3. Hercules Oeteus: der Tod des Herakles (9,134-272) | ||
Longa fuit medii mora
temporis, actaque magni |
Lang war die Frist der
verstrichenen Zeit, und Herkules' Taten |
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Herculis inplerant terras
odiumque novercae. victor ab Oechalia Cenaeo sacra parabat vota Iovi, cum Fama loquax praecessit ad aures, Deianira, tuas, quae veris addere falsa gaudet, et e minimo sua per mendacia crescit, |
Hatten die Erde erfüllt
und Iuno versöhnt mit dem Stiefsohn. Opfer dem Iupiter wollt' auf Kenaion Oichalias Sieger Weihn, wie gelobt; da eilte voraus zu Deianeiras Ohren die schwatzende Mär, die Falsches zu tun zu dem Wahren Liebt und von kleinem Beginn anwächst durch häufige Lügen, |
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Amphitryoniaden Ioles
ardore teneri. credit amans, venerisque novae perterrita fama indulsit primo lacrimis, flendoque dolorem diffudit miseranda suum. mox deinde 'quid autem flemus?' ait 'paelex lacrimis laetabitur istis. |
Dass von Iole ganz der
Amphitryonide bestrickt sei. Sie, die Liebende, glaubt's, und erschreckt von der Kunde der Untreu Ließ die Arme zuerst den Tränen den Lauf, und in Zähren Weinte den Schmerz sie aus; bald drauf: "Was weine ich aber?", Sagte sie, "freun nur wird sich ob meiner Tränen die Buhle. |
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quae quoniam adveniet,
properandum aliquidque novandum est, dum licet, et nondum thalamos tenet altera nostros. conquerar, an sileam? repetam Calydona, morerne? excedam tectis? an, si nihil amplius, obstem? quid si me, Meleagre, tuam memor esse sororem |
Schon kommt jene heran;
drum rasch und etwas ersonnen, Eh' es zu spät, und in unser Gemach einziehet die andre! Ob ich klag', ob schweig', heimkehre nach Kalydon, bleibe? Ob ich verlasse das Haus, ob, wenn nichts weiter, mich wehre? Wie nun, wenn ich gedenk, dass ich Schwester von dir, Meleagros, |
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forte paro facinus,
quantumque iniuria possit femineusque dolor, iugulata paelice testor?' in cursus animus varios abit. omnibus illis praetulit inbutam Nesseo sanguine vestem mittere, quae vires defecto reddat amori, |
Kühn mich ermannte
zur Tat und, wessen beleidigte Ehre Fähig und weiblicher Schmerz, dartäte im Morde der Buhle?" Vielfach hat Vorsätze ihr Geist. Dann aber beschließt sie Hinzuschicken das Kleid durchdrungen vom Blute des Nessos, Dass es erneuete Kraft der erloschenen Liebe verleihe. |
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ignaroque Lichae, quid
tradat, nescia, luctus ipsa suos tradit blandisque miserrima verbis, dona det illa viro, mandat. capit inscius heros, induiturque umeris Lernaeae virus echidnae. Tura dabat primis et verba precantia flammis, |
Unkund, was sie ihm reicht,
reicht jene dem arglosen Lichas Selbst ihr eigenes Weh und bittet ihn freundlich, die Ärmste, Dass er bringe dem Mann das Geschenk. Ohn' Arg es empfangend Legt um die Schultern das Gift der lernaischen Schlange der Heros. Weihrauch gab er und frommes Gebet der beginnenden Flamme, |
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vinaque marmoreas patera
fundebat in aras: incaluit vis illa mali, resolutaque flammis Herculeos abiit late dilapsa per artus. dum potuit, solita gemitum virtute repressit. victa malis postquam est patientia, reppulit aras, |
Wein auch goss er dazu
auf den marmornen Herd aus der Schale. Siehe, der Plage Gewalt wird warm, und gelöst von der Flamme Dringet sie weit umher, durch Herkules' Glieder ergossen. Mannhaft hielt er zurück, so lang er vermochte, die Klage. Als die Geduld von den Leiden besiegt, da stieß er den Altar |
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inplevitque suis nemorosam
vocibus Oeten. nec mora, letiferam conatur scindere vestem: qua trahitur, trahit illa cutem, foedumque relatu, aut haeret membris frustra temptata revelli, aut laceros artus et grandia detegit ossa. |
Weg und begann mit Geschrei
