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De re publica wurde von Cicero im Mai 54 v.Chr. angefangen und gegen Mai des Jahres 51 beendet. Während seiner Arbeit hielt er sich in Cumae auf seinem Landgut auf. Der dargestellte Dialog findet 129 v.Chr. statt, da Cicero bemüht war, die bedeutenden Umwälzungen, die sich ereignet hatten, nicht zu berühren, sondern den römischen Staat zur Zeit des Scipio darzustellen. Cicero wollte nicht wie Platon das Bild eines Idealstaates entwerfen, sondern einen der Wirklichkeit angenäherten Staat schildern, wie er etwa um die Zeit des Dialoges existierte hatte.
Dennoch ist gerade Platon das Vorbild Ciceros. Seinem Staat wollte er ein römisches Gegenstück zur Seite stellen, dessen ethisches Fundament, nämlich die Forderung nach Recht, Gerechtigkeit und Freiheit als Grundlage eines Staates, gleich war, aber dessen überbau spezifisch römisch war, in der freien und originalen Gestaltung des Stoffes durch die Persönlichkeit Ciceros.
Die Grundlagen für seine Betrachtungen hat Cicero aus vielen griechischen Quellen; er zitiert Platon, Aristoteles, Demetrios von Phaleron, Epikur und Kolotes, die Stoiker Panaitios, Chrysippos, Zenon, Ariston von Chios und Diogenes, den Babylonier, Polybios und Karneades, Herakleides von Pontos und die Akademiker Speusippos, Xenokrates, Polemnon und Arkesilaos.
In seiner Verfassungsdiskussion nimmt er die Lehre des Aristoteles über den Verfassungskreislauf mit seinen Entartungen auf.
Vor Cicero hatte es noch keinen literarischen Niederschlag dieser Diskussion über die anthropologischen und soziologischen Fragen nach der Entstehung und Entwicklung des Gemeinschaftslebens in lateinischer Sprache gegeben.
Die res publica ist bei Cicero der Zusammenschluss einer größeren Menschenzahl, eine Interessengemeinschaft auf der Grundlage von Rechtsvereinbarungen. Die Notwendigkeit dazu liege im natürlichen Streben des Menschen nach Gemeinschaft mit anderen Menschen.
Diese Gemeinschaften suchten sich dann Orte, wo sie fest siedelten – so entstehe ein oppidum oder eine urbs. Diese brauche aber eine planvolle Leitung, um Bestand zu haben.
Entweder müsse diese planvolle Leitung in der Hand
Diese 3 Grundformen beleuchtet Cicero durch den Mund Scipios:
In der Demokratie ist es wichtig, dass allen Bürgern die selbe Rechtslage zusteht, da ja schon das Geld nicht gleich verteilt ist und da jeder andere geistige Veranlagungen hat. Um sich die vollkommene Freiheit der Demokratie zu bewahren, muss das Volk sich - relativ - einträchtig bemühen, diese zu erhalten.
Nachteile
Bei einer Volksherrschaft birgt gerade die Gleichheit eine Ungleichheit in sich, da keine Abstufungen nach dem Rang der Persönlichkeit des Einzelnen vorgenommen werden können.
Als Beispiel werden die Athener angeführt, die keine Abstufungen nach dem persönlichen Wert des Einzelnen vornehmen.
Wenn dieses Missverständnis jedoch nicht zustande kommt, wären die Besten an der Macht, würden weise Gesetze geben und auch selbst vorbildlich danach leben.
Nachteile
Bei einer Optimatenherrschaft kann die Masse des Volkes kaum an der gemeinsamen Freiheit teilhaben, da sie bei den Beratungsgesprächen ausgeschlossen ist und ihr keine Machtbefugnis gegeben ist.
Als Beispiel sind die Massilier angeführt, deren Volk, auch wenn die Optimaten eine gute Herrschaft ausüben, ohne Mitspracherecht ist und somit beinahe geknechtet.
Vor allem in Kriegszeiten ist es wichtig sich einem Einzelnen zu unterstellen, um das Existieren des Staates zu gewährleisten und für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen. Die Monarchie ist diejenige Staatsform, die von Scipio am meisten unter diesen 3 nicht ganz perfekten gebilligt wird.
