iuliam nomenque Augustum adumebatur; in spem secundam nepotes pronepotesque, tertio gradu primores civitatis scripserat, plerosque invisos sibi, sed iactantia gloriaque ad posteros. Tac.ann.1,8,1.In der ersten Senatssitzung ließ er nichts vernehmen, als was sich auf das Lebensende des Augustus bezog. Sein Testament wurde von den Jungfrauen der Vesta vorgelegt; es setzte Tiberius und Livia zu Erben ein. Livia wurde mit dem Titel Augusta in die julische Familie aufgenommen. In zweiter Linie kamen die Enkel und Urenkel, in dritter die führenden Männer im Staat, die meisten ihm verhasst , aber man konnte damit glänzen und Ruhm bei der Nachwelt gewinnen.
addebat Messalla Valerius renovandum per annos sacramentum in nomen Tiberii; interrogatusque a Tiberio num se mandante eam sententiam prompsisset, sponte dixisse respondit, neque in iis quae ad rem publicam pertinerent consilio nisi suo usurum, vel cum periculo offensionis: ea sola species adulandi supererat. Tac.ann.1,8,4.Messala Valerius setzte hinzu, man solle den Treueeid auf den Namen des Tiberius jährlich erneuern. Als Tiberius fragte, ob er den Vorschlag auf sein Geheiß gemacht habe, gab er zur Antwort, er habe es aus eigenem Antrieb getan, und werde er in einer Sache, die das Gemeinwesen angehen, nie einer anderen als der eigenen, selbst auf die Gefahr hin, Anstoß zu erregen. An dieser einen Art der Schmeichelei fehlte es noch!
ne Tiberium quidem caritate aut rei publicae cura successorem adscitum, sed quoniam adrogantiam saevitiamque eius introspexerit, comparatione deterrima sibi gloriam quaesivisse. etenim Augustus paucis ante annis, cum Tiberio tribuniciam potestatem a patribus rursum postularet, quamquam honora oratione quaedam de habitu cultuque et institutis eius iecerat, quae velut excusando exprobraret. Tac.ann.1,10,7.Selbst den Tiberius habe er nicht aus Liebe oder aus Sorge um das Gemeinwesen als Nachfolger genommen, sondern habe, da er seinen Hochmut und seine Grausamkeit erkannte, in einem recht minderwertigen Gegenbild Ruhm für sich gesucht. In der Tat hatte Augustus wenige Jahre zuvor , als er von den Vätern abermals die tribunizische Gewalt für Tiberius begehrte, in seinem wenn auch ehrenden Vortrag über dessen äußere Haltung, Lebensweise und Gewohneiten einiges fallen lassen, was wie Entschuldigung klang, aber Vorwurf war.
Versae inde ad Tiberium preces. et ille varie diserebat de magnitudine imperii sua modestia. solam divi Augusti mentem tantae molis capacem: se in partem curarum ab illo vocatum experiendo didicisse quam arduum, quam subiectum fortunae regendi cuncta onus. proinde in civitate tot inlustribus viris subnixa non ad unum omnia deferrent: plures facilius munia rei publicae sociatis laboribus exsecuturos. plus in oratione tali dignitatis quam fidei erat; Tac.ann.1,11,1.Hierauf ging es mit Bitten an Tiberius, der sofort mancherlei über die Größe des Reiches und seine bescheidenen Ansprüche sprach: Nur der Geist des vergöttlichten Augustus sei einer solchen Aufgabe gewachsen gewesen. Er habe, von ihm zur Teilnahme an der Regierung berufen, aus Erfahrung gelernt, wie schwer die Last sei, wie sehr dem Glück unterworfen, alles allein zu leiten. Sie sollten daher in einem Gemeinwesen, das sich auf so viele erlauchte Männer stütze, nicht alles einem übertragen! Eine größere Zahl würde mit vereinten Kräften leichter mit den öffentlichen Aufgaben fertig werden. In solcher Rede lag mehr Würde als Glaubwürdigkeit.
Tiberioque etiam in rebus quas non occuleret, seu natura sive adsuetudine, suspensa semper et obscura verba: tunc vero nitenti ut sensus suos penitus abderet, in incertum et ambiguum magis implicabantur. Tac.ann.1,11,2.Überhaupt waren die Worte des Tiberius, auch wo er nichts zu verheimlichen hatte, sei es seiner Natur nach oder aus Gewöhnung, immer mehrdeutig und dunkel. Damals vollends hüllte er sie, weil er sich bemühte, seine Gedanken tief im Herzen zu verbergen, um so mehr in Ungewissheit und Zweideutigkeit.
Inter quae senatu ad infimas obtestationes procumbente, dixit forte Tiberius se ut non toti rei publicae parem, ita quaecumque pars sibi mandaretur eius tutelam suscepturum. Tac.ann.1,12,1.Als sich der Senat unterdessen zu den niedrigsten Bitten und Beschwörungen herabließ, entfiel Tiberius das Wort, zwar fühle er sich nicht stark genug für die Gesamtleitung des Staates, wolle aber die Verwaltung des Teiles übernehmen, den immer sie ihm anvertrauten.
tum Asinius Gallus' interrogo ' inquit, 'Caesar, quam partem rei publicae mandari tibi velis.' perculsus inprovisa interrogatione paulum reticuit: dein collecto animo respondit nequaquam decorum pudori suo legere aliquid aut evitare ex eo cui in universum excusari mallet. Tac.ann.1,12,2.Da fragte Asinius Gallus: "So frage ich, Caesar, von welchem Teil des Staates du wünschst, dass er dir anvertraut wird." Betroffen über die unerwartete Frage schwieg Tiberius eine Weile; als er sich darauf gesammelt hatte, antwortete er: es lasse sich mit seiner Bescheidenheit nicht vereinbaren, etwasauszuwählen oder abzulehnen, wo er sich lieber ganz freigesprochen sähe.
rursum Gallus (etenim vultu offensionem coniectaverat) non idcirco interrogatum ait, ut divideret quae separari nequirent sed ut sua confessione argueretur unum esse rei publicae corpus atque unius animo regendum. addidit laudem de Augusto Tiberiumque ipsum victoriarum suarum quaeque in toga per tot annos egregie fecisset admonuit. Tac.ann.1,12,3.Gallus, der in seinem Gesicht zu lesen glaubte, dass er Anstoß erregt hatte, erwiderte: er habe nicht gefragt, um zu teilen, was unteilbar sei, sondern dass Tiberius selbst gegen sich das Geständnis ablegen müsse, der Staatskörper sei ein Organismus und müsse von einem Geist regiert werden. Dabei sprach er lobend von Augustus und erinnerte Tiberius selbst an seine Siege und an seine im Lauf so vieler Jahre in der Toga erworbenen Verdienste.
nec ideo iram eius lenivit, pridem invisus, tamquam ducta in matrimonium Vipsania M. Agrippae filia, quae quondam Tiberii uxor filerat, plus quam civilia agitaret Pollionisque Asinii patris foreciam retineret. Tac.ann.1,12,4.Aber er besänftigte damit nicht seinen Zorn. War er ihm doch längst verhasst, also ob er durch seine Vermählung mit mit Vispsania, der Tochter des Marcus Agrippa, die früher die Gattin des Tiberius gewesen war, das bürgerliche Maß überschreite und den Trotz seines Vaters Asinius Pollio geerbt habe.
