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Gaius Plinius Caecilius Secundus

Epistulae
Buch 6

 

 
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(6,1) C. PLINIUS TIRONI SUO S.
AN TIRO
(1) Quamdiu ego trans Padum, tu in Piceno, minus te requirebam; postquam ego in urbe, tu adhuc in Piceno, multo magis, seu quod ipsa loca, in quibus esse una solemus, acrius me tui commonent, seu quod desiderium absentium nihil perinde ac vicinitas acuit, quoque propius accesseris ad spem fruendi, hoc impatientius careas.
Solange ich jenseits des Po war, du im Picenischen, vermisste ich dich nicht so sehr; seit ich aber in der Stadt (Rom) bin, du immer noch im Picenischen, viel mehr; entweder weil mich die Orte, wo wir gewöhnlich zusammen sind, stärker an dich erinnern, oder weil die Sehnsucht nach den Abwesenden nichts so sehr steigert wie ihre Nähe, und weil man überhaupt den Genuss um so ungeduldiger entbehrt, je näher man der Hoffnung auf Erfüllung kommt.
(2) Quidquid in causa, eripe me huic tormento. Veni, aut ego illuc, unde inconsulte properavi, revertar, vel ob hoc solum, ut experiar, an mihi, cum sine me Romae coeperis esse, similes his epistulas mittas. Vale.
Was immer aber die Ursache sei, entreiße mich dieser Qual! Komm, oder ich kehre dorthin zurück, woher ich so unbesonnen weggeeilt bin, wenn auch nur, um zu erfahren, ob du mir, wenn du ohne mich in Rom bist, ähnliche Briefe schickst. Lebe wohl!

 

(6,16) C. PLINIUS TACITO SUO S.
AN TACITUS
(1) Petis, ut tibi avunculi mei exitum scribam, quo verius tradere posteris possis. Gratias ago; nam video morti eius, si celebretur a te, immortalem gloriam esse propositam. (2) Quamvis enim pulcherrimarum clade terrarum, ut populi ut urbes memorabili casu, quasi semper victurus occiderit, quamvis ipse plurima opera et mansura condiderit, multum tamen perpetuitati eius scriptorum tuorum aeternitas addet. (3) Equidem beatos puto, quibus deorum munere datum est aut facere scribenda aut scribere legenda, beatissimos vero, quibus utrumque. Horum in numero avunculus meus et suis libris et tuis erit. Quo libentius suscipio, deposco etiam, quod iniungis.
Du bittest mich, den Tod meines Onkels zu beschreiben, damit du ihn der Nachwelt um so treuer überliefern kannst. Ich danke dir, denn ich wei&szlig, dass seinen Tod, wenn du ihn beschreibst, unsterblicher Ruhm erwartet. (2) Obgleich er nämlich durch die schreckliche Katastrophe der schönsten Gegenden der Erde umkam, und er, wie Städte und Völker durch diesen denkwürdigen Unglücksfall gleichsam ewig leben wird, obgleich er selbst mehrere Werke von bleibendem Wert geschrieben hat, wird doch die Unsterblichkeit deiner Schriften viel zu seinem Nachruhm beitragen. (3) Ich halte die für glücklich, denen es die Götter vergönnen, entweder zu tun, was aufschreibenswert ist, oder aufzuschreiben, was lesenswert ist; für die glücklichsten aber halte ich die, denen beides gelingt. Zu diesen wird mein Onkel durch seine und deine Schriften gehören. Um so lieber komme ich deinem Anliegen nach, ja bitte dich sogar darum.
(4) Erat Miseni classemque imperio praesens regebat. Nonum kal. Septembres hora fere septima mater mea indicat ei adparere nubem inusitata et magnitudine et specie. (5) Usus ille sole, mox frigida, gustaverat iacens studebatque; poscit soleas, ascendit locum ex quo maxime miraculum illud conspici poterat.
Mein Onkel befand sich in Misenum , wo er persönlich das Kommando über die Flotte hatte. Am 24. August meldet ihm ungefähr um 13 Uhr meine Mutter, es zeige sich eine Wolke von ungewöhnlicher Grö&szlig,e und Gestalt. Er hatte sich gesonnt, kalt gebadet, dann im Liegen etwas zu sich genommen und studierte. Er forderte seine Sandalen und bestieg eine Anhöhe, von der aus man die sonderbare Erscheinung am besten beobachten konnte.
