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Erste Szene: Wächter allein | ||
Es herrscht Nacht auf der Bühne. Auf dem Dach des königlichen Palastes, worin die Pelopiden wohnen, geht ein Wächter auf und ab, den Blick bisweilen in die Ferne richtend. | ||
1 |
Wä. | O setzten doch die Götter meiner Not ein Ziel!
Das ganze Jahr durch wach' ich, gleich dem Kettenhund, Hoch auf des Atridenhauses Dach dahingestreckt, Und schau' der lichten Nachtgestirne Reigentanz, |
5 |
Und jene Glanzgebieter, die am Aether stehn, Den Menschen bringen Winterfrost und Sommerglut, Die Sterne, wie sie untergehn und steigen auf. Auch heute späh' ich, ob das Feuerzeichen kommt, Des Lichtes Strahl, der Kunde von der Troerstadt |
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Und Siegesbotschaft meldet: denn so lange hält Des Weibes männerkühnes Herz mich festgebannt! Und ruh' ich nun auf meinem nachtumschauerten Und tauigen Lager, welches süße Träume fliehn, Indem die Furcht mir statt des Schlafs zur Seite steht |
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15 |
Und jeden sichern Schlummer von der Wimper scheucht; Und fällt mir dann zu singen oder zu trällern bei, Das Zaubermittel, das den Schlaf wegbannen soll: Alsdann bewein' ich seufzend dieses Hauses Los, Das nicht, wie vormals segensreich verwaltet steht. |
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20 |
O nahte heut doch meiner Not ein glücklich Ziel,
Und tauchte glückverkündend auf der Flammenschein! - |
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Eine Pause; plötzlich leuchtet am Horizont eine Feuersäule. | ||
Willkommen, nächtige Fackel, welche Tageslicht Verkündet, und in Argos' Stadt unzählige Chorreigen weckt, zu feiern, was sich heut begab! |
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25 |
Juchhei, Juchhei! Ich will es klar berichten an Agamemnons Weib: Vom Lager sich erhebend, soll sie flugs im Haus Heilvollen Dankesjubel diesem Fackelschein Entgegenjauchzen, denn die Stadt der Troer ist |
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30 |
Gefallen, wenn der Feuerbrand nicht Lüge strahlt!
Des Reigens Vorspiel tanz' ich auf der Stelle hier. |
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Er macht tanzende Bewegungen | ||
Dem Herrscherhaus, traun, biet ich schönen Würfelpreis, Da dieses Fernlichtzeichen dreimal Sechs mir warf! O könnt' ich bald des Hausgebieters teure Hand, |
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35 |
Des heimgekehrten, schließen hier in meine Hand!
Von andrem schweig' ich; ein gewalt'ger Stier beschwert Die Zunge mir; am besten sagt es selbst das Haus, Wofern es Sprache hätte! Denn ich rede frei Vor Kundigen, aber fliehe vor Unkundigen. |
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Er steigt hinab. Der Chor kommt aus der Stadt und versammelt sich vor dem Palast | ||
40 |
Chf. | Zehn Jahre bereits sind jetzo verrauscht, Seit Priamos Feind, Menelaos, sowie Agamemnon, der Fürst, Der Atriden Gespann, von dem Zeus zwiefach Mit dem Thron, zwiefach mit dem Zepter geschmückt, |
45 |
Auszogen vereint von dem heimischen Strand, Aufbrechend zum Streit, Mit der tausendbesegelten Heerschar! Laut schnoben sie Kampf in der grimmigen Brust, Wie der Geier Geschlecht, |
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50 |
Die hoch an dem Fels, von unendlichem Schmerz Um die Jungen erfüllt, durchrudern die Luft Mit der Fittiche Schlag, und umkreisen das Nest, Die verlorene Hut Der befiederten Kleinen bejammernd; |
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55 |
Doch wenn in den Höh'n - sei's Zeus, sei's Pan
Sei's Phoibos, den bang aufhallenden Ruf Und den schmetternden Schrei der Beraubten vernimmt, Dann schickt er des Fluchs Nachschleichende Strafe den Frevlern; |
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60 |
So schickt auch Zeus, der erhabne, der Hort Gastfreundlichen Bunds, die Atreiden hinaus, An dem Paris den Raub zu vergelten des Weibs. Des umbuhlten, und weckt vielfältigen Streit, Gliederlähmenden Kampf in dem staubigen Feld, |
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65 |
Kniesturz und Gefecht mit zerspringendem Speer In den vordersten Reihn der Achäer Und der Troer zugleich! Was seufz' ich indes Fruchtlos? Es erfüllt sich des Schicksals Spruch, Nicht Träne versöhnt, nicht Klagegeschrei, |
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70 |
Chff. |
Nicht Jammer den nie auslöschenden Zorn Der beleidigten himmlischen Mächte! Wir Greise jedoch, mit gealterter Kraft, Wir blieben zurück von dem rühmlichen Zug, Und verweilen daheim, |
75 |
Kindgleich an dem Stab aufrichtend den Leib; Denn das jüngere Mark, das wachsend sich regt in dem Busen, erscheint Greisähnlich und bebt vor dem Ares zurück, Und der Alternde schleicht, wenn herbstlich bereits |
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80 |
Hinwelkte das Laub, dreifüßigen Pfad, Und an Schwäche dem Kind gleich, irrt er einher, Wie ein tagsaufsteigendes Traumbild. |
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Während dieser Worte tritt aus dem Palast ein Zug von Dienerinnen, die Opfergaben auf die Altäre legen und anzünden. Gleichzeitig erscheint Klytaimnestra, die sich, vom Chor entfernt, ebenfalls mit den Opfern beschäftigt. | ||
Chf. | Auf Königin, sprich, Klytämnestra, du Spross von des Tyndareos Blut, |
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85 |
Was geschah? Was erschien? Was vernahm dein Ohr? Welch neues Gerücht Heißt Opfer dich rings aufstellen in Hast? Denn es rauchen die Herde der Götter der Stadt. Der Bewohner der Höhn, |
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90 |
Wie des Hades , des Markts und Olympos zugleich, Allsämmtlich von flammenden Gaben! Bald hier, bald dort zu dem Himmel hinan Steigt lodernde Glut, Balsamisch getränkt mit des heiligen Öls |
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95 |
Süßwehendem, sanftem, berauschendem Duft, Mit dem Kuchen des Herrscherpalastes. Dies künde, soweit es zu künden erlaubt Und zu sagen vergönnt, Und beschwichtige lind die verzehrende Pein |
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100 |
Und den Zweifel der jetzt bald zagenden Brust, Bald frohen, indem sich der Hoffnung Strahl Mildleuchtend erhebt von den Opfern, das Leid, Das unendliche, stillend im Busen. |
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Klytaimnestra erwidert nichts auf diese Fragen, weil sie vom Chor zu weit weg steht und mit dem Opfer beschäftigt ist. Alle Altäre sind jetzt bereitet und die Gebete beginnen; daher stimmt der Chor Gesänge an. | ||
CHO. | Mutvoll sing ich der Herrscher von Zeichen begünstigten Aufbruch! [1.Str. | |
105 |
Göttlicher Odem begeistert die Brust mit des Wohllauts Tonflut; Schwungkraft Leiht mein Alter dem Festlied. Der Vögel Fürst sandte die Fürsten der Flotte gen Troia, |
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110 |
Griechischer Heermacht Zwiefach thronende Lenker, die stürmischen Rächer und lanzengeschmückten. Es rauschten Nieder die grimmigen Adler, der eine mit schwarzem, der andre mit weißem |
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115 |
Gefieder: Sie saßen frei neben den glänzenden Zinnen des Palasts, Weit sichtbar zu der Rechten, Gierig zerfleischend die jungengesegnete schwangere Häsin. |
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120 |
Vom Feind erhascht im letzten Lauf. - Klaget, o klaget! Das Gute jedoch sei siegreich! [1.Antistr. Atreus' Söhne, die zwei kampfmutigen doppelten Feldherrn, Schaute der Seher des Heers in den Schmausern der Häsin; |
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125 |
Drauf voll Tiefsinn sprach vielkundig er also: "Wohl fängt dereinst Priamos' Feste der scheidende Heerzug; Sämtlichen Reichtums Güter, Die holden, die bürgerbeglückenden, |
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130 |
Schleudert gewaltsam nieder die Moira. Nimmer indes mag göttlicher Neid den gewaltigen, Ilion stürzenden Heerzaum |
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135 |
Umnachten! Traun, Artemis grollt den Atreiden und grollt Zeus' Fittichtragenden Hunden, Weil sie das Tier nicht ließen gebären, die flüchtige Mutter: Sie hasst der Adler schnödes Mahl!" - Klaget, o klaget! Das Gute jedoch sei siegreich! |
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140 |
Doch nimmt die keusche Göttin auch [Zwischenlied Des grimmigen Leun tauigen Welf in Obhut Huldreich, schirmt sie der Tiere des Felds auch zitzenumlagernde Brut, so wünscht sie Doch des erschienenen Zeichens Erfüllung: |
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145 |
Glück zwar bringt es, jedoch auch Tadel erregt es. Apollon ruf ich, den Heilausspender! |
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150 |
Möge sie nimmer dem Heer fahrthemmende feindliche Winde
Senden und unmutsvoll Heischen ein trauriges Mahl, ein verruchtes, unseliges, Zwietracht Weckendes, gattenvertilgendes Opfer! Daheim im Palast, furchtbar, voll tückischen Frevels, |
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155 |
Harrt kindahnenden Zorns im Verborgenen glühende Rachsucht."
Solches verkündete Kalchas, mitsamt unsäglichem Guten, Was er dem Herrscherpalast von den Schicksalsvögeln verhängt sah. Dessen gedenkend Klaget, o klaget! Das Gute jedoch sei siegreich! |
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160 |
Zeus, wer immer auch er sei, gefällt [2.Str. Dieser Name seinem Ohr, Ruf ich jetzo Zeus ihn an. Sucht ich auch die Welt entlang, Keinen fänd ich außer ihm, |
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165 |
Der es vermöchte, vom Haupt zu wälzen in Wahrheit Meiner blinden Sorge Last! Denn der einst das Szepter schwang und stolz [2.Antistr. Höchster Allmacht rühmte sich, |
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170 |
Sank in schweigend Nichts zurück; Der zum Zweiten herrschte, fiel Durch des Dreimalsiegers Faust. Wer den Kroniden indessen erhebt im Triumphlied, |
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175 |
Pflückt der Weisheit höchste Frucht. Denn der Weisheit Führer ist [3.Str. Zeus des Urgesetzes Herr, Dass im Unglück Lehre wohnt. Wachsam stirbt Gewissenbissesangst |
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180 |
Selbst im Schlaf unser Herz; Zwang sogar Leitet manchen zur Vernunft. Solches leihn die Götter uns, In Hoheit prangend auf dem stolzen Thron. Dies erwog des Griechenzugs [3.Antistr. |
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185 |
Edler Führer einst und schalt Nimmermehr des Sehers Wort, Nein, trug sanft des Missgeschickes Schlag, Als das Heer Griechenlands fahrtgehemmt, Heimgesucht von Hungersnot, |
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190 |
Chalkis gegenüber lag, In Aulis' strudelreicher Hafenschlucht. Vom Srymon hersausend tobte Sturmwind, [4.Str. Verschlagend, dürr, weckend bittre Saumsal, |
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195 |
Die buchtgefangnen Schiffe hinschmetternd samt dem Tauwerk. Die Zeit, träg fließend, schien ein endlos Meer. Argos' Volksblüte fing zu welken an. Und als der Artemis Zürnen der Seher kundtat, |
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200 |
Als er den Söhnen Atreus' Nannte das Heilmittel, an Schmerz peinlicher als selbst der Orkan, Stießen die Heerfürsten den Stab hart in den Sand und weinten. Worauf der vieledle König anhob: [4.Antistr. |
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205 |
O bittres Los, bin ich ungehorsam! O bittres, soll ich schlachten mein Kind, des Hauses Kleinod, Und ruchlos mit der Tochter Herzblut |
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210 |
Am Opferherd schänden meine Vaterhand! O schlimme Doppelwahl! Flieh ich der Schiffe Heerzug, Brech ich des Kampfes Bündnis? Spenden das windstil- |
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215 |
lende Sühnopfer, das jungfräuliche Blut,
Muss ich, das Heer fordert es laut. Führ es herbei die Rettung! Als angelegt harten Zwangs Gebiss er, [5.Str. Und Wechselwind, schnöd, verrucht und gottlos |
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220 |
Im Busen hauchte, da verlor Der kecke Wagsinn die Bahn der Weisheit. Denn Raserei lockt der Menschen Herz fort, Der frevelschwangre Fluch Grauser Urschuld. So wagt' er |
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225 |
Der Tochter Schlachtpriester zu sein, zum Heil des weibrächenden Kriegs; das Kind muss Sühnen den Bann der Flotte. Die Fürsten, zugfertig, schauten herzlos [5.Antistr. Der Tochter Flehn, ihren Vateranruf |
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230 |
Und aufgeblühten Jugendreiz. Der Zeuger hieß, als das Weihgebet schwieg, Die Priesterschar, gleich der Geiß sie häuptlings In Schleier eingehüllt Auf des Herds hohe Schlachtbank Mit starkem Arm heben, |
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235 |
Und fesseln ihren schönrosigen Mund damit sie
Nimmer das Haus verfluche. So stand sie sprachlos und starr, festgezäumt. [5.Str. Zur Erde floss ihres Kleides Safran, |
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240 |
Das Auge traf ihrer Blutopfrer jeden mit dem Pfeil des Mitleids, Und gleich der Bildsäule prangend, regte sie zum letzten Mal Die Lippen. Oft sang sie scheu Daheim im gastreichen Männerfestsaal |
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245 |
Des Vaters; oft pries dereinst laut mit liebfrohem Mund
Die hehre Jungfrau das selige, Neidwürdige Los des Zeugers. Das Weitre nicht kenn ich, noch sag ich das; [5.Antistr. Erfüllt indes wird der Spruch des Kalchas. |
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250 |
Des Rechtes Waagschale zeigt alles Leid der nachtumhüllten Zukunft.