Post quae L. Arruntius haud multum discrepans a Galli oratione perinde offendit, quamquam Tiberio nulla vetus in Arruntium ira: sed divitem, promptum, artibus egregiis et pari fama publice, suspectabat. Tac.ann.1,13,1.Hierauf sprach Lucius Arruntius in ähnlichem Sinn wie Gallus und erregte nicht weniger Anstoß. Zwar hegte Tiberius keinen alten Groll gegen Arruntius, aber er war ein reicher, entschlossener Mann von trefflichen Eigenschaften, mit entsprechender öffentlicher Geltung; und so betrachtete ihn Tiberius mit misstrauische Auge.
de prioribus consentitur, pro Arruntio quidam Cn. Pisonem tradidere; omnesque praeter Lepidum variis mox criminibus struente Tiberio circumventi sunt. Tac.ann.1,13,3.Über die beiden ersten ist man einig, statt des Arruntius nennen einige den Gnaeus Piso. In der Folge erlagen sie - mit Ausnahme des Lepidus - verschiedenen Beschuldigungen, die Tiberius aufgebracht hatte.
constat Haterium, cum deprecandi causa Palatium introisset ambulantisque Tiberii genua advolveretur, prope a militibus interfectum quia Tiberius casu an manibus eius inpeditus prociderat. neque tamen periculo talis viri mitigatus est, donec Haterius Augustam oraret eiusque curatissimis precibus protegeretur. Tac.ann.1,13,6.Von Haterius ist bekannt, dass er im Palast, wohin er sich nachher begab, um Abbitte zu leisten, sich dem auf- und abgehenden Tiberius zu Füßen warf und beinahe von den Soldaten umgebracht worden wäre, weil Tiberius zufällig, oder weil er über seine Hände strauchelte, zu Boden fiel. Selbst eines solchen Mannes Gefahr vermochte ihn nicht zu besänftigen, bis Haterius die Augusta ansprach und durch ihre angelegensten Bitten Schutz fand.
Tum primum e campo comitia ad patres translata sunt: nam ad eam diem, etsi potissima arbitrio principis, quaedam tamen studiis tribuum fiebant. neque populus ademptum ius questus est nisi inani rumore, et senatus largitionibus ac precibus sordidis exsolutus libens tenuit, moderante Tiberio ne plures quam quattuor candidatos commendaret sine repulsa et ambitu designandos. Tac.ann.1,15,1.Jetzt wurden zum ersten Mal auch die Wahlen vom Marsfeld weg auf die Väter übertragen; denn bis dahin war zwar das Wichtigste nach dem Gutdünken des Herrschers, doch mitunter auch etwas nach den Wünschen der Tribus geschehen. Das Volk beklagte sich höchstens durch ein eitles Murren, dass ihm sein Recht entrissen wurde. Der Senat aber, der nun des Spendens und des erniedrigenden Bittens enthoben war, blieb gern dabei, zumal Tiberius die nähere Bestimmung hinzufügte, er gedenke nie mehr als vier Bewerber zu empfehlen, die dann ohne Bewerbung und ohne die Möglichkeit einer Abweisung designiert werden müssten.
castris aestivis tres simul legiones habebantur, praesidente Iunio Blaeso, qui fine Augusti et initiis Tiberii auditis ob iustitium aut gaudium intermiserat solita munia. eo principio lascivire miles, discordare, pessimi cuiusque sermonibus praebere auris, denique luxum et otium cupere, disciplinam et laborem aspernari. Tac.ann.1,16,2.Im Sommerlager standen dort drei Legionen beisammen unter Junius Blaesus. Dieser hatte auf die Nachricht vom Lebensende des Auguste und dem Regierungsantritt des Tiberius der öffentlichen Trauer wegen und dann als Freudenbezeugung die gewöhnlichen Arbeiten eingestellt. Dies gab die erste Veranlassung, das Ausgelassenheit und feindselige Stimmung unter die Truppen kam; sie horchten auf das Gerede der Schlechten, wurden lüstern nach schwelgendem Ruhegenuss und wollten von Kriegszug und Anstrengung nichts mehr wissen.
Haec audita quamquam abstrusum et tristissima quaeque maxime occultantem Tiberium perpulere, ut Drusum filium cum primoribus civitatis duabusque praetoriis cohortibus mitteret, nullis satis certis mandatis, ex re consulturum. et cohortes delecto milite supra solitum firmatae. Tac.ann.1,24,1.Die Nachricht von diesen Vorfällen bewog den sonst so verschlossenen Tiberius, der, je schlimmer eine Sache war, desto gewisser sie geheim hielt, dass er seinen Sohn Drusus mit Männern der höchsten Stellung im Staat und zwei Kohorten Leibwache abordnete. Verhaltensmaßregeln bestimmte er ihnen keine: er solle nach den Umständen handeln. Die Kohorten waren durch auserlesener Soldaten in ungewöhnlichem Maß verstärkt.
additur magna pars praetoriani equitis et robora Germanorum, qui tum custodes imperatori aderant; simul praetorii praefectus Aelius Seianus, collega Straboni patri suo datus, magna apud Tiberium auctoritate, rector iuveni et ceteris periculorum praemiorumque ostentator. Druso propinquanti quasi per officium obviae fuere legiones, non laetae, ut adsolet, neque insignibus fulgentes, sed inluvie deformi et vultu, quamquam maestitiam imitarentur, contumaciae propiores. Tac.ann.1,24,2.Beigegeben war ein großer Teil der prätorischen Reiterei und die kräftigsten von den Germanen, die der Caesar damals als Leibwächter um sich hatte. Zugleich sollte der Präfekt der Leibwache, Aelius Seianus, der seinem Vaters Strabo als Amtsgenosse an die Seite gesetzt war und bei Tiberius in hohem Ansehen stand, den jungen Mann leiten und den anderen, was sie zu hoffen und zu fürchten hätten, vor Augen führen. Als Drusus sich näherte, zogen ihm die Legionen, scheinbar zur Begrüßung, entgegen, nicht freundlichen Aussehens wie sonst, noch prunkend in ihren Auszeichnungen, sondern in entstellendem Schmutz und mit einer Miene, die traurig sein sollte, aber dem Trotz näher stand.
cur venisset neque augendis militum stipendiis neque adlevandis laboribus, denique nulla bene faciendi licentia? at hercule verbera et necem cunctis permitti. Tiberium olim nomine Augusti desideria legionum frustrari solitum: easdem artis Drusum rettulisse. Tac.ann.1,26,2.Warum er gekommen sei, wenn er weder die Entlohnung der Soldaten zu erhöhen, noch ihre Beschwerden zu erleichtern komme, überhaupt keine Vollmacht zu Vergünstigungen habe? Ja, zu Leibes- und Lebensstrafen - da gebe man allgemein Vollmacht. Vordem sei es gewöhnlich Tiberius gewesen, der unter Berufung auf Augustus Legionen mit ihren Wünschen genarrt habe, nun komme Drusus mit denselben Kunststücken.
orantibus rursum idem Blaesus et L. Aponius, eques Romanus e cohorte Drusi, Iustusque Catonius, primi ordinis centurio, ad Tiberium mittuntur. Tac.ann.1,29,2.Auf ihr Ansuchen wird noch einmal derselbe Blaesus nebst Lucius Aponius, einem römischen Ritter aus der Kohorte des Drusus, und ein Obercenturio, Justus Catonius, an Tiberius abgeordnet.
primum octava, dein quinta decuma legio rediere: nonanus opperiendas Tiberii epistulas clamitaverat, mox desolatus aliorum discessione imminentem necessitatem sponte praevenit. Tac.ann.1,30,4.Zuerst trat die achte, dann die fünfzehnte Legion den Rückweg an. Die von der neunten schrieen, man müsse zuvor das Schreiben des Tiberius abwarten; bald aber war sie durch den Abzug der anderen vereinzelt und kam der drohende Notwendigkeit freiwillig zuvor.