Nubes - incertum procul intuentibus, ex quo monte (Vesuvium fuisse postea cognitum est) - oriebatur, cuius similitudinem et formam non alia magis arbor quam pinus expresserit. (6) Nam longissimo velut trunco elata in altum quibusdam ramis diffundebatur, credo quia recenti spiritu evecta, dein senescente eo destituta aut etiam pondere suo victa in latitudinem vanescebat, candida interdum, interdum sordida et maculosa prout terram cineremve sustulerat.
Die Wolke erhob sich - von welchem Berg, konnte man von weitem nicht eindeutig erkennen (dass es der Vesuv war, erfuhr man erst später) - in einer Gestalt, die mit keinem Baum besser zu vergleichen war als mit einer Pinie. Denn sie schien auf einem sehr langen Stamm in die Höhe zu steigen und sich in einige Zweige zu verbreitern; wahrscheinlich, weil sie anfangs durch den frischen Druck in die Höhe stieg und sich dann, als jener nachlie&szlig,, senkte oder sich durch ihre eigene Schwerkraft in die Breite ergoss. Sie war bisweilen wei&szlig,, bisweilen schmutzig und gefleckt, je nachdem ob sie Erde oder Steine mit sich führte.
(7) Magnum propiusque noscendum ut eruditissimo viro visum. Iubet liburnicam aptari; mihi si venire una vellem facit copiam; respondi studere me malle, et forte ipse quod scriberem dederat. (8) Egrediebatur domo; accipit codicillos Rectinae Tasci imminenti periculo exterritae (nam villa eius subiacebat, nec ulla nisi navibus fuga): ut se tanto discrimini eriperet orabat. (9) Vertit ille consilium et, quod studioso animo incohaverat, obit maximo.
(7) Als einem gelehrten Mann erschien ihm diese Erscheinung bedeutsam und näherer Betrachtung wert. Er lässt ein leichtes Schiff ausrüsten und stellt mir frei, ihn zu begleiten. Ich antwortete, ich wolle lieber studieren, und zufällig hatte er selbst mir etwas zu schreiben aufgegeben. (8) Eben trat er aus dem Haus, als er ein Schreiben von Rectina, der Frau des Cascus erhielt, die über die drohende Gefahr erschrocken war (denn ihr Anwesen lag am Fu&szlig, des Vesuv und sie konnte nur zu Schiff fliehen); sie bat ihn, sie aus der so gro&szlig,en Gefahr zu retten. (9) Jener ändert seinen Plan, und führt jetzt mit grö&szlig,tem Wagemut aus, was er aus wissenschaftlicher Neugierde begonnen hatte.
Deducit quadriremes, ascendit ipse non Rectinae modo sed multis (erat enim frequens amoenitas orae) laturus auxilium. (10) Properat illuc unde alii fugiunt, rectumque cursum recta gubernacula in periculum tenet adeo solutus metu, ut omnes illius mali motus omnes figuras, ut deprenderat oculis, dictaret enotaretque.
Er lässt die Vierrudrer zu Wasser und geht selbst an Bord, um nicht nur Rectina Hilfe zu bringen, sondern vielen (denn die Küste war wegen ihrer Anmut dicht bevölkert). (10) Dorthin eilt er, von wo andere fliehen, und steuert in gerader Richtung auf die Gefahr zu, so furchtlos, dass er alle Veränderungen und Ausformungen jenes Unglücks, wie er sie wahrnahm, diktierte und aufzeichnen lie&szlig.
(11) Iam navibus cinis incidebat, quo propius accederent, calidior et densior; iam pumices etiam nigrique et ambusti et fracti igne lapides; iam vadum subitum ruinaque montis litora obstantia. Cunctatus paulum an retro flecteret, mox gubernatori, ut ita faceret, monenti: "Fortes" inquit "fortuna iuvat: Pomponianum pete!" (12) Stabiis erat diremptus sinu medio (nam sensim circumactis curvatisque litoribus mare infunditur); ibi quamquam nondum periculo adpropinquante, conspicuo tamen et, cum cresceret, proximo, sarcinas contulerat in naves, certus fugae, si contrarius ventus resedisset. Quo tunc avunculus meus secundissimo invectus, complectitur trepidantem consolatur hortatur, utque timorem eius sua securitate leniret, deferri in balineum iubet; lotus accubat cenat, aut hilaris aut (quod aeque magnum) similis hilari.
