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Thuk.3,82-84
Die Pathologie

Deutsche Übersetzung nach Campe bearbeitet von E.Gottwein

 

 

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82. a) Mala Graecorum ex seditionibus: nimium novos modos bellorum inveniendi studium, crudeliora supplicia, temeritas praedicata, deliberatio prudens et clementia contemptae

(3,82,1) Οὕτως ὠμὴ ἡ στάσις προυχώρησε, καὶ ἔδοξε μᾶλλον, διότι ἐν τοῖς πρώτη ἐγένετο, ἐπεὶ ὕστερόν γε καὶ πᾶν ὡς εἰπεῖν τὸ Ἑλληνικὸν ἐκινήθη, διαφορῶν οὐσῶν ἑκασταχοῦ τοῖς τε τῶν δήμων προστάταις τοὺς Ἀθηναίους ἐπάγεσθαι καὶ τοῖς ὀλίγοις τοὺς Λακεδαιμονίους. καὶ ἐν μὲν εἰρήνῃ οὐκ ἂν ἐχόντων πρόφασιν οὐδ' ἑτοίμων παρακαλεῖν αὐτούς, πολεμουμένων δὲ καὶ ξυμμαχίας ἅμα ἑκατέροις τῇ τῶν ἐναντίων κακώσει καὶ σφίσιν αὐτοῖς ἐκ τοῦ αὐτοῦ προσποιήσει ῥᾳδίως αἱ ἐπαγωγαὶ τοῖς νεωτερίζειν τι βουλομένοις ἐπορίζοντο.  Zu so unmenschlicher Rohheit entartete der Parteikampf (in Kerkyra) und er erschien um so grässlicher, als es der erste Fall dieser Art war. Später jedoch geriet sozusagen die ganze griechische Welt in Bewegung; denn überall herrschte Streit und die Führer der demokratischen Parteien bemühten sich, die Athener herbeizurufen, die Oligarchen die Lakedaimonier. Während sie im Frieden weder Anlass hatten noch entschlossen genug waren, sie zum Beistand aufzufordern, geschah dies im Krieg und im Bündnisfall: hier wie dort erlangten, um den Gegnern Schaden zuzufügen und sich selbst zugleich neue Bundesgenossen zu gewinnen, diejenigen, die einen Gewaltstreich versuchen wollten, mit Leichtigkeit die verlangte Unterstützung. 
(3,82,2) καὶ ἐπέπεσε πολλὰ καὶ χαλεπὰ κατὰ στάσιν ταῖς πόλεσι, γιγνόμενα μὲν καὶ αἰεὶ ἐσόμενα, ἕως ἂν ἡ αὐτὴ φύσις ἀνθρώπων ᾖ, μᾶλλον δὲ καὶ ἡσυχαίτερα καὶ τοῖς εἴδεσι διηλλαγμένα, ὡς ἂν ἕκασται αἱ μεταβολαὶ τῶν ξυντυχιῶν ἐφιστῶνται. ἐν μὲν γὰρ εἰρήνῃ καὶ ἀγαθοῖς πράγμασιν αἵ τε πόλεις καὶ οἱ ἰδιῶται ἀμείνους τὰς γνώμας ἔχουσι διὰ τὸ μὴ ἐς ἀκουσίους ἀνάγκας πίπτειν· ὁ δὲ πόλεμος ὑφελὼν τὴν εὐπορίαν τοῦ καθ' ἡμέραν βίαιος διδάσκαλος καὶ πρὸς τὰ παρόντα τὰς ὀργὰς τῶν πολλῶν ὁμοιοῖ. Infolge der Parteikämpfe trafen die Städte viele Drangsale, wie sie  zwar vorkommen und stets vorkommen werden, solange die menschliche Natur die selbe bleibt, jedoch härter und ruhiger und verschiedenartig, je nach dem, wie bei den einzelnen der Wechsel in den Verhältnissen abläuft. Denn im Frieden und in guten Zeiten haben Staaten und Privatleute eine mildere Gesinnung, weil sie nicht unfreiwillig in eine Zwangslage geraten. Der Krieg dagegen ist, weil er die reichlichen Mittel zum täglichen Unterhalt entzieht, ein gewaltsamer Lehrer und stimmt das leidenschaftliche Streben der Menge ihrer gegenwärtigen Lage gleich. 
  1. Thukydides entwirft hier geradezu ein anthropologisches Modell für den Zusammenhang menschlichen Handelns mit den jeweiligen Lebensverhältnissen. Heben Sie seine wichtigsten Bezüge heraus!
    • Anthropologische Grundkonstante ist die stets gleich bleibende menschliche Natur (ἡ αὐτὴ φύσις ἀνθρώπων); ihre Festlegung ist aber nicht qualitativ wertender Art (etwa im Sinne der πραότης oder πλενονεξία), sondern offen für eine Entfaltung in verschiedene Richtungen (αἱ ὀργαί - Handlungsziele und Handlungsmotivationen).

