9. Pest auf Aegina (7,517-660) | ||
Aeacus ingemuit tristique
ita voce locutus: 'flebile principium melior fortuna secuta est; hanc utinam possem vobis memorare sine illo! |
Aiakos seufzt' und begann
mit bekümmerter Stimme zu reden: "Erst war traurige Zeit, doch besseres Los ist gekommen. Könnt' ich das letztere nur euch ohne das Frühere kundtun! |
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ordine nunc repetam,
neu longa ambage morer vos, ossa cinisque iacent, memori quos mente requiris, et quota pars illi rerum periere mearum! dira lues ira populis Iunonis iniquae incidit exosae dictas a paelice terras. |
Sei denn alles erzählt.
Euch nicht zu ermüden mit Umschweif: Die du vermissest, gedenk im Gemüt, sind Staub und Gebeine, Und wie ein kärglicher Teil sind die von dem ganzen Verluste! Grässliche Seuche befiel mein Volk durch der feindlichen Iuno Zorn, die hasste das Land, das führte den Namen der Buhle. |
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Während es menschliches
Los noch schien und der großen Verheerung Anlass dunkel blieb, ward gegengekämpft von der Heilkunst; Machtlos aber erlag vor der siegenden Plage die Hilfe. Anfangs lagerte sich mit drückendem Dunste der Himmel Über dem Land und verschloss in den Wolken erschlaffende Schwüle. |
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dumque quater iunctis
explevit cornibus orbem Luna, quater plenum tenuata retexuit orbem, letiferis calidi spirarunt aestibus austri. constat et in fontis vitium venisse lacusque, miliaque incultos serpentum multa per agros |
Während der Mond
viermal mit vereinigten Hörnern die Scheibe Füllte, verengt viermal abließ von der Fülle der Scheibe, Wehte beharrlicher Süd Tod bringend mit glühendem Hauche. Zweifel ist nicht, dass Quellen und Seen auch Schaden genommen, Da auf den Fluren umher, die keiner bestellte, von Schlangen |
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errasse atque suis fluvios
temerasse venenis. strage canum primo volucrumque oviumque boumque inque feris subiti deprensa potentia morbi. concidere infelix validos miratur arator inter opus tauros medioque recumbere sulco; |
Kroch zahlloses Gezücht
und die Wasser verdarb mit dem Gifte. Leichen von Hunden zuerst und Gevögel und Schafen und Rindern Zeugten und fallendes Wild von der Macht der einbrechenden Krankheit. Während der Arbeit sieht mit Bestürzung der ratlose Pflüger Fallen den kräftigen Stier und inmitten der Furche sich strecken. |
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lanigeris gregibus balatus
dantibus aegros sponte sua lanaeque cadunt et corpora tabent; acer equus quondam magnaeque in pulvere famae degenerat palmas veterumque oblitus honorum ad praesepe gemit leto moriturus inerti. |
Krankes Geblök stößt
aus das vliestragende Vieh, und die Wolle Fällt von selber herab und von Siechtum schwinden die Leiber. Sonst voll feurigen Muts und an Ruhm so reich in der Rennbahn, Stöhnt untüchtig zum Sieg und der früheren Ehren vergessend Jetzt an der Krippe das Ross, unrühmlichen Todes zu sterben. |
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non aper irasci meminit,
non fidere cursu cerva nec armentis incurrere fortibus ursi. omnia languor habet: silvisque agrisque viisque corpora foeda iacent, vitiantur odoribus aurae. mira loquar: non illa canes avidaeque volucres, |
Grimmig zu werden vergisst
der Eber, dem Laufe die Hindin Sich zu vertraun, und der Bär zu befallen das rüstige Hornvieh. Schlaff ist alles und schwach. In den Wäldern, auf Fluren und Wegen Liegt abscheuliches Aas, und die Luft ist verpestet vom Moder. Seltsam hört es sich an: kein Hund, kein gieriger Vogel |
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non cani tetigere lupi;
dilapsa liquescunt adflatuque nocent et agunt contagia late. 'Pervenit ad miseros damno graviore colonos pestis et in magnae dominatur moenibus urbis. viscera torrentur primo, flammaeque latentis |
Rührte daran, kein
graulicher Wolf. In Verwesung zergehend Sandt' es verderblichen Dunst und verbreitete weit die Vergiftung. Jetzto verheerender noch zu dem unglückseligen Landvolk Dringet die Pest und herrscht in den Mauern der räumigen Hauptstadt. Trocken vom Brande zuerst verschmachten die inneren Teile; |