zu erfüllen den waldigen Oita. Ohne Verzug nun strebt er das tödliche Kleid zu zerreißen: Wo er es zieht, zieht jenes die Haut und - grässlich zu sagen - Bleibt an die Glieder geklebt, Trotz bietend den zerrenden Händen, Oder entblößt das zerrissene Fleisch und die mächtigen Knochen. |
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ipse cruor, gelido ceu
quondam lammina candens tincta lacu, stridit coquiturque ardente veneno. nec modus est, sorbent avidae praecordia flammae, caeruleusque fluit toto de corpore sudor, ambustique sonant nervi, caecaque medullis |
Selber das Blut hebt
an, wie zuweilen getaucht in den Löschtrog Glühender Stahl, zu zischen und kocht von dem brennenden Gifte. Maß ist nicht; durch die Brust geht zehrend das gierige Feuer; Dunkler Schweiß fließt rings vom Leib herab, und die Sehnen Knacken vom Brande gesengt, und als vom verborgenen Gifte |
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tabe liquefactis tollens
ad sidera palmas 'cladibus,' exclamat 'Saturnia, pascere nostris: pascere, et hanc pestem specta, crudelis, ab alto, corque ferum satia. vel si miserandus et hosti, hoc est, si tibi sum, diris cruciatibus aegram |
Flüssig geworden
das Mark, da hob er zum Himmel die Hände: "Weide dich, Tochter Saturns", so rief er, "an meinem Verderben, Weide dich nun und sieh, Grausame, von oben die Drangsal, Labe dein hartes Gemüt! Doch rühr' ich die Feindin zum Mitleid - Dir ja bin ich Feind - nimm weg die entsetzlich gequälte, |
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invisamque animam natamque
laboribus aufer. mors mihi munus erit; decet haec dare dona novercam. ergo ego foedantem peregrino templa cruore Busirin domui? saevoque alimenta parentis Antaeo eripui? nec me pastoris Hiberi |
Dir so verhasste und
nur zu Mühen geborene Seele. Tod ist mir ein Geschenk; so ziemt Stiefmüttern zu schenken. Darum hab' ich Busiris erlegt, der scheußlich den Tempel Färbte mit Fremdlingsblut, und dem grausen Antaios der Mutter Stärkende Nähe entrückt und vor des iberischen Hirten |
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forma triplex, nec
forma triplex tua, Cerbere, movit? vosne, manus, validi pressistis cornua tauri? vestrum opus Elis habet, vestrum Stymphalides undae, Partheniumque nemus? vestra virtute relatus Thermodontiaco caelatus balteus auro, |
Dreihaupt nicht mich
entsetzt noch auch vor Kerberos' Dreihaupt? Bogt ihr nicht das Gehörn, ihr Arme, dem riesigen Stiere? Kunde von euch gibt Elis, von euch die stymphalischen Wellen Und der parthenische Wald. Fernher trug euere Kühnheit Aus thermodontischem Gold das Gehenk mit getriebener Arbeit |
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pomaque ab insomni
concustodita dracone? nec mihi centauri potuere resistere, nec mi Arcadiae vastator aper? nec profuit hydrae crescere per damnum geminasque resumere vires? quid, cum Thracis equos humano sanguine pingues |
Heim und die Äpfel,
bewacht von dem schlummerentbehrenden Drachen. Stand nicht hielten vor mir die Kentauren im Kampf, und der Eber Hielt nicht Stand, Arkadiens Schreck. Nichts half es der Hydra, Dass im Verluste sie wuchs und gewann stets doppelte Kräfte. Ja, von menschlichem Blut auch sah ich die Rosse des Thrakers |
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plenaque corporibus
laceris praesepia vidi, visaque deieci, dominumque ipsosque peremi? his elisa iacet moles Nemeaea lacertis: hac caelum cervice tuli. defessa iubendo est saeva Iovis coniunx: ego sum indefessus agendo. |
Feist und die Krippen
gefüllt mit Fetzen verstümmelter Leichen, Sah's und stürzte sie um und erschlug so Rosse wie Eigner. Hier von den Armen gewürgt liegt tot das nemeische Untier. Ich trug untergestemmt den Olymp. Müd' ist des Befehlens Iupiters grausames Weib; ich bin nicht müde der Arbeit. |
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sed nova pestis adest,
cui nec virtute resisti nec telis armisque potest. pulmonibus errat ignis edax imis, perque omnes pascitur artus. at valet Eurystheus! et sunt, qui credere possint esse deos?' dixit, perque altam saucius Oeten |
Nun kommt neuer Verderb,