    • Die Aktualisierung ihrer Möglichkeiten erfolgt in variabler Weise (τοῖς εἴδεσι διηλλαγμένα) durch Angleichung (ὁμοιοῦν), abhängig von

      • den jeweils obwaltenden Lebensverhältnissen (τὰ παρόντα, ἕκασται αἱ μεταβολαὶ τῶν ξυντυχιῶν), in diesem Kontext Parteienstreit, Krieg (στάσις; πόλεμος) oder Frieden und Wohlstand (εἰρήνη, εὐπορία);

      • und als Rückkoppelung durch einen empirischen Lernprozess (πύστις, Sammeln von Erfahrung) (ὁ δὲ πόλεμος... βίαιος διδάσκαλος) 

    Handlungsmodell zu Thuk.2,82 (Pathologie)

(3,82,3) ἐστασίαζέ τε οὖν τὰ τῶν πόλεων, καὶ τὰ ἐφυστερίζοντά που πύστει τῶν προγενομένων πολὺ ἐπέφερε τὴν ὑπερβολὴν τοῦ καινοῦσθαι τὰς διανοίας τῶν τ' ἐπιχειρήσεων περιτεχνήσει καὶ τῶν τιμωριῶν ἀτοπίᾳ. So beherrschten nun Parteikämpfe die Städte und bei jedem späteren suchte man sich nach dem, was man über die früheren erfahren hatte, darin, dass man sich unerhört Neuartiges ausdachte, weit zu überbieten, sowohl was das Raffinement der Anschläge, als was die Grässlichkeit der Rache anging. 
(3,82,4) καὶ τὴν εἰωθυῖαν ἀξίωσιν τῶν ὀνομάτων ἐς τὰ ἔργα ἀντήλλαξαν τῇ δικαιώσει. τόλμα μὲν γὰρ ἀλόγιστος ἀνδρεία φιλέταιρος ἐνομίσθη, μέλλησις δὲ προμηθὴς δειλία εὐπρεπής, τὸ δὲ σῶφρον τοῦ ἀνάνδρου πρόσχημα, καὶ τὸ πρὸς ἅπαν ξυνετὸν ἐπὶ πᾶν ἀργόν· τὸ δ' ἐμπλήκτως ὀξὺ ἀνδρὸς μοίρᾳ προσετέθη, ἀσφαλείᾳ δὲ τὸ ἐπιβουλεύσασθαι ἀποτροπῆς πρόφασις εὔλογος. Auch die gewohnte Terminologie für das Handeln vertauschte man jetzt nach Gutdünken. Denn unvernünftige Verwegenheit galt für treu ergebene Mannhaftigkeit, vorsichtiges Zögern für bemäntelte Feigheit, Besonnenheit für versteckte Mutlosigkeit, planvolle Überlegung in allen Dingen für Trägheit zu jedem Tun, schlagfertiges Zupacken galt als Eigenschaften des rechten Mannes, auf Sicherheit bedachtes Beraten dagegen als schönklingender Vorwand für eine Ablehnung. 
(3,82,5) καὶ ὁ μὲν χαλεπαίνων πιστὸς αἰεί, ὁ δ' ἀντιλέγων αὐτῷ ὕποπτος. ἐπιβουλεύσας δέ τις τυχὼν ξυνετὸς καὶ ὑπονοήσας ἔτι δεινότερος· προβουλεύσας δὲ, ὅπως μηδὲν αὐτῶν δεήσει, τῆς τε ἑταιρίας διαλυτὴς καὶ τοὺς ἐναντίους ἐκπεπληγμένος. Wer Empörung zeigte, galt immer als zuverlässig, wer ihm widersprach, als verdächtig. Hatte einer mit einem Anschlag Erfolg, war er klug, noch geschickter, wer einen entdeckte; wer aber Vorsorge traf, dass nichts davon nötig sei, schien auf Auflösung des Bündnisses bedacht zu sein und vor der Gegenpartei in Angst erstarrt. 
   