Interea Germanico per Gallias, ut diximus, census accipienti excessisse Augustum adfertur. neptem eius Agrippinam in matrimonio pluresque ex ea liberos habebat, ipse Druso fratre Tiberii genitus, Augustae nepos, set anxius occultis in se patrui aviaeque odiis, quorum causae acriores, quia iniquae. Tac.ann.1,33,1.Inzwischen erhält Germanicus, der, wie gesagt, in Gallien den Zensus einzog, Nachricht vom Ableben des Augustus. Er hatte dessen Enkelin Agrippina zur Gattin und von ihr mehrere Kinder; er selbst war der Sohn des Drusus, des Bruders des Tiberius, und Enkel der Augusta, aber geängstigt durch den versteckten Hass des Oheims und der Großmutter, dessen Beweggründe, weil ungerecht, nur umso bitterer waren.
quippe Drusi magna apud populum Romanum memoria, credebaturque, si rerum potitus foret, libertatem redditurus; unde in Germanicum favor et spes eadem. nam iuveni civile ingenium, mira comitas et diversa a Tiberii sermone, vultu, adrogantibus et obscuris. Tac.ann.1,33,2.Drusus stand nämlich in hohem Andenken beim römischen Volk, und man glaubte, er hätte, wenn er in den Besitz der höchsten Gewalt gelangt wäre, die freie Verfassung wieder hergestellt. Daher dieselbe Zuneigung auch zu Germanicus und die gleiche Erwartung von ihm; denn der junge Mann bewies bürgerlichen Sinn und eine ungemeine Freundlichkeit im Umgang, die gegen das Anmaßende und Versteckte in der Sprache und Miene des Tiberius sehr abstach.
Sed Germanicus quanto summae spei propior, tanto impensius pro Tiberio niti. Sequanos proximos et Belgarum civitates in verba eius adigit. dehinc audito legionum tumultu raptim profectus obvias extra castra habuit, deiectis in terram oculis velut paenitentia. Tac.ann.1,34,1.Je näher aber Germanicus am Ziel der höchsten Hoffnung war, desto eifriger bemühte er sich für Tiberius. Die ihm zunächst gelegenen Sequaner und belgische Gaue lässt er den Huldigungseid schwören; darauf wird er von dem Aufruhr der Legionen benachrichtigt, reist eiligst ab und trifft sie, ihm entgegengehend, außerhalb Lagers, die Augen zur Erde gesenkt, wie aus Reue.
tunc a veneratione Augusti orsus flexit ad victorias triumphosque Tiberii, praecipuis laudibus celebrans, quae apud Germanias illis cum legionibus pulcherrima fecisset. Italiae inde consensum, Galliarum fidem extollit; nil usquam turbidum aut discors. silentio haec vel murmure modico audita sunt. Tac.ann.1,34,4.Jetzt begann er mit dem Preis des Augustus, ging darauf über zu den Siegen und Triumphen des Tiberius, mit besonderem Lob dafür, was dieser gerade mit diesen Legionen in Germanien Herrliches getan habe. Dann rühmte er Italiens Eintracht, Galliens Treue; nirgends sei Störung der Ordnung oder Misshelligkeit. Soweit hörten sie ihn schweigend oder mit gedämpftem Murren an.
deinde intumescente motu profugus repertusque, postquam intutae latebrae, praesidium ab audacia mutuatur: non praefectum ab iis, sed Germanicum ducem, sed Tiberium imperatorem violari. simul exterritis, qui obstiterant, raptum vexillum ad ripam vertit, et si quis agmine decessisset, pro desertore fore clamitans, reduxit in hiberna turbidos et nihil ausos. Tac.ann.1,38,2.Als später der Aufruhr neu aufwogte, flüchtete er, wurde aufgefunden und borgte jetzt, da Verborgenheit ihn nicht mehr schützte, Schutz im verwegenen Angrff: nicht an ihrem Präfekten, sondern an ihrem Feldherrn Germanicus, an ihrem Imperator Tiberius vergriffen sie sich. Damit riss er - die ihm in den Weg traten, lähmte der Schrecken - rasch die Fahne an sich, lenkte dem Rheinufer zu, rief laut, wer Reih und Glied verlasse, werde als Deserteur behandelt, und führte so die Meuterer, ohne dass sie etwas wagten, ins Winterlager zurück.
'Non mihi uxor aut filius patre et re publica cariores sunt; sed illum quidem sua maiestas, imperium Romanum ceteri exercitus defendent. coniugem et liberos meos, quos pro gloria vestra libens ad exitium offerrem, nunc procul a furentibus summoveo, ut, quidquid istud sceleris imminet, meo tantum sanguine pietur, neve occisus Augusti pronepos, interfecta Tiberii nurus nocentiores vos faciant. Tac.ann.1,42,1."Nicht Gattin, nicht Sohn sind mir lieber als Vater und Vaterland. Jenen freilich wird seine Majestät, das Römische Reich werden die übrigen Heere schützen. Gattin aber und Kinder, die ich für euren Ruhm willig in den Tod geben würde, schaffe ich jetzt weit weg von eurer Raserei, damit die Verbrechen, die von eurer Seite noch drohen, allein durch mein Blut gesühnt werden und nicht auch der Mord des Urenkels von Augustus, nicht das Blut der Schwiegertochter des Tiberius eure Schuld vergrößere.
divus Iulius seditionem exercitus verbo uno compescuit, Quirites vocando, qui sacramentum eius detrectabant: divus Augustus vultu et aspectu Actiacas legiones exterruit: nos, ut nondum eosdem, ita ex illis ortos, si Hispaniae Syriaeve miles aspernaretur, tamen mirum et indignum erat. primane et vicesima legiones, illa signis a Tiberio acceptis, tu tot proeliorum socia, tot praemiis aucta, egregiam duci vestro gratiam refertis? Tac.ann.1,42,3.Der göttliche Julius hat mit einem Wort ein empörtes Heer bezähmt, indem er Quiriten nannte, die ihrem Fahneneid untreu werden wollten. Der göttliche Augustus hat mit Miene und Blick die Legionen von Actium erbeben lassen! Und mich - zwar bin ich noch nicht, was jene, nenne mich aber doch einen Spross ihres Stammes - mich sollen - es wäre schon auffallend und empörend, wenn ein spanisches oder syrisches Heer mich so schnöde behandelte - mich sollen diese Legionen - du erste dort mit den Feldzeichen aus der Hand des Tiberius, du zwanzigste hier, die du mit ihm in so viele Schlachten gegangen, so hoch von ihm geehrt und belohnt worden bist? - Das ist ein schöner Dank, den ihr eurem Führer darbringt!