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indicium rubor est et
ductus anhelitus;
igni aspera lingua tumet, tepidisque arentia ventis ora patent, auraeque graves captantur hiatu. non stratum, non ulla pati velamina possunt, nuda sed in terra ponunt praecordia, nec fit |
Zeichen ist Röte
der Haut und glutdurchdrungener Atem. Rauh ist die Zunge geschwellt, und es lechzt von den dörrenden Winden Offen der Mund und zieht mit dem Atem verderbliche Luft ein. Weder vermögen ein Bett, noch Kleider zu dulden die Kranken, Sondern sie drücken die Brust hart wider die Erde, und nicht wird |
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corpus humo gelidum,
sed humus de corpore fervet. nec moderator adest, inque ipsos saeva medentes erumpit clades, obsuntque auctoribus artes; quo propior quisque est servitque fidelius aegro, in partem leti citius venit, utque salutis |
Kalt vom Boden der Leib,
heiß wird von dem Leibe der Boden. Auch kein Helfer ist nah; denn es bricht die vernichtende Plage Ein auf die Heilenden selbst, und den Kundigen schadet das Wissen. Jeder, je näher er steht, je treuer er wartet des Kranken, Fällt so schneller dem Tod zum Raub. Als nun der Genesung |
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spes abiit finemque
vident in funere morbi, indulgent animis et nulla, quid utile, cura est: utile enim nihil est. passim positoque pudore fontibus et fluviis puteisque capacibus haerent, nec sitis est exstincta prius quam vita bibendo. |
Hoffnung entflohn und
das Ende der Qual sie sehen im Grabe, Folgen sie ihrem Gelüst, und es kümmert sie nimmer, was fromme; Denn nichts frommte ja mehr. Allorts an Quellen und Flüssen Liegen sie ohne Bedacht auf Scham und an räumigen Brunnen, Wo nicht eher der Durst durch Trinken erlischt als das Leben. |
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inde graves multi nequeunt
consurgere et ipsis inmoriuntur aquis, aliquis tamen haurit et illas; tantaque sunt miseris invisi taedia lecti, prosiliunt aut, si prohibent consistere vires, corpora devolvunt in humum fugiuntque penates |
Mancher, vom Trunke
beschwert, kann nicht aufstehen und findet Gleich im Wasser den Tod; doch so auch trinken es andre. Oft von dem Lager empor - so ist es verhasst den Gequälten – Springen sie, oder wenn nicht ausreichen zum Stehen die Kräfte, Wälzen sie hin auf dem Boden den Leib und wollen dem Hause |
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quisque suos, sua cuique
domus funesta videtur, et quia causa latet, locus est in crimine; partim semianimes errare viis, dum stare valebant, adspiceres, flentes alios terraque iacentes lassaque versantes supremo lumina motu; |
Jeder entfliehn. Sein
eigenes Haus scheint jedem verderblich, Und weil dunkel der Grund, ist der Ort in Verdacht, der bekannt war. Halbtot irrten umher, die Kraft noch hatten zu stehen; Andere sah man in Not, wie sie weinten, am Boden sich wanden, Wie sie im Kampf mit dem Tod die ermatteten Augen verdrehten. |
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membraque pendentis
tendunt ad sidera caeli, hic illic, ubi mors deprenderat, exhalantes. 'Quid mihi tunc animi fuit? an, quod debuit esse, ut vitam odissem et cuperem pars esse meorum? quo se cumque acies oculorum flexerat, illic |
Oder sie streckten empor
zu dem hangenden Himmel die Arme, Hier und dort, wo der Tod sie ereilte, den Geist aushauchend. Wie war da mir zu Mut! Nicht anders, als dass ich das Leben Trug als Last und der Meinen Geschick selbst wünschte zu teilen. Immer, wohin sich der Blick auch wendete, lag an der Erde |
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vulgus erat stratum,
veluti cum putria motis poma cadunt ramis agitataque ilice glandes. templa vides contra gradibus sublimia longis: Iuppiter illa tenet. quis non altaribus illis inrita tura dedit? quotiens pro coniuge coniunx, |
Niedergeworfenes Volk,
wie wenn von den schwankenden Ästen Faulendes Obst abfällt und geschüttelte Eckern vom Eichbaum. Drüben erblickst du erhöht auf Stufen den stattlichen Tempel: Iupiter nennt ihn sein. Wer hat nicht eitelen Weihrauch Jenem Altar gebracht? Wie oft, wenn dort der Erzeuger |