 b) Alter alterum male faciendo praeveniens; sodalitium promptum ad quaevis facinora potius cognatione; fides non confirmata religione, sed coniunctis sceleribus; cupido vindictae insatiabilis, nec iure iurando tutae reconciliationes; ubique regnans avaritia et ambitio.  

ἁπλῶς δὲ ὁ φθάσας τὸν μέλλοντα κακόν τι δρᾶν ἐπῃνεῖτο, καὶ ὁ ἐπικελεύσας τὸν μὴ διανοούμενον.  Und überhaupt lobte man, wer dem zuvorkam, der ihm Böses anzutun beabsichtigte, und wer auch den noch dazu aufreizte, der keine feindlichen Absichten hegte. 
(3,82,6) καὶ μὴν καὶ τὸ ξυγγενὲς τοῦ ἑταιρικοῦ ἀλλοτριώτερον ἐγένετο διὰ τὸ ἑτοιμότερον εἶναι ἀπροφασίστως τολμᾶν· οὐ γὰρ μετὰ τῶν κειμένων νόμων ὠφελίας αἱ τοιαῦται ξύνοδοι, ἀλλὰ παρὰ τοὺς καθεστῶτας πλεονεξίᾳ. καὶ τὰς ἐς σφᾶς αὐτοὺς πίστεις οὐ τῷ θείῳ νόμῳ μᾶλλον ἐκρατύνοντο ἢ τῷ κοινῇ τι παρανομῆσαι. Desgleichen wurden Blutsverwandte geringer geachtet als Parteigenossen, weil sie eher bereit war, vorbehaltlos loszuschlagen. Denn solche Vereinigungen bezweckten nicht gegenseitigen Beistand im Einklang mit den gegebenen Gesetzen, sondern Eigennutz gegen die bestehende Ordnung. Und gegenseitige Treuegelübde befestigten sie weniger durch religiöse Weihe als durch gemeinschaftliche Übertretung der Gesetze.   
(3,82,7) τά τε ἀπὸ τῶν ἐναντίων καλῶς λεγόμενα ἐνεδέχοντο ἔργων φυλακῇ, εἰ προύχοιεν, καὶ οὐ γενναιότητι. ἀντιτιμωρήσασθαί τέ τινα περὶ πλείονος ἦν ἢ αὐτὸν μὴ προπαθεῖν. καὶ ὅρκοι εἴ που ἄρα γένοιντο ξυναλλαγῆς, ἐν τῷ αὐτίκα πρὸς τὸ ἄπορον ἑκατέρῳ διδόμενοι ἴσχυον οὐκ ἐχόντων ἄλλοθεν δύναμιν· ἐν δὲ τῷ παρατυχόντι ὁ φθάσας θαρσῆσαι, εἰ ἴδοι ἄφαρκτον, ἥδιον διὰ τὴν πίστιν ἐτιμωρεῖτο ἢ ἀπὸ τοῦ προφανοῦς, καὶ τό τε ἀσφαλὲς ἐλογίζετο καὶ ὅτι ἀπάτῃ περιγενόμενος ξυνέσεως ἀγώνισμα προσελάμβανεν. ῥᾷον δ' οἱ πολλοὶ κακοῦργοι ὄντες δεξιοὶ κέκληνται ἢ ἀμαθεῖς ἀγαθοί, καὶ τῷ μὲν αἰσχύνονται, ἐπὶ δὲ τῷ ἀγάλλονται. Die ehrlich gemeinten Vorschläge der Gegner aber erwiderten sie, wenn diese in Vorteil waren, mit tatsächlichen Vorkehrungen und nicht mit ehrlichem Vertrauen. Ferner stand es höher in Ehre, Rache an jemand zu üben, als selber nicht zuerst zu leiden. Und wurden etwa einmal zur Versöhnung Eidschwüre gegeben, so hatten sie, da sie von der einen wie von der anderen Seite nur im Drang der Not gegeben wurden, nur für den Augenblick Geltung, solange sie keine Unterstützung anderswoher hatten; bei erster günstiger Gelegenheit aber rächte sich, wer sich zuerst dazu ein Herz fasste, wenn er den Gegner nicht auf der Hut sah, lieber eben jenes Vertrauens wegen als in offenem Kampf, und stellte dabei nicht nur die Gefahrlosigkeit in Rechnung, sondern auch, dass er, wenn er durch Täuschung siegte, zusätzlich den Kampfpreis der Klugheit gewann. Lieber aber lassen sich die meisten Leute, wenn sie Verbrecher sind, gescheit, als dumm, wenn sie brav sind; des letzteren schämen sie sich, auf das erste dagegen halten sie sich etwas zugute. 
(3,82,8) πάντων δ' αὐτῶν αἴτιον ἀρχὴ ἡ διὰ πλεονεξίαν καὶ φιλοτιμίαν· Von dem allen aber lag die Ursache im Verlangen nach Macht, um Herrschsucht und Ehrgeiz zu befriedigen.
  1. Sammeln Sie in einer Tabelle die positiven Wertvorstellungen, die durch den Sittenverfall diskreditiert werden, und welche Handlungsweise an ihre Stelle tritt!
    ursprünglich positiver Wert
    Abwertung
    Ersatzwert
    Aufwertung
    a) allgemeine Moral      
    ἀγαθοί  ἀμαθεῖς  κακοῦργοι: κακόν τι δρᾶν δεξιοί
    φθάνειν θαρσῆσαι  ἀσφαλές und ξυνετόν
    b) Tapferkeit      
    ἀνδρεία φιλέταιρ τόλμα ἀλόγιστος τὸ δ' ἐμπλήκτως ὀξὺ
    ἐπικελεύειν τὸν μὴ  διανοούμενον
    ἀπροφασίστως τολμᾶν
     