At Romae nondum cognito, qui fuisset exitus in Illyrico, et legionum Germanicarum motu audito trepida civitas incusare Tiberium, quod, dum patres et plebem, invalida et inermia, cunctatione ficta ludificetur, dissideat interim miles neque duorum adulescentium nondum adulta auctoritate comprimi queat. Tac.ann.1,46,1.Inzwischen herrschte in Rom, wo man den Ausgang der Dinge in Illyrien noch nicht kannte und nun die Gärung bei den germanischen Legionen erfuhr, bange Besorgnis, und die öffentliche Stimme äußerte sich ungehalten über Tiberius: während er mit Senat und Bürgerstand, die unvermögend und wehrlos seien, durch geheuchelte Unentschlossenheit sein höhnendes Spiel treibe, würden einstweilen die Heere abtrünnig. Durch das noch unreife Ansehen zweier Jünglinge könnten sie nicht gebändigt werden.
an Augustum fessa aetate totiens in Germanias commeare potuisse: Tiberium vigentem annis sedere in senatu, verba patrum cavillantem? satis prospectum urbanae servituti: militaribus animis adhibenda fomenta, ut ferre pacem velint. Tac.ann.1,46,3.Habe Augustus im ruhebedürftigen Alter so oft den Weg nach Germanien machten können: und Tiberius – in der Kraft seiner Jahre – sitze im Senat und bespöttele die Väter und ihre Äußerungen! Für die Knechtschaft in Rom sei hinlänglich gesorgt; in den Heeren müsse der Geist erst durch linde Mittel gewonnen werden, dass er gutwillig den Frieden ertrage.
Immotum adversus eos sermones fixumque Tiberio fuit non omittere caput rerum neque se remque publicam in casum dare. multa quippe et diversa angebant: validior per Germaniam exercitus, propior apud Pannoniam; ille Galliarum opibus subnixus, hic Italiae inminens: quos igitur anteferret? ac ne postpositi contumelia incenderentur. Tac.ann.1,47,1.Fest stand und unerschütterlich gegenüber all dem Gerede bei Tiberius der Entschluss, nicht vom Mittelpunkt zu weichen, sich und das Gemeinwesen keinem Zufall preiszugeben. Denn gar vieles ängstigte ihn und von verschiedenen Seiten her: stärker war das Heer in Germanien, näher das pannonische. Jenes hat Gallien mit seinen Reichtum zum Stützpunkt, dieses bedroht Italien. Welches solle er also vorziehen? Was tun, damit die Zurückgesetzten sich über den Schimpf nicht entrüsteten?
Laeti neque procul Germani agitabant, dum iustitio ob amissum Augustum, post discordiis attinemur. at Romanus agmine propero silvam Caesiam limitemque a Tiberio coeptum scindit, castra in limite locat, frontem ac tergum vallo, latera concaedibus munitus. Tac.ann.1,50,1.Froh kampierten und nicht weit entfernt die Germanen, während wir durch die öffentliche Trauer um Augustus und darauf durch Zwietracht hingehalten waren. Aber die Römer durchschneiden in Eile den Caesierwald, bis wo die von Tiberius begonnene Grenzscheide geht und schlagen auf der Grenze ihr Lager auf, indem sie Vorder- und Rückseite durch einen Wall, die Flanken durch Verhaue schützen.
Nuntiata ea Tiberium laetitia curaque adfecere: gaudebat oppressam seditionem; sed quod largiendis pecuniis et missione festinata favorem militum quaesivisset, bellica quoque Germanici gloria angebatur. Tac.ann.1,52,1.Dem Tiberius brachten diese Nachrichten Freude und Sorge; Freude, dass der Aufruhr unterdrückt war; aber dass Germanicus durch Geldspenden und beschleunigten Abschied die Gunst der Legionen gewonnen hatte, und dazu sein Kriegsruhm, das ängstigte ihn.
Eodem anno Iulia supremum diem obiit, ob impudicitiam olim a patre Augusto Pandateria insula, mox oppido Reginorum, qui Siculum fretum accolunt, clausa. fuerat in matrimonio Tiberii florentibus Gaio et Lucio Caesaribus spreveratque ut inparem; nec alia tam intima Tiberio causa, cur Rhodum abscederet. Tac.ann.1,53,1.Im selben Jahr starb Julia, die wegen unzüchtigen Wandels längst von ihrem Vater Augustus auf die Insel Pandateria, dann in die Stadt Rhegium an der sizilischen Meerenge verbannt war. Sie war, solange noch die Caesaren Gaius und Lucius eine schöne Zukunft erwartete, mit Tiberius vermählt, wollte aber nichts von ihm, als wäre er nicht der Mann für sie; dies war auch der eigentliche, geheime Grund, warum er sich nach Rhodos zurückzog.
par causa saevitiae in Sempronium Gracchum, qui familia nobili, sollers ingenio et prave facundus, eandem Iuliam in matrimonio Marci Agrippae temeraverat. nec is libidini finis: traditam Tiberio pervicax adulter contumacia et odiis in maritum accendebat; litteraeque, quas Iulia patri Augusto cum insectatione Tiberii scripsit, a Graccho compositae credebantur. Tac.ann.1,53,3.Den gleichen Grund hatte seine Grausamkeit gegen Sempronius Gracchus. Dieser, ein Mann von edler Familie, lebhaftem Geist und schlimmberedter Zunge, hatte dieselbe Julia während ihrer Ehe mit Marcus Agrippa verführt. Daran war es aber seinen Gelüsten noch nicht genug. Als sie an Tiberius gekommen war, feuerte sie der hartnäckige Ehebrecher zu störrischem Betragen und zum Hass gegen den Ehegemahl an, und man glaubte, Gracchus sei der Verfasser des den Tiberius verunglimpfenden Briefes, den Julia an ihren Vater Augustus schrieb.
quidam non Roma eos milites, sed ab L. Asprenate pro consule Africae missos tradidere auctore Tiberio, qui famam caedis posse in Asprenatem verti frustra speraverat. Tac.ann.1,53,6.Nach einigen Nachrichten waren die Soldaten nicht von Rom aus, sondern von Lucilius Asprenas, dem Prokonsul von Afrika, abgeschickt, auf Anordnung des Tiberius, der vergebens hoffte, das Gerücht auf Asprenas als Urheber des Mordes lenken zu können.
Idem annus novas caerimonias accepit addito sodalium Augustalium sacerdotio, ut quondam Titus Tatius retinendis Sabinorum sacris sodalis Titios instituerat. sorte ducti e primoribus civitatis unus et viginti: Tiberius Drususque et Claudius et Germanicus adiciuntur. Tac.ann.1,54,1.Dasselbe Jahr erhielt neuen heiligen Dienst, indem zu den bestehenden noch die Priesterschaft der augustalischen Genossen hinzugefügt wurde, so wie vordem Titus Tatius, um den sabinischen Dienst aufrecht zu halten, die titische Genossenschaft eingeführt hatte. Durch das Los wurden einundzwanzig aus den ersten Männern im Staat gezogen. Tiberius und Drusus, Claudius und Germanicus kamen noch dazu.
ludos Augustalis tunc primum coeptos turbavit discordia ex certamine histrionum. indulserat ei ludicro Augustus, dum Maecenati obtemperat effuso in amorem Bathylli; neque ipse abhorrebat talibus studiis et civile rebatur misceri voluptatibus vulgi. alia Tiberio morum via: sed populum per tot annos molliter habitum nondum audebat ad duriora vertere. Tac.ann.1,54,2.Die damals das erste Mal gefeierten augustalischen Spiele störte ein durch Eifersucht der Schauspieler entstandener Streit. Augustus hatte diese Art von Lustbarkeit begünstigt, um dem Maecenas zu Willen zu sein, der in Bathyllus ganz verliebt war, und er fand auch selbst Geschmack an solchen Kunstbestrebungen, indem er Bürgersinn darzulegen glaubte, wenn er an den Vergnügungen des Volkes teilnahm. In andere Richtung ging der Sinn des Tiberius; aber er wagte noch nicht, ein so viele Jahre hindurch mild behandeltes Volk auf rauere Wege zu führen.