(11) Schon fiel Asche auf die Schiffe, hei&szlig,er und dichter, je näher man kam; nun auch Bimssteine und schwarze, ausgebrannte, vom Feuer geborstene Steine. Jetzt machte eine plötzliche Untiefe und der Auswurf des Berges die Küste unzugänglich. Er besann sich einen Augenblick, ob er zurücksegeln solle, bald aber sagte er dem Steuermann, der ihm dazu riet: "Mit den Tapferen ist das Glück, fahre zu Pomponianus!" (12) Dieser war in Stabiae an der entgegengesetzten Seite der Bucht (denn das Meer ergie&szlig,t sich dort in das sich allmählich krümmende und herumziehende Ufer). Obwohl die Gefahr dort noch nicht sehr nahe war, so war sie doch vor Augen, und wenn sie wuchs, nahe genug; er hatte daher sein Gepäck auf die Schiffe bringen lassen und war zur Flucht entschlossen, sobald sich der Gegenwind legen würde. Als mein Onkel bei sehr günstigem Wind dort gelandet war, umarmt er den Zitternden, tröstet und ermuntert ihn und lässt sich, um dessen Furcht durch seine Zuversicht zu stillen, ins Bad bringen. Nach dem Bad legt er sich zu Tisch und speist mit heiterem Gemüt oder doch, was ebenso wirksam ist, mit heiterer Miene.
(13) Interim e Vesuvio monte pluribus locis latissimae flammae altaque incendia relucebant, quorum fulgor et claritas tenebris noctis excitabatur.
Inzwischen leuchteten an mehreren Stellen aus dem Vesuv breite Flammen und hohe Feuerbrände empor, deren Glanz und Helligkeit durch die Finsternis der Nacht gesteigert wurde.
Ille agrestium trepidatione ignes relictos desertasque villas per solitudinem ardere in remedium formidinis dictitabat. Tum se quieti dedit et quievit verissimo quidem somno; nam meatus animae, qui illi propter amplitudinem corporis gravior et sonantior erat, ab iis, qui limini obversabantur, audiebatur. (14) Sed area ex qua diaeta adibatur ita iam cinere mixtisque pumicibus oppleta surrexerat, ut si longior in cubiculo mora, exitus negaretur. Excitatus procedit, seque Pomponiano ceterisque qui pervigilaverant reddit. (15) In commune consultant, intra tecta subsistant an in aperto vagentur. Nam crebris vastisque tremoribus tecta nutabant, et quasi emota sedibus suis nunc huc nunc illuc abire aut referri videbantur. (16) Sub dio rursus quamquam levium exesorumque pumicum casus metuebatur, quod tamen periculorum collatio elegit; et apud illum quidem ratio rationem, apud alios timorem timor vicit. Cervicalia capitibus imposita linteis constringunt; id munimentum adversus incidentia fuit.
Mein Onkel behauptete, um der Furcht zu begegnen, die Landleute hätten aus Schrecken ihre Herdfeuer verlassen und jetzt würden ihre Häuser in der Einsamkeit brennen. Dann begab er sich zur Ruhe und schlief wirklich fest ein; denn die Leute vor der Tür hörten ihn Atem holen, weil er wegen seines starken Körpers schwer und laut atmete. Nun wurde aber der Vorhof, aus dem man in das Zimmer trat, mit Asche und Bimsstein so hoch angefüllt, dass er bei längerem Verweilen nicht mehr aus dem Zimmer hätte gehen können. Man weckt ihn, er steht auf und begibt sich zu Pomponianus und den anderen, die gewacht hatten. (15) Sie beratschlagen gemeinsam, ob sie im Haus bleiben oder ins Freie gehen sollen. Denn die Häuser wankten durch die häufigen und heftigen Erdstö&szlig,e und schienen sich gleichsam aus ihrem Grund zu heben und sich bald hierhin, bald dorthin zu bewegen oder gehoben zu werden. (16) Dagegen scheute man im Freien das Fallen der noch so leichten und ausgebrannten Bimssteine. Doch entschied man sich bei der Abwägung der Gefahren dafür. Bei meinem Onkel siegte ein Argument über das andere, bei anderen eine Furcht über die andere. Sie legen Kissen auf den Kopf und binden sie mit Tüchern fest; dies diente zum Schutz gegen den Steinregen.