    c) vorsichtige Zurückhaltung      
    μέλλησις δὲ προμηθὴς
    προβουλεύσας 
    μὴ προπαθεῖν
    δειλία εὐπρεπής
    ἑταιρίας διαλυτὴς
    τοὺς ἐναντίους ἐκπεπληγμένος
    φθάνειν θαρσῆσαι ἀντιτιμω-ρήσασθαι  
    τὸ σῶφρον τὸ ἄνανδρον  
    ἀσφαλείᾳ ἐπιβουλεύσασθαι ἀποτροπῆς πρόφασις  
    d) intelligentes Planen      
    τὸ πρὸς ἅπαν ξυνετόν ἐπὶ πᾶν ἀργόν ἐπιβουλεύειν, ὑπονοεῖν  
    e) Treue und Vertrauen   ὕποψία  
    πιστότης   χαλεπαίνειν (ἀντιλέγειν)  

     

    ξύνεσις

     

     

     

        ἀπάτη

     

      φθάνειν θαρσῆσαι
    τῷ θείῳ νόμῳ   τῷ κοινῇ τι παρανομῆσαι
    ὅρκοι ξυναλλαγῆς   ἐν τῷ αὐτίκα ἴσχυον
    γενναιότης   ἔργων φυλακή
    f) sozialethische Tugenden      
    τὸ ξυγγενές   τὸ ἑταιρικόν  
    νόμων ὠφελία   πλεονεξία
    παρὰ τοὺς καθεστῶτας νόμους
     
  2. Überprüfen Sie, ob und inwieweit die hier genannten Tugenden, sich mit dem Katalog der aus Platon bekannten Kardinaltugenden und dem "Kanon des idealen Staatsmannes", den Thuk.2,60,5 zur Würdigung des Perikles aufstellt, übereinstimmen!
    • Mit der σωφροσύνη, ἀνδρεία und σοφία sind außer der δικαιοσύνη alle Kardinaltugenden expressis verbis angesprochen. Trotzdem dürfte sich Thukydides nicht an der Moralphilosophie orientieren, sondern an den eigenen, aus der Analyse der politischen Praxis erwachsenen Kriterien. 
    • Die Pathologie zeichnet, um den Niedergang Athens zu erklären, mit dem Zerfall der politischen Kultur das nachperikleische Gegenbild des idealen Politikers; insofern sind beide Textstellen im Sinne einer Antithese eng aufeinander bezogen.    