Caesar clementi responso liberis propinquisque eius incolumitatem, ipsi sedem vetere in provincia pollicetur. exercitum reduxit nomenque imperatoris auctore Tiberio accepit. Tac.ann.1,58,5.Der Caesar verspricht in gnädiger Erwiderung seinen Kindern und Verwandten Sicherheit, ihm selbst einen Sitz in der alten Provinz, führt dann das Heer zurück und empfängt auf des Tiberius Antrag den Titel Imperator.
aliis gentibus ignorantia imperi Romani inexperta esse supplicia, nescia tributa: quae quoniam exuerint, inritusque discesserit ille inter numina dicatus Augustus, ille delectus Tiberius, ne inperitum adulescentulum, ne seditiosum exercitum pavescerent. Tac.ann.1,59,5.Andere Stämme wüssten nichts von der römischen Art zu herrschen, darum auch nichts von ihren Henkerbeilen, nichts von Abgabenzahlungen; da sie sie (die Cherusker) nun dies abgeschüttelt hätten, nun jener als Gott verehrte Augustus, jener auserkorene Tiberius fruchtlos abgezogen seien, sollten sie vor einem unerfahrenen Jüngling, vor einem aufrührerischen Heer nicht erbeben!
quod Tiberio haud probatum, seu cuncta Germanici in deterius trahenti, sive exercitum imagine caesorum insepultorumque tardatum ad proelia et formidolosiorem hostium credebat; neque imperatorem auguratu et vetustissimis caerimoniis praeditum adtrectare feralia debuisse. Tac.ann.1,62,2.Von Tiberius wurde dies nicht gebilligt, sei es, weil er an Germanicus alles zum Schlimmeren deutete, oder weil er glaubte, das Bild der Erschlagenen und Unbeerdigten habe die Kampfeslust des Heeres schwächen und es zaghafter gegenüber dem Feind machen müssen, und ein Imperator - mit dem Augurat und den ältesten Weihen betraut - hätte sich nicht mit Leichen befassen sollen.
id Tiberii animum altius penetravit: non enim simplicis eas curas, nec adversus externos studia militum quaeri. Tac.ann.1,69,3.Tief schnitt dies dem Tiberius ins Herz. Dies sei nicht einfach nur hingebungsvolle Sorge und nicht gegen Auswärtige suche man die Zuneigung der Soldaten zu gewinnen.
Decreta eo anno triumphalia insignia A. Caecinae, L. Apronio, C. Silio ob res cum Germanico gestas. nomen patris patriae Tiberius, a populo saepius ingestum, repudiavit; neque in acta sua iurari, quamquam censente senatu, permisit, cuncta mortalium incerta, quantoque plus adeptus foret, tanto se magis in lubrico dictitans. Tac.ann.1,72,1.In diesem Jahr wurden dem Aulus Caecina, Lucilius Apronius und Gaius Silius wegen ihrer mit Germanicus vollbrachten Taten die Auszeichnungen des Triumphes zuerkannt. Den Titel 'Vater des Vaterlandes', den das Volk Tiberius mehrmals aufzudrängen versuchte, nahm er nicht an; auch erlaubte er nicht, dass man, wie der Senat beschlossen hatte, auf seine Verfügungen schwöre: bei Menschen sei alles unsicher, und je höher einer gestiegen sei, desto schlüpfriger werde der Boden unter ihm.
primus Augustus cognitionem de famosis libellis specie legis eius tractavit, commotus Cassii Severi libidine, qua viros feminasque inlustris procacibus scriptis diffamaverat; mox Tiberius, consultante Pompeio Macro praetore, an iudicia maiestatis redderentur, exercendas leges esse respondit. Tac.ann.1,72,3.Augustus war der erste, der jenes Gesetz zum Vorwand nahm, eine Untersuchung gegen Schmähschriften einzuleiten; bewogen wurde er dazu durch die mutwillige Laune, aus der heraus Cassius Severus Männer und Frauen von Rang in kecken Schriften verunglimpft hatte. Später gab Tiberius, auf die Anfrage des Prätors Pompeius Macer, ob gerichtliche Untersuchungen nach dem Majestätsgesetz statthaft seien, den Bescheid, die Gesetze seien anzuwenden.
Haud pigebit referre in Falanio et Rubrio, modicis equitibus Romanis, praetemptata crimina, ut quibus initiis, quanta Tiberii arte gravissimum exitium inrepserit, dein repressum sit, postremo arserit cunctaque corripuerit, noscatur. Tac.ann.1,73,1.Es mag nicht unpassend sein zu berichten, dass derartige Beschuldigungen bei zwei römischen Rittern von nicht besonderer Bedeutung, Falanius und Rubrius, ihre Feuerprobe bestanden. Man mag daraus ersehen, aus welchen Anfängen und wie raffiniert von Tiberius eingefädelt, sich dieser schreckliche Fluch einnistete, dann zwar zurückgedrängt, zuletzt aber zum offenen, alles ergreifenden Flächenbrand wurde.
quae ubi Tiberio notuere, scripsit consulibus non ideo decretum patri suo caelum, ut in perniciem civium is honor verteretur. Cassium histrionem solitum inter alios eiusdem artis interesse ludis, quos mater sua in memoriam Augusti sacrasset; nec contra religiones fieri, quod effigies eius, ut alia numinum simulacra, venditionibus hortorum et domuum accedant. Tac.ann.1,73,3.Als dies Tiberius bekannt wurde, schrieb er den Konsuln, nicht deswegen sei seinem Vater der Himmel zuerkannt worden, dass diese Ehre zum Verderben der Bürger ausschlage. Cassius habe als Schauspieler unter weiteren Vertretern desselben Genres bei den Spielen mitgewirkt, die seine Mutter dem Andenken des Augustus gewidmet habe, und es sei kein religiöses Vergehen, dass sein Bild gleich anderen Götterbildern beim Verkauf von Gärten und Häusern mitverkauft werde.
sed Marcellum insimulabat sinistros de Tiberio sermones habuisse, inevitabile crimen, cum ex moribus principis foedissima quaeque deligeret accusator obiectaretque reo. nam quia vera erant, etiam dicta credebantur. addidit Hispo statuam Marcelli altius quam Caesarum sitam, et alia in statua amputato capite Augusti effigiem Tiberii inditam. Tac.ann.1,74,3.Den Marcellus beschuldigte er, nachteilige Reden über Tiberius geführt zu haben, eine Beleidigung, der nicht zu entrinnen war, da der Ankläger aus dem Charakter des Fürsten gerade die hässlichsten Züge auswählte, um sie dem Beklagten zur Last zu legen; denn weil es der Wahrheit entsprach, glaubte man auch, es sei gesagt worden. Hispo fügte hinzu, eine Statue des Marcellus stehe höher als die der Caesaren; von einer anderen Statue habe er den Kopf des Augustus abgenommen und durch den des Tiberius ersetzt.
ad quod exarsit adeo, ut rupta taciturnitate proclamaret se quoque in ea causa laturum sententiam, palam et iuratum, quo ceteris eadem necessitas fieret. Tac.ann.1,74,4.Hierauf enrgrimmte Tiberius so, dass er, sein gewohntes Stillschweigen brach und ausrief, auch er werde in dieser Sache abstimmen, und zwar offen und unter Eid; so sollte für die übrigen der gleiche Zwang entstehen.
Ceterum Tiberio haud ingratum accidit turbari res Orientis, ut ea specie Germanicum suetis legionibus abstraheret novisque provinciis impositum dolo simul et casibus obiectaret. Tac.ann.2,5,1.Übrigens kam dem Tiberius die Verwirrung im Orient nicht ungelegen: Sie gab ihm einen Vorwand, den Germanicus von vertrauten Legionen zu trennen, ihn über neue Provinzen zu setzen und ihn hiermit nicht dem Zufall allein, sondern auch der Hinterlist bloßzustellen.