(17) Iam dies alibi, illic nox omnibus noctibus nigrior densiorque; quam tamen faces multae variaque lumina solvebant. Placuit egredi in litus, et ex proximo adspicere, ecquid iam mare admitteret; quod adhuc vastum et adversum permanebat. (18) Ibi super abiectum linteum recubans semel atque iterum frigidam aquam poposcit hausitque. Deinde flammae flammarumque praenuntius odor sulpuris alios in fugam vertunt, excitant illum. (19) Innitens servolis duobus adsurrexit et statim concidit, ut ego colligo, crassiore caligine spiritu obstructo, clausoque stomacho, qui illi natura invalidus et angustus et frequenter aestuans erat. (20) Ubi dies redditus (is ab eo quem novissime viderat tertius), corpus inventum integrum inlaesum opertumque ut fuerat indutus: habitus corporis quiescenti quam defuncto similior.
Schon war es anderwärts Tag, dort war es Nacht, schwärzer und finsterer als alle Nächte; doch erhellten sie viele Fackeln und Lichter aller Art. Man beschloss, ans Ufer zu gehen und aus der Nähe zu sehen, ob man sich schon aufs Meer wagen könne; dieses blieb aber wild und ungestüm. (18) Hier legte er sich auf ein ausgebreitetes Tuch, forderte wiederholt kaltes Wasser und trank es. Hierauf trieben die Flammen und als Vorbote der Flammen der Schwefelgeruch die anderen in die Flucht, ihn lie&szlig,en sie aufzustehen. (19) Gestützt auf zwei Sklaven erhob er sich, sank aber sogleich nieder, wie ich vermute, erstickt durch den dicken Dampf, und weil sich die Luftröhre verschloss, die bei ihm von Natur aus schwach und eng war und häufig an Krämpfen litt. (20) Als es Tag wurde, der dritte, von dem an gerechnet, den er zuletzt gesehen hatte, fand man seinen Körper unversehrt, unverletzt und bedeckt, so wie er bekleidet war, einem Schlafenden ähnlicher als einem Toten.
(21) Interim Miseni ego et mater - sed nihil ad historiam, nec tu aliud quam de exitu eius scire voluisti. Finem ergo faciam. (22) Unum adiciam, omnia me, quibus interfueram quaeque statim, cum maxime vera memorantur, audieram, persecutum. Tu potissima excerpes; aliud est enim epistulam aliud historiam, aliud amico aliud omnibus scribere. Vale.
(21) Indessen waren ich und meine Mutter in Misenum - Dies aber trägt nichts zur Geschichte bei, und du wolltest nur etwas über seinen Tod erfahren. Ich will also Schluss machen. (22) Als einziges will ich noch beifügen, dass ich alles, was ich selbst erlebt, und was ich in dem Augenblick gehört habe, wo die Wahrheit am treuesten erzählt wird, aufgezeichnet habe. Du wirst das Wichtigste ausziehen, denn das eine ist ein Brief, etwas anderes Geschichte, das eine, einem Freund, ein anderes, für alle zu schreiben. Lebe wohl!

 

(6,20) C. PLINIUS TACITO SUO S.
AN TACITUS
(1) Ais te adductum litteris, quas exigenti tibi de morte avunculi mei scripsi, cupere cognoscere, quos ego Miseni relictus (id enim ingressus abruperam) non solum metus verum etiam casus pertulerim. "Quamquam animus meminisse horret, . . . incipiam."
(2) Profecto avunculo ipse reliquum tempus studiis (ideo enim remanseram) impendi; mox balineum, cena, somnus inquietus et brevis.
(1) Du sagst, der Brief, den ich dir auf dein Verlangen über den Tod meines Onkels geschrieben habe, habe in dir den Wunsch gewckt, zu erfahren, was ich in Misenum, wo ich geblieben war (hier hatte ich abgebrochen), nicht allein für Schrecken, sondern auch für Unfälle erlebt habe. "Obgleich schaudernd der Geist zurückbebt vor der Erinnrung, |
Will ich beginnen." (Verg.Aen.2,12f). (2) Nachdem mein Onkel weggegangen war, brachte ich die übrige Zeit des Tages mit meinen Studien zu, denn aus diesem Grund war ich zurückgeblieben; hierauf badete ich, speiste und schlief kurz und unruhig.