Vorauszuschaun, was der Zeiten Lauf verbirgt, begehr ich nicht; Vorausbewehklagen wär's! Denn eines Tags Morgenstrahl enthüllt es. - |
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255 |
So möge denn Glück hinfort segensvoll lächeln uns, Wie dort heranwandelnd Argolis' Alleiniger treuer Hort wünscht. |
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Klytamnestra verlässt die Altäre und kommt näher. Es spricht der Chorführer: | ||
Chf. | Ich nah in Ehrfurcht deiner Macht, o Königin! Denn wenn des Männerthrones Sitz verlassen steht, |
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260 |
Gebührt des Fürsten edler Gattin Ruhm und Preis. Ward Kunde dir, gewichtig oder nicht, zu Teil, Die freudenvolles Opfer dich anstellen heißt? Das künde huldvoll; schweigst du, zürn ich nicht darob. |
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Klytaimnestra | ||
Ein froher Bote, wie der alte Spruch besagt, | ||
265 |
Cho. Kly. |
Steigt aus dem Schoß der Mutter Nacht das Morgenrot!
Ein Glück vernehmen sollt ihr, über Hoffen groß. Vom Griechenvolk erobert, sank die Troerstadt! Was sagst du? Nicht erfasst ich, was unglaublich scheint. Die Griechen stürzten Ilion. Red ich also klar? |
270 |
Cho. Kly. Cho. Kly. Cho. |
Von Freudentränen fühl ich meine Wimper feucht.
Aus deinen Blicken leuchtet treue Redlichkeit. Sprich, hast du Bürgschaft dessen, die verlässig ist? So ist's, die beste! Wenn ein Gott nicht Trug ersann. Erschien ein Traum dir, süßer Überredung voll? |
275 |
Kly. Cho. Kly. Cho. Kly. |
Ich achte nicht schlaftrunknen Geistes Wahngebild. So pochst du wohl auf einen flügelschnellen Ruf? Du schiltst mich, traun, als dächt ich wie ein junges Kind! Seit welchem Zeitraum aber ist die Stadt erstürmt? Seit letzter Nacht, die dieses Tages Licht gebar. |
280 |
Cho. Kly. |
Wer naht in solcher Schnelle mit der Siegespost? Hephaist, vom Ida sendend schnellen Flammenschein. Brand schickte Brand im Feuerzeichenlauf heran. Zuerst der Idagipfel zum Hermaierfels Auf Lemnos' Eiland; Athos' Höh, dem Zeus geweiht, |
285 |
Und brannten Stöße dürren Heidekrautes an.
Die starke Fackel, ungeschwächt an Helligkeit, Sprang über Asopos' Ebene, gleich dem lichten Mond, Und traf Kithairons Gipfel, einen neuen Herd Des Botenfeuers schürend dort durch ihren Glanz. |
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290 |
Der dortige Hüter, weder träg noch unbedacht
Vom Schlaf besiegt, versäumte nicht des Boten Pflicht, Nein, ließ das Feuerzeichen nach Euripos' Strand Den Wächtern auf Messapios' Zinnen leuchtend nahn. Antwortend setzten diese fort die Flammenpost, |
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295 |
Und brannten Stöße dürren Heidekrautes an.
Die starke Fackel, ungeschwächt an Helligkeit, Sprang über Asopos' Ebene, gleich dem lichten Mond, Und traf Kithairons Gipfel, einen neuen Herd Des Botenfeuers schürend dort durch ihren Glanz. |
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300 |
Weitstrahlend Fernlicht fachte schnell die Wächterhand Und reichgenährtere Flammen , als die frühern, an; Hoch über den See Gorgopis schoss das Licht hinaus; Und als den Aigyplanktos-Berg sein Strahl erreicht, Erweckt' es neue Sorge für das Feueramt. |
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305 |
Schnell war ein mächtiger Flammenschweif mit reichlichen Zündstoffen angeblasen, der des saronischen Meerbusens weit sichtbaren Kamm im Strahlenblitz Überragte; leuchtend schoss er weiter fort und fort Zur Arachnaionzinne, die gen Argos schaut. |
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310 |
Dann schießt zum Atreushause hier der glänzende Lichtstrahl, des Idafeuers fernverwandter Spross. Das also sind der Fackelträger Satzungen, Wonach die Flamme wechselnd fuhr von Berg zu Berg. Der erst' und letzte Läufer trägt den Preis davon. |
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315 |
Cho. |
Dergleichen Zeugnis und Beweis eröffn' ich euch,
Dass mein Gemahl aus Troia Kunde meldete. Nachher, o Fürstin, zoll ich Dank den Himmlichen. Jetzt möcht ich unablässig nur das frohe Wort Anhören und bestaunen; wiederhol es denn! |
320 |
Kl. | Die Griechen haben Troia heut in ihrer Macht. Geschrei der Zwietracht, glaub ich, traun, durchstürmt die Stadt. Wer Öl und Essig mischend gießt in ein Gefäß, Wird nur geschieden beides, nie befreundet sehn. So schallt der Unterjochten und der Sieger Ruf |
325 |
Zwiefachen Lautes, wie sie traf das Doppellos. Denn um die Leichen ihrer Brüder hingestreckt, Um Eltern Kinder, Knaben um Graulockige, Bajammern jetzt die Troer nicht aus freier Brust Den Untergang mehr, der die Liebsten weggerafft. |
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330 |
Die Griechen aber, welche nachtumschauerter Feldkampf und Hunger quälte, ruft die weite Stadt Zum reichen Frühmahl, und sie nahn in wildem Schwarm: Wie eben blindlings jeder zog des Glückes Los, So haust in Troias speergestürmten Wohnungen |
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335 |
Das Heer der Griechen sicher jetzt, vom Aithertau Und Reif befreit durch Dächer; glücklich schlummern sie Die unbewachte ganze Nacht, den Göttern gleich. Und weihen sie des eingenommenen Lands, der Stadt Schutzgöttern samt den Göttertempeln Ruhm und Preis, |
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340 |
Dann wird den Sieggekrönten nicht der Sieg geraubt.
Nach Unerlaubtem aber möge nicht zu früh Das Volk gelüsten, hingerissen durch Gewinn. Noch muss der Rennbahn zweiter Lauf durchmessen sein, Damit der Heimkehr froher Tag das Heer beglückt. |
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345 |
Doch bricht es schuldbeladen auf, dann weckt vielleicht
Der Götter Zorn der Hingewürgten Rachegeist Vom Schlummer, wenn nicht plötzlich Ungewitter naht. Dergleichen Meinung sprech ich, als ein Weib, zu euch. Des Guten Herrschaft siege, klar und zweifellos! |
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350 |
CHO. |
Mit teuern Opfern hab ich diesen Wunsch erkauft. Mit Männerwisheit sprachst du voll Verstand, o Weib! Den Göttern rüst ich hehre Dankesfeier nun, Da sichres Zeugnis deines Munds mein Ohr vernahm. Reich ist die Gnadenspende, die sie uns verliehn. |
355 |
Chf. | Allwaltender Zeus und du freundliche Nacht, Ausspenderin mächtigen Segens, Die Priamos' Burg du bedecktest und fingst Mit umschlingendem Netz, dass keiner den Fuß, Nicht Kind noch Greis zu befreien vermocht |
360 |
Von dem Knechtschaftsgarn Und dem allausrottenden Unheil! Drum dank ich dem mächtigen Gastschützer Zeus, Der solches verbracht, und bereits vorlängst Auf Paris gezielt mit dem Bogen, damit |
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365 |
CHO. |
Das Geschoss nicht vor der gesetzlichen Zeit, |
370 |
Der Götter Blick schaut es gleichgültig, dass
Gesetz und Recht niedertritt ein Mensch. Er sprach frevelhaft. Die Nachwelt steht gewarnt: Sobald Kampfgier ein Volk |
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375 |
Dahinreißt zügellos und tollkühn, Und Glück anschwellt das Haus im Unmaß, So trifft es Unheil. Genügsamen Sinn Preis' ich; frei von Leid zieht er |
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380 |
Immer die Bahn der Weisheit. Denn wer gegen den Altar Dikes rasenden Fußes Stößt, nicht Schätze beschirmen den Vor dem Schlund der Vernichtung. |
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385 |
Gewaltsam herrscht und voll von Unheil [1.Antistr. Die Redekunst, das Kind der Arglist. Vergeblich Rettung sucht er. Untersinkt nie, Ein grausenhaft helles Licht flammt - die Schuld! |
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390 |
Wie schlechtes Erz durch Gebrauch Und Druck den lichtglanz verliert, So steht sein böser Sinn Entlarvt da: knabenhaft Und blindlings einen Vogel jagt er, |
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395 |
Und türmt unsäglich Weh der Stadt auf! Den Bitten dann bleibt ein Gott ewig taub; Doch des Frevels Urheber Stürzt er zu Boden schmachvoll. Traun, so sündigte Paris: |
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400 |
Frech entweiht' er in Atreus' Haus den gastlichen Tisch und stahl kühnen Raubs die Gemahlin. Dem Volk daheim ließ sie Wurfspeergewühl [2.Str. und Schildtosen samt Geräusch |
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405 |
segelreichen Schiffzugs, Und bracht als Mitgift Ilion den Untergang; So schritt schritt sie schnell zum Tor hinaus, Verwegnes wagend! Seufzend klagten laut Des Hauses Wahrsager, rufend also: |
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410 |
O Haus, o Haus! Wehe dir, o Fürstenstamm! O schnödes Weib, das den Gatten so verriet! Er steht in schweigendem Gram, ohne Lästerwort, Der ach! Verschwundnen süß gedenk. |
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415 |
Ein Geist, von Sehnsucht geweckt, Schwebt die Meerferne durch das Haus noch! Nicht mehr staunt er der Gattin Marmorbilder entzückt an. Weilt das Auge der Holden fern, Stirbt dein Reiz, Aphrodite! |
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420 |
Es steigen leidschwere Traumbilder auf, [2.Antistr. Heranschwebend seinem Geist, voll von süßem Trugspiel. Denn trügerisch entschlüpft es, wenn im Schlummer dir Ein holdes Nachtgesicht erscheint, |
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425 |
Urplötzlich wieder deiner Hand und flieht Des Schlafes Bahn folgend schnellen Fittichs. Das ist der Gram, welcher Haus und Herd umwölkt, Und andrer noch, ungewitterreicherer! In Hellas' Landen umher hüllt ein jeglich Dach, |
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430 |
Das Krieger ausgesendet hat, Des Leides Nacht düster ein. Mancher Pfeil schlägt das Herz mit Trübsal: Wen ein jeder dahingab, |
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435 |
Weiß er; aber er sieht nur Statt der Kämpfer den Waffenrock wiederkehren und Asche! Der Gott der Schlacht, der des Kampfes Waage trägt, [3.Str. Der im Speerfeld, ein Leichenwechsler, haust, |
|
440 |
Er sendet statt Männerkraft Den tränenreich bittern Rest Glutgeschmolznen Staubes, aus Ilion, den Freunden heim, Wohlbewahrt im Aschenkrug. |
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445 |
Und seufzend lobt das Volk die Toten, jenen, dass
Ein Held er war; und diesen, dass er rühmlich fiel Ob des geraubten fremden Weibs! |
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450 |
Heimlich erhebt sich dergestalt Murren. Es schleicht im Finstern Hass gegen den Stamm des Atreus. Doch längs Ilions Burgring Schläft in troischem Gruftraum |
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455 |
Mancher stattliche Heldenleib: Feindeserde bedeckt ihn.