Flumen Visurgis Romanos Cheruscosque interfluebat. eius in ripa cum ceteris primoribus Arminius adstitit, quaesitoque an Caesar venisset, postquam adesse responsum est, ut liceret cum fratre conloqui, oravit. erat is in exercitu cognomento Flavus, insignis fide et amisso per vulnus oculo paucis ante annis duce Tiberio. Tac.ann.2,9,1.Jetzt trennte Römer und Cherusker nur noch die Weser. Am Ufer stand mit den übrigen Anführern Arminius und fragte, ob der Caesar gekommen sei. Als dieses bejaht wurde, bat er um eine Unterredung mit seinem Bruder. Dieser war beim Heer unter dem Namen Flavus (der Blonde), ausgezeichnet durch seine Treue, wie auch dadurch, dass er wenige Jahre zuvor unter der Führung des Tiberius durch eine Verwundung ein Auge verloren hatte.
miles in loco proelii Tiberium imperatorem salutavit struxitque aggerem et in modum tropaeorum arma subscriptis victarum gentium nominibus imposuit. Tac.ann.2,18,2.Die Legionen begrüßten auf dem Schlachtfeld den Tiberius als Imperator, errichteten einen Erdhügel und legten darauf in der Art einer Trophäe Waffen, worauf die Namen der besiegten Völker standen.
Laudatis pro contione victoribus Caesar congeriem armorum struxit, superbo cum titulo: debellatis inter Rhenum Albimque nationibus exercitum Tiberii Caesaris ea monimenta Marti et Iovi et Augusto sacravisse. de se nihil addidit, metu invidiae an ratus conscientiam facti satis esse. Tac.ann.2,22,1.Der Cäsar lobte die Sieger in öffentlicher Versammlung und ließ als Trophäe Waffen aufschichten mit der stolzen Inschrift: nach Bezwingung der Völker zwischen dem Rhein und der Elbe habe das Heer des Kaisers Tiberius dieses Denkmal dem Mars, Jupiter und Augustus geweiht. Von sich setzte er nichts bei: er fürchtete, Neid zu erregen, oder dachte vielleicht, seine Leistung finde Lohn genug im Bewusstsein.
sed crebris epistulis Tiberius monebat, rediret ad decretum triumphum: satis iam eventuum, satis casuum. prospera illi et magna proelia: eorum quoque meminisset, quae venti et fluctus, nulla ducis culpa, gravia tamen et saeva damna intulissent. Tac.ann.2,26,2.Aber Tiberius schrieb ein über das andere Mal, er solle zu dem zuerkannten Triumph zurückkommen. Erfolge und Unglücksfälle reichten jetzt. Siegreiche und große Schlachten habe er geschlagen. Er solle auch an die wahrhaft entsetzliche Verluste denken, die Sturm und Meereswogen, ohne Schuld des Feldherrn, verursacht hätten.
precante Germanico annum efficiendis coeptis, acrius modestiam eius adgreditur alterum consulatum offerendo, cuius munia praesens obiret. simul adnectebat, si foret adhuc bellandum, relinqueret materiem Drusi fratris gloriae, qui nullo tum alio hoste non nisi apud Germanias adsequi nomen imperatorium et deportare lauream posset. Tac.ann.2,26,4.Als sich Germanicus noch ein Jahr zum Abschluss des Unternehmens ausbat, griff ihn Tiberius noch ernstlicher – an seiner Zurückhaltung – an: er bot ihm ein zweites Konsulat, dessen Ausübung seine persönliche Anwesenheit erfordere. Zugleich knüpfte er an, er solle, wenn noch weitere Kriegsführung nötig sei, die Gelegenheit, Ruhm zu gewinnen, auch seinem Bruder Drusus übriglassen, der zu einer Zeit, wo sich sonst kein Feind finde, nur bei den Germanen den Titel Imperator erringen und sich seine Lorbeeren holen könne.
facilem adsensum Gallo sub nominibus honestis confessio vitiorum et similitudo audientium dedit. adiecerat et Tiberius non id tempus censurae nec, si quid in moribus labaret, defuturum corrigendi auctorem. Tac.ann.2,33,4.Das mit so ehrbaren Worten verhüllte Bekenntnis des Sittenverfalls und die gleiche Gesinnung der Zuhörer verschaffte Gallus willige Zustimmung. Auch hatte Tiberius zusätzlich bemerkt, jetzt sei nicht Zeit zum Sittenrichten, und wenn die Moral in Gefahr käme, so wisse er einen, der dem abhelfe.
Ceterum Tiberius nomine Germanici trecenos plebi sestertios viritim dedit seque collegam consulatui eius destinavit. nec ideo sincerae caritatis fidem adsecutus amoliri iuvenem specie honoris statuit struxitque causas aut forte oblatas arripuit. Tac.ann.2,42,1.Im übrigen schenkte Tiberius im Namen des Germanicus dem Volk pro Mann 300 Sesterze und bestimmte sich zu seinem Amtsgenossen im Konsulat. Weil man dennoch nicht an die Aufrichtigkeit seiner Liebe glaubte, beschloss er, den jungen Mann unter dem Schein einer Auszeichnung zu entfernen; dafür tischte er neue Gründe auf oder ergriff begierig die, die sich ihm zufällig anboten.
rex Archelaus quinquagesimum annum Cappadocia potiebatur, invisus Tiberio, quod eum Rhodi agentem nullo officio coluisset. nec id Archelaus per superbiam omiserat, sed ab intimis Augusti monitus, quia florente Gaio Caesare missoque ad res Orientis intuta Tiberii amicitia credebatur. Tac.ann.2,42,2.Der König Archelaus beherrschte nun im fünfzigsten Jahr Kappadokien, dem Tiberius verhasst, weil er ihm während des Aufenthaltes in Rhodos keinerlei Huldigung dargebracht hatte. Archelaus hatte dies nicht aus Stolz unterlassen, sondern infolge eines Winkes, den er von Vertrauten des Augustus erhalten hatte, weil die Freundschaft des Tiberius bedenklich erschien, solange Gaius Caesar noch lebte und für den Orient zuständig war.
sed Tiberius demoverat Syria Creticum Silanum, per adfinitatem conexum Germanico, quia Silani filia Neroni, vetustissimo liberorum eius, pacta erat, praefeceratque Cn. Pisonem, ingenio violentum et obsequii ignarum, insita ferocia a patre Pisone, qui civili bello resurgentis in Africa partis acerrimo ministerio adversus Caesarem iuvit, mox Brutum et Cassium secutus concesso reditu petitione honorum abstinuit, donec ultro ambiretur delatum ab Augusto consulatum accipere. Tac.ann.2,43,2.Tiberius hatte aber vorher schon den Creticus Silanus, der durch Verlobung seiner Tochter an Nero, den ältesten Sohn des Germanicus, mit diesem verschwägert war, aus Syrien zurückbeordert und die Provinz dem Gneius Piso gegeben, einem Mann von heftiger Gemütsart, der sich fremdem Willen nicht zu fügen wusste und ganz den Trotz seines Vaters Piso geerbt hatte; dieser hatte im Bürgerkrieg die in Afrika wieder auflebende Partei gegen Caesar mit leidenschaftlichstem Diensteifer unterstützt, schloss sich darauf dem Brutus und Cassius an und enthielt sich, nachdem ihm die Rückkehr gestattet war, der Bewerbung um ein Amt, bis man von sich aus an ihn selbst herantrat, das ihm von Augustus zugedachte Konsulat anzunehmen.