(3) Praecesserat per multos dies tremor terrae, minus formidolosus, quia Campaniae solitus; illa vero nocte ita invaluit, ut non moveri omnia sed verti crederentur. (4) Inrupit cubiculum meum mater; surgebam invicem, si quiesceret excitaturus. Resedimus in area domus, quae mare a tectis modico spatio dividebat.
(5) Dubito, constantiam vocare an imprudentiam debeam (agebam enim duodevicensimum annum): posco librum Titi Livi, et quasi per otium lego atque etiam, ut coeperam, excerpo. Ecce amicus avunculi, qui nuper ad eum ex Hispania venerat, ut me et matrem sedentes, me vero etiam legentem videt, illius patientiam securitatem meam corripit. Nihilo segnius ego intentus in librum.
(3) Das Erdbeben, das man schon seit mehreren Tagen spürte, hatte uns als ein in Campanien gewöhnliches Ereignis nicht sehr beunruhigt. In jener Nacht aber wurde es so stark, dass alles sich nicht nur zu bewegen, sondern einzustürzen schien. (4) Meine Mutter stürzte in mein Schlafzimmer. Ich stand meinerseits gerade auf, um sie zu wecken, wenn sie noch schliefe. Wir setzten uns in den Hof, der in mäßigem Abstand die Häuser von dem nahen Meer trennte.
Ich weiß nicht, soll ich es Unerschrockenheit oder Gedankenlosigkeit nennen, denn ich war damals erst achtzehn Jahre alt. Ich lasse mir die Geschichte des Titus Livius bringen und lese, als hätte ich alle Muße, und setze auch die angefangenen Auszüge fort. Plötzlich erscheint ein Freund meines Onkels, der kürzlich zu ihm aus Spanien gekommen war, schimpft, als er mich und meine dasitzen sieht, mich sogar lesen, sie wegen ihrer Geduld, mich wegen meiner Sorglosigkeit. Ich aber las nicht weniger eifrig weiter.
(6) Iam hora diei prima, et adhuc dubius et quasi languidus dies. Iam quassatis circumiacentibus tectis, quamquam in aperto loco, angusto tamen, magnus et certus ruinae metus.
(7) Tum demum excedere oppido visum; sequitur vulgus attonitum, quodque in pavore simile prudentiae, alienum consilium suo praefert, ingentique agmine abeuntes premit et impellit.
(8) Egressi tecta consistimus. Multa ibi miranda, multas formidines patimur. Nam vehicula quae produci iusseramus, quamquam in planissimo campo, in contrarias partes agebantur, ac ne lapidibus quidem fulta in eodem vestigio quiescebant. (9) Praeterea mare in se resorberi et tremore terrae quasi repelli videbamus. Certe processerat litus, multaque animalia maris siccis harenis detinebat.
(6) Es war schon die erste Tagesstunde (6 Uhr morgens) und noch war der Tag zögerlich und schlaff. Da die umliegenden Gebäude heftig schwankten, war die Gefahr des Einsturzes in dem beschränkten, wenngleich offenen Raum groß und unabweisbar.
(7) Jetzt erst beschlossen wir, die Stadt zu verlassen. Die erschrockene Menge folgt uns, zieht, was in der Angst als Klugheit gilt, fremden Rat dem eigenen vor und drängt und stößt uns in riesigem Zug voran. (8) Als wir die Gebäude hinter uns hatten, machten wir Halt. Aber auch hier neue Wunder, neue Schreken. Denn die Wagen, die wir hatten hinausfahren lassen, wurden auf ganz ebenem Feld hin und her geworfen und blieben selbst dann nicht auf der Stelle, wenn Steine unterlegt wurden. (9) Es war, als verschlinge das Meer sich selbst und werde durch die Erderschütterung gleichsam auf sich selbst zurückgeworfen. Zumindest war das Ufer vorgerückt und hiet viele Seetiere auf dem trockenen Strand zurück.
Ab altero latere nubes atra et horrenda, ignei spiritus tortis vibratisque discursibus rupta, in longas flammarum figuras dehiscebat; fulguribus illae et similes et maiores erant.