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pro gnato genitor dum
verba precantia dicit, non exoratis animam finivit in aris, inque manu turis pars inconsumpta reperta est! admoti quotiens templis, dum vota sacerdos concipit et fundit durum inter cornua vinum, |
Rettung erfleht für
den Sohn im Gebet, für den Gatten die Gattin, Gaben das Leben sie auf an dem unerbittlichen Altar, Während sich unverzehrt noch Weihrauch fand in den Händen. Oft, zum Tempel geführt, auch stürzten, während der Priester Sprach das Gebet und lauteren Wein goss zwischen die Hörner, |
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haud exspectato ceciderunt
vulnere tauri! ipse ego sacra Iovi pro me patriaque tribusque cum facerem natis, mugitus victima diros edidit et subito conlapsa sine ictibus ullis exiguo tinxit subiectos sanguine cultros. |
Vorher, ohne den Streich
zu erwarten, erlesene Stiere. Als ein Opfer ich selbst für mich und das Land und die Söhne Brachte dem Iupiter dar, ließ schauriges Brüllen das Opfer Hören, und plötzlich gestürzt, noch ehe das Beil es getroffen, Netzt' es mit wenigem Blut das untergehaltene Messer. |
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exta quoque aegra notas veri monitusque deorum perdiderant: tristes penetrant ad viscera morbi. ante sacros vidi proiecta cadavera postes, ante ipsas, quo mors foret invidiosior, aras. pars animam laqueo claudunt mortisque timorem |
Aus dem Geweid' auch
war untrügliche Götterverkündung Nicht zu ersehn: in das Innerste drang das traurige Siechtum. Leichname sah ich dahin vor den heiligen Pfosten geworfen, Ja, vor dem Altar selbst, dass abscheuvoller der Tod sei. Selbst mit dem Strick schnürt mancher den Hals und vertreibt mit dem Tode |
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morte fugant ultroque
vocant venientia fata. corpora missa neci nullis de more feruntur funeribus (neque enim capiebant funera portae): aut inhumata premunt terras aut dantur in altos indotata rogos; et iam reverentia nulla est, |
Furcht vor dem Tod und
ruft freiwillig das kommende Schicksal. Nicht mehr trägt man wie sonst mit Feier und Ehren die toten Leiber hinaus: Raum hatten ja nicht für die Züge die Tore. Unverscharrt teils liegen sie da, teils ohne Geschenke Nimmt sie der Holzstoß auf. Die besorgliche Scheu ist gewichen; |
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deque rogis pugnant
alienisque ignibus ardent. qui lacriment, desunt, indefletaeque vagantur natorumque patrumque animae iuvenumque senumque, nec locus in tumulos, nec sufficit arbor in ignes. Attonitus tanto miserarum turbine rerum, |
Streit hebt an um das
Holz, und sie brennen im Feuer des andren. Niemand ist, der weint, und es irren, von keinem betrauert, Seelen von Kindern umher und Männern, von Knaben und Greisen. Wie für die Hügel der Raum, so mangelt das Holz für die Flammen. Sinnlos rief ich, vom Sturm so schrecklichen Jammers bewältigt: |
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"Iuppiter o!"
dixi, "si te non falsa loquuntur dicta sub amplexus Aeginae Asopidos isse, nec te, magne pater, nostri pudet esse parentem, aut mihi redde meos aut me quoque conde sepulcro!" ille notam fulgore dedit tonitruque secundo. |
‚Iupiter, ach, wofern
nicht falsches Gerede verkündet, Dass du Aigina umarmt vormals, die aisopische Jungfrau, Und mein Zeuger zu sein du nicht, Allvater, dich schämest: Gib mir die Meinen zurück; sonst birg auch mich in dem Grabmal!' Jener gewährte mit Blitz und erfreulichem Donner ein Zeichen. |
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"accipio sintque
ista precor felicia mentis signa tuae!" dixi, "quod das mihi, pigneror omen." forte fuit iuxta patulis rarissima ramis sacra Iovi quercus de semine Dodonaeo; hic nos frugilegas adspeximus agmine longo |
,Wohl, ich vernehm's,
so sprach ich, ,und mög' es ein glücklicher Ausspruch Deiner Gesinnung mir sein! Ich nehme zum Pfand die Verkündung.' Neben mir stand zur Zeit breitästig ein seltener Eichbaum: Iupiter war er geweiht und gekeimt von dodonischem Samen. Daran nahmen wir wahr Ameisen in langem Gewimmel, |
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grande onus exiguo