c) Inde etiam urbium contentiones, civibus praetextu ἰσονομίας politicae, vel moderatae aristocratiae, nunc vi, nunc dolosa facundia, potentiam et pricipatum quaerentibus, prpensosque in neutram partem perdentibus.

ἐκ δ' αὐτῶν καὶ ἐς τὸ φιλονικεῖν καθισταμένων τὸ πρόθυμον. οἱ γὰρ ἐν ταῖς πόλεσι προστάντες μετὰ ὀνόματος ἑκάτεροι εὐπρεποῦς, πλήθους τε ἰσονομίας πολιτικῆς καὶ ἀριστοκρατίας σώφρονος προτιμήσει, τὰ μὲν κοινὰ λόγῳ θεραπεύοντες ἆθλα ἐποιοῦντο, παντὶ δὲ τρόπῳ ἀγωνιζόμενοι ἀλλήλων περιγίγνεσθαι ἐτόλμησάν τε τὰ δεινότατα ἐπεξῇσάν τε τὰς τιμωρίας ἔτι μείζους, οὐ μέχρι τοῦ δικαίου καὶ τῇ πόλει ξυμφόρου προτιθέντες, ἐς δὲ τὸ ἑκατέροις που αἰεὶ ἡδονὴν ἔχον ὁρίζοντες, καὶ ἢ μετὰ ψήφου ἀδίκου καταγνώσεως ἢ χειρὶ κτώμενοι τὸ κρατεῖν ἑτοῖμοι ἦσαν τὴν αὐτίκα φιλονικίαν ἐκπιμπλάναι. ὥστε εὐσεβείᾳ μὲν οὐδέτεροι ἐνόμιζον, εὐπρεπείᾳ δὲ λόγου οἷς ξυμβαίη ἐπιφθόνως τι διαπράξασθαι, ἄμεινον ἤκουον. τὰ δὲ μέσα τῶν πολιτῶν ὑπ' ἀμφοτέρων ἢ ὅτι οὐ ξυνηγωνίζοντο ἢ φθόνῳ τοῦ περιεῖναι διεφθείροντο. Daher auch, wenn der Parteienstreit begann, der leidenschaftliche Eifer. Denn diejenigen, die an der Spitze der Städte standen, gebrauchten zwar, die einen wie die andern, wohlklingende Namen, und kämpften hier um bürgerliche Gleichberechtigung der Menge, dort um besonnene Herrschaft der Besten; in Wahrheit aber betrachteten sie das Volk, dem sie angeblich dienten, nur als Kampfpreis und, indem sie auf jede Weise übereinander zu siegen trachteten, wagten sie das Entsetzlichste und gingen bei ihren gegenseitigen Verfolgungen immer weiter und weiter, indem sie sie über die Grenze der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls hinaus steigerten. Da sie sich nun so durch die jeweilige Rachsucht leiten ließen und entweder durch ungerechte Verurteilung oder durch Gewalt zu siegen trachteten, waren sie bereit, sich ihrer augenblickliche Parteiwut zu überlassen. Daher übten die einen so wenig als die anderen Gottesfurcht; vielmehr brachten schönklingende Worte, wenn man so auf empörende Weise etwas erfolgreich durchsetzte, einen besseren Ruf. Der Rest der Bürgerschaft aber, der parteilos in der Mitte stand, wurde zugrunde gerichtet, entweder weil er nicht mitkämpfen konnte oder aus Missgunst, er könne unversehrt davonkommen. 