(10) Tum vero idem ille ex Hispania amicus acrius et instantius "Si frater" inquit "tuus, tuus avunculus vivit, vult esse vos salvos; si periit, superstites voluit. Proinde quid cessatis evadere?" Respondimus non commissuros nos, ut de salute illius incerti nostrae consuleremus. (11) Non moratus ultra proripit se effusoque cursu periculo aufertur. Nec multo post illa nubes descendere in terras, operire maria; cinxerat Capreas et absconderat, Miseni quod procurrit, abstulerat. (12) Tum mater orare hortari iubere, quoquo modo fugerem; posse enim iuvenem, se et annis et corpore gravem bene morituram, si mihi causa mortis non fuisset. Ego contra salvum me nisi una non futurum; dein manum eius amplexus addere gradum cogo. (13) Paret aegre incusatque se, quod me moretur.
Auf der entgegengesetzten Seite zerplatzte eine schreckliche schwarze Wolke, schoss und schleuderte schlangenförmige Feuermassen umher und entlud sich in länglichen Flammengestalten, die wie Blitze aussahen, aber größer waren. (10) Jetzt wurde der Freund aus Spanien heftiger und dringender: "Wenn dein Bruder", sagte er, "wenn dein Onkel noch lebt, so will er euch gerettet wissen, und ist er gestorben, so hat er gewollt, dass ihr ihn überlebt; was zögert ihr also mit euerer Flucht?" Wir entgegneten, dass wir es nicht über uns brächten, für unsere Rettung zu sorgen, solange wir über seine im Ungewissheit seien. (11) Er verweilt nun nicht länger, stürzt fort und entreißt sich in schnellem Lauf der Gefahr. Bald darauf lässt sich jene Wolke auf die Erde herab, bedeckt die See. Sie hatte Capri umgeben und eingehüllt; auch das Vorgebirge von Misenum hatte sie unseren Blicken entzogen. (12) Jetzt ermahnte, bat, befahl mir die Mutter zu fliehen, so gut ich könne: ich sei jung und werde leicht entkommen; sie wolle, von Alter und Krankheit niedergedrückt, gerne sterben, wenn sie nur nicht an meinem Tod schuld sei. Ich erwiderte, dass ich ohne sie nicht überleben wolle, ergreife ihre Hand und zwinge sie, schneller zu gehen; (13) sie folgt ungern und macht sich Vorwürfe, dass sie mich aufhalte.
Iam cinis, adhuc tamen rarus. Respicio: densa caligo tergis imminebat, quae nos torrentis modo infusa terrae sequebatur. "Deflectamus" inquam "dum videmus, ne in via strati comitantium turba in tenebris obteramur." (14) Vix consideramus, et nox non qualis inlunis aut nubila, sed qualis in locis clausis lumine exstincto. Audires ululatus feminarum, infantum quiritatus, clamores virorum; alii parentes alii liberos alii coniuges vocibus requirebant, vocibus noscitabant; hi suum casum, illi suorum miserabantur; erant qui metu mortis mortem precarentur; (15) multi ad deos manus tollere, plures nusquam iam deos ullos aeternamque illam et novissimam noctem mundo interpretabantur. Nec defuerunt, qui fictis mentitisque terroribus vera pericula augerent. Aderant, qui Miseni illud ruisse illud ardere falso, sed credentibus nuntiabant.
Schon fällt Asche auf uns, doch immer noch vereinzelt. Ich sehe zurück. Ein dichter Qualm kommt in unserem Rücken bedrohlich hinter uns her, wie ein auf die Erde ergossener Sturzbach: "Lass uns ein wenig abbiegen," sagte ich, "solange wir noch sehen, damit wir nicht auf der Straße umgeworfen und in der Finsternis von der Menge niedergetreten werden." Kaum hatten wir uns niedergelassen, als es finstere Nacht wurde, nicht eine mondlose oder wolkenverhangene Nacht, sondern wie wenn in verschlossenen Räumen das Licht ausgelöscht wird. Nun hörte man Frauen heulen, Kinder wimmern, Männer schreien; die einen riefen ihren Eltern, andere ihren Kindern oder ihren Gatten; einige erkannten sich an den Stimmen, diese bejammerten ihr eigenes Unglück, jene das ihrer Angehörigen, manche sehnten sich aus Furcht vor dem Tod nach dem Tod. Viele erhoben die Hände zu den Göttern, andere behaupteten, es gebe keine Götter mehr und es sei die letzte und ewige Nacht der Welt gekommen. Auch fehlte es nicht an Leuten, die die wirkliche Gefahr durch erfundene und erlogene Schreckensbotschaften vergrößerten. Einige erzählten, in Misenum stehe dies in Flammen, jenes sei eingestürzt,: alles falsch, und doch glaubte man alles.