Der Bürger Schrei, grollgemischt, droht Gefahr: [3.Antistr. Völkerfluch bricht hernieder racheschwer. In Sorge stets harr ich, dass |
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460 |
Ein nachtverhüllt Wetter naht. Denn der Götter Auge schaut Blut'ge Würger strafend an. Wer beglückt durch Frevel steht, Den stürzt der Furien dunkle Schar in Finsternis, |
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465 |
Des Glückes Rad zerschmet- ternd endlich: aus der Nacht Hilft dem Gestürzten keine Hand. Ruhm, von des Volkes Mund verwünscht, Dräuet Gefahr; es schleudert Zeus |
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470 |
gegen das Haupt den Blitzstrahl. Neidlos wünsch ich beglückt mich. Weder leuchtenden Lorbeer mag ich flechten, noch auch mich selbst schaun im Bande der Knechtschaft. |
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475 |
Der frohen Leuchtkunde Ruf Durcheilt die Stadt raschbeschwingt; Ob er wahr indessen sei, Wer weiß es, oder ob es nicht von Göttern Lug? Wer ist so kindisch oder tief verblendet, dass |
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480 |
Des neuen Lichts Freudenstrahl Sein Herz entflammt, aber dann zu Boden ihn Wechsellaut der Sage schlägt? Wo Weibeshand waltet, muss Der Mund das Glück preisen, eh das Glück erschien. |
|
485 |
Mit allzu beredten Tönen verbreitet sich Frauenwort
Schnellfliegend. Aber in schnellem Tod Verlöscht der weibausposaunten Rede Klang. |
|
Klytaimnestra tritt wieder aus dem Palast und sieht in der Ferne am Meeresstrand den Herold kommen | ||
Kl. | Bald offenbart sich, ob der nachterhellenden | |
490 |
Brandfackeln Fernlicht und der Flamme Wechselflug Wahrhaftes brachten, oder ob des Lichtes Strahl Mit Süßer Botschaft, wie ein Traum, das Herz betrog. Dort kommt ein Herold am Gestad, mit Ölgezweig Das Haupt umschattet: klar beteugt der dürre Staub, |
|
495 |
Des Schlammes Zwillingsbruder, dass er Kunde bringt
Nicht als ein stummer Bote, noch durch feurige Rauchwirbelsäule, welche von den Bergen steigt. Nein, größere Freud entweder wird er künden uns - Das Gegenteil zu sagen, bebt mein Mund zurück. |
|
500 |
Denn Glück und Segen häufe sich zum alten Heil! Wer je das anders unsrer Stadt zu wünschen wagt, Der schmecke selbst die Früchte seines Frevelsinns! |
|
HEROLD | ||
O meiner Heimat Boden, Argos' teures Land, Mit dieses zehnten Jahres Licht begrüß ich dich; |
||
505 |
Da mancher Hoffnungsanker brach, des einen froh! Ja, nimmer glaubt ich, Argos Erde würde mir, Dem Toten, einst darreichen liebsten Grabes Teil. Heil also, Heil dir, Väterflur und Sonnenlicht, O Zeus, des Landes Schützer, und o Phoibos, der |
|
510 |
Du fürder nicht uns feindlich gegenübertrittst: Genug der Pfeile schleudertest am Skamandros du: Sei jetzo neuer Retter uns und Kampfestrost, O Fürst Apollon! Alle Kampfschutzgötter auch, Hört an, und Hermes, meines Amts Ruhmspender du, |
|
515 |
Der höchste Herold, jeder Heroldszunge Preis, Und ihr, Heroen, die ihr ausgesandt das Heer, Nehmt gnadenreich das speerverschonte wieder auf! Heil euch, o Königshallen, vielgeliebtes Dach, Erhabner Thronsitz, Götter ihr am offnen Markt, |
|
520 |
Empfanget heitern Angescihts, wenn je zuvor, Auch jetzt den König ziemend, der so lange fern! Denn euch und allen diesen kehrt ein lichter Strahl In dunkler Nacht, der Herrscher Agamemnon heim. Auf denn! Bewillkommt freundlich ihn, wie ihm gebührt, |
|
525 |
Der Ilion ausgerottet mit des Rächers Zeus Furchbarem Grabscheit, das den Boden umgewühlt. Altär' und Göttertempel sind in Staub gestürzt, Und alles Landes Samen liegt im Keim vertilgt. Er, der um Ilions Nacken warf ein solches Joch, |
|
530 |
Er kehrt, des Atreus edler, hochbeglückter Sohn,
Zurück, der höchsten Ehre wert von allen, die Jetzt leben! Weder Paris noch die Bundesstadt Rühmt künftig, dass die Sühne nicht der Tat entsprach. Beladen mit des Raubes und Betruges Schuld, |
|
535 |
Cho. He. |
Verlor er seines Fanges Preis, und hat zugleich Stammland und Stammhaus allvernichtend abgemäht. So büßte zweifach Priamos' Haus die Freveltat. Heil dir, o Herold, der du kommst vom Griechenheer! Ja, Heil! Ich sterbe willig nun auf Götterwink. |
540 |
Cho. He. Cho. He. Cho. |
Du littest Sehnsuchtsschmerzen nach dem Vaterland? So, dass in Freudentränen jetzt mein Auge schwimmt. So wart ihr auch an jenem süßen Weh erkrankt? Wie deut ich, rede, dieser dunklen Frage Sinn? Schlug euer Herz erwidernd unsern heißen Drang? |
545 |
He. Cho. He. Cho. He. |
Du meinst, das Land sah bangend nach dem bangen Heer?
Aus grauumwölktem Busen seufzt ich oft empor. Woraus entspann sich dieser finstre Gram dem Volk? Das Schweigen acht ich für des Leids Heilmittel längst. Weil fern die Herrscher weilten, musstest zittern du? |
550 |
Cho. He. |
Gleich dir erscheint mir jetzt der Tod als Hochgewinn! Ja, Heil umglänzt uns! Im Verlauf von langer Frist Erscheinen bald uns Tage, die erfreulich sind, Bald auch gewölkumflorte! Wem indessen fiel Ein ewig blauer Himmel außer Göttern zu? |
555 |
Denn wollt ich schildern Müh und Not auf offnem Meer, Die seltne Landung und die Rast auf nacktem Strand, Blieb uns von Leid und Seufzen eine Stunde frei? Noch grausere Trübsal aber bot das feste Land. Denn hart an Feindes Mauern stieß das Lager an: |
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560 |
Vom Himmel niederperlten wiesennetzende Tautropfen, halmumschimmernd, eine stete Pest Die Gewänder feuchtend und verwildernd unser Haar. Beschrieb ich dann den Winter, den des Ida Schnee Zusandte, jenen grimmen, vögelmordenden, |
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565 |
Und des Sommers Gluten, wenn das Meer auf schweigendes Windstilles Mittagslager sank, in Schlaf gewiegt: Was nützte diese Klage? Vorüber schwand die Not, Vorüber längst auch jenen, die gefallen sind, Die selig ausruhn, ohne Wunsch der Wiederkehr! |
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570 |
Warum die Toten zählen, und was soll das Herz
Des Lebenden trauern, ob des Missgeschickes Groll? Nein, allem Leid sei freudig Lebewohl gesagt! Denn uns, den Überbliebnen vom Argeierheer, Erblüht Gewinn, der alle Schmerzen niederwägt. |
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575 |
Wir dürfen, heimgeflogen über Land und Meer, Laut Rühmen uns an dieses Tages Sonnenlicht: Das Heer von Argos, endlich stürzt' es Ilion Und hing den Göttern Griechenlands die Beute hier Am heiligen Tempelpfosten auf zum ewgen Schmuck! |
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580 |
Cho. |
Die solches hören, preisen müssen sie die Stadt Und ihre Feldherrn; feiern auch die Huld des Zeus, Die dieses hat vollendet! Alles weißt du nun. Der frohen Kunde schenk ich endlich mein Vertraun; Denn Zweifel stachen immer neu des Greisen Brust. |
585 |
Das Haus und Klytaimnestra muss dein Wort zunächst Mit Wonne füllen, aber hoch auch mich erfreun. |
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Klytaimnestra tritt aus dem Hintergrund näher auf den Herold zu | ||
Kly. | Ich jauchzte längst in hellem Flammenjubel auf, Als uns des Feuers erster nächtiger Bote kam, Verkündend Troias Niedersturz und Untergang. |
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590 |
Da schalt mich mancher spöttisch: "Auf den Fackelschein Vertrauend glaubst du, Priamos Feste sei zerstört? Traun, Weiberart ist's, allzu schnell entflammt zu sein!" Nach solchem Vorwurf stand ich als verblendet da. Doch ließ ich gleichwohl opfern; und auf mein Gebot |
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595 |
Scholl Jauchzen durch die ganze Stadt allüberall, Und unter Weihgebeten sank die duftige Brandopferflamme nieder auf der Götter Herd. Was brauchst du nun mir kunzutun ein Breiteres? Bald hör ich alles aus der Fürsten eignem Mund. |
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600 |
Drum eil ich, dass ich meinen würdigen Ehgemahl Bei seiner Heimkehr auf das best' empfange! Denn Was schaut ein Weib wohl Süßres als den Tag, an dem Ein Gott den Mann ihr glücklich aus dem Felde bringt Und sie das Tor ihm auftut? Melde dem Gemahl: |
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605 |
Zu kommen mög er eilen, heißersehnt der Stadt! Daheim erwart' ihn eine Gattin, ganz so treu, Wie einst er sie verlassen, eine Wächterin Des Hauses, hold dem Manne, Widersachern feind, Auch sonst sich gleich in allem, da sie nimmermehr |
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610 |
Ein Siegel frech erbrochen trotz der langen Frist! Gunst andrer Männer und befleckten Namens Ruf Sind Dinge, mir nicht minder fremd als Schwertes Stoß! |
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Klytaimnestra begibt sich, von ihren Dienerinnen begleitet, zurück in den Palast. | ||
He. | Ein solcher Selbstruhm, fern von Lug und Heuchelei, Dient nimmermehr zur Schande für ein edles Weib! |
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615 |
CHO. | Mit klaren Worten schloss sie dir, dem Hörenden, EIn treuer Dolmetsch, ihrer Brust Gedanken auf. Doch sprich, o Herold! Denn zu hören wünscht ich, ob Menelaos wohlbehalten acuh mit euch zugleich Nach Haus zurückkehrt, dieses Landes teurer Fürst? |
620 |
He. Cho. He. |
Nicht kann ich kundtun froher Kunde falschen Klang,
Dass ihre Frucht die Freunde lange Zeit beglückt. O sprächst du lieber wahrer Kunde frohes Wort! Denn fehlt die Wahrheit, wird das falsche Licht entdeckt. Menelaos ist verschwunden aus dem Griechenheer, |
625 |
Cho. He. |
Er selbst mitsamt dem Schiffe! Nimmer red ich Lug!
