4. Callisto und Arcas (2,401-530) | ||
At pater omnipotens
ingentia moenia caeli circuit et, ne quid labefactum viribus ignis corruat, explorat. quae postquam firma suique roboris esse videt, terras hominumque labores |
Achtsam aber umgeht der
allmächtige Vater des Himmels Riesige Mauern und forscht, ob nichts einstürze, zerrüttet Durch des Feuers Gewalt. Wie er fest noch alles gefunden Und in tüchtigem Stand, durchspäht er die Erd' und der Menschen |
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perspicit. Arcadiae
tamen est inpensior illi cura suae: fontesque et nondum audentia labi flumina restituit, dat terrae gramina, frondes arboribus, laesasque iubet revirescere silvas. dum redit itque frequens, in virgine Nonacrina |
Arbeit. Aber zumeist
für sein Arkadien ist er Liebend besorgt. Neu stellt er her die Quellen und Flüsse, Die noch scheuen den Lauf; Gras gibt er dem Boden, den Bäumen Wieder ihr Laub und heißt frisch grünen beschädigte Wälder. Während er geht und kommt, hat eine nonakrische Jungfrau |
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haesit, et accepti caluere
sub ossibus ignes. non erat huius opus lanam mollire trahendo nec positu variare comas; ubi fibula vestem, vitta coercuerat neglectos alba capillos; et modo leve manu iaculum, modo sumpserat arcum, |
Fest ihn gebannt, und
es brennt im Mark das empfangene Feuer. Nicht war jener Geschäft, die Wolle geschmeidig zu ziehen, Noch zu verändern das Haar in Tracht. Wenn die Spange das Kleid ihr Und ein schneeiges Band nachlässige Locken gefesselt Und den geglätteten Spieß sie führte oder den Bogen, |
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miles erat Phoebes:
nec Maenalon attigit ulla gratior hac Triviae; sed nulla potentia longa est. Ulterius medio spatium sol altus habebat, cum subit illa nemus, quod nulla ceciderat aetas; exuit hic umero pharetram lentosque retendit |
War sie in Phoibes Gefolg,
und der Trivia werter besuchte Keine des Mainalos Höhn. Doch Macht ist nimmer beständig. Über die Mitte hinaus stand hoch am Himmel die Sonne, Als sie trat in den Hain, den kein Zeitalter gelichtet. Drauf von der Achsel nahm sie den Köcher und spannte den straffen |
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arcus inque solo, quod
texerat herba, iacebat et pictam posita pharetram cervice premebat. Iuppiter ut vidit fessam et custode vacantem, 'hoc certe furtum coniunx mea nesciet' inquit, 'aut si rescierit, sunt, o sunt iurgia tanti!' |
Bogen zurück und
ließ auf dem grasigen Boden sich nieder, Und ausruhend beschwert' ihr Haupt den bebilderten Köcher. Iupiter, wie er sie sah daliegen von keinem gehütet, Sprach: "Diesmal wird nichts von dem Handel erfahren die Gattin, Oder erfährt sie es auch: was kann ihr Schelten mich kümmern?" |
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protinus induitur faciem cultumque Dianae atque ait: 'o comitum, virgo, pars una mearum, in quibus es venata iugis?' de caespite virgo se levat et 'salve numen, me iudice' dixit, 'audiat ipse licet, maius Iove.' ridet et audit |
Gleich nun zeigt er sich
in Gestalt und Tracht der Diana: "Jungfrau", sagt er zu ihr, "du meiner Gefährtinnen eine, Wo im Gebirg' heut' hast du gejagt?" Sie erhebt sich vom Rasen: »Sei mir", sprach sie, "gegrüßt, o Gottheit meines Bedünkens Höher, und hört er es selbst, als Iupiter!" Lachend vernimmt er's, |
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et sibi praeferri se
gaudet et oscula iungit, nec moderata satis nec sic a virgine danda. qua venata foret silva, narrare parantem inpedit amplexu nec se sine crimine prodit. illa quidem contra, quantum modo femina posset |
Froh, dass sie über
ihn selbst ihn stellt, und bedeckt sie mit Küssen Nicht in züchtigem Maß und nicht nach Sitte der Jungfraun. Wie sie beginnt, in welchem Gehölz sie gejagt, zu erzählen, Hindert er's durch Umfangen, nicht ohne Vergehn sich verratend. Zwar sie kämpft und ringt, so viel ein Mädchen vermögend - |
