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Klassen- und Kursarbeiten aus dem Griechischunterricht
Voraussetzungen: a) Proömium,
b) Persische Ursachenerklärung des Ost-West-Konflikts, (c) Anfang
der Kandaulesepisode |
Kontext: Adrestos, der Sohn des Phrygerkönigs
Gordios, hatte, weil er versehentlich seinen Bruder getötet hatte,
seine Heimat verlassen müssen, aber bei Kroisos Gastfreundschaft
und Entsühnung vom Brudermord gefunden. Kroisos selbst hatte
nur einen Sohn, der zur Nachfolge taugte. Ein Traumbild hatte ihm
aber angekündigt, er werde durch einen Speer zu Tode kommen.
Deswegen ließ er ihn nicht mehr in den Krieg ziehen. Als ihn
aber die Bevölkerung zur Jagd auf einen wilden Eber anforderte,
der das Land verwüstete, konnte er seinem Sohn die Beteiligung
nicht mehr verwehren. Als Vorsichtsmaßnahme aber gab er seinem
Sohn wenigstens besagten Adrestos als persönlichen Bodyguard
mit. Das Unglaubliche geschieht: Der Bodyguard wird zum zweiten Mal
zum Mörder: Sein Speerwurf verfehlte den Eber, traf aber Kroisos'
Sohn. |
Arbeitstext:
(1) Παρῆσαν δὲ μετὰ τοῦτο οἱ Λυδοὶ φέροντες τὸν νεκρόν, ὄπισθε δὲ
εἵπετό οἱ ὁ φονεύς. (2) Στὰς δὲ οὗτος πρὸ τοῦ νεκροῦ παρεδίδου ἑωυτὸν
Κροίσῳ προτείνων τὰς χεῖρας, ἐπικατασφάξαι μιν κελεύων τῷ νεκρῷ, λέγων,
ὡς οὐδέ οἱ εἴη βιώσιμον.
(3) Κροῖσος δὲ τούτων ἀκούων τόν τε Ἄδρηστον κατοικτίρει, καίπερ
ἐὼν ἐν κακῷ οἰκηίῳ τοσούτῳ, καὶ λέγει πρὸς αὐτόν· "Ἔχω, ὦ ξεῖνε,
παρὰ σέο πᾶσαν τὴν δίκην, ἐπειδὴ σεωυτοῦ καταδικάζεις θάνατον. (4)
Εἶς δὲ οὐ σύ μοι τοῦδε τοῦ κακοῦ αἴτιος, εἰ μὴ ὅσον ἀέκων ἐξεργάσαο,
ἀλλὰ θεῶν κού τις, ὅς μοι καὶ πάλαι προεσήμαινε τὰ μέλλοντα ἔσεσθαι."
(5) Κροῖσος μέν νυν ἔθαψε, ὡς οἰκὸς ἦν, τὸν ἑωυτοῦ παῖδα· (6) Ἄδρηστος
δὲ συγγινωσκόμενος ἀνθρώπων εἶναι βαρυσυμφορώτατος, ἐπικατασφάζει
τῷ τύμβῳ ἑωυτόν.
Angaben:
(1) οἱ Λυδοὶ - sc. die der Jagdgesellschaft | οἱ = τῷ νεκρῷ | παρεδίδου
- 3.Sgl. Impf. v. παραδίδωμι | ἐπικατασφάξαι - Inf. Aor. v. ἐπικατασφάζω
τινὰ ἐπί τινι - schlachte jdn. über etw. | μιν = ἑωυτόν | <ἐπὶ>
τῷ νεκρῷ | βιώσιμος, ον - lebenswert | (3) κατοικτίρω - beklage, bemitleide
| καίπερ + Part. - konzessiv | οἰκηίῳ ion. = οἰκείῳ | σέο ion. = σοῦ |
ἡ δίκη - Genugtuung | καταδικάζω τινὸς θάνατον - ich verurteile jdn. zum
Tod | (4) εἶς = εἶ - du bist | εἰ μὴ ὅσον - nur (wenn nicht, außer)
insoweit, als (dass) | ἀέκων = ἄκων | ἐξεργάσαο - 2. Sgl. Ind. Aor. |
κού = που (= πως) | τὰ μέλλοντα ἔσεσθαι - das, was kommen soll | (5) οἰκός
= εἰκός | (6) συγγιγνώσκομαι + Inf. - werde mir bewusst, dass ich... |
βαρυσὑμφορος, ον - schwer vom Unglück getroffen | - ὁ τύμβος - Grab
Aufgaben:
- Übersetzung
- Zusätzliche Aufgaben
- Wie wird Kroisos an dieser Textstelle von Herodot charakterisiert
(Textbezug!)?