dem weder vermag zu begegnen Männlicher Mut noch Waffen und Wehr. In den innersten Lungen Irret gefräßiger Brand und zehrt durch alle die Glieder. Aber Eurystheus ist wohlauf, und an waltende Götter Glauben sie noch!" So sprach er und schritt auf der Höhe des Oita |
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haud aliter graditur,
quam si venabula taurus corpore fixa gerat, factique refugerit auctor. saepe illum gemitus edentem, saepe frementem, saepe retemptantem totas infringere vestes sternentemque trabes irascentemque videres |
Also versehrt einher,
wie wenn in dem Leibe den Wurfspieß Trägt der getroffene Stier und der Tat Urheber geflohn ist. Oft stieß lautes Gestöhn er aus, oft sah man ihn beben, Oft aufs neue versucht' er das ganze Gewand zu zerreißen, Schmetterte Stämme zur Erde und wütete gegen die Berge, |
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montibus aut patrio
tendentem bracchia caelo. Ecce Lichan trepidum latitantem rupe cavata aspicit, utque dolor rabiem conlegerat omnem, 'tune, Licha,' dixit 'feralia dona dedisti? tune meae necis auctor eris?' tremit ille, pavetque |
Oder er streckte hinan
zum Himmel des Vaters die Arme. Da nimmt Lichas er wahr, der zitternd sich unter dem Felshang Duckte, und rief, wie der Schmerz ihm die Wut aufs höchste gesteigert: "Du hast, Lichas, gebracht die unheilbergende Gabe? Du wirst Mörder an mir?" Bleich steht mit Zittern und Beben |
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pallidus, et timide
verba excusantia dicit. dicentem genibusque manus adhibere parantem corripit Alcides, et terque quaterque rotatum mittit in Euboicas tormento fortius undas. ille per aerias pendens induruit auras: |
Lichas und spricht voll
Zagen der Schuld entlastende Worte. Während er sprach und den Knien mit den Händen gedachte zu nahen, Packt ihn der Held und wirft ihn zu drei, vier Malen gewirbelt In das euboiische Meer mit stärkerer Wucht als ein Wurfzeug. Jener, indessen er flog in den luftigen Räumen, erharschte. |
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utque ferunt imbres
gelidis concrescere ventis, inde nives fieri, nivibus quoque molle rotatis astringi et spissa glomerari grandine corpus, sic illum validis iactum per inane lacertis exsanguemque metu nec quicquam umoris habentem |
Wie man vermeint, dass
Regen gerinnt bei frostigem Winde, Schnee draus wird, dann, wenn sich geballt die kreisenden Flocken, Dichter der Klumpen sich schließt und zur starrenden Schloße sich rundet: Also auch, durch die Luft von den kräftigen Armen geschleudert, Wurde, vor Furcht blutlos und nichts von Feuchte behaltend, |
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in rigidos versum silices
prior edidit aetas. nunc quoque in Euboico scopulus brevis eminet alto gurgite et humanae servat vestigia formae, quem, quasi sensurum, nautae calcare verentur, appellantque Lichan. at tu, Iovis inclita proles, |
Lichas zu hartem Gestein
nach der früheren Zeiten Erzählung. Jetzt noch ragt in die Höhe ein Fels im euboiischen Sunde Karg an Raum und bewahrt noch Spuren von menschlicher Bildung. Ihn, als fühlte der Stein, trägt Scheu zu betreten der Schiffer, Der ihn Lichas benennt. Du, Iupiters herrlicher Sprössling, |
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arboribus caesis, quas
ardua gesserat Oete, inque pyram structis arcum pharetramque capacem regnaque visuras iterum Troiana sagittas ferre iubes Poeante satum, quo flamma ministro subdita. dumque avidis comprenditur ignibus agger, |
Gibst, als Bäume
gefällt, die trug der erhabene Oita, Und zum Brande gehäuft, mit dem Bogen den räumigen Köcher Und die Geschosse, bestimmt einst nochmals Troia zu schauen, Ab an des Poias Sohn. Der legt dienstfertig die Flamme Unter den Stoß, und indem in die Scheiter das gierige Feuer |
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congeriem silvae Nemeaeo
vellere summam sternis, et inposita clavae cervice recumbis, haud alio vultu, quam si conviva iaceres inter plena meri redimitus pocula sertis. Iamque valens et in omne latus diffusa sonabat, |
Einschlägt, breitest