Nachteile
Bei einem Königtum haben alle anderen zu wenig Anteil am gemeinsamen Recht und der staatlichen Planung, da die Macht und Befehlsgewalt in den Händen eines Einzelnen liegt.
Als Beispiel wird Cyrus angeführt, der ein weiser und gerechter König der Perser gewesen sei, aber dennoch, auch wenn seine Herrschaft gerecht und weise war, war sie immer noch die Herrschaft eines Einzelnen.
Königtum | Aristokratie | Volksherrschaft | |
Cic. | caritas | consilium | libertas |
Plat. | φιλία | φρόνησις | ἐλευθερία |
Jede dieser Verfassungen kann in eine schlechte Form umschlagen, in ein entartetes Gegenstück, da sie instabil sind und jede der Verfassungen gewisse Nachteile hat, die den Interessen mancher Gruppen wiedersprechen.
Die Monarchie hält Scipio für die Beste dieser 3 vorgestellten, aber nicht perfekten und instabilen Verfassungsformen. Dies versucht er an Beispielen und mit Zeugen zu belegen.
Sein erstes Beispiel ist aus der Mythologie, aus der Götterwelt, die jeder Kritik erhaben ist und über der Welt der Menschen steht.
In der Monarchie kommt der König der Rolle eines Vaters gleich. Er zieht hier eine Parallele zu Zeus. Zeus sei der Vater aller Götter und Menschen – ein einzelner Herrscher über alle. über diese göttliche - und somit nur schwer anfechtbare - Ebene definieren sich die Könige und fühlen sich bestätigt. Scipio räumt ein, dass dies vielleicht nur aus der Mythologie stammt und daher von Herrschern auch instrumentalisiert werden könne, aber er will sich doch auf diejenigen Menschen berufen, die von der Annahme ausgehen, dass das Weltall durch den Geist eines einzigen regiert wird. (Wie etwa die Stoiker dachten)
Als nächstes ist Scipio bemüht, Zeugen zu finden, die für die Monarchie sprechen.
Rom wurde lange von Königen regiert und diese ära ist noch nicht allzu lange zu Ende. Da Scipio die Römer nicht – wie die Griechen sie sahen - als Barbaren ansieht, kann er auf ihre Meinung vertrauen und ihm scheint das Königtum gut, da so viele angesehene Vorfahren in Einverständnis mit dieser Staatsform gelebt hatten.
Die Vorfahren haben die Könige - zu Recht, wie Scipio meint - vergöttlicht, da diese durch ihre Herrschaft, durch ihre Weisheit und durch ihre Gerechtigkeit den alten Römern ihre Ehre, ihre Würde und ihren Glauben gegeben hätten.
Diese Staatsform sei durch einen einzigen, nämlich Tarquinius Superbus verdorben worden; wären die König auch weiterhin in altbewährter Art tugendhafte gewesen, wäre dieses System nicht zusammengebrochen.
Auch vergleicht er die Staatsform der Monarchie mit den Empfindungen eines stoischen Menschen: geräte jemand Tugendhaftes in Rage, würde er nicht den Zorn siegen lassen, sondern die Vernunft über diese oder andere leidenschaftliche Gefühlswallungen stellen. Genauso stünde der König als staatliche Vernunft über den Untertanen.
Seinen Gesprächspartner, und somit alle ähnlichdenkenden römischen Männer, will Scipioüberzeugen, indem er die patriarchalische Herrschaft von diesem in seinem eigenen Haus anspricht.
Um Beweise oder Parallelen aufzuzeigen arbeitet Cicero oft mit den stoischen Lehren, die er für sich entdeckt hat und zu schätzen weiß.
Das Königtum explizit wird von Cicero gelobt, da er an die alte römische Vorstellung anknüpft, ein Diktator auf gewisse Zeit ernannt soll die Staatsordnung wieder herstellen:
Dictator rem publicam constituas oportebit
Dictator rei publicae constituendae
Dies ist nach den Vorstellungen Ciceros zum Zeitpunkt, als er den Dialog verfasste, nötig, da gerade in dieser Zeit Spannungen in der Republik deutlich wurden. In der Vergangenheit hatten Männer versucht, die Macht an sich zu reißen, bis schließlich das Triumvirat 53 v. Chr. auseinanderbrach und endgültig die Auseinandersetzung zwischen dem Senat und einem Einzelnen, nämlich Caesar, deutlich wurde.