(16) Paulum reluxit, quod non dies nobis, sed adventantis ignis indicium videbatur. Et ignis quidem longius substitit; tenebrae rursus cinis rursus, multus et gravis. Hunc identidem adsurgentes excutiebamus; operti alioqui atque etiam oblisi pondere essemus.
(16) Es wurde wieder ein wenig hell, was uns aber nicht als Tag, sondern als Zeichen des näher kommenden Feuers vorkam; doch blieb es in der Entfernung: die Finsternis kam wieder und mit ihr ein so heftiger und dichter Aschenregen, dass wir oft aufstehen und sie abschütteln mussten, um nicht zugedeckt und von ihrer Last erdrückt zu werden.
(17) Possem gloriari non gemitum mihi, non vocem parum fortem in tantis periculis excidisse, nisi me cum omnibus, omnia mecum perire misero, magno tamen mortalitatis solacio credidissem.
(17) Ich könnte mich rühmen, dass mir in dieser großen Gefahr nicht ein Seufzer, nicht ein unmännlicher Laut entfahren sei, wenn ich nicht in der Erwartung, dass ich mit der Welt, und die Welt mit mir untergehe, den dürftigen aber doch wirksamen Trost für meinen Tod gefunden hätte.
(18) Tandem illa caligo tenuata quasi in fumum nebulamve discessit; mox dies verus; sol etiam effulsit, luridus tamen, qualis esse, cum deficit, solet. Occursabant trepidantibus adhuc oculis mutata omnia altoque cinere tamquam nive obducta.
(19) Regressi Misenum curatis utcumque corporibus suspensam dubiamque noctem spe ac metu exegimus. Metus praevalebat; nam et tremor terrae perseverabat, et plerique lymphati terrificis vaticinationibus et sua et aliena mala ludificabantur. (20) Nobis tamen ne tunc quidem, quamquam et expertis periculum et exspectantibus, abeundi consilium, donec de avunculo nuntius.
Endlich lichtete sich jene Finsternis in eine Art Rauch oder Nebel auf; es wurde wirklcih Tag, sogar die Sonne kam zum Vorschein, aber ganz trübe, wie bei einer Sonnenfinsternis. Alles zeigte sich dem noch ungewissen Blick verändert, und doch mit Asche, wie mit Schnee bedeckt.
(19) Wir gingen nach Misenum zurück, pflegten uns, so gut wir konnten, und brachten die Nacht unruhig und zwischen Furcht und Hoffnung schwankend zu. Die Furcht überwog, denn das Erdbeben dauerte fort, und manche täuschten in wahrer Verrücktheit durch schreckhafte Prohezeiungen sich und andere über ihr eigenes und fremdes Unglück. (20) Wir aber konnten uns, obwohl wir jetzt die Gefahr kannten und mit ihr rechneten, auch jetzt noch nicht entschließen, uns zu entfernen, bis wir Nachricht vom Onkel hatten.
Haec nequaquam historia digna non scripturus leges et tibi scilicet, qui requisisti, imputabis, si digna ne epistula quidem videbuntur. Vale.
Du wirst dies lesen, ohne es in deine Geschichte aufzunehmen, da es auch dies nicht wert ist; doch du hast es angefordert musst es dir deswegen selbst zurechnen, wenn es dir nicht einmal einen Brief wert zu sein scheint. Lebe wohl!

 

Übersetzung: auf der Grundlage von C.F.A. Schott

 

Sententiae excerptae:
Lat. zu "Plin" und "epist.6,"
Literatur:
zu "Plin" und "epist.6,"
2824
Lillge, F.
Die literarische Form der Briefe Plinius des Jüngeren über den Ausbruch des Vesuvs
in: Sokrates 6,1918,209-234; 273-297
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