Homer, Odyssee 19, 379 - 393; 467
- 475
Eurykleia erkennt Odysseus
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Bildquelle: travel-greece.
Skyphos, ca. 440 v.Chr. (Chiusi, Italien)
Würdigung bei Brommer, S.100 (Abb.48). Hinter Eurykleia steht
Eumaios und reicht Odysseus eine Begrüßungsgabe. Das Bild
vereinigt also zwei in der Dichtung getrennte Szenen. |
- Sind Bild und Text in ihren Aussagen eher deckungsgleich oder
divergieren sie eher?
- Sollte ein Bildender Künstler überhaupt sich eng an
einen Text anschließen oder sind seine künstlerischen
Mittel prinzipiell so verschieden, dass er bewußte Anlehnungen
eher vermeiden sollte?
- Welche Textelemente entziehen sich schon ihrer
Art nach der bildnerischen Darstellung?
- Welche spezifischen Bildelemente sind der Verbalisierung
unzugänglich?
- Könnten Sie sich persönlich als Bildender Künstler
vorstellen, Buchillustrationen zu Homers Odyssee zu entwerfen?
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Die Wiedererkennung des Odysseus
baut sich - vom Dichter sorgsam komponiert - in mehreren Stufen auf:
Eumaios, Telemach, der Hund Argos, Eurykleia... Das Ziel all dieser
Episoden ist natürlich die Begegnung mit Penelope. Dort wird
noch deutlicher werden, dass es sich dabei nicht (wie etwa in modernen
Verfilmungen) um sentimentale Rührstücke handelt, sondern
um die Wiedereinsetzung des Odysseus in seine Rechte als Ehemann und
Hausherr, in all das, was ihm die Freier eben streitig machen. In
diesem Rahmen wird auch das Persönliche (sei es Liebe, sei es
Haß) seinen Platz haben. |
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(Εὐρύκλεια) |
379 |
"πολλοὶ δὴ ξεῖνοι ταλαπείριοι
ἐνθάδ' ἵκοντο, |
380 |
ἀλλ' οὔ πώ τινά φημι ἐοικότα ὧδε
ἰδέσθαι
ὡς σὺ δέμας φωνήν τε πόδας τ' ᾿AEHIOVΟδυσῆι ἔοικας."
τὴν δ' ἀπαμειβόμενος προσέφη πολύμητις ᾿AEHIOVΟδυσσεύς·
"ὦ γρηῦ, οὕτω φασὶν ὅσοι ἴδον ὀφθαλμοῖσιν
ἡμέας ἀμφοτέρους, μάλα εἰκέλω ἀλλήλοιιν |
385 |
ἔμμεναι, ὡς σύ περ αὐτὴ ἐπιφρονέους'
ἀγορεύεις."
ὣς ἄρ' ἔφη, γρηὺς δὲ λέβηθ' ἕλε παμφανόωντα,
τῷ πόδας ἐξαπένιζεν, ὕδωρ δ' ἐνεχεύατο πολλόν,
ψυχρόν, ἔπειτα δὲ θερμὸν ἐπήφυσεν. αὐτὰρ ᾿AEHIOVΟδυσσεὺς
ἷζεν ἀπ' ἐσχαρόφιν, ποτὶ δὲ σκότον ἐτράπετ' αἶψα· |
390 |
αὐτίκα γὰρ κατὰ θυμὸν ὀίσατο, μή
ἑ λαβοῦσα
οὐλὴν ἀμφράσσαιτο καὶ ἀμφαδὰ ἔργα γένοιτο.
νίζε δ' ἄρ' ἄσσον ἰοῦσα ἄναχθ' ἑόν· αὐτίκα δ' ἔγνω
οὐλήν, τήν ποτέ μιν σῦς ἤλασε λευκῷ ὀδόντι ... |
467 |
τὴν γρηὺς χείρεσσι καταπρηνέσσι λαβοῦσα
γνῶ ῥ' ἐπιμασσαμένη, πόδα δὲ προέηκε φέρεσθαι·
ἐν δὲ λέβητι πέσε κνήμη, κανάχησε δὲ χαλκός, |
470 |
ἂψ δ' ἑτέρως' ἐκλίθη· τὸ δ' ἐπὶ χθονὸς
ἐξέχυθ' ὕδωρ.
τὴν δ' ἅμα χάρμα καὶ ἄλγος ἕλε φρένα, τὼ δέ οἱ ὄσσε
δακρυόφιν πλῆσθεν, θαλερὴ δέ οἱ ἔσχετο φωνή.
ἁψαμένη δὲ γενείου ᾿AEHIOVΟδυσσῆα προσέειπεν·
"ἦ
μάλ' ᾿AEHIOVΟδυσσεύς ἐσσι, φίλον τέκος· οὐδέ ς' ἐγώ γε |
475 |
πρὶν ἔγνων, πρὶν πάντα ἄνακτ' ἐμὸν
ἀμφαφάασθαι." |
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Zu grundsätzlichen Unterschieden zwischen Dichtung
und Bildender Kunst: Vergleiche Andreae, S. 42f.: "Als sich die
früharchaischen Vasenmaler daran machten, das dichterisch im
zeitlichen Ablauf erzählte mythische Geschehen in ein momentanes,
d.h. auf einen Blick zu erfassendes Bild umzusetzen, sahen sie sich
noch einer anderen Schwierigkeit gegenüber, die eine grundsätzliche
Schwierigkeit der bildenden Kunst gegenüber der Dichtkunst ist
- wie schon G.E. Lessing in seiner berühmten Abhandlung »Laokoon«
darlegte.
Literatur kann jedes Geschehen im zeitlichen Nacheinander vor dem
inneren Auge des Lesers sich vollziehen lassen, die bildende Kunst
aber stellt es im unveränderlichen zeitlichen Miteinander dar.
Die Lösung, die Lessing in der Wahl des fruchtbaren Augenblicks
sieht, war der frühen griechischen Kunst, welche nicht die Erscheinung,
sondern das Sein der Dinge darstellen wollte, verwehrt. Die Künstler
dieser Frühzeit mussten eine Erzählweise entwickeln, in
der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft anschaulich erfahrbar waren." |
Sententiae excerptae: Griech. zu "Hom.Od"58
ὑπὲρ μόρον
über das nötige Maß hinaus
Hom.Od.1,35
66
Ἄλλος γάρ τ’ ἄλλοισιν ἀνὴρ ἐπιτέρπεται ἔργοις.
Jeder erfreut sich an anderen Dingen.
Hom.Od.14,228
104
Ἄνθρωποι δὲ μινυνθάδιοι τελέθουσιν
Ach, nur kurz dauert der Menschen Leben (ast hominibus brevibus spatiis constringitur aevum)
Hom.Od.19,237
760
Ἢ δόλῳ, ἠὲ βίηφι· ἢ ἀμφαδὸν, ἠὲ κρυφηδόν.
Entweder mit List oder mit Gewalt; entweder offen oder heimlich.
Zenob.1,93 (Hom.Od.9,406; Hom.Od.11,119)
Literatur: zu "Homer" und "Eurykleia"
- /Grie/hom/HomOd210.php - Letzte Aktualisierung: 17.07.2024 - 15:54 |