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REDESCHMUCK: REDEFIGUREN |
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- REDEFIGUREN (Figur:
Veränderung der Äußerung auf Satzebene):
- Figuren der Worthäufung (Synathroismos, congeries):
Rhetorisches
Ziel: Abgrenzung eines einheitlichen
Sachbereichs. Angebot von Wahlmöglichkeiten. Steigerung
von Umfang und Wichtigkeit.
Hörerlenkung: Vorspiegelung
von Einheitlichkeit bei disparaten Gegenständen.
Suggestive Aufwertung von Unbedeutendem durch Verbindung
mit Bedeutendem oder durch Hinzufügung von Blendwerk
(praestigiae, Psephopäxie). Suggestion
von Fülle (an Argumeten, Beweisen,...) und differenzierter
Komplexität und Tiefendimension (Universalität)
bei simplen Sachverhalten.
- Worthäufung:
Parataktische Reihung von Wörtern, die einen
einheitlichen Sachverhalt bezeichnen: "Götter,
Gräber und Gelehrte" (Akkumulation)
Synonymie:
wenn die gehäuften Wörter bedeutungsgleich
oder -ähnlich sind.
- Pleonasmus: Unterordnende
Häufung bedeutungsähnlicher Ausdrücke:
"ich wiederhole noch einmal"
- Hendiadyoin (s. Figuren der Wortbeziehung)
- Epitheton: Hinzufügung
eines im Satzzusammenhang nicht unbedingt erforderlichen
Attributs (beschreibend, ausmalend).
Rhetorisches
Ziel: Suggestive Aufwertung durch
mehr oder weniger äußerliche Attribute.
Aufbrechen eines verfestigten Werturteils
- Klimax (gradatio):
Häufung mit Steigerungseffekt
Rhetorisches
Ziel: Spannungsaufbau durch steigernde
Hinführung;
- Dihärese (distributio):
Häufung, bei der das Ganze in seine einzelnen
Teile zerlegt wird (Das Ganze kann genannt werden
[Summationschema]
oder ungenannt bleiben): "Amsel, Drossel, Fink
und Star und die ganze Vogelschar". [als Gedankenfigur]
Polare
Ausdrucksweise: Durch Verbindung gegensätzlicher
Begriffe, die im einzelnen nicht wörtlich zu
nehmen sind, wird ein Universalbegriff ausgedrückt:
"Himmel und Hölle" statt "alles".
- conciliatio:
Nachsichtiges Verwischen eines Bedeutungsunterschiedes
(parcus statt avarus)
- distinctio: Verschärfende
Unterscheidung zur Aufdeckung einer conciliatio:
(avarus statt parcus)
- dubitatio:
Dem Hörer wird die Auswahl zwischen zwei Ausdrücken
überlassen (parcus sive avarus) (vgl. dubitatio
als Gedankenfigur)
- Figuren der Wortwiederholung (Palillogie, Iteration):
Rhetorisches
Ziel: Stärkere Einprägung
zentraler Begriffe;
Hörerlenkung: Formale
Festigung einer inhaltlich angreifbarer Begrifflichkeit
(Vermeidung von Kritik)
- Anapher: Wiederholung
eines Wortes (einer Wortgruppe) jeweils am Anfang
aufeinanderfolgender Sätze (Kola, Verse) (x.../x...).
- Epipher: Entsprechende
Wiederholung jeweils am Ende (...x/...x).
- Symploke: Verbindung
von Anapher und Epipher (x...y/x...y).
- Epanalepse: Wiederholung
eines Wortes (einer Wortgruppe), meist am Satzanfang
(xx...).
- Anadiplose: Wiederholung
des letzten Wortes eines Satzes (oder Verses) am
Anfang des folgenden (...x/x...).
- Epiploke: Eine fortgesetzte
Anadiplose (...x/x...y/y...(z/z...))
- Kyklos: Wiederholung des
ersten Wortes eines Satzes (oder Verses) am Ende
desselben (x...x).
- Variatio: Vermeidung
einer naheliegenden Wortwiederholung, oft mittels
eines Tropus: "Horaz wurde....", "die
Heimat des Dichters... "
- Wortwiederholung in der Emphase
- Figuren der Worteinsparung:
- Brachylogie (brevitas):
Gesuchte Kürze im Ausdruck. Mittel:
- Ellipse: Auslassung
eines in der normalen Konstruktion notwendigen
Wortes: "Wie du mir <tust>, so <tue>
ich dir".
- Zeugma: Beziehung eines
Satzteils (meist Verb) auf mehrere syntaktisch
gleichgeordnete Satzteile (meist Substantive),
obwohl ersterer nur zu einem davon passt: "Wir
sind belauscht mit Ohr und Blick".
- apo koinoy (ἀπὸ
κοινοῦ): Ein Satzglied, das von zwei anderen
Satzgliedern gemeinsam abhängig ist, wird
zwischen beide übergeordnete Glieder oder
nur zum zweiten gestellt: "urbem oppressam
a tyranno <a tyranno> liberare";
"corpus quasi vas est <animi> aut
aliquod animi receptaculum"
- Klangfiguren:
Modifizierte oder partielle Wortwiederholungen und bloße
Klangwiederholungen. Diese dienen oft dazu, Parallelismen
und andere Figuren hervorzuheben. Diese Technik wurde
von Gorgias in besonders auffälliger Weise gebraucht.
Man spricht deshalb von "Gorgianischen
Figuren" (Gorgieia Schemata), womit besonders
Isokolon (mit Antithese), Paronomasie, Homoioteleuton,
Homoioptoton, Paromoiose gemeint sind.