Sprich, fuhr er ab von Troia, dass ihn jeder sah, Oder riss ihn Sturm, der Allverderber, fort vom Heer? Du trafst, ein wackrer Bogenschütze, in das Ziel, Und fasstest langes Ungemach in kurzen Laut! |
630 |
Cho. He. Cho. |
Sprich, kam von andern Schiffen nicht vielleicht Bericht
Von seiner Rettung oder seinem Untergang? Nein, keiner weiß Genaues anzukündigen, Als der des Erdreichs Keime nährt, der Sonnengott. Wie hat der Sturm begonnen, der das Schiffervolk |
635 |
He. |
Durch Götterzorn befallen, und wie legt' er sich? Nicht ziemt's mit Unheilskunde segensreichen Tag Zu entheiligen ruchlos; streng bestraft's der Götter Macht! Denn bringt ein Herold seiner Stadt schmachvolles Weh, Mit düsterem Antlitz, kündend, dass das Heer gestürzt, |
640 |
Dass schlimmer Wunden eine traf die Stadt zunächst, Des Volks Gesamtheit, eine zweite vieler Haupt, Da viele Häuser Ares' Doppelgeißel schlug, Zweispitzig Unheil, blutig Jammerzwiegespann: Wenn also kommt ein Bote, mit so hartem Weh |
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645 |
Belastet, ziemt's ihm, anzustimmen Furiengesang! Wer aber als Verkünder neuer Segnungen Der Stadt erscheint, die freudenreiche Tage schaut: - Wie kann ich Heil mit Trauer mischen, und den Sturm Der Achaier schildern, den der Götter Groll gesandt? |
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650 |
Verschworen rasten, sonst ein ewig feindlich Paar,
Meerflut und Feuer, und besiegelten ihren Bund Mit unseres unglückseligen Heeres Untergang. Des Nachts erhob sich grauser Unheilswoge Turm. So sahen wir des aigaischen Meeres Wogenfeld |
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655 |
Zermalmend keilten thrakische Winde Schiff an Schiff;
Im Schnabelstoß, bei tollen Wutorkans Gewalt Und sturmgepeitschtem Regenschlag verschwand das Heer, Von bösen Hirten fortgerafft im Wellensturz. Doch als der Sonne heller Strahl aufleuchtete, |
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660 |
Von Griechenleichen überblüht und Trümmerholz. Uns aber und des Schiffes unversehrten Kiel Entriss dem Schlund, sei's offen oder sei's mit Trug, Ein Gott, das Steuer fassend, nicht ein Sterblicher. Fahrtlenkend thronte Tyche, rettungsreich, an Bord, |
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665 |
Dass weder Flutbraus unser Schiff vom Ankerplatz Verjagte, noch an klippiges Ufer strandend warf. Wir trauten gleichwohl, vor des Meeres Hadesnacht Entronnen, selbst am lichten Tag, dem Glück nur halb, Und schauten angstvoll auf das Feld des Jammers hin, |
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670 |
Wo jetzt das Heer lag, zugerichtet grausenvoll. Wer noch dem allgemeinen Sturz entgangen lebt, Betrachtet uns als Opfer, könnt es anders sein? Und wir dagegen wähnen dies von ihrem Los. Zum besten mag's sich wenden! Kühn erwart indes; |
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675 |
Menelaos kehrt vor allen und zuerst zurück. Denn falls ein Lichtstrahl Helios' ihn noch erblickt, Ihn leben sieht und atmen, durch die Huld des Zeus, Der noch den Stamm der Atreiden nicht ausrotten mag, Bleibt sichre Hoffnung seiner Wiederkunft nach Haus! |
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680 | So ist's; die Wahrheit sprach ich rein und unverkürzt. |
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Der Herold verlässt die Szene. Der Chor bleibt allein zurück und singt ein Lied (2. Stasimon) | ||
Cho. | Helene, du Speeresbraut, [1.Str. Vielumrungne, sage, wer Gab so wahren Namen dir? War es nicht einer, unbekannt dem Aug', |
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685 |
Der die Zunge weise lenkt, Weise vorauserwägt das Los künftiger Zeit? Sie heißt der Schiffe, Wie der Städt' und Männer Vertilgerin! |
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690 |
Fort trug sie des Zephyrs, Des Giganten, Hauch im Fahrzeug Von dem prunkgeschmückten Brautbett. In den blutströmenden Rachestreit Zog, aufsuchend die Spur |
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695 |
Des Kiels, die Heerschar Schildhochschwingender Jäger Einst, ankernd an Simois' Laubumschatteten Ufern. Eheleid für Eheglück [1.Antistr. |
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700 |
Schuf, fürwahr, dem Troerland Wandelloser Götterzorn! Die des Brautliedes süßen Jubelton Sangen überlaut voreinst, |
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705 |
Fröhliche Schwäher, hart getäuscht durch das Geschick, Sie traf der Rachstrahl Von dem herdbeschirmenden Zeus und dem Hort heiligen Gastbunds! Sie verlernten bald den Festsang |
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710 |
In dem tränenreichen Klagruf: Es seufzt Priamos' alte Stadt Tief, nennt Paris den Fluch- Vemählten zornvoll, Klagt tiefstönend und trauert, |
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715 |
Ach, dass sie der Bürger Blut Sieht verrinnen in Bächen! So nährt freundlich ein Hausherr [2.Str. Den Wolf daheim, den entführten, Den brustverlangenden Unhold. |
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720 |
Zahm in den Tagen des Wachstums, Lebt er gesellig im Hause, Jungen und Alten erfreulich, Ruht in ihren Armen oft, Gleich dem zarten Kind und blickt |
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725 |
Freundlich wedelnd und hellen Augs nach der spendenden Hand auf. Erstarkt aber, enthüllt er [2.Antistr. Den alten Brauch der Erzeuger! Zum Dank der treuen Verpflegung, |
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730 |
Springt er in plötzlicher Mordlust Auf, und verzehret die Lämmer. Blutig beschlämmt er das Haus rings; Tiefbetrübt und seufzend schaun Alle drin des Würgers Wut: |
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735 |
Götter nährten dem Haus erzürnt einen Priester der Ate! So kam sie flugs, sag ich, nach der Troerstadt, [3.Str. |
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740 |
Des windstillen Meeres glanzheitern Blick im Antlitz,
Des Reichtums zaubervolles Kleinod, Milder und sanfter Augenpfeil, Herzverwundende Liebesblume! |
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745 |
Sie beschloss aber, den Sinn wandelnd, der Ehe Fest mit Trübsal, Und ergriff Priamos' Haus wütend und gleich rasendem Sturmwind, Auf Zeus' des Gastlichen Ruf, Eine rächende Leidbraut! |
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750 |
Ein greiser Spruch altergrauer Zeiten sagt, [3.Antistr. Des Glücks voller Blütenbaum welke nimmer kindlos, Und fruchtbar schwelle seine Triebkraft; |
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755 |
Aus des Geschickes Gunst indes Wachs' empor unerschöpflich Unheil." Ich jedoch tadle des Spruchs Weise. Die Tat des Frevlers, mein ich, |
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760 |
Sie gebiert wuchernde Frucht, aber der Urzeugerin Abbild.
Doch ewig enkelbeglückt Blüht der Stamm des Gerechten! Denn gern erzeugt immerdar alte Schuld neue Schuld, [4.Str. |
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765 |
Die, sobald die rechte Stunde naht, Aus Bösem keimt, sei es morgen oder heut. Sie wandelt Licht in Nacht, Und weckt den verruchten, schrecklichen Dämon, der |
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770 |
Brausenden Frevelmuts das Dach finster umspinnt mit Unheil, Gleich an Gestalt der Unschuld. Das Recht jedoch, welches liebt frommen Laufs Wandel, strahlt [4.Antistr. Segensvoll im rauchgeschwärzten Haus: |
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775 |
Es flieht den goldblanken Saal, wo Gräuel wohnt,
Mit abgewandtem Blick, Und kehrt die Schritte heiliger Schwelle zu, |
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780 |
Nimmer geblendet durch den falschblinkenden Glanz des Reichtums; Siegend erteilt's die Krone. |
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Eine Pause, in der sich Agamemnon auf seinem Siegeswagen nähert. Neben ihm sitzt Kassandra mit Binde und Lorbeerzweig, den Attributen der Priesterin. Es folgen Beutewagen und Kriegsvolk. Der Zug ordnet sich auf der Bühne, während der Chorführer den König begrüßt. | ||
Heil, König und Herr, der Troia bezwang, O des Atreus Sohn, |
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785 |
Wie begrüß ich dich heut? Wie verehr ich dich recht, Nicht über das Maß, noch neben das Ziel Dich erhebend im Preis? Manch Sterblicher schätzt, voll frevelnden Sinns, Weit höher den Schein als die Wahrheit. |
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790 |
Mit dem Armen zu klagen das Jammergeschick Zeigt jeglicher Lust; kein Stachel indes Schlägt wirkliche Wunden dem Herzen; Und dem Fröhlichen tritt ein erfreutes Gesicht Mit erzwungenem Lächeln entgegen im Blick. |
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795 |
Wer aber die Herde zu scheiden versteht, Den täuscht und betrügt kein Auge so leicht, Das liebend erglänzt in erheuchelter Glut, Doch scheinbar treuen Gemütes. Wohl hab ich dich einst, als du zogst in das Feld |
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800 |
Ob der Helene Raub, frei sprech ich es aus, Laut scheltend verklagt und beschuldiget, dass Du das Steuer des Geists nicht lenktest geschickt, Und dem Tod preisgabst Mutwillig die Scharen der Tapfern! |
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805 |
Nun aber begrüßt laut jauchzend und froh
Des gelungenen Werks Urheber das Herz! Im Verlaufe der Zeit siehst forschend du leicht, Wer redlich gesinnt von den Bürgern und wer Missgünstig verweilt in den Mauern. |
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Agamemnon spricht vom Wagen herab. | ||
810 |
Ag. | Vor allem grüß ich Argos und die heimischen Gottheiten pflichttreu, welche mich zurückgeführt, Und jene Rache, die ich Troia büßen ließ, Vollendet. Denn die Götter hörten mündliche Rechtsgründe nicht, und legten, ungeteilten Sinns, |
815 |
In blutigen Stimmkrug Ilions männerschlachtende Verderbenslose; während Sieg und Heil verhieß Des zweiten Wahlgefäßes Schoß, von Steinen leer. Die Stadt erlag, von ihren Dächern steigt der Rauch. Des Todes Stürme sausen; und die Asche sprüht, |
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820 |
Zugleich erlöschend, fetten Reichtumsdampf empor.
Deshalb gebührt den Göttern lauten Dankes Preis: Weil unsre Hand der frechgeschürzten Schlinge List Mutvoll gerächt und Priamos' Stadt zertreten hat - Um eines Weibes willen - Argos' Ungetüm, |
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825 |
Das schwarze Ross, mit schildgewandtem Volk gefüllt, Das um der Pleiaden Untergang zum Sprung sich hob: Die Mauern überflog es keck, ein wilder Leu, Und leckte seine Zunge satt am Königsblut! Den Göttern weih ich dieses erste fromme Wort; |
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830 |
Was aber deine LIppe sprach (ich fasst' es wohl), Hat meinen Beifall, meine ganze Billigung! Nur wenig Menschenherzen ist es eingepflanzt, Den Freund, umlacht von Segen, ohne Neid zu schaun. Sobald der Missgunst feindlich Gift am Herzen nagt, |
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835 |
So schafft es herbe Doppelqual dem Krankenden: An eignen Wunden blutend, stöhnt er seufzend auf, Und fremdes Glück gewahrend fühlt er neue Pein. Ich sprech Erfahrung, denn ich sah im Spiegel oft Das Bild der Freundschaft glänzen: bloß ein Schattenriss |
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840 |
War alle Liebe, welche mir die höchste schien. Laertes Sohn nur, zwar dem Heer mit Zwang gefolgt, Ein treues Handross zog er mit an meinem Joch: Ich rühm es, sei er lebend, sei er tot bereits! Das Weitere, was die Götter und die Stadt betrifft, |
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845 |
Das werd' am allgemeinen Fest im Bürgerrat Getreu beratschlagt. Was sich segensreich bewährt, Für dessen künftige Dauer sorge treuer Rat; Doch wo ein Ding heilsamer Arznei'n bedarf, Lasst uns mit Feuer oder Messer wohlgesinnt |
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850 |
Versuchen, wie des Übels Pest zu tilgen sei.
Nun will ins Haus ich treten und am Väterherd Zuerst die Götter grüßen mit der Rechten, sie, Die fern hinaus mich sandten, heim mich leiteten. Wie jetzt der Sieg mir folgte, bleib er wandellos! |
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Klytaimnestra ist inzwischen aus dem Haus getreten und kommt auf der Bühne nach vorn. | ||
855 |
Kl. | Ihr Bürger Argos' dieses Volkes Älteste, Zu euern Ohren sprech ich frei, wie treu dem Mann Mein Herz gesinnt ist; denn der Lauf der Zeit vertilgt Die blöde Scham im Menschen. Nicht ein fremdes Weh, Mein eigen Elend künd ich, das ich seufzend trug |
860 |
So lang, so lang mein Gatte stand vor Ilion. Zuvörderst, dass von ihrem Mann getrennt ein Weib Einsam daheimsitzt, ist unsäglich bittres Weh: Viel böse Sagen treffen dann der Armen Ohr, Da Boten über Boten kommen und das Haus |
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865 |
Erschrecken, Schlimmes über Schlimmes kündigend. Ja, wenn so viele Wunden, als der Sage Born nach Hause rinnend brachte, mein Gemahl empfing, Dann wär er mehr durchspaltet, wahrlich, als ein Netz! Und wär er umgekommen, jener Kunde nach, |
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870 |
Ein dreigeleibter zweiter Geryon durft er dann, Unsterblich wandeln, fern von Tod und Schattenreich, Dreifacher Hülle rühmen sich, die oft erwuchs, Einmal in jeder Körperform hinweggerafft. Dergleichen Schreckgerüchte trugen oft die Schuld, |
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875 |
Dass fremde Hände meinen Hals vom Zimmerdach Ablösen mussten, festgeschnürt am Todesseil. Aus gleichem Grund auch fehlt der Sohn zur Seite mir, Orestes, unsers Bundes teures Unterpfand, Den hier du schauen solltest; wundere des dich nicht! |
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880 |
Ein treuer Gastfreund nährt ihn auf im Phokerland, Der edle Stropios, welcher mir unheimliche Gefahren zeigte, deine dort vor Ilion, Und fals ein zügelloser Volksaufruhr daheim Den Rat von Argos stürze; denn es sei ja Brauchl |
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885 |
Des Menschen, dass er Gefallene gern noch tiefer stößt.