du aus das nemeische Fell auf des Holzes Oberster Schicht und streckst dich, gelehnt an die Keule den Nacken, Mit nicht andrem Gesicht, als wärst du gelagert zum Gastmahl, Kranzumwunden das Haupt bei gefüllten Bechern des Weines. Lodernd prasselte schon rings um sich greifend die Flamme, |
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securosque artus contemptoremque
petebat flamma suum. timuere dei pro vindice terrae. quos ita, sensit enim, laeto Saturnius ore Iuppiter adloquitur: 'nostra est timor iste voluptas, o superi, totoque libens mihi pectore grator, |
Und an den sorglosen
Leib und an ihren Verächter zu kommen Strebte sie. Bangen ergriff um den Schirmer der Erde die Götter. Da mit heiterem Mund sprach also der Sohn des Saturnus, Iupiter, der es gemerkt: "Wie freut mich, ihr himmlischen Götter, Euere Furcht! Ich wünsche mir Glück vom Grunde des Herzens, |
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quod memoris populi
dicor rectorque paterque et mea progenies vestro quoque tuta favore est. nam quamquam ipsius datur hoc inmanibus actis, obligor ipse tamen. sed enim nec pectora vano fida metu paveant. Oetaeas spernite flammas! |
Dass von erkenntlichem
Volk ich Herrscher und Vater genannt bin Und dass euere Gunst auch Schutz gibt meinem Geschlechte. Wird auch solches zuteil nur seinen gewaltigen Taten, Weiß ich doch selbst euch Dank. Dass aber die treuen Gemüter Eitele Furcht nicht schreckt, lasst brennen die Flammen des Oita! |
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omnia qui vicit, vincet,
quos cernitis, ignes; nec nisi materna Vulcanum parte potentem sentiet. aeternum est a me quod traxit, et expers atque inmune necis, nullaque domabile flamma. idque ego defunctum terra caelestibus oris |
Er, der alles bezwang,
wird drunten das Feuer bezwingen. Nur sein mütterlich Teil wird spüren den starken Vulcanus; Was er empfangen von mir, muss ewig bestehen, dem Tode Unzinsbar und entrückt und nimmer der Flamme zerstörbar, Und dies will ich erlöst von den irdischen Mühn zu des Himmels |
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accipiam, cunctisque
meum laetabile factum dis fore confido. siquis tamen Hercule, siquis forte deo doliturus erit, data praemia nolet, sed meruisse dari sciet, invitusque probabit.' adsensere dei. coniunx quoque regia visa est |
Räumen erhöhn,
und es wird mein Tun, so hoff ich, erfreulich Allen Unsterblichen sein. Wenn aber den Herkules jemand Schaut als Gott mit Verdruss, der gönnt wohl nicht die Belohnung, Aber er weiß, dass ihm sie gebührt, und billigt sie ungern." Beifall zollte der Rat; auch schien die Gemahlin des Königs |
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cetera non duro, duro
tamen ultima vultu dicta tulisse Iovis, seque indoluisse notatam. interea quodcumque fuit populabile flammae, Mulciber abstulerat, nec cognoscenda remansit Herculis effigies, nec quicquam ab imagine ductum |
Mit nicht düsterem
Blick zu vernehmen die übrige Rede, Doch mit düstrem den Schluss, weil kränkend sie traf die Bezeichnung. Mulciber hatte indes, was irgend der Flamme verwüstlich, Alles von hinnen gerafft. Nicht mehr ist kenntlich geblieben Herkules' Bild, und nichts, was stammte vom Wesen der Mutter, |
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matris habet, tantumque
Iovis vestigia servat. utque novus serpens posita cum pelle senecta luxuriare solet, squamaque nitere recenti, sic ubi mortales Tirynthius exuit artus, parte sui meliore viget, maiorque videri |
Hat er bewahrt, und
es bleiben an ihm nur Iupiters Spuren. Wie sich die Schlange verjüngt, wenn der Balg mit dem Alter entfallen, Üppigen Lebens erfreut und prangt mit erneueten Schuppen: So mit dem edleren Teil, des sterblichen Leibes entkleidet, Lebt der Tirynthier fort in Fülle der Kraft und beginnet |
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coepit et augusta fieri
gravitate verendus. quem pater omnipotens inter cava nubila raptum quadriiugo curru radiantibus intulit astris. |
Größer zu
werden und Scheu durch heilige Würde zu heischen. Jetzt auf dem Viergespann trug ihn der allmächtige Vater Mitten in hohlem Gewölk hinweg zu den strahlenden Sternen. |