- Inwiefern lässt sich diese Textstelle als weiteren Beitrag
zu dem allgemeinen Menschenbild verstehen, das wir bei Herodot bisher
kennen gelernt haben?
- Zeichnen Sie die Kompositionslinie nach, die Herodot vom Beginn
seines Werkes zur Person des Kroisos führt.
Lösungsaspekte:
-
Wie wird Kroisos an dieser Textstelle von Herodot charakterisiert
(Textbezug!)?
-
Materialsammlung:
-
κατοικτίρει, καίπερ ἐὼν... (3)
-
ἔχω, ὦ ξεῖνε, παρὰ σέο πᾶσαν τὴν δίκην... (3)
-
εἶς δὲ οὐ σύ μοι τοῦδε τοῦ κακοῦ αἴτιος, εἰ μὴ...
(4)
-
ἔθαψε, ὡς οἰκὸς ἦν,... (5)
-
Kroisos beweist ausgesprochen menschliche Qualitäten,
und dies, obwohl er in seiner Macht und seinem Reichtum
alle Voraussetzungen eines Tyrannen erfüllt. Obwohl
er als Vater im innersten und persönlichsten Bereich
getroffen wird, bleibt er gefasst und kann von sich auf
den zweiten Unglücksmann und das allgemein Menschliche
absehen: Er weiß um die Vorläufigkeit und prinzipielle
Anfälligkeit alles Menschlichen gegenüber dem,
was von den Göttern als Notwendigkeit gesetzt ist.
Das heißt aber nicht, dass er dem Schicksal gegenüber
resignieren würde. Im Gegenteil: Er unternimmt alles,
um das Leben seines Sohnes zu retten. Ausgeliefertsein
erlaubt kein Resignieren, sondern fordert kluges und besonnenes
Handeln (εὐβουλία, σωφροσύνη). Darin bewährt sich
der Mensch (ἀρετή). In den Grundzügen herrscht hier
Übereinstimmung mit den Handlungsträgern der
attischen Tragödie.
Kroisos misst Adrestos nicht an dem, was er objektiv getan
hat (Erfolgsethik), sondern an seiner Gesinnung. Er sieht
in ihm nicht den Mörder seines Sohnes, sondern den
unverschuldet ins Unglück gestürzten) Mitmenschen,
der unter den gleichen Bedingungen steht, wie er
selbst, der nicht Strafe (ἔχω... πᾶσαν τὴν δίκην), sondern
Mitleid verdient (κατοικτίρει). Dieser humane Grundzug
findet in der Umkehrung allgemein Üblichen
seinen deutlichen Ausdruck und erhebt beide Akteure über
diesen allgemeinen Durchschnitt: der Täter fordert
Strenge, das Opfer aber entlastet ihn.
Dass Kroisos auch die Bestattung seines Sohnes mit Fassung
trägt und im Rahmen des Schicklichen durchführt,
bestätigt seine hohen menschlichen Qualitäten.
- Inwiefern lässt sich diese Textstelle als weiteren Beitrag
zu dem allgemeinen Menschenbild verstehen, das wir bei Herodot
bisher kennen gelernt haben?
- Den Hauptaspekt des Menschenbildes bildete der Satz (Herod.1,5,4):
Ἡ ἀνθρωπηίη εὐδαιμονίη οὐδαμὰ ἐν τὠυτῷ μένει, also die Einsicht,
dass alle menschlichen Verhältnisse einem prinzipiellen
Wandel unterliegen, und der Mensch im Glück keine ständige
Bleibe hat.
Dieser Leitsatz wird hier an Kroisos und Adrestos paradigmatisch
vorgeführt:
- Kroisos' Versuch, das angedrohte Unglück zu verhindern,
scheitert;
- gegenüber einer von den Göttern festgesetzten
Notwendigkeit ist der Mensch machtlos.