In dieser Vorsicht suche nicht Betrug, Gemahl! Mir selber ist der Tränen ewig rauschender Sprinquell vertrocknet, und der letzte Tropfen schwand. Der spätgeschlossnen Augen Strah ist halb verlöscht, |
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890 |
Da stets die Zären rannen um das Fackellicht, Das du verabsäumt ewig! Wann ich träumend lag, Erwacht ich oftmals aufgeschreckt vom summenden Und leisen Tand der Mücke, da ich mehr des Leids Auf dich gehäuft sah, als des Achlafes Zeit umfasst. |
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895 |
Mit froher Seele kann ich nun, aus aller Not Siegreich gehoben, grüßen dich: Der Herde Hort, Des Schiffes rettend Ankertau, des hochen Dachs Grundfester Pfeiler, greisen Vaters einzger Sohn, Ein Land dem Schiffer unverhofft emporgetaucht, |
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900 |
Ein blauer Frühlingsmorgen nach Gewitternacht, Ein süßer Quellstrom für den durstigen Wanderer! Traun! wonnereich ist's, allem Leid entflohn zu sein! Drum biet ich solche freudenvolle Grüße dir. Nicht neid ein Gott uns! Trugen wir ja doch zuvor |
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905 |
Ein Heer von Drangsal. Steige nun, o teures Haupt, Herab vom Wagen, aber setze deinen Fuß, Der Ilion zerstörte, nicht zur Erde, Herr! |
|
Sie ruft die Sklavinnen, die hinter ihr stehen und Purpurdecken tragen, herbei. | ||
Was säumt ihr, Mägde, denen auferlegt das Amt, Der Rasen auszuschmücken rings mit Teppichen? |
||
910 |
Es glänze purpurstrahlend flugs der Pfad, worauf
Ins Haus den unverhofften führen mag das Recht! Das Weitere füge Sorge, die kein Schlaf besiegt, Gerecht mit Götterhilfe, wie Geschick verhängt! |
|
Die Sklavinnen bedecken die Bühne bis zum Palast hin mit purpurnen Decken. | ||
Ag. | O Tochter Ledas, meines Hauses Wächterin, | |
915 |
Du sprachest meiner späten Wiederkunft gemäß; Denn lange Rede spannst du; doch das rechte Lob, Von fremder Zunge kommt es nur, ein süß Geschenk! Auch schmeichle sonst nicht, nach der Art der Weiber, mir Zu zärtlich, achte nimmer mich Barbaren gleich, |
|
920 |
Indem du staubestiefen Gruß ins Ohr mir gellst,
Noch wecke, Purpur breitend, meinem Weg den Neid der Götter; denn nur diesen ziemt so hoher Preis; Ich wahrlich setze nimmer, als ein Sterblicher, Auf bunte Prachtgewebe ohne Scheu den Fuß! |
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925 |
Kurz, ehre mich als Menschen, nicht als einen Gott!
Auch ohne Purpurhüllen und Fußteppiche Schallt laut der Nachruhm; und ein weisheitsvolles Herz Ist höchste Göttergabe. Selig preise nur Den, der das Leben wonnereich geschlossen hat! |
|
930 |
Kl. Ag. Kl. Ag. |
Frohlocken würd ich, blieb ich stets so hochbeglückt. Sprich nimmer also gegen meines Sinnes Wunsch. Ich wandle nimmer meinen Sinn mit Unbedacht. Versprachst du solches furchterfüllt den Himmlichen? Wie keiner überdacht ich und beschloss ich es. |
935 |
Kl. Ag. Kl. Ag. Kl. |
Was, glaubst du, täte Priamos wohl nach solchem Sieg? Auf stolzen Purpur, glaub ich, trät er sicherlich. Drum scheue Menschentadel nicht mit banger Furcht! Die volkerhobne Stimme, traun, hat viel Gewalt! Wer frei von Neid ist, diesem ward kein Glück zu Teil! |
940 |
Ag. Kl. Ag. Kl. Ag. |
Voll Kampfbegier zu streiten, schickt sich nicht dem Weib. Sich auch besiegen lassen ziemt dem Glücklichen. Ist solch ein Sieg des Haders wohl auch dir genehm? Gehorche; lass freiwillig mir des Kampfes Preis! Wohlan, du willst es! Löse denn ein Sklave flugs |
945 |
Das Sohlenpaar, das meine Füße dienend trägt!
Denn trät ich auf die Decken it dem Schuh, so kann Der Götter Neidblick treffen mich aus ferner Höh. Angstvoll erbeb ich, dass das Haus verarmt, wofern Die golderkaufte reiche Pracht mein Fuß verdirbt. |
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950 |
Genug davon - | |
Auf Kassandra deutend | ||
|
Die Fremde magst du hier mit Huld |
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Ins Haus geleiten: auf den milden Herrscher schaut Ein Gott mit gnadenreichem Blick aus ferner Höh! Denn nur gezwungen trägt der Mensch das Sklavenjoch. Sie bring ich, reicher Beute mir erlesenes |
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955 |
Kleinod, des Heeres Gabe mit nach Argos heim. - Doch weil ich deiner Willensmacht mich beugen muss, So schreit ich auf dem stolzen Purpurpfad ins Haus. |
|
Während er langsam in den Palast vorangeht,spricht Klytaimnestra | ||
Der Schoß der Meerflut, - wer verlöscht den ewgen Strom? - Nährt reicher Purpurader goldaufwägenden, |
||
960 |
Urneusten Farbenschimmer, prächtiger Zeuche Schmuck.
Und des die Fülle, Dank den Göttern, hat das Haus, O Herr; der Armut Sorge kennt es nimmermehr. Zahllose Purpurdecken hätt ich angelobt, Zum Preis der Rettung deines Lebens dargebracht, |
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965 |
Wenn Seherausspruch solches mir daheim gebot. Denn lebt die Wurzel, dann umrankt Gebüsch das Haus, Ein Schattendach ausbreitend vor des Sirius Glut. Wenn du zurückkehrst nach des Hauses Herd, so scheint Der Sommertag zurückgekehrt im Winterfrost. |
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970 |
Und wenn im Sommer Zeus die junge Traube reift, Dann kühlt ein frischer Morgenhauch den Sonnenbrand, Sobald des Eherrn Stimme durch das Haus erschallt. Zeus, Zeus, Vollender, auf, vollende mein Gebet! Ich stell anheim dir, was du, Herr, vollenden willst. |
|
Klytaimnestra geht ebenfalls in den Palast ab | ||
975 |
CHO. | Welch Gespenst umflattert doch [1.Str. Meiner Seele Pforte stets, Dass sie bang und zweifelvoll emporschaut, Trüben Gesanges prophetische Welle herausströmt! |
980 |
Setzt sich keine Zuversicht Auf des Herzens Thron, und jagt Brustbeklemmende Sorgen, Wie böse Träume, fort? Wie lange Zeit Verrauschte, seit des Griechenvolks |
|
985 |
Zug am sandigen Ufer, nach Troia schiffend, auf's Verdeck Warf der Jollen Ankertau! Eignen Auges Zeuge nun [1.Antistr. Schau ich heimgekehrt das Heer! |
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990 |
Aber dennoch, fern von süßer Hoffnung, Hebt das Gemüt, das erschütterte, Furiensang an, Der in reichen Wogen braust, Missend holden Leierklang. Keine törichte Furcht schwellt |
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995 |
Das bange Herz, im Strudel fortgerafft, Nein, wahre tiefe Seelenangst. Möchte, fleh ich, der düstre Wahn Meines Busens ewig Lug |
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1000 |
Bleiben, ewig unerfüllt! Traun, der gesunden Kraft üppige Fülle birgt [2.Str. Den zerstörenden Keim. Denn Siechtum haust Stets, Mauer an Mauer, benachbart: |
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1005 |
Also zerschmettert das Glück Mitten im günstigen Lauf, Unverhofft den Kiel an verborgner Klippe! Ward indes der Schätze Last, Schnellen Wurfs, mit weiser Hand |
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1010 |
Über Bord geschleudert, sinkt Nicht das ganze Haus, wiewohl Tief es ächzt, von Jammer schwer, Noch begräbt die Flut den Kahn. Zeus nur, reichliche Gaben verstreuend |
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1015 |
Und jähriger Furchen gesegnetes Saatkorn Tötet wilde Hungerspest. Rann in den Staub das hinsterbende dunkle Blut, [2.Antistr. |
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1020 |
Und vergoss es die Hand einmal, wer weckt, Wer zaubert und ruft es zurück uns? Wollt' es Kronion, so traf Nimmer Asklepios einst Sein Geschoss, den Schattenbeleber hemmend! |
|
1025 |
Stunde flieht auf Stunde hin; Jede bringt, soviel ein Gott Ihr vergönnt; und wüsst ich mehr, Eilte flugs das Herz voraus Meiner Zung' und sagt' es an. |
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1030 |
Heimlich murrend pocht es jetzt Schmermutsvoll in der Brust und verzagt Zu entwirren das dunkle Gewebe der Zukunft, Weil die Seele glühend bebt. |
|
Klytaimnestra kehrt rasch aus dem Palast zurück und wendet sich an Kassandra, die auf dem Wagen sitzen geblieben ist | ||
1035 |
Kl. | Auch du, Kassandra mein' ich, tritt auch du hinein, Da Zeus dich so beglückt, dass du seinem Herd In diesem Haus darfst nahen, als Teilnehmerin Am heiligen Weihbad, zugesellt dem Skalventross! Auf, steig herab vom Wagen, zeige keinen Stolz! |
1040 |
Trug doch, so sagt man, auch Alkmenes Sohn dereinst Verkauf in Knechtschaft und ein bittres Sklavenjoch. Trifft aber solchen Missgeschickes Blitz das Haupt, Dann schenkt ein altbegütert Haus den besten Trost. Denn die des Reichtums Garbe schnitten unverhofft, |
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1045 |
Sind stets und maßlos gegen Sklaven hartgesinnt. Von uns empfängst du, was Gebrauch und Sitte heischt. |
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Kassandra schweigt, der Chor spricht sie an, um zu vermitteln | ||
CHO. | Sie harrt der Antwort; deutlich sprach ihr Mund zu dir; Verstrickt im schicksalsvollen Netz, gehorch, wofern Du willst gehorchen; nicht gehorchst du, scheint es fast. |
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1050 |
Kl. Cho. |
Wofern sie nicht, gleich Schwalben, unverständliche Barbarenlaute zwitschert, will ich dergestalt Ins Herz ihr sprechen, dass sie meinem Wort gehorcht! Folg doch! Das Beste rät sie, nach der Dinge Stand. Gehorch und steig von deinem Wagensitz herab! |
1055 |
Kl. | Die Zeit verbietet, dass wir länger draußen hier
Verziehn; des Feueropfers Lämmer stehn bereits Am Herd in Hauses Mitte, schon beginnt das Fest, Das freudenvolle, das wir nimmermehr gehofft! Drum, willst du folgsam handeln, säume nicht! |
1060 |
Begreifst du nicht hingegen und verstehst du nicht,
Dann winke, statt zu reden, mit Barbarenhand! |
|
Sie gibt ihr ein Zeichen mit der Hand. Kassandra aber bleibt stumm und unbeweglich. | ||
Cho. Kl. |
Die Fremde braucht, so scheint es, einigen kundigen Dolmetsch; sie gibt sich, wie ein neugefangen Wild. Sie rast vielmehr, von Unverstand und Trotz erfüllt, |
|
1065 |
Sie, welche flüchtig aus der neuzerstörten Stadt
Uns naht: allein den Zügel nicht zu tragen weiß, Bevor sie blutigen Geifers ausgeschäumt den Grimm. Kein Wort verschwend ich weiter noch zu meiner Schmach. |
|
Klytaimnestra kehrt in den Palast zurück | ||
CHO. | Bestürmt von Mitleid kann ich nimmer zürnen dir. | |
1070 |
Ka. Cho. |
Auf, Jammervolle, heb den Fuß vom Zuggespann, Und tiefem Zwang dich fügend, weih das neue Joch! O Jammer! Ach, o Erdenreich! [1.Str. Apollon! Apollon! Was rufst du jammernd dergestalt den Loxias? |
1075 |
Ka. Cho. |
Er ist der Gott nicht, welchem Klaggesang gebührt. O Jammer! Ach, o Erdenreich! [1.Antistr. Apollon! Apollon! Sie ruft mit Wehlaut abermals zu jenem Gott, Dem nicht gemäß ist, Leidbedrängten beizustehn. [2.Str. |
1080 |
Ka. Cho. |
Apollon! Apollon! O Pfadlenker, Leidschöpfer du! Zum zweiten Mal ja schufst du mir den Untergang! Ihr eignes Unheil, scheint es, will sie prophezeihn. Es bleibt die Gottheit mächtig selbst im Sklavensinn. |
1085 |
Ka. Cho. |
Apollon! Apollon! [2.Antistr. O Pfadlenker, Leidschöpfer du! Wohin geführt, ach, hast du mich? Zu welchem Haus? Zum Haus der Atreussöhne; wenn du nicht es weißt, Vernimms von mir, und keine Lüge nennst du das. Ach! Ach! [3.Str. |
1090 |
Ka. Cho. |
Götterverhasstes Haus, von zahllosem Blut
|
1095 |
Ka. Cho. |
Ach! Ach! [3.Antistr. Zeichen erblick ich schon, gewichtvoll und klar: Die Kinder schluchzen dort, gewürgt, Zum Mahl gebraten und dem Vater vorgesetzt! Wir kennen sattsam, wahrlich, deinen Seherruf, Allein Prophetenzungen sind uns nicht genehm! |
1100 |
Ka. | O Götter! Welch Übel ersinnt sie jetzt? [4.Str. Welches neue grause Leid Ersinnt sie drinnen, welches Weh, an Trauer schwer, Dem Freund schmerzensreich, nimmerdar heilend: Rettung Suchet das Aug umsonst! |
1105 |
Cho. Ka. |
Was jetzt sie weissagt, unerklärlich ist es mir. Das erste wusst ich; durch die ganze Stadt erschallt's. O freches Weib, wirst du vollenden dies, [4.Antistr. Wenn den edeln Gatten d Mit lindem Bad erquicktest? Tu ich kund das Ziel? |
1110 |
CHO. Ka. |
Es naht flugs herbei. Hand um Hand streckt sie wutvoll
Gegen das Opfer aus! Noch nicht begreif ich's; nimmermehr durchdringt der Blick Der rätselhaften Sehersprüche Nebelflor. Weh, weh! Was seh ich dort leuchten? O Leid, o Leid! [5.Str. |
1115 |
Chf. |
Ein Garn des dunkeln Hades? Nein, seine Gattin ist das Netz, die Helferin Des Mordes. Laut jauchze der wilde Fluch Dieses Geschlechts: das blutwache Rachopfer fällt: Welch einen Fluchgeist mahnst du da, mit hellem Ton |
1120 |
1.HCh |
Im Haus zu jubeln? Freudig stimmt dein Wort mich nicht.