83. Conclusio huius disputationis de malis seditionum

(3,83,1) Οὕτω πᾶσα ἰδέα κατέστη κακοτροπίας διὰ τὰς στάσεις τῷ Ἑλληνικῷ, καὶ τὸ εὔηθες, οὗ τὸ γενναῖον πλεῖστον μετέχει, καταγελασθὲν ἠφανίσθη, τὸ δὲ ἀντιτετάχθαι ἀλλήλοις τῇ γνώμῃ ἀπίστως ἐπὶ πολὺ διήνεγκεν· So fand nun jede Art sittlicher Verderbnis infolge dieser Parteikämpfe in der griechischen Welt  Eingang, und die Einfachheit, die dem Adel der Gesinnung am nächsten steht, wurde verlacht und verschwand. Dagegen fand es immer mehr Anklang, einander mit tiefem Misstrauen  gegenüberzustehen.
(3,83,2) οὐ γὰρ ἦν ὁ διαλύσων οὔτε λόγος ἐχυρὸς οὔτε ὅρκος φοβερός, κρείσσους δὲ ὄντες ἅπαντες λογισμῷ ἐς τὸ ἀνέλπιστον τοῦ βεβαίου μὴ παθεῖν μᾶλλον προυσκόπουν ἢ πιστεῦσαι ἐδύναντο. Denn Versöhnung zu stiften war kein Wort zuverlässig, kein Schwur furchtbar genug; und da alle Stärkeren innerlich überzeugt waren, dass doch nicht auf Treu und Glauben zu rechnen sei, suchten sie sich mehr durch Klugheit im voraus gegen Schaden zu schützen als Vertrauen zu beweisen.  
(3,83,3) καὶ οἱ φαυλότεροι γνώμην ὡς τὰ πλείω περιεγίγνοντο· τῷ γὰρ δεδιέναι τό τε αὑτῶν ἐνδεὲς καὶ τὸ τῶν ἐναντίων ξυνετόν, μὴ λόγοις τε ἥσσους ὦσι καὶ ἐκ τοῦ πολυτρόπου αὐτῶν τῆς γνώμης φθάσωσι προεπιβουλευόμενοι, τολμηρῶς πρὸς τὰ ἔργα ἐχώρουν. Es gewannen hierbei selbst Leute von geringerem Verstand meistens die Oberhand. Denn sie fürchteten ihre eigene Schwäche und die Klugheit der Gegner, sie möchten sowohl bei der öffentlichen Debatte den kürzeren ziehen als auch infolge deren geistiger Gewandtheit mit einem Anschlag überrascht werden, und schritten daher mit Entschlossenheit zur Tat.   
(3,83,4) οἱ δὲ καταφρονοῦντες κἂν προαισθέσθαι καὶ ἔργῳ οὐδὲν σφᾶς δεῖν λαμβάνειν, ἃ γνώμῃ ἔξεστιν, ἄφαρκτοι μᾶλλον διεφθείροντο. Jene dagegen meinten in ihrer Geringschätzung, sie würden es wohl vorher merken und hätten es nicht nötig, durch die Tat zu gewinnen, was sie durch Klugheit gewinnen könnten, und fanden so mehr als jene den Untergang durch Mangel an Vorsicht.  