- Gleichklang des Wortkörpers:
- Paronomasie (Assonanz; annominatio):
Verwendung ähnlich klingender Wörter
- Spiel mit ähnlich klingenden (aber
nach Herkunft und Sinn verschiedenen) Wörtern:
"ex aratore orator fit"; "Eile
mit Weile" (Parechese)
- Spiel mit stamm- und sinnverwandten Wörtern:
"homo sum, humani nihil a me alienum
puto" (Paronomasie in anaphorischer
Stellung).
Sonderfälle:
- Onomatopoiie (Lautmalerei):
"quamvis sint sub aqua, sub aqua maledicere
temptant"; "at tuba terribili sonitu
tatatantara dixit"
- Figura etymologica:
Verb mit stammverwandtem inneren Objekt: "iter
ire", "λόγους λÎγειν", ähnlich:
"voce vocare".
- Polyptoton:
Wiederholung eines Wortes mit Änderung
des Kasus: "lupus est homo homini".
- Gleichklang einzelner Laute:
- Homoioteleuton:
Gleichklang des Wortschlusses (daraus entstand
in der Spätantike der Reim)
- Homoioptoton:
Homoioteleuton infolge Gleichheit des Kasus
- Alliteration:
Wiederholung eines Lautes; meist nur für
konsonantischen Anlaut: "sensim sine sensu
aetas senescit"; "Musa mihi causas
memora!"
- Paromoiose:
Kombination mehrerer Gleichklänge
- Figuren der Wortverbindung:
- Asyndeton: Auslassung
der Verbindungspartikel zwische koordinierten Satzteilen
(kopulativ, adversativ, explikativ, konditional).
- Polysyndeton:
Jedesmalige Setzung der Verbindungspartikel zwischen
koordinierten Satzteilen (et... et... et...)
- Figuren der Wortbeziehung:
- Hendiadyoin:
Parataxe von logisch einander untergeordneten Begriffen:
"pateris libamus et auro" st. "pateris
libamus aureis".
- Enallage: Änderung
einer Wortbeziehung, besonders die Zuordnung eines
Adjektivs zu einem übergeordneten Substantiv
statt zu einem untergeordneten: "des Knaben
lockige Unschuld".
- Figuren der Wortstellung und Satzkonstruktion
Rhetorisches Ziel:
Erzeugung von Spannungs- und Überraschungseffekten
Hörerlenkung: Psychagogische Effekte
(s. im einzelnen)
- Parallelismus:
Wiederholung eines syntaktischen Ablaufs
Rhetorisches
Ziel: Klare antizipierbare Struktur.
Hörerlenkung: Die Parallelität lässt den Hörer
die These als seine eigene antizipieren. Ihre Glaubwürdigkeit
wird suggestiv erhöht, weil (umgekehrt als
sonst) der Redner den Hörer bestätigt;
dadurch identifiziert sich der Hörer mit dem
Redner und wird zum potentiellen Mitstreiter.
- Isokolon (Parison):
Parallelismus mit gleicher Länge der Kola (gleiche
Wortzahl oder sogar Silbenzahl): "Schmiert
die Guillotine / mit der Pfaffen Fett / Schmeißt
die Konkubine / aus des Fürsten Bett!"
Trikolon:
Dreifaches Isokolon
Rhetorisches
Ziel: Formale Stringenz
Hörerlenkung: Die
formale Stringenz überträgt sich suggestiv
auf den Wahrheitsanspruch der Aussage: Sie scheint
kategorisch gültig zu sein. Suggestive Erhöhung
der Glaubwürdigkeit zur Vermeidung von Kritik.
- Chiasmus: Überkreuzstellung
entsprechender Satzteile: "video meliora, deteriora
sequor"
- Antimetabole (commutatio):
Syntaktischer Parallelismus verbunden mit lexikalischem
Chiasmus: "Wir leben nicht, um zu essen, sondern
wir essen, um zu leben"
Rhetorisches
Ziel: Die von Einzelbegriffen ausgehenden
Spannungen werden alle innerhalb von Chiasmus und
Antimetabole geschlossen, so dass keine Erwartung
über die Figur hinausgreift. Dies verleiht
der Aussage eine apodiktische Geschlossenheit (Endgültigkeit).
Hörerlenkung: Erhöhung der Glaubwürdigkeit zur Vermeidung
von Kritik.
- Hyperbaton (traiectio, transgressio): Sperrung.
Trennung zweier syntaktisch eng zusammengehöriger
Wörter durch ein anderes: "aequam memento
rebus in arduis servare mentem" (Hor.c.2,3,1f)
Rhetorisches
Ziel: Erzeugung eines Spannungsbogens:
Weckung gesteigerter Aufmerksamkeit. Möglichkeit
der syntaktisch-semantischen Antizipation des retardierten
Begriffs.
Hörerlenkung: Stärkere Aktivierung des (eher passiven) Hörers.
Einbeziehung in die Gestaltung des Redefortgangs.
Identifizierungseffekte.
- Inkonzinnität:
Durchbrechung von Parallelismen durch syntaktische
Variation: "ut erat comis bonis, ita adversus
malos iniucundus" statt "malis".
- Inversion: Umkehrung
der üblichen Wortfolge
Rhetorisches
Ziel: Überraschungseffekt:
Hervorhebung der Sache, Erregung von Affekten (Aufmerksamkeit)
- Anakoluth: Abbruch
einer angefangenen syntaktischen Struktur
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