Nein, zu dem Herzen stürzt des Blutes Safranstrom Zurück, flieht und stockt in todwunder Brust, Während des Lebens Lichtstrahl in Nacht sinkt! Der Ate Fuß schreitet schnell. |
1125 |
Ka. | Ach, ach! O schau, o schau! Haltet die Sterke doch [5.Antistr. Vom Farren ab; im Mantel Arglistig fängt den schwarzgehörnten sie, und schlägt Ihn wund; er fällt tot in der Wanne Flut! Solches Geschick im mordschlauen Bad künd ich euch. |
1130 |
Chf. 2.HCh. |
Als großer Zeichendeuter mag ich nimmermehr Mich rühmen; unglückdrohend aber acht ich dies. Kündet den Menschen je der Wahrsager Mund Ein freudvolles Wort? Denn vieldeutig stets Tönt der Propheten Kunst, was der Gott sprach, |
1135 |
Ka. |
In Leiden erst wird es klar! Wehe der Armen, weh mir! Trauriges Jammerlos! Eigenen Leidenskelch füg ich zu fremder Trübsal. Was hast du doch mich Arme mit hierher geführt? Doch nur alllein, um mitzusterben hier! Was sonst? |
1140 |
1.HCh. | Götterentzückt und wahntrunken, erhebst du Wehgesangs Wehelaut Um Dein eigen Los, Gleich der blondbediederten Nachtigall, Welche von Leid umstürmt, ach, in tiefbanger Brust, Ewigen Klagerufs Itys, o Itys! seufzt, |
1145 |
Ka. |
Und stets kummervoll! Fröhlichen Loses, ach, ach, jubelt die Nachtigall! Denn in beschwingten Leib kleidete doch ein Gott sie, Und lieh ein süßes, tränenloses Leben ihr; Mein aber harrt durch doppelschneidig Schwert der Tod! |
1150 |
2.HCh. | Sage, woher entstammt rauschen in deiner Brust des Wahns Bilder auf Mit gotthehrem Drang? Was beklagst du schneidenden Jammertons Solche Gespenster, anstimmend hellflötend Lied? Sage, woher erschallt göttliche Weise dir, |
1155 |
Ka. |
An Leidklängen reich? O Paris' Ehebund, meinem Geschlecht verderbenreich! Skamandros' heimatlicher süßer Strom! Einst in der Jugend, ach, lebt ich an deinem Strand Glückliche Tage hin; |
1160 |
1.HCh. |
Nun aber scheint es, sing ich bald am Acheron Und längs Kokytos' Ufern mein prophetisch Lied! Wahrlich, ein überaus deutliches Seherwort, Verständlich selbst für Kindesohr! Blutigen Stich indes fühl ich in tiefster Brust, |
1165 |
Ka. |
Hör ich die Klagen an, welche du todesbang Jammerst um dein Geschick! O traurig Wehelos! Ganz in Verderben sank die Stadt Ach, frommgesinnt weihte zum Schutz der Burg Grasender Lämmer vielblutendes Opfer einst |
1170 |
2.HCh. |
Priamos, doch umsonst! Der Väter Stadt traf, was sie jetzt erlitten hat! Ich aber, feuertrunken, stürze bald in Staub. Wieder das selbe Wort sprachst du prophetisch aus! Doch welch ein böser Rachegeist |
1175 |
Ka. |
Lenkt, so gewaltig einbrechend, die Zunge dir, Dass du die Schrecken singst bitterer Todespein? Könnt ich das Ende schaun! In dunkeln Schleier, wie die neuvermählte Braut, Birgt nicht das Antlitz länger mein Orakelspruch; |
1180 |
Ein heller Nordwind, fühl ich, braust er auf und stürmt Nach Sonnenaufgang, dass er größres Leid als dies Ans Licht emportreibt., einer wilden Woge gleich! Nicht länger sprech ich rätselhafte Warnungen. Seid selber Zeuge, dass ich jene Frevelspur |
|
1185 |
Vergangner Gräuel Schritt für Schritt aufwittere.
Durch dieses Haus tönt fort und fort der Rachechor Einstimmig, doch in grausenvoller Harmonie. Berauscht zu höchster Raserei von Menschenblut, Und schwer hinauszubannen, tobt und schwelgt am Herd, |
|
1190 |
Der Fluch-Erinyen schreckenvoller Schwesternbund. Im Haus gelagert, singt der Schwarm im Jubelsang Des Stammes Urschuld; zornig dann verfluchen sie Des Bruders Ehebett, auf den Schänder hart ergrimmt. Verfehlt ich oder traf ich, wie ein Schütz das Wild? |
|
1195 |
Cho. |
Sprich, schwatz ich, eine Lugprophetin, bettelhaft? Bezeug es laut und schwöre, dass mir wohlbekannt Die alten Frevel, welche dieses Haus verbrach! O dass ein Schwur, ein festgeknüpftes Seelenband, Heilmittel bieten könnte! Staunend hör ich dich: |
1200 |
Ka. Cho. Ka. |
Jenseits des Meers erwachsen, sprichst du dergestalt Von fremder Stadt, als ob du selbst zugegen warst. Der weise Phoibosweihte mich dem Seheramt. Entbrannt von Liebessehnen wohl, obschon ein Gott? Bis jetzo hielt, das auszusprechen, Scham mich ab. |
1205 |
Cho. Ka. Cho. Ka. Cho. |
Zu zart und furchtsam freilich ist der Liebende. In voller Anmut rang der Gott um meine Gunst. Vollzogt ihr auch des Ehelagers heilig Fest? Zusage gab ich, aber täuschte Loxias. Mit gotterfülltem Sehergeist bereits beschenkt? |
1210 |
Ka. Cho. Ka. Cho. Ka. |
Bereits der Stadt weissagt' ich all ihr Jammerlos. Doch ließ des hohen Phoibos Zorn dich ungestraft? Mir gleubte niemand nimmer, seit ich dies verbrach! Uns wahrlich scheint glaubwürdig, was du prophezeist! O Schmerz, o Schmerz! Ach, ach, o Leid! |
1215 |
In neuem Wirbel fasst mich, unter wildem Gruß Und wirrem Angstlaut, grause Pein des Seherflugs! Erblickt ihr jene Kleinen dort am Königstor Gelagert, gleich Gestalten nächtigen Traumgesichts? Zwei tote Knaben seh ich, durch Blutsfreundesfaust, |
|
1220 |
So scheint's, gemordet, ihre Hand gefüllt vom Mahl Des eignen Fleisches, haltend (eine grause Last) Ihr Herz und Eingeweide, das der Vater aß. Geheime Rache brütet drob, verkünd ich euch, Ein feiger Löwe, welcher sich im Bett verkroch, |
|
1225 |
Bereit zum Sprung, weh, auf den heimgekehrten Herrn,
Auf meinen Herrn; denn seine Sklavin bin ich ja! Der stolze Heerfürst und Zerstörer Ilions Ahnt nicht das Schicksal, welches ihm der schwatzenden, Schamlosen Hündin Zunge, voll von Gleißnerei, |
|
1230 |
Der hinterlistigen Ate gleich, bereiten wird. So große Schandtat wagt ein Weib: des Mannes Blut Vergießt sie. Welchen Ungeheuers Name ziemt Der Schnöden? Heiß ich Drachen, heiß ich Skylla sie? Die tief in Klippenschlünden haust, der Schiffer Pest, |
|
1235 |
Wahntrunkne Hadesmutter, unsühnbaren Fluch Blutsfreunden schnaubend? Überlaut frohlockte sie, Die Alleswagende, wie im Siegestanz der Schlacht! Der frohen Rückkehr gilt zum Schein ihr Jubelton. Bezweifle meine Worte, wer da will! Was tut's? |
|
1240 |
Cho. |
Es tagt die Zukunft! Selber schaust du baldigst es,
Und nennst mich jammernd allzuwahre Seherin. Mit Schaudern hört ich und verstand, was du gesagt Vom blutigen Mahl Thyestes'; deine Schilderung, So wahr und treffend, füllt das Herz mit Furcht. Allein |
1245 |
Ka. Cho. Ka. Cho. |
Was du hinzufügst, schleudert mich auf irre Bahn.