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(adspiceres utinam,
Saturnia, mitior esses), illa quidem pugnat, sed quem superare puella, quisve Iovem poterat? superum petit aethera victor Iuppiter: huic odio nemus est et conscia silva; unde pedem referens paene est oblita pharetram |
Sähest du zu, o
Tochter Saturns, du wärest gelinder! - Zwar sie ringt; doch welch ein Weib, ja wer von den Göttern Hielte vor Iupiter Stand? Siegreich kehrt wieder zum Aither Iupiter. Ihr ist verhasst das Gebüsch und die wissende Waldung, Und sie vergaß, wie sie wandte den Fuß, fast Köcher und Pfeile |
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tollere cum telis et
quem suspenderat arcum. Ecce, suo comitata choro Dictynna per altum Maenalon ingrediens et caede superba ferarum adspicit hanc visamque vocat: clamata refugit et timuit primo, ne Iuppiter esset in illa; |
Aufzuheben vom Gras und
vom Aste zu nehmen den Bogen. Sieh, Diktynna einher auf der Höhe des Mainalos schreitend, Von dem Gefolg umringt und stolz auf des Wildes Erlegung, Wird sie gewahr und ruft sie her. Die Gerufene fliehet Und hegt Furcht im Beginn, dass Iupiter sei in der Jungfrau. |
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sed postquam pariter
nymphas incedere vidit, sensit abesse dolos numerumque accessit ad harum. heu! quam difficile est crimen non prodere vultu! vix oculos attollit humo nec, ut ante solebat, iuncta deae lateri nec toto est agmine prima, |
Als sie jedoch nun auch
sah nahn die begleitenden Nymphen, Wusste sie, Trug sei fern, und trat in die Reihe der andern. Ach, wie fällt es so schwer, nicht die Schuld zu verraten im Antlitz! Kaum vom Boden erhebt sie den Blick; nicht ist sie der Göttin Immer zur Seite wie sonst und nicht im Zuge die erste, |
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sed silet et laesi
dat signa rubore pudoris; et, nisi quod virgo est, poterat sentire Diana mille notis culpam: nymphae sensisse feruntur. orbe resurgebant lunaria cornua nono, cum de venatu fraternis languida flammis, |
Als sie jedoch nun auch
sah nahn die begleitenden Nymphen, Wusste sie, Trug sei fern, und trat in die Reihe der andern. Ach, wie fällt es so schwer, nicht die Schuld zu verraten im Antlitz! Kaum vom Boden erhebt sie den Blick; nicht ist sie der Göttin Immer zur Seite wie sonst und nicht im Zuge die erste, |
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nacta nemus gelidum
dea, quo cum murmure labens ibat et attritas versabat rivus harenas. ut loca laudavit, summas pede contigit undas; his quoque laudatis 'procul est' ait 'arbiter omnis: nuda superfusis tinguamus corpora lymphis!' |
Kam in ein kühles
Gehölz, aus dem mit Gemurmel ein Bächlein Rann und im gleitenden Lauf mitrollte geglättete Steinchen. Wie sie die Stätte gelobt, senkt leicht sie den Fuß in die Wellen; Die auch lobt sie und spricht: "Nah ist kein spähender Zeuge; Lasst uns baden den Leib in den überströmenden Wassern." |
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Parrhasis erubuit;
cunctae velamina ponunt; una moras quaerit: dubitanti vestis adempta est, qua posita nudo patuit cum corpore crimen. attonitae manibusque uterum celare volenti 'i procul hinc' dixit 'nec sacros pollue fontis!' |
Schamrot steht die Parrhaserin
da. Sie entkleiden sich alle; Eine nur sucht Verzug; der Zögernden nimmt man die Hülle. Wie das Gewand hinfällt, wird sichtbar die Schuld mit der Nacktheit. Jene gedachte bestürzt, mit den Händen den Schoß zu verdecken: "Geh", sprach Cynthia, "fern von hier, dass die heilige Quelle |
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Cynthia deque suo iussit
secedere coetu. Senserat hoc olim magni matrona Tonantis distuleratque graves in idonea tempora poenas. causa morae nulla est, et iam puer Arcas (id ipsum indoluit Iuno) fuerat de paelice natus. |
Nicht du entweihst!"