Insgesamt war dieses Zeitalter politisch unruhig und in diesem Klima wünschte sich Cicero den Friedensstifter.
Scipio hält zu jeder Staatsform eine Rede, wobei deutlich wird, dass die Reden für die Demokratie und für die Aristokratie sich von der für die Monarchie, welche Cicero ja persönlich bevorzugt, unterscheiden: einmal schon die Art der Argumentation:
Für die Demokratie und die Aristokratie bleibt seine Argumentation im allgemeinen, politischen Rahmen und in der verfassungspolitischen Sphäre. Diese beiden Reden sind im Bezug auf den formalen Aufbau und ihre Gedankenführung homogen.
In der Rede für die Monarchie jedoch bringt er andersartige Argumente, aus der Götterwelt, aus der familia und aus der nationalen Geschichte, die für Cicero eine ungeheuere Beweiskraft gehabt haben muss, da die altrömische Geschichte quasi ein geheiligter Bezirk war.
Naheliegend ist daher, dass Cicero die Reden über Demokratie und Aristokratie von einem Autor übernommen hat und die Rede für die von ihm favorisierte Monarchie selbst geschrieben hat, wie Friedrich Solmsen ausführt.
Das gemeinsame Moment an diesen Reden über die einzelnen Staatsformen ist, dass sie alle auf das selbe Ziel hinweisen, indem sie jeweils auf positive und negative Seiten geprüft wurden, nämlich die ideale Mischverfassung.
Die Verteidigungen eines γένος diskreditiert jeweils die anderen, daher entsteht die Schlussfolgerung, dass keine dieser Verfassungsgattungen perfekt ist. Daraus wiederum resultiert das Endziel, nämlich die Verfassung, die die Mängel aller anderen Verfassungen vermeidet, aber ihre Vorteile in sich vereint.
Dieser Kreislauf der Verfassungsentartungen geht auf Aristoteles zurück. An dieser Stelle zeigt sich ganz deutlich, wie Cicero sich mit den griechischen Philosophen auseinandergesetzt hat.
So wechselten sich die Staatsformen ab, wie in einem Ballspiel und keiner sei eine längere Dauer beschieden.
Cicero zieht daraus die Konsequenz, dass die einzig gute Verfassung die Mischverfassung sei:
Die Mischverfassung besteht aus den aufgeführten 3 Staatsformen in gleichmäßiger Verteilung.
Die Mischverfassung will die Mängel der Einzelverfassungen vermeiden und ihre Vorteile in sich vereinen.
Die erste Kraft ist eine monarchische Spitze,
die zweite Kraft, eine der ersten Ebene untergeordnete, ist der Einfluss der politischen Führungsschicht und schließlich
die dritte Kraft im Staate ist die große Masse, die in gewissen Aufgabengebieten ihr Urteil und ihre politische Meinungsäußerung abgeben muss.
Diese Verfassung beinhaltet ein hohes Maß an Ausgeglichenheit und eine große Sicherheit und Stabilität.
Ein Umsturz ist nur schwer möglich, da ja alle Formen bereits vorhanden sind.
Laut Scipio, oder Cicero, ist diese Idealverfassung mit der römischen zur Zeit des Gespräches identisch, da die römische Verfassung alle diese Elemente enthalte.
Pöschl, Viktor | Römischer Staat und griechisches Staatsdenken bei Cicero; wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1974 |
Ziegler, Konrad | Staatstheoretische Schriften; 2. unveränderte Auflage, wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1979 |
Sommer, Walther | Übersetzung von: M. T. Cicero „de re publica", Stuttgart (reclam) 1971 |
Schwamborn, Herbert | Cicero, Marcus Tullius: „de re publica", Text und Erläuterungen, Paderborn (Schöningh) o.J. |
Solmsen, Friedrich | Die Theorie der Staatsformen bei Cicero (Kompositionelle Beobachtungen), in: Wege der Forschung; römisches Staatsdenken herausgegeben von Richard Klein |
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