Agamemnons Tod verkünd ich, wird dein Auge schaun. Unselige, schließe deinen unheilvollen Mund! Kein Retter wendet gnadenreich das schlimme Wort. Wofern es Tat ward; nimmermehr jedoch gescheh's! |
1250 |
Ka. Cho. Ka. Cho. Ka. |
Du flehst um Abwehr; jene sinnen auf den Mord! Durch welchen Mann wird dieser Frevel ausgeführt? Du hast den Sinn, traun, meiner Sprüche weit verfehlt. Verborgen blieb mir, wer der Tat Vollbringer sei. Und doch versteh ich Hellas' Sprache meisterlich! |
1255 | Cho. |
Auch Phoibos; gleichwohl spricht er stets geheimnisvoll. |
Kassandra wird durch die letzten Worte des Chores erneut vom Wahn ergriffen | ||
Ka. | O Grauen! Welch ein Feuer steigt im Busen auf! O Schmerz! O lykischer Phoibos, whe, wehe mir! Die menschenfüßige Löwin dort, die sich dem Wolf Gesellte bei des edeln Leun Abwesenheit, |
|
1260 |
Will, ach, mich Arme morden; denn sie mischt zum Groll, Gleichsam ein Gift bereitend, auch die Rach' an mir, Und rühmt sich frech, das Eisen wetzend ihrem Mann, Den Tod verdien' er, weil er mich ins Haus geführt. Was trag ich diese Zeichen noch, mir selbst zum Spott, |
|
1265 | Das Szepter und die Seherkränze meiner Stirn? | |
Sie zerbricht das Szepter in Stücke und reißt die Kränze ab | ||
Zerbrich, o Szepter, eh mich selbst der Tod erfasst! Hinweg mit euch! Verderbet! Nehmt den Gegenlohn! Beschenkt mit jammerreichem Fluch ein andres Weib! Schau her, Apollon, wie du selbst des Seherschmucks |
||
1270 |
Mich jetzt beraubst! Mit eignen Augen sahst du schon,
Wie auch in dieser hehren Tracht das Hohngezisch Der törichten Freunde feindlich mich und bitter traf! Denn bettelhaft frechzüngig, wüste Gauklerin, Toll, hungersüchtig, musst ich mich gescholten sehn. |
|
1275 |
Und endlich trieb der Seher, der zur Seherin Erst erschuf, in solches Todeslos mich fort! Denn statt des Heimatherdes harrt auf mich der Block, Den purpurrot mein heißes Opferblut benetzt. Doch mächtig rächen unsern Tod die Himmlischen! |
|
1280 |
Es folgt ein neuer Rächer uns mit starker Hand,
Ein Vaterblutvergelter, der die Mutter würgt: Ein irrer Flüchtling kehrt er aus der Ferne heim, Und setzt den Schlussstein allen Götterfluchs dem Stamm. Geschworen von den Ewigen ward ein hoher Eid: |
|
1285 |
Dass ihn des Vaters Todessturz nach Argos führt. Was seufz ich aber also noch vor diesem Haus? Sah doch bereits mein Auge, durch der Götter Zorn Die Stadt der Troer stürzen, wie sie stürzend sank, Und ihre Bürger hingerafft im Strafgericht! |
|
1290 |
Drum auf, dem Tod entgegen! Mutig trag ich ihn. O dunkle Hadespforten, fromm begrüß ich euch, Und flehe, dass ein scharfer Todesstreich mich fällt, Damit das lebenswarme Blut in leichtem Strom Verrinnt und ohne Kämpfe sich mein Auge schließt. |
|
Kassandra steigt vom Wagen herab und betritt die Bühne | ||
1295 |
Cho. Ka. |
So tief beklagenswertes als tiefweises Weib, Du spannest lange Rede! Doch was eilst du, sprich, Dafern du sicher deinen Tod vorauserkennst, So keck zum Schlachtherd, gottgetriebener Sterke gleich? Kein Heil verbleibt mir, keines, selbst nicht durch die Zeit. |
1300 |
Cho. Ka. Cho. Ka. Cho. |
Der letzte trägt doch, traun, den Preis der Zeit davon. Die Stunde kam: geringen Nutzen brächte Flucht. In Jammer, wisse, stürzt dich allzu kecker Mut! Ruhmvollen Tod zu sterben ist dem Menschen süß. Taub solchem Wort sind allezeit die Glücklichen. |
1305 | Ka. | Weh, Vater, dir und deinen edeln Sprösslingen! |
Sie will auf den Palast zugehen, kehrt sich aber mit Zeichen des Entsetzens von der Tür ab | ||
Cho. Ka. Cho. Ka. |
Wodurch ergriffen wendest du dich scheu zurück? Weh, weh! Was stöhnst du Wehruf? Was erbebst und schauderst du? Des Hauses Mauern hauchen bluttriefenden Mord! |
|
1310 |
Cho. Ka. Cho. |
Kann so der Weihrauch duften auf dem Opferherd? Es steigen Moderdünste, wie aus Gräbern, auf! Du rühmst dem Haus nicht syrischer Salben Wohlgeruch! |
Kassandra geht, bisweilen innehaltend, während der letzten Worte langsam auf den Palast zu | ||
Ka. | Ich tret ins Haus denn, mein und Agamemnons Los Auch drinnen noch zu weinen. Sei's genug gelebt! |
|
1315 |
Weh, Fremdlinge! Doch flieg ich nicht, ein banger Vogel um den Hain Mit leerem Ruf. Bezeuget mir, der Toten, das, Wenn einst ein Weib für mich, das Weib gemordet fällt, Und für den tiefverratnen Mann ein Mann erliegt! |
|
1320 | Mit solchem Gastgruß tret ich ein, die Sterbende. | |
Sie geht mit raschen Schritten bis zum Tor des Palastes | ||
Cho. | Unselige, jammernd klag ich dein verhängtes Los! | |
Kassandra bleibt am Eingang des Palastes stehen | ||
Ka. | Noch einen Seufzer fordert, noch ein Trauerwort Mein herbes Schicksal. Helios, flehend ruf ich dich, Beim letzten Lichtstrahl! Wecke meine Rächer auf! |
|
1325 |
Zu strafen meine blutigen Mörder, welche mich, Die Sklavin, hingeschlachtet leichterrungnen Siegs! Weh dir, o Menschenleben! Lächelt ihm das Glück, So stürzt es leicht ein Schatten; steht es unbeglückt, Dann tilgt im Flug ein wasserfeuchter Schwamm das Bild. |
|
1330 | Was gibt's Beklagenswerteres als das Letztere? | |
Kassandra begibt sich in den Palast. - Eine Pause | ||
Chf. | Kein Sterblicher fühlt an des Glückes Genuss Sich gesättigt je; traun, Niemand weist Von dem prunkenden Haus Und dem fingergezeigten Palast es zurück, Mit dem Ruf: "Such ärmere Hütten! |
|
1335 |
Von den Göttern geschmückt mit der Krone des Siegs, Nahm Atreus' Sohn zwar Ilion ein, Und betrat sein Haus, glückselig geführt, Von der Himmlichen Gunst. Soll aber er jetzt des Geschlechts Blutschuld a Abbüßen, und Tod der Gewürgten mit Tod |
|
1340 |
Austilgen zur Sühne der Toten: Wer rühmt sich noch laut, wenn solches er hört, Stets heilvoll lachenden Schicksals? |
|
Agamemnon wird in diesem Augenblick im Haus ermordet; sein Geschrei dringt auf die Bühne heraus. | ||
Ag. Chf. |
Weh mir! Mich traf ein Mörder drinn mit scharfem Streich! Stille! Wer erhebt, von scharfem Streich verwundet, Angstgeschrei? |
|
1345 |
Ag. 1.HCf. 2.HCf. |
Weh mir! Zum zweiten Mal traf mich die Mörderhand! Dass bereits die Tat vollbracht ist, zeigt des Königs Weheruf Lasst gemeinsam uns erwägen, welcher Rat der beste sei! |
1
|
Was mich bedünkt, eracht ich für das sicherste, Die Bürger laut heranzurufen zum Palast. |
|
1350 |
2
3 4 |
Mir scheint es besser, einzudringen ungesäumt; Und nachzuforschen mit schnellgezücktem Schwert. Des gleichen Rats Teilnehmer, stimm auch ich dafür, Mit raschem Mut zu handeln. Nichts zu zaudern gilt's! Klar sind des Hauses Rätsel; also kündet sich, |
1355 |
5 6 |
Mit grausem Vorspiel, drohende Tyrannei dem Land! Wir zaudern freilich. Sie jedoch, von Säumnis fern, Und fern von Schlafsucht, heben wahn berauscht die Faust! Unschlüssig bin ich, welchen Rat ich geben soll. Das Beste scheint, wir halten an den Täter uns. |
1360 |
7
8 9 |
Derselben Meinung bin ich, denn ich sehe nicht, Wie unser Rat den Toten wieder wecken soll. Das Leben feig zu retten, weichen wirklich wir Des Königshauses Schändern als den Oberhern? Nein, nimmer trüg ich's! Besser, wahrlich, ist der Tod. |
1365 |
10 11 |
Denn süßer ist er, als das Joch der Tyrannei.
Doch dürfen aus des Weherufes Zeichen wir Prophetisch schließen, dass der Fürst getötet ist? Wenn klar wir dieses wissen, ziemt Beratung uns. Klar wissen und vermuten ist verschieden Ding. |
1370 |
12 |
Mit ganzem Beifall tret ich dieser Meinung bei, Dass klar wir forschen, welch Geschick Agamemnon traf. |
Die Palasttore öffnen sich. Klytaimnestra tritt auf mit dem Beil über der Schulter und großem Gefolge. Agamemnons und Kassandras Leichen werden ihr in Decken gehüllt nachgetragen. | ||
Kl. | Mit freiem Antlitz sag ich keck das Gegenteil Von jenem frühern zeitgemäßen Redepomp. Wie schlüge sonst der Feind den Feind, der Freund scheint? Wie |
|
1375 |
Ein tötend Fangnetz stellen sonst, ein mächtiges, Unüberspringbar hohes Garn? Ich schaute längst Den Kampf voraus, der lange zögern endlich kam, Aus altem Groll erwachsen; sicher steh ich nun Am Ziel; das Opfer blutet, alles ist vollbracht! |
|
1380 |
Ja, nimmer leugn' ich, also führt' ich aus das Werk, Dass weder Flucht ihm, weder Gegenwehr verblieb. Ich schlang ein faltenweites, fischnetzähnliches Geweb um ihn, ein Kleid verderbenreicher Pracht. Drauf gab ich ihm zwei Schläge; zweimal stöhnt er laut, |
|
1385 |
Und brach erschlafft zusammen; als er niederlag, Ward ihm von mir ein dritter Streich, dem Schattenhort Dem unterirdischen Hades als gelobter Dank. So haucht' er seines Lebens Atem sinkend aus; Blutröcheln lag er, und ich ward vom jähen Strahl |
|
1390 |
Benetzt mit dunkeln Stäubchen purpurroten Taus,
Die mich so hoch erfreuten, als der Süd des Zeus Das junge Saatfeld, wenn es voll in Knospen schwillt. Ob solchen Siegs nun jauchzet, wenn ihr jauchzen wollt, O greise Schar von Argos; ich frohlocke laut! |
|
1395 |
Cho. |
Ja, ziemten auch Dankopfer für der Toten blut,
Dann wären hier gerecht sie, vollgerecht, fürwahr! Den fluchgemischten Becher, den er füllt im Haus, Ihn hat er kehrend selber ausgeleert daheim. In Staunen setzt uns deiner Zunge freches Wort, |
1400 |
Kl. |
Da du so ruchlost über deinen Gatten prahlst. Schmäht immerhin mich als ein sinnverblendet Weib! Furchtlosen Herzens wiederhol ich laut vor euch, Was längst ihr wisst; lobpreiset oder scheltet mich, - Wie euch gefällt! Hier leigt Agamemnon, mein Gemahl, |
1405 |
1.HCh. |
Und zwar als Leichnam, meiner Rechten kühnes Werk
Und edles Rachemeisterstück. So ist's, ihr schaut's! Trankest du Gift, o Weib, rauschendem Meer entschäumt? Stillte giftsamiger Erde Fruchtspeise den Hunger dir, Dass du, so rasend, dir wecktest den Fluch des Volks? |
1410 |
Kl. |
Wütende Würgerin! Siehe, du wirst verbannt, Allen Bürgern ein Abscheu! Zum Bann verurteilst jetzt du mch, und sagst, mich soll Der Bürger Abscheu treffen und der Fluch des Volks, Indes du schweigst, was dieses Mannes Schuld betrifft: |
1415 |
Er, der mit Gleichmut, wie ein bloßes Opfertier, Obschon die Weide nährte wolliger Lämmer Heer, Sein eigen Kind, ach, meines Schoßes liebste Frucht, Als sühnend Opfer thrakischer Winde schlachtete! Verweisen aus den Grenzen musstest den du nicht, |
|
1420 |
Zur Buße seines Gräuels? Hörst dagegen du Von meiner Rachtat, übst du strenges Recht! Allein Zu gleicher Drohung wohlgerüstet, sag ich dir: Versuch es! Wenn mich deine Hand besiegt, so sei Mein Herrscher! Fügt ein Gott indes das Gegenteil, |
|
1425 |
2.HCh. |
Dann wirst du Weisheit lernen, doch zu spät belehrt.