und gebot ihr zu weichen aus ihrem Gefolge. Längst schon hatt' es gemerkt des mächtigen Donnerers Gattin Und auf gelegene Zeit die empfindliche Rache verschoben. Grund ist nicht zum Verzug; denn schon war Arkas der Knabe – Dieses zumeist war Iunos Verdruss - von der Buhle geboren. |
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quo simul obvertit
saevam cum lumine mentem, 'scilicet hoc etiam restabat, adultera' dixit, 'ut fecunda fores, fieretque iniuria partu nota, Iovisque mei testatum dedecus esset. haud inpune feres: adimam tibi namque figuram, |
Als sie den zornigen
Sinn auf ihn mit dem Auge gerichtet: "Das noch hatte gefehlt fürwahr, Ehbrecherin", sprach sie, "Dass Frucht reifte von dir, und ruchbar würde die Kränkung Durch die Geburt und meines Gemahls Unehre bezeuget. Du sollst büßen dafür. Ich will die Gestalt dir benehmen, |
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qua tibi, quaque places
nostro, inportuna, marito.' dixit et adversam prensis a fronte capillis stravit humi pronam. tendebat bracchia supplex: bracchia coeperunt nigris horrescere villis curvarique manus et aduncos crescere in unguis |
Freche, darin du gefällst
dir selber und meinem Gcmahle. "Sprach's und fasste sie vorn an der Stirn bei den Haaren und warf sie Mit dem Gesicht auf den Grund. Demütig erhob sie die Arme: Sieh, da hüllten sich rauh in schwärzliche Zotten die Arme, Und krumm wurden die Händ' und erwuchsen zu kralligen Tatzen, |
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officioque pedum fungi
laudataque quondam ora Iovi lato fieri deformia rictu. neve preces animos et verba precantia flectant, posse loqui eripitur: vox iracunda minaxque plenaque terroris rauco de gutture fertur; |
Nun als Füße
gebraucht, und durch weit offenen Rachen Ward entstellt das Gesicht, das Iupiter hatte gepriesen. Dass auch Bitten das Herz nicht rührten und flehende Worte, Wird ihr die Sprache geraubt. Ein Laut nur zornig und drohend Und voll Schrecken und Graus entringt sich der heiseren Kehle |
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mens antiqua tamen
facta quoque mansit in ursa, adsiduoque suos gemitu testata dolores qualescumque manus ad caelum et sidera tollit ingratumque Iovem, nequeat cum dicere, sentit. a! quotiens, sola non ausa quiescere silva, |
Aber der frühere
Sinn bleibt auch, da sie Bärin geworden, Und sie bekundet den Schmerz durch unablässiges Stöhnen Und hebt so, wie sie sind, zu Himmel und Sternen die Hände Und klagt Iupiter an, weil Rede gebricht, in Gedanken. Ach, wie irrte sie oft, da sie nicht in der Öde des Waldes |
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ante domum quondamque
suis erravit in agris! a! quotiens per saxa canum latratibus acta est venatrixque metu venantum territa fugit! saepe feris latuit visis, oblita quid esset, ursaque conspectos in montibus horruit ursos |
Wagte zu ruhn, vor dem
Haus und im Feld, das selbst sie besessen! Ach, wie oft durch Felsen gejagt vom Bellen der Hunde Floh sie dahin voll Angst, die Jägerin bang vor den Jägern! Oft, wenn sie Wild gesehn, versteckt sie sich ihrer vergessend, Und vor Bären erschrickt, die sie schaut im Gebirge, die Bärin, |
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pertimuitque lupos,
quamvis pater esset in illis. Ecce Lycaoniae proles ignara parentis, Arcas adest ter quinque fere natalibus actis; dumque feras sequitur, dum saltus eligit aptos nexilibusque plagis silvas Erymanthidas ambit, |
Und sie erbebt vor Wölfen,
wiewohl ihr Vater dabei war. Siehe, der Sproß von Lykaons Geschlecht, nicht kennend die Mutter, Arkas, erscheint, dem fast dreimal fünf Jahre vergangen. Während er folgt dem Wild und günstige Forste sich aussucht Und mit geflochtenem Garn umstellt erymanthische Wälder, |