sed praeter paternos spiritus uxoris quoque Plancinae nobilitate et opibus accendebatur; vix Tiberio concedere, liberos eius ut multum infra despectare. Tac.ann.2,43,3.Seinen vom Vater ererbten Stolz entfachte zusätzlich der Adel und Reichtum seiner Gemahlin Plancina. Kaum ließ er Tiberius den Vortritt; auf seine Kinder sah er mit großer Verachtung herab.
nec dubium habebat se delectum, qui Syriae imponeretur, ad spes Germanici coercendas. credidere quidam data et a Tiberio occulta mandata; et Plancinam haud dubie Augusta monuit aemulatione muliebri Agrippinam insectandi. Tac.ann.2,43,4.Auch zweifelte er gar nicht, dass er deshalb zum Statthalter Syriens erkoren sei, um die Hoffnungen des Germanicus zu zügeln. Einige glaubten, er habe von Tiberius auch geheime Aufträge erhalten. Soviel steht außer Zweifel, dass Augusta der Plautina Winke gab, der Agrippina mit weiblicher Eifersucht zuzusetzen.
divisa namque et discors aula erat tacitis in Drusum aut Germanicum studiis. Tiberius ut proprium et sui sanguinis Drusum fovebat: Germanico alienatio patrui amorem apud ceteros auxeratc et quia claritudine materni generis anteibat, avum M. Antonium, avunculum Augustum ferens. Tac.ann.2,43,5.Der Hof war nämlich in zwei zerstrittene Parteien geteilt, von denen die eine insgeheim dem Drusus, die andere Germanicus zugeneigt war. Tiberius stützte den Drusus als seinen eigenen leiblichen Sohn. Germanicus dagegen wurde gerade wegen der Ablehnung durch seinen Onkel von den andern umso mehr geliebt; auch gab ihm der Glanz des mütterlichen Geschlechtes den Vorrang; denn er konnte als Großvater Marcus Antonius, als Großonkel Augustus aufweisen.
Sequens annus Tiberium tertium, Germanicum iterum consules habuit. sed eum honorem Germanicus iniit apud urbem Achaiae Nicopolim, quo venerat per Illyricam oram viso fratre Druso in Delmatia agente, Hadriatici ac mox Ionii maris adversam navigationem perpessus. Tac.ann.2,53,1.Im folgenden Jahr war Tiberius zum dritten Mal, Germanicus zum zweiten Mal Konsul. Germanicus trat aber dieses Amt in Nikopolis an, einer Stadt in Achaia, wohin er dem illyrischen Küstenland entlang - er besuchte dort seinen in Delmatien weilenden Bruder Drusus - und darauf in widriger Fahrt über das adriatische und ionische Meer gekommen war.
Tiberius cultu habituque eius lenibus verbis perstricto, acerrime increpuit, quod contra instituta Augusti non sponte principis Alexandriam introisset. Tac.ann.2,59,2.Tiberius kritisierte seine Tracht und sein sonstiges Auftreten nur schwach, tadelte aber aufs schärfste, dass er gegen die Anordnung des Augustus und ohne Genehmigung des Fürsten Alexandria betreten hatte.
Tum ad uxorem versus per memoriam sui, per communis liberos oravit, exueret ferociam, saevienti fortunae summitteret animum, neu regressa in urbem aemulatione potentiae validiores inritaret. haec palam et alia secreto, per quae ostendisse credebatur metum ex Tiberio. Tac.ann.2,72,1.Darauf wandte er sich zur Gattin und beschwor sie bei seinem Andenken, bei ihren gemeinsamen Kindern, den Trotz abzulegen, sich unter den Zorn des Schicksals zu beugen und nach der Rückkehr in die Stadt die Stärkeren nicht durch wetteiferndes Streben nach Macht zu reizen. Dies öffentlich, und anderes im Stillen, wodurch er, wie man glaubte, Furcht vor Tiberius an den Tag legte.
Drusus Tarracinam progressus est cum Claudio fratre liberisque Germanici, qui in urbe fuerant. consules M. Valerius et M. Aurelius (iam enim magistratum occeperant) et senatus ac magna pars populi viam complevere disiecti et, ut cuique libitum, flentes; aberat quippe adulatio gnaris omnibus laetam Tiberio Germanici mortem male dissimulari. Tac.ann.3,2,3.Drusus kam ihnen bis Terracina mit dem Bruder Claudius und den Kindern des Germanicus, die in der Stadt gewesen waren, entgegen. Die Konsuln Marcus Valerius und Gaius Aurelius – sie hatten ihr Amt bereits angetreten - der Senat und ein großer Teil des Volkes füllten den Weg; ganz ungeordnet und weinend, wie einem jedem danach war. Schmeichelei blieb nämlich fern. Wusste doch jedermann, dass Tiberius kaum verbergen konnte, wie willkommen ihm der Tod des Germanicus war.
Tiberius atque Augusta publico abstinuere, inferius maiestate sua rati, si palam lamentarentur, an ne omnium oculis vultum eorum scrutantibus falsi intellegerentur. Tac.ann.3,3,1.Tiberius und Augusta erschienen nicht öffentlich; sie hielten es für unter ihrer Würde, sich öffentlich als Wehklagende zu zeigen; oder geschah es vielleicht, damit sie nicht als heuchlerisch erkannt würden, wenn aller Augen forschend ihr Gesicht durchmusterten?
facilius crediderim Tiberio et Augusta, qui domo non excedebant, cohibitam, ut par maeror et matris exemplo avia quoque et patruus attineri viderentur. Tac.ann.3,3,3.Eher möchte ich glauben, dass Tiberius und Augusta, die ihre Wohnung nicht verließen, sie daran hinderten, damit es scheine, der Gram sei beiderseits gleich und das Beispiel der Mutter halte auch Großmutter und Onkel zu Hause zurück.
nihil tamen Tiberium magis penetravit quam studia hominum accensa in Agrippinam, cum decus patriae, solum Augusti sanguinem, unicum antiquitatis specimen appellarent versique ad caelum ac deos integram illi subolem ac superstitem iniquorum precarentur. Tac.ann.3,4,2.Nichts aber schnitt bei Tiberius tiefer ein als die feurige Liebe des Volkes zu Agrippina; sie sei die Zierde des Vaterlandes; sie allein noch das Blut des Augustus, sie die einzig noch übrige Zierde aus alter Zeit. So sprach man von ihr und erflehte für sie, zum Himmel und seinen Bewohnern gewandt, eine unversehrte Nachkommenschaft, die alle Widrigkeiten überstehe.