formicas ore gerentes rugosoque suum servantes cortice callem; dum numerum miror, "totidem, pater optime," dixi, "tu mihi da cives et inania moenia supple!" intremuit ramisque sonum sine flamine motis |
Wie sie im winzigen
Mund forttrugen gewaltige Körner Und gleichmäßigen Pfad an der runzligen Rinde verfolgten. Mich nahm wunder die Zahl, und ich sprach: 'Lass, gütigster Vater, Soviel Bürger erstehn zum Ersatz den entvölkerten Mauern!' Sieh, da zittert und rauscht ohn' irgendein Wehen, die Äste |
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alta dedit quercus:
pavido mihi membra timore horruerant, stabantque comae; tamen oscula terrae roboribusque dedi, nec me sperare fatebar; sperabam tamen atque animo mea vota fovebam. nox subit, et curis exercita corpora somnus |
Regend, der mächtige
Stamm. Schreck hielt mich gebannt, und ein Schauer Schüttelte mich, und das Haar war straff. Doch deckt' ich mit Küssen Brünstig die Erd' und das Holz, und ohne sie recht zu gestehen, Gab ich der Hoffnung mich hin und nährte den Wunsch im Gemüte. Nacht nun wird's, und den Leib, den quälende Sorgen ermüdet, |
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occupat: ante oculos
eadem mihi quercus adesse et ramis totidem totidemque animalia ramis ferre suis visa est pariterque tremescere motu graniferumque agmen subiectis spargere in arvis; crescere desubito et maius maiusque videri |
Fesselt der Schlaf.
Da sah ich vor Augen die nämliche Eiche; Gleichviel Äste wie sonst und daran gleich viele der Tierchen Schien zu tragen der Baum, und ebenso schien er zu beben Und zu verstreun auf die Flur die körnerbeladene Reihe, Die dann plötzlich erwuchs und größer und größer erscheinend |
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ac se tollere humo
rectoque adsistere trunco et maciem numerumque pedum nigrumque colorem ponere et humanam membris inducere formam. somnus abit: damno vigilans mea visa querorque in superis opis esse nihil; at in aedibus ingens |
Sich von dem Boden erhob
und aufrecht stand mit dem Rumpfe Und mit der Dünne die Zahl der Füß' und die schwärzliche Farbe Wieder verlor und Menschengestalt erhielt an den Gliedern. Fort ist der Schlaf. Ich verwerfe den Traum im Wachen und klage, Dass bei den Himmlischen Schutz nicht sei. Horch, großes Getümmel |
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murmur erat, vocesque
hominum exaudire videbar iam mihi desuetas; dum suspicor has quoque somni esse, venit Telamon properus foribusque reclusis "speque fideque, pater", dixit "maiora videbis: egredere!" egredior, qualesque in imagine somni |
Füllte das Haus,
und es war, als tönten mir menschliche Stimmen, Deren ich längst mich entwöhnt. Ich hielt auch das für ein Traumbild; Da kommt Telamon rasch und ruft, aufmachend die Türe: ,Draußen ist, Vater, zu sehn, was über Erwarten und Glauben. Geh nur hinaus!' Ich gehe hinaus, und wie ich die Männer |
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visus eram vidisse
viros, ex ordine tales adspicio noscoque: adeunt regemque salutant. vota Iovi solvo populisque recentibus urbem partior et vacuos priscis cultoribus agros, Myrmidonasque voco nec origine nomina fraudo. |
Hatte vermeint im Traum
zu sehn, so ganz nach der Reihe Schau' und erkenn' ich sie jetzt. Sie nahen und grüßen den König. Iupiter zoll' ich den Dank, wie gelobt, und den neuen Bewohnern Teil' ich die Stadt und das Feld, das leer von den alten Bestellern, Und Myrmidonen benenn' ich das Volk, zu bezeichnen den Ursprung. |
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corpora vidisti; mores,
quos ante gerebant, nunc quoque habent: parcum genus est patiensque laborum quaesitique tenax et quod quaesita reservet. hi te ad bella pares annis animisque sequentur, cum primum qui te feliciter attulit eurus' |
Kund ist dir die Gestalt;
von früher das emsige Wesen Haben sie noch, ein karges Geschlecht, ausdauernd in Arbeit, Sparsam mit dem Erwerb und wohl das Erworbene wahrend. Die nun sollen mit dir, an Jahren sich gleich und an Mute, Ziehen zum Krieg, sobald sich der Ost, der glücklich dich brachte" – |
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(eurus enim attulerat)
'fuerit mutatus in austrum.' |
Ostwind hatt' ihn gebracht
- "demnächst umwandelt zum Südwind." |