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Lupus ad
canem |
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Quam dúlcis sít libértas,
bréviter próloquár.
Caní perpásto mácie cónfectús
lupús
Forte‿óccucúrrit. Deín salútati‿ínvicém
Ut réstitérunt: "únde síc,
quaesó, nités?
Aut quó cibó fecísti tántum
córporís?
Ego, quí sum lónge fórtiór,
pereó famé".
Canís simplíciter: "éadem‿est
cóndició tibí,
Praestáre dómino sí par ófficiúm
potés".
"Quod?" ínquit
ílle. "Cústos út sis líminís,
A fúribús tueáris ét noctú
domúm".
"Ego véro súm
parátus: núnc patiór nivés
Imbrésque‿in sílvis ásperám
vitám trahéns:
Quantó‿est facílius míhi sub técto
víveré,
Et ótiósum lárgo sátiarí
cibó?"
"Veni‿érgo mécum".
Dúm procédunt, áspicít
Lupus á caténa cóllum détritúm
caní.
"Unde‿hóc, amíce?"
"Níhil est". "Díc sodés
tamén".
"Quia vídeor
ácer, álligánt me‿intérdiú,
Luce‿út quiéscam‿et vígilem, nóx
cum vénerít:
Crepúsculó solútus, quá
visúm‿est, vagór.
Affértur últro pánis; dé
mensá suá
Dat óssa dóminus; frústa iáctat
fámiliá
Et, quód fastídit quísque, púlmentáriúm.
Sic síne labóre vénter ímpletúr
meús".
"Age, sí quo‿abíre‿est
ánimus, ést licéntiá?"
"Non pláne‿est" ínquit.
"Frúere, quaé laudás, canís:
Regnáre nólo, líber út non
sím mihí". |
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Der Hund
und der Wolf |
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Kurz tu ich kund, welch süßes
Gut die Freiheit ist.
Dem feisten Hund begegnet einst ein magrer Wolf.
Da man beim gegenseitgen Gruße stille stand,
Begann der Wolf: Wie glänzest du so schön,
mein Freund!
Durch welche Speise wurde denn dein Leib so feist?
Bei aller meiner Stärke sterb ich Hungers fast.
Der Hund sprach einfach: Gleiches Los wird dir zu Teil,
Wenn du dem Herren gleichen Dienst gewähren kannst.
Und welchen? sagte jener. Schwellenhüter sein,
Und nachts das Haus bewahren vor der Diebe Schar.
Ich bin bereit. Denn Regengüsse duld ich jetzt
Und Schnee, und schlepp im Wald ein rauhes Leben hin.
Wie leichter ist's zu leben unter warmem Dach,
Bei reicher Kost in Ruhe sich zu sättigen!
Komm also mit mir! Da sie weitergehn, erblickt
Der Wolf den Hals des Hundes von der Kette kahl.
Woher das, Freund? - Tut nichts! - So sage mir es doch!
-
Weil ich zu rasch bin, bindet man bei Tag mich an,
Um auszuruhn - zu wachen, wenn es dunkel wird.
In der Dämmrung losgelassen, schweif ich frei umher.
Man bringt das Brot mir selber: Knochen gibt der Herr
Vom eignen Tisch und Bissen wirft das Gesind mir zu.
Auch von der Zukost Überbleibsel bringt man mir.
So wird der Magen ohne mÜhe mir gefüllt. -
Und darfst du auch ungehindert hinziehn, wo du willst?
-
Nicht ganz, sprach jener. - Habe nur dein Glück
für dich,
O Hund! Mehr gibt mir Freiheti als ein Königreich. |
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Aufgaben:
- Welche beiden Werte setzt die Fabel abwägend in
Vergleich? - Ordne ihren beiden Wortfeldern aus dem Text
repräsentative Begriffe zu!
- Schließen sich die beiden Werte gegenseitig aus
und gibt es die Möglichkeit zu einem (mehr oder weniger
faulen?) Kompromiss zu gelangen?
- Nimm Stellung zu der Frage, warum der Autor der Fabel
für diese Thematik gerade diese beiden Tiere gewählt
haben dürfte! Würde die Fabel an Wert verlieren,
wenn die beiden Gesprächspartner z.B. zwei verschieden
geartete Hunde wären?
- Warum legt der Hund so großen Wert darauf, den
Wolf zu überzeugen. Hätte er ihm als möglichem
Konkurrenten nicht eher von dem Glück des Kettenhundes
abraten müssen?
- Versuche, folgende Interpretation des ind der Fabel
stattfindenden Dialogs (H.J.Kerler)
am Text und durch Vortrag mit verteilten Rollen nachzuvollziehen:
- Der Dialog zwischen dem Wolf und Hund ist leicht,
natürlich und lebhaft,
- die Gesinnung der Redenden, ihr innerer Zustand
offenbart sich in ihm auf eine ebenso gefällige
als energische Weise.
- Vorzüglich ist die Zurückhaltung, mit
der der Hund seine Sklaverei erwähnt, und der
sichtbare Eifer, mit dem er das abgenötigte Bekenntnis
seiner Sklaverei durch kontrastierende Züge seines
Wohlstandes in Vergessenheit zu bringen sucht.
- Zugleich herrscht in diesem Gespräch ein anziehendes
Fortschreiten der Handlung, eine geschickte Verschlingung
und Auflösung des Knotens, wodurch das Interesse
mehr, als sonst in den Fabeln des Phaedrus gewöhnlich
ist, bis zum Ende gesteigert wird.
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