84. Caput suspectum

(3,84,1) Ἐν δ' οὖν τῇ Κερκύρᾳ τὰ πολλὰ αὐτῶν προυτολμήθη, καὶ ὁπόσα ὕβρει μὲν ἀρχόμενοι τὸ πλέον ἢ σωφροσύνῃ ὑπὸ τῶν τὴν τιμωρίαν παρασχόντων οἱ ἀνταμυνόμενοι δράσειαν, πενίας δὲ τῆς εἰωθυίας ἀπαλλαξείοντές τινες, μάλιστα δ' ἂν διὰ πάθους, ἐπιθυμοῦντες τὰ τῶν πέλας ἔχειν, παρὰ δίκην γιγνώσκοιεν, οἵ τε μὴ ἐπὶ πλεονεξίᾳ, ἀπὸ ἴσου δὲ μάλιστα ἐπιόντες ἀπαιδευσίᾳ ὀργῆς πλεῖστον ἐκφερόμενοι ὠμῶς καὶ ἀπαραιτήτως ἐπέλθοιεν. In Kerkyra nun wurde das meiste hiervon zuerst gewagt: die einen, die mehr mit rohen Übermut als mit Mäßigung beherrscht waren, übten jetzt Vergeltung, sowie ihre Zwingherrn die Gelegenheit zur Rache boten. Die anderen sehnten sich, die gewohnte Armut loszuwerden, und hätten die Güter der anderen zugleich mit Befriedigung ihrer Leidenschaften zu erhalten gewünscht. Wieder andere gingen ursprünglich nicht mit selbstsüchtigen Absichten, sondern um ihrer Gleichberechtigung willen in den Kampf, ließen sich aber, unfähig ihre Leidenschaft zu zügeln, weit fortreißen und verfolgten so auf eine barbarische und unbarmherzige Weise den Sieg. 
(3,84,2) ξυνταραχθέντος τε τοῦ βίου ἐς τὸν καιρὸν τοῦτον τῇ πόλει καὶ τῶν νόμων κρατήσασα ἡ ἀνθρωπεία φύσις, εἰωθυῖα καὶ παρὰ τοὺς νόμους ἀδικεῖν, ἀσμένη ἐδήλωσεν ἀκρατὴς μὲν ὀργῆς οὖσα, κρείσσων δὲ τοῦ δικαίου, πολεμία δὲ τοῦ προύχοντος· οὐ γὰρ ἂν τοῦ τε ὁσίου τὸ τιμωρεῖσθαι προυτίθεσαν τοῦ τε μὴ ἀδικεῖν τὸ κερδαίνειν, ἐν ᾧ μὴ βλάπτουσαν ἰσχὺν εἶχε τὸ φθονεῖν. So gerieten nun zu dieser Zeit die Lebensverhältnisse der Stadt in Zerrüttung, und die menschliche Natur, ohnehin gewohnt, selbst gegen bestehende Gesetze zu freveln, zeigte, als sie die Gesetze über den Haufen gestürzt hatte, mit wahrer Lust, dass sie die Leidenschaft nicht zu beherrschen wisse, sich über das Recht hinwegsetze und allem Hervorragenden feind sei. Sonst würden sie nicht die Befriedigung der Rache höher als die Tugend und den Vorteil höher als die Scheu vor Ungerechtigkeiten achten, wobei denn die Missgunst ihre verderbliche Kraft verlieren würde.  
(3,84,3) ἀξιοῦσί τε τοὺς κοινοὺς περὶ τῶν τοιούτων οἱ ἄνθρωποι νόμους, ἀφ' ὧν ἅπασιν ἐλπὶς ὑπόκειται σφαλεῖσι κἂν αὐτοὺς διασῴζεσθαι, ἐν ἄλλων τιμωρίαις προκαταλύειν καὶ μὴ ὑπολείπεσθαι, εἴ ποτε ἄρα τις κινδυνεύσας τινὸς δεήσεται αὐτῶν. So streben nun die Menschen selbst danach, die gemeinschaftlichen Gesetze über solche Dinge, bei denen alle eine stille Hoffnung hegen, im Notfall gleichfalls durchzuschlüpfen, bei der Rache gegen andere vorher aufzuheben, anstatt sie für sich selber übrig zu lassen, für den Fall, dass einer in der Gefahr eines derselben bedürfen sollte.  
 
  1. Da Thukydides politisches Geschehen in der Regel von der materiellen Basis her und nicht aus einem moralisch-philosophischen Überbau erklärt, stellt sich in dem Zusammenhang mit der Pathologie dringend die Frage nach dem Stellenwert, den die Moral in seinem Geschichtswerk einnimmt.
    • Die Antwort zielt darauf, dass Thukydides durch die Einbeziehung der Moral in sein Geschichtswerk eine "Transformation des Moralischen", vornimmt. Genauere Hinweise finden sich bei O.Luschnat, Sp.1250-1252 ("Die moralischen Maßstäbe des Thukydides").

Literatur: A.Jacob 

Quellen und Materialien
Sententiae excerptae:
Griech. zu "Thukydides"
Literatur:
zu "Pathologie"
2048
Drexler, H.
Tacitus. Grundzüge einer politischen Pathologie
Frankfurt 1939 / Darmstadt 1970 / Hildesheim (Olms) 1970

1378
Schöner, E.
Das Viererschema in der antiken Humoralpathologie. Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften, Beiheft 4
Wiesbaden 1964


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