Über die Maßen hoch trägst du das Haupt, und rühmst Kecken Muts, während der Geist in morddüstiger Freude rast, Über dem Auge dir glänzt des Blutes Mal Nimmer gebüßt! Verwaist aber von Freunden einst, |
1430 |
Kl. |
Zahlst du Wunde mit Wunde. Wohlan, vernimm denn meiner Lippe hehren Schwur! O hohe Dike, meines Kindes Rächerin, Fluchgeist und Ate, denen ich den schlachtete: Nicht sorg ich, dass mein Fuß betritt die Schlucht der Furcht, |
1435 |
So lang an meines Hauses Herd die Flamme schürt Aigisthos, mir in Liebe, wie bisher, geneigt. Ein mächtig Schild ist dieser meiner Zuversicht. . . . . . . . Tot liegt der Eheschänder, seines Weibes Schmach, Der Chryseïden Augenlust vor Ilion. |
|
1440 |
Und neben ihm das speergefangne Seherweib, Die buhlerische, freche Zukunftsdeuterin, Die Bett sowohl als Lager auf der Ruderbank Mit ihm geteilt. Allein sie fanden ihren Lohn. Mein Gatte solchen. Jene sang, dem Schwane gleich, |
|
1445 |
1.HCh. |
Ein letztes Sterbeklagelied, und ruht im Staub, An ihres Buhlen Seit', indes sie meine Lust Hinsterbend würzte durch ein süßes Beigericht. Nahte sich doch der Tod, ohne der Schmerzen Last, [1.Str. Frei von quälendem Siechtum, |
1450 |
Mit schnellem Schritt, ewgen Schlafes Rast uns Freundlich zu bringen! Gewürgt dahinsank Unser liebevoller Hort, der Vieles Weh duldend litt durch ein Weib; Den ein Weib endlich hingemordet hat. |
|
1455 |
Chf. HChf. 1.HCh. |
Weh, Helene, dir! Absinnige, du, [2.Str. Du allein hast viel, hast zahllos viel Der Achaier geopfert um Troia! Ja, warfst in den Staub auch Ilions Burg, Und der Dike Hand, die vollendende, ließ Abbüßen die Stadt, was Zeus zornvoll Auflegte dem Volk: Du vergossest das Blut Ruhmreicher Argeier und Troer!] [Schnöde Verräterin, die in der Eltern Haus schon [3.Str. |
1460 |
Kl. |
Hochentlodernde Zwietracht Gewälzt, Fluch ihrem Stamm und Trübsal!] Nicht wünsche den Tod, voll Kummer und Schmerz, [4.Str. Dass solches geschah; Noch schaue mit Zorn auf Helena hin, |
1465 |
2.HCh. |
Der Achaier entrafft und vernichtet im Streit, Und unsäglichen Jammer verschuldet! Schrecklicher Dämon, der gegen des Tantalos [1.Antistr. Doppelzweigiges Haus stürmt, |
1470 |
Und zwei der Fraun jetzo, mir zur Trübsal, Mächtig entzündet zu gleicher Frechheit! Auf die Leiche tretend, krächzt sie Laut und tönt Siegeston ihrem Haus Grausenvoll, einem wilden Raben gleich. |
|
1475 |
Kl. | Jetzt trafst du das Ziel nicht irrenden Worts, [4.Antistr. Da den Dämon du riefst, Der dieses Geschlecht dreifältig verfolgt! Denn er nährt in dem Bauch blutleckende Gier Mordtrunken und zeugt neurauchenden Gräul, |
1480 |
1.HCh. |
Eh Sühne den alten beschwichtigt. Traun, den gewaltigen, schwer [5.Str. Grollenden Dämon des Hauses rühmst du. Weh, schrecklicher Ruhm des Fluchs, der Jammer häuft unersättlich! |
1485 |
Chf. |
O Leid, o Schmerz, Zeus trägt die Schuld, Der alles lenkt, der alles schafft! Denn ordnet Zeus nicht jegliches Menschenschicksal? Geschah ohne die Götter all das? O Leid, o Leid! Mein König und Herr, [6.Str. |
1490 |
Cho. |
Wie bewein ich dich recht? Was sag ich in liebender Sehnsucht? Hier ruhst du, verstrickt in der Spinne Geweb, Trübselig ermordet und ruchlos? Ach, leidvoll, schmachvoll schlummerst du hier erblasst, [7.Str. Der verruchten Meuchlerfaust Opfer, getroffen von scharfem Mordbeil! |
1495 |
Kl. | [Kein schmachvoll Los, kein schimpfliches, traun, [8.Str. Ward diesem zu Teil!] Mich zeihst du der Schuld des Geschehenen, mich: Doch sprich nicht, dass Agamemnons Gemahlin die Täterin sei! |
1500 |
Nein, ähnlich dem Weib des Gemordeten hier, Traf grimmvoll ihn der gespentische Geist, Der Atreus einst sah schmausen, und jetzt Bluträchend den Mann Zu dem Opfer der Kinder gesellte. |
|
1505 |
2.HCh. | Dass Agamemnon du nicht [5.Antistr. Mordetest, Frevlerin, wer bezeugt das? Sprich! Sprich! Des Geschlechtes Fluchgeist, Scheint es, leistete Beistand. In stammverwandten Blutes Strom |
1510 |
Chf. |
Gewaltig schäumend quillt empor Der dunkle Mord; wohin er auch sich fortwälzt, Der kindschlachtende Tau benetzt ihn! O Leid, o Leid! Mein König und Herr, [6.Antistr. Wie bewein ich dich recht? |
1515 |
Cho. |
Was sag ich in liebender Sehnsucht? Hier ruhst du, verstrickt in der Spinne Geweb, Trübselig ermordet und ruchlos! Ach, leidvoll, schmachvoll schlummerst du hier erblasst, [7.Antistr. Der verruchten Meuchlerfaust |
1520 |
Kl. |
Opfer, getroffen von scharfem Mordbeil! Kein schmachvoll Los, kein schimpfliches, traun, [8.Antistr. Ward diesem zu Teil! Denn spann er dem Haus nicht tückisches Leid? Und verderbliches an? Iphigenie hat er gewürgt, mein Kind, |
1525 |
Das unselige, das ich empfangen von ihm! Für würdige Tat fand würdigen Lohn Der Gemahl: nicht rühm er im Hades sich stolz: Das Verschuldete nur Abbüßt er im tilgenden Schwerttod! |
|
1530 |
1.HCh. | Im Zweifelmut schwank ich irr und ratlos; [9.Str. Nirgend erspäh ich Zuflucht Mit regem Geist, weil das Haus dahinstürzt! Im Donner rauscht nieder dacherschütternden Platzregens graunvoller, wilder Blutguss. |
1535 |
Chf. |
Zu neuen Jammertaten wetzt das Racheschwert Der Schicksalshort an neuem Wetzstein. Ach, Erdreich, bargst mich früher du doch, [2.Antistr. Eh diesen ich sah starr liegen, gesenkt |
1540 |
HChf. |
In das silbergediegenen Sargbett! Wer begräbt ihn nun? Wer bewehklagt ihn? Wagst du, traun, die du den eignen Gemahl Hinmordetest, das frechmütig zu tun, |
1545 |
2.HCh. |
Ihm Tränen zu weihn, und, dem Toten verhasst, Hasswürdige Gunst zu erweisen? Lauterem Herzens entsprochen, tränenreichen [3.Antistr. Grabgesang, wer erhebt ihn, |
1550 |
Kl. |
Den gottgleich hehren Toten feiernd? Nicht euch liegt's ob, nicht kümmert es euch! [10.Str. Denn er sank durch mich, Durch mich auch wird er bestattet! Indes [Nicht steigt er hinab in das Todesgefild Von den Seinen im Haus durch liebenden Rufs Wehklage beweint und mit Opfer geehrt:] |
1555 |
Iphigenie nur, wie der Tochter geziemt, Harrt jauchzend und froh Des Erzeugers, und wird an des klagenden Stroms Wildreißender Flut Ihn umschlingen mit freundlichem Kosen! |
|
1560 |
2.HCh. | Zur alten Schmach häufst du neues Schmachwort! [9.Antistr. Dunkel umhüllt die Zukunft. Der Mörder zahlt Buße, Blut verströmt Blut, So lange Zeus geltend waltet, gilt das Wort: Wer Böses sät, erntet schlimm! Wer bannt je |
1565 |
Kl |
Den echten Schößling aus dem Haus als dürren Zweig? Naturkraft bindet Haupt und Glieder. Traun, wahrhaft scholl, was jetzo du sprachst, [10.Antistr. Mit prophetischem Mund. Laut schwör ich indes, Bei dem rächenden Geist, der Tantalos' Stamm |
1570 |
Heimsucht, gern will ich ertragen den Fluch, Wie entsetzlich er kommt! Wenn künftig er nur Flieht Atreus' Haus, und ein andres Geschlecht Aufzehrt durch Gräul stammtilgenden Mords. Reichtümer und Glanz, |
|
1575 |
Gern würf ich sie hin, wenn ein solches Geschenk
Von der Schwelle die Wut Mordwechselnden Frevels verscheuchte! |
|
AIGISTHOS | ||
|
O süßer Lichtstrahl segenreichen Rachetags! Nun sag ich freudig, als der Menschen Richter schaun Die Götter hochher auf der Erde Gräuelsaat: |
|
1580 |
Denn mir zur Wonne seh ich jetzt in sühnenden Erinyenschleier eingehüllt den Toten hier, Der seines Vaters Freveltaten büßend sank. Einst hat, um Herrschaft ringend und um Throngewalt, Sein Zeuger Atreus, dieses Landes Oberherr, |
|
1585 |
Thyestes, meinen Zeuger, dass ih's klar vernehmt, Den eignen Bruder, weggebannt aus Reich und Haus. Zurückgekehrt drauf, flehend hingestreckt zum Herd, Erlangt der Unglückselige Schutz, so dass er nicht, Mit seinem Blut den heimischen Boden rötend, sank. |
|
1590 |
Ein schändlich Willkommgastgeschenk indessen bot
Des Toten Vater meinem dar, mit Schmaus das Fest Zu feiern, Liebe heuchelnd, doch von Hass gespornt, Und setzt der beiden Söhne Fleisch zum Mahl ihm vor. Der Füße Spitzen und der Hände Fingerkamm |
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1595 |
Verbarg er unter weichgesottnem Fleich, betrog den Unglücksvater, der sofort die Kost genoss: Er hielt ein Mahl, verderblich, wie du siehst, dem Stamm! Doch als der schnöden Freveltat er inne ward, Da stöhnt' er, sank zurück und spie den Mord hinweg, |
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1600 |
Rief Graunverwünschung auf das Geschlecht des Tantalos, Und sprach den Fluch: wie dieses Schauermahl gelang, So falle hin das ganze Pelopidenhaus! Drum kannst du hier Agamemnon hingesunken schaun. Ich aber bin der gerechte Weber dieses Mords. |
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1605 |
Der Söhne dritter, saugend an der Mutterbrust, Ward samt dem armen Vater ich von ihm verjagt. Erwachsen, führte Dike mich als Rächer heim. Auch als Verbannter stellt' ich schon Agamemnon nach, Und legte ringsum Schlingen ihm trugvollen Rats. |
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1610 |
Cho. |
Und da ich eingefangen ihn erblicke jetzt, Im Rachenetz, scheint selbst zu sterben Wonne mir. Aigisthos, Hohn bei Missetaten preis ich nicht! Du sagst, mit Vorsatz gabst du diesem Mann den Tod, Entwarfst des jammerwerten Mords Anschlag allein: |
1615 |
Ai. |
So wisse, hör es, dein gerichtet Haupt ereilt Vom Volk vollstreckte, fluchumrauschte Steinigung! Den höchsten Steuerlenkern drohst du dergestalt, Du, der du bist des Schiffes letzter Ruderknecht? So lern als Greis noch, wie die Lehre bitter schmeckt, |
1620 |
Wenn solchem Alter zur Vernunft geraten wird. Peinvolle Hungerqualen, Band und Fesseln sind Auch für erfraute Toren ausbündige Heilzauberärzte. Bis du sehnden Auges blind? Nicht löcke gegen den Stachel, sonst verletzt er dich! |
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1625 |
Cho. Ai. |
Du Weib, des jüngst vom Kriege heimgekehrten Herrn
Hausschlange, hast du feig des Mannes Bett beschimpft, Und diesen Mordplan für den Tapfern feig erdacht? Auch dieses Wort scharrt bittrer Tränen Quell dir auf! Du hast von Orpheus' Zunge ganz das Widerspiel. |
1630 |
Cho. |
Denn Sein Gesang riss alles süß bezaubernd fort, Dein kindisch Bellen aber tönt verhasst, und reißt Dich selbst in Jacht; doch zahmer macht die Rute dich! Du also willst jetzt König über Argos sein, Du, der den Mordplan zwar erdachte, doch das Werk |
1635 |
Ai. |
Die List vollstrecken konnte, traun, das Weib allein.
Ich selber schien verdächtig, als ein alter Feind. Nun fass ich keck das Szepter, seine Schätze sind In meinen Händen; wer sich nicht dem Zaume fügt, |
1640 |
Cho. |
Den will ich scharf einjochen, dass ihn nimmermehr Der Hafer sticht; ihn soll in schuaervoller Kluft Ein schlimmer Gast, der Hunger, bald geschmeidig sehn! Warum, o feige Seele, hast du diesen Mann Nicht selber hingemetzelt? Nein, ihn hat ein Weib, |
1645 |
Ai. |
Des Landes Schandfleck und der Landesgötter Gräul,
Ermordet! Schaut Orestes noch das Sonnenlicht? O käm er heim nach Argos heilbeschützen Pfad, Damit er siegreich dieses Mörderpaar zermalmt! Da du so verfährst und redest, schaust du meine Rache flugs! |
1650 |
Cho. |
Auf, geliebte Kampfgefährten, nahe rückt der harte Strauß! Auf, die Hand am Griff des Schwertes, stehe jeder kampfbereit! |
Die Greise ziehen das Schwert, auch Aigisthos zieht sein Schwert | ||
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Ai. Cho. |
Ja, wie ihr, die Hand am Schwertgriff, will ich sterben unverzagt. Dass du stirbst, das eben wünsch ich! Treff es ein, wie du gesagt! |
Klytaimnestra tritt auf und wirft sich zwischen die beiden streitenden Parteien | ||
Kl. | Nimmermehr lass uns, o Teurer, neuen Fluches Samen streun! | |
1655 |
Allzu reiche Tränenernte bietet schon das alte Feld. Schon genug geschah des Unheils; nimmer netzt Blut das Schwert! Zieht von hinnen, Greise! Kehret heim in eure Wohnungen, Eh ihr unklug dandelnd büßet. Was wir taten, heischte Zwang. Was bedarf es mehr des Leides? Tragen wir doch schwer genug, |
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1660 |
Ai. |
Da des Schicksals harter Zorn uns jammervoll getroffen hat! Dieses ist des Weibes Meinung, wenn ihr sie beachten wollt. Durften aber sie mit eitler Zunge geifern dergestalt, Ihr Geschick ausfordernd, wagen solchen übermütgen Hohn, Unbesonnen und vernunftlos schmähen ihren Oberherrn - |
1665 |
Cho. Ai. Cho. Ai. Cho. |
Nimmer ziemt es Argos' Söhnen, schmeicheln einem schlechten Mann! Fühlen sollst du meine Rache noch in künftiger Tage Lauf! Nie, wofern ein Gott Orestes' Schritte heim nach Argos lenkt! Wer verbannt ist, der, ich weiß es, nagt an leeren Hoffnungen. Schalte, mäste dich, besudle jedes Recht; noch steht es frei! |
1670 |
Ai.. Cho. Kl. |
Wisse, büßen sollst du diesen Aberwitz mit hartem Lohn! Brüste keck dich, gleich dem Haushahn, welcher bei der Henne steht. Achte weiter nicht des eitlen Wortgebelles! Ich und du, Als Beherrscher dieses Hauses, ordnen alles herrlich an! |
Klytaimnestra und Aigisthos ziehen sich in den Königspalast zurück. Der Chor begibt sich in die Stadt. | ||