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incidit in matrem,
quae restitit Arcade viso et cognoscenti similis fuit: ille refugit inmotosque oculos in se sine fine tenentem nescius extimuit propiusque accedere aventi vulnifico fuerat fixurus pectora telo: |
Trifft er die Mutter,
und sobald sie gewahret den Arkas, Steht sie still und gleicht der Erkennenden. Jener erschrocken Bebt - denn er kannte sie nicht - vor ihr, die das starrende Auge Endlos richtet auf ihn, und da näher zu gehn sie begehrte, Wollt' er die Brust ihr schon durchbohren mit tödlicher Waffe. |
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arcuit omnipotens pariterque
ipsosque nefasque sustulit et pariter raptos per inania vento inposuit caelo vicinaque sidera fecit. Intumuit Iuno, postquam inter sidera paelex fulsit, et ad canam descendit in aequora Tethyn |
Doch der Allmächtige
schützt, und zugleich sie selbst und die Untat Hebt er hinweg, und im Sturm durch luftige Leere sie raffend Stellt er am Himmel sie hin und macht sie zu Nachbargestirnen. Da schwoll Iuno im Zorn, als unter den Sternen die Buhle Leuchtete. Nieder zum Greis Okeanus und zu der grauen |
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Oceanumque senem, quorum
reverentia movit saepe deos, causamque viae scitantibus infit: 'quaeritis, aetheriis quare regina deorum sedibus huc adsim? pro me tenet altera caelum! mentior, obscurum nisi nox cum fecerit orbem, |
Doch der Allmächtige
schützt, und zugleich sie selbst und die Untat Hebt er hinweg, und im Sturm durch luftige Leere sie raffend Stellt er am Himmel sie hin und macht sie zu Nachbargestirnen. Da schwoll Iuno im Zorn, als unter den Sternen die Buhle Leuchtete. Nieder zum Greis Okeanus und zu der grauen |
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nuper honoratas summo,
mea vulnera, caelo videritis stellas illic, ubi circulus axem ultimus extremum spatioque brevissimus ambit. et vero quisquam Iunonem laedere nolit offensamque tremat, quae prosum sola nocendo? |
Hoch am Himmel ihr nicht
die neulich verherrlichten Sterne, Mein Leidwesen, erblickt dort, wo um das Ende der Achse Sich der äußerste Kreis und im Räume der kürzeste windet. Soll noch einer sich scheun, die Iuno zu kränken, und zittern Vor der Beleidigten Zorn, die allein nur nützt, wo sie schadet? |
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o ego quantum egi!
quam vasta potentia nostra est! esse hominem vetui: facta est dea! sic ego poenas sontibus inpono, sic est mea magna potestas! vindicet antiquam faciem vultusque ferinos detrahat, Argolica quod in ante Phoronide fecit |
Seht, was ich Großes
getan, wie endlos meine Gewalt ist! Mensch nicht ließ ich sie sein, sie ist Göttin. Also verhäng' ich Strafe dem schuldigen Tun; so weit reicht mein Vermögen! Lass' er die alte Gestalt doch kehren und schwinden des Raubtiers Züge, wie schon er getan bei der Phoronide von Argos. |
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cur non et pulsa ducit
Iunone meoque collocat in thalamo socerumque Lycaona sumit? at vos si laesae tangit contemptus alumnae, gurgite caeruleo septem prohibete triones sideraque in caelo stupri mercede recepta |
Warum freit er sie nicht
und führt sie, Iuno verstoßend, In mein Ehegemach und nimmt zum Schwäher Lykaon? Aber wofern euch rührt die Schmach des beleidigten Zöglings, Haltet vom bläulichen Grund stets ferne die sieben Trionen, Und das Gestirn, das steht am Himmel zum Lohne der Unzucht, |
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pellite, ne puro tinguatur
in aequore paelex!' |
Scheucht, dass nicht
in die lautere Flut sich tauche die Buhle." |
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