Gnarum id Tiberio fuit; utque premeret vulgi sermones, monuit edicto multos inlustrium Romanorum ob rem publicam obisse, neminem tam flagranti desiderio celebratum. idque et sibi et cunctis egregium, si modus adiceretur. non enim eadem decora principibus viris et imperatori populo, quae modicis domibus aut civitatibus. Tac.ann.3,6,1.Dem Tiberius blieb dies nicht unbekannt; um das Gerede im Volk niederzuschlagen, erließ er ein Edikt: Viele erlauchte Römer seien schon im Dienst des Staates umgekommen: noch keiner sei durch so feurige Sehnsucht gefeiert worden. Dies ehre ihn und alle. Nur sei Maß zu halten, denn nicht alles gezieme einem Fürstenhaus und einem Herrschervolk, was sich für gewöhnliche Häuser oder Gemeinwesen schicke.
sed Tiberius saepe apud se pensitato, an coerceri tam profusae cupidines possent, num coercitio plus damni in rem publicam ferret, quam indecorum adtrectare, quod non obtineret, vel retentum ignominiam et infamiam virorum inlustrium posceret, postremo litteras ad senatum composuit, quarum sententia in hunc modum fuit. Tac.ann.3,52,3.Tiberius aber erwog hin und her, ob man denn auch so ganz ausschweifende Begierden einschränken könne, ob nicht am Ende die Einschränkung dem Staat mehr schade, ferner wie unrühmlich es sei, anzugreifen, was er nicht recht durchsetzen könne, oder, wenn doch durchgesetzt, die Schmach und Entehrung vornehmer Männer zur notwendigen Folge hätte. Zuletzt setzte er ein Schreiben an den Senat auf, mit folgendem Inhalt:
memoriae proditur Tiberium, quoties curia egrederetur, Graecis verbis in hunc modum eloqui solitum 'o homines ad servitutem paratos!' scilicet etiam illum, qui libertatem publicam nollet, tam proiectae servientium patientiae taedebat. Tac.ann.3,65,3.Man erzählt, Tiberius habe gewohnheitsmäßig, wenn er aus der Kurie trat, auf Griechisch gesagt: 'oh ihr Sklavenseelen!' Also ekelte auch ihn, obwohl er keine öffentliche Freiheit wollte, eine so verworfene und sklavische Unterwürfigkeit an.
C. Asinio C. Antistio consulibus nonus Tiberio annus erat compositae rei publicae, florentis domus (nam Germanici mortem inter prospera ducebat), cum repente turbare fortuna coepit, saevire ipse aut saevientibus viris praebere. initium et causa penes Aelium Seianum, cohortibus praetoriis praefectum, cuius de potentia supra memoravi: nunc originem, mores, et, quo facinore dominationem raptum ierit, expediam. Tac.ann.4,1,1.Mit dem Konsulat des Gaius Asinius und Gaius Antistius erlebte Tiberius jetzt im neunten Jahr das Gemeinwesen in guter Ruhe, sein Haus in blühendem Zustand - denn des Germanicus Tod gehörte ihm zu den erwünschten Ereignissen - als auf einmal der Himmel zu stürmen begann, er selbst in Grausamkeit ausbrach und fremder Grausamkeit die Macht lieh. Anfang und Ursache davon war Aelius Seianus, Präfekt der prätorischen Kohorten, von dessen mächtigem Einfluss ich oben gesprochen habe. Jetzt will ich Herkunft und Charakter des Mannes darlegen, und wie er mit frevelnder Hand die Herrschergewalt an sich zu reißen trachtete.
genitus Vulsiniis patre Seio Strabone equite Romano, et prima iuventa Gaium Caesarem, divi Augusti nepotem, sectatus, non sine rumore Apicio diviti et prodigo stuprum veno dedisse, mox Tiberium variis artibus devinxit adeo, ut obscurum adversum alios sibi uni incautum intectumque efficeret, non tam sollertia (quippe isdem artibus victus est) quam deum ira in rem Romanam, cuius pari exitio viguit ceciditque. Tac.ann.4,1,2.Geboren zu Vulsinii, Sohn des römischen Ritters Seius Strabo, und in früher Jugend schon im Gefolge des Gaius Caesar, des Enkels des verewigten Augustus befindlich, nicht frei von der Nachrede, dass er sich dem reichen Verschwender Apicius preisgegeben habe, fesselte er später den Tiberius durch mancherlei Künste, so dass der, der für jedermann verschlossen war, gegen ihn allein Vorsicht und Zurückhaltung ablegte; möglich wurde dies nicht sowohl durch den Reichtun seines Geistes an Mitteln und Wegen - er ließ durch die gleichen Künste sich zu Fall bringen - als durch die Ungnade der Götter gegen Rom, für das sein Glück und sein Sturz gleich verderblich wurde.
atque illa, cui avunculus Augustus, socer Tiberius, ex Druso liberi, seque ac maiores et posteros municipali adultero foedabat, ut pro honestis et praesentibus flagitiosa et incerta expectaret. sumitur in conscientiam Eudemus, amicus ac medicus Liviae, specie artis frequens secretis. Tac.ann.4,3,4.Und sie, die Augustus zum Großonkel, Tiberius zum Schwiegervater und Kinder von Drusus hatte, besudelte sich und ihre Ahnen und ihre Nachkommen mit einem ehebrecherischen Landstädter, um für ein ehrenvolles naheliegendes Glück ein schmachbedecktes, in unsicherer Ferne wirkendes einzutauschen. Eudemus, der Freund und Arzt der Livia, der unter dem Vorwand seiner Kunst oft mit ihr allein war, wurde ins Geheimnis gezogen.
Congruens crediderim recensere ceteras quoque rei publicae partis, quibus modis ad eam diem habitae sint, quoniam Tiberio mutati in deterius principatus initium ille annus attulit. Tac.ann.4,6,1.Es dürfte angemessen sein, auch über die anderen Bereiche der Staatsverwaltung eine Übersicht zu geben und zu zeigen, wie sie bis dahin gehandhabt wurden, weil ja dieses Jahr in der Regierung des Tiberius den Wendepunkt zum Schlimmeren bildet.
ceterum Tiberius per omnis valetudinis eius dies, nullo metu an ut firmitudinem animi ostentaret, etiam defuncto necdum sepulto, curiam ingressus est. consulesque sede vulgari per speciem maestitiae sedentis honoris locique admonuit, et effusum in lacrimas senatum victo gemitu simul oratione continua erexit: Tac.ann.4,8,2.Übrigens kam Tiberius während der ganzen Dauer der Krankheit, entweder weil er nichts befürchtete oder um seine Seelenstärke zur Schau zu tragen, ja auch als er gestorben und noch nicht bestattet war, in die Kurie. Die Konsuln, die sich zum Ausdruck ihrer Betrübnis in der Reihe der anderen niedergelassen hatten, erinnerte er an ihren Ehrenplatz, und als sich der Senat in Tränen ergoss, unterdrückte er sein Schluchzen und suchte ihn in zusammenhängendem Vortrag aufzurichten:
corrupta ad scelus Livia Seianum Lygdi quoque spadonis animum stupro vinxisse, quod is aetate atque forma carus domino interque primores ministros erat; deinde inter conscios ubi locus veneficii tempusque composita sint, eo audaciae provectum, ut verteret et occulto indicio Drusum veneni in patrem arguens moneret Tiberium vitandam potionem, quae prima ei apud filium epulanti offerretur. Tac.ann.4,10,2.Nachdem Seianus Livia dadurch, dass er sie verführte, für das Verbrechen gewonnen hatte, habe er auch den Eunuchen Lygdus - dieser war nämlich wegen seiner Jugend und Schönheit bei seinem Herrn beliebt und einer seiner ersten Diener - durch unzüchtigen Umgang an sich gefesselt. Als darauf unter den Eingeweihten Ort und Zeit der Vergiftung verabredet war, sei er in der Frechheit so weit gegangen, dass er die Sache umkehrte, Drusus eines Giftanschlags auf seinen Vater beschuldigte und den Tiberius in anonymer Anzeige vor dem ersten Becher warnte, der ihm, wenn er bei seinem Sohn speise, gereicht werde.
Konnte hier keine weiteren Belege finden
Konnte hier keine weiteren Belege finden
Konnte hier keine weiteren Belege finden