- Das dem Wandel vom Glück zum Unglück eine ἀδικίη
vorausgeht, so dass dem Betroffenen Recht (δίκη) geschieht
und aus Leid Einsicht ensteht (vgl. Herod.1,207,1:
Τὰ δέ μοι παθήματα ἐόντα ἀχάριτα μαθήματα γέγονε), und objektiv
gesehen eine gestörte Rechtsordnung wieder hergestellt
wird (wie bei der persischen Bilanzierung der Frauenraube),
ist dem begrenzten Textumfang nicht zu entnehmen, lässt
sich aber nicht von der Hand weisen. So viel allerdings
lässt sich sagen: Alle Menschen, die hier handeln,
sind moralisch hochstehend und lassen keine zurechenbare
Schuld erkennen.
- φθόνος und ὕβρις, nach dem Beitrag des Otanes
zur Verfassungsdiskussion die menschlichen Grundübel,
mit denen er den Tyrannen charakterisiert, kommen hier
nicht zur Geltung.
- Ebenso wenig, dass Kroisos als letzter Mermnade aus
einem übergeordneten Grund seinem Unglück
entgegengeht. Hier ist Kroisos ausdrücklich ein
weiser und frommer König.
Beide scheinen so, nur das unglückliche Werkzeug in
dem unerbittlichen Weltgetriebe der Götter zu sein.
Beide sind tragische Figuren. Adrestos tötet sich aus
eigenem Antrieb, ähnlich wie der Aias des Sophokles.
Kroisos' Schicksal bleibt für diesen Abschnitt Episode
und erfüllt sich hier noch nicht.
- Zeichnen Sie die Kompositionslinie nach, die Herodot vom Beginn
seines Werkes zur Person des Kroisos führt.
- Thema und Disposition des Proomiums: τά τε ἄλλα καὶ δι'
ἣν αἰτίην ἐπολέμησαν ἀλλήλοισι. (Herod.1,Proöm.)
- Beantwortung der Frage aus persischer Perspektive:
|
ἀδικίη | |
δίκη |
I. |
Phönizier - Io |
<--> |
Kreter - Europa |
II. |
Griechen - Medea |
<--> |
Paris - Helena |
III. |
Griechen - Troian. Krieg |
<--> |
[Perser - Perserkriege] |
- Herod.1,5,3:
τὸν δὲ οἶδα αὐτὸς πρῶτον ὑπάρξαντα ἀδίκων ἔργων ἐς τοὺς
Ἕλληνας, τοῦτον σημήνας προβήσομαι ἐς τὸ πρόσω τοῦ
λόγου.
Es ist also die am Ende des Proömiums gestellte Frage nach
den Ursachen des Perserkrieges, die Herodot unter Berufung auf
sein eigenes und besseres Wissen zu Kroisos führt.
Man kann sich Gedanken darüber machen, warum Herodot die
Ursachenfrage nicht in der griechischen, sondern in der lydischen
Geschichte (z.B. in der Kolonisation) verankert hat.
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Sententiae excerptae:Literatur: zu "Griech" und "Grammatik"3614
Ahrens, H.L.
De Graecae Linguae Dialectis, I,II,
Göttingen 1839/1843
775
Anlauf, G.
Standard late Greek oder Attizismus? ..Optativgebrauch im nachklassischen Griechisch
Diss. Köln 1960
978
Kühner, R. / Gerth, B.
Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache (3. Aufl. bearbeitet von F. Blass und B. Gerth)
Hannover 1834-1835; 3/1890-1904
4170
Nepos / Glücklich
Hannibal : Text mit Erläuterungen ; Arbeitsaufträge, Begleittexte, Stilistik und Übungen zu Grammatik und Texterschliessung. Von Hans-Joachim Glücklich und Stefan Reitzer
Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 4/1996
3615
Thumb-Kieckers
Griechische Dialekte, I,II.
Heidelberg 1932/1959
2630
Traut, Georg
Lexikon über die Formen der griech. Verba. Mit zwei Beilagen: Verzeichnis der Declinations- und Conjugations-Endungen; Grammatischer Schlüssel.
Meisenheim (Olms, Reprint der 1867 in Gießen erschienenen Ausgabe) 1986
© 2000 - 2024 - /grka/hdt1.45.php - Letzte Aktualisierung: 17.07.2024 - 16:02
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