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ars amatoria - Lehrbuch der Liebe

I.

liber I
Inh.
 

Übersetzung nach A.Berg

 

 
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Versmaß: Elegisches Distichon
hexametrum im Distichon
pentametrum im Distichon
 
IV.) 267-770: Zweitees Lernziel: Wie gelingt es, die Erwählte zu erbitten!
1.) 267-350: Selbstvertrauen: Habe Zuversicht, dass du jede gewinnen kannst!
(283-340: Mythologische Beispiele für weiliche Begier)
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Quisquis ubique, viri, dociles advertite mentes,
    Pollicitisque favens, vulgus, adeste meis.
Prima tuae menti veniat fiducia, cunctas
    Posse capi; capies, tu modo tende plagas.
Vere prius volucres taceant, aestate cicadae,
    Maenalius lepori det sua terga canis,
Femina quam iuveni blande temptata repugnet:
    Haec quoque, quam poteris credere nolle, volet.
Utque viro furtiva venus, sic grata puellae:
    Vir male dissimulat: tectius illa cupit.
Conveniat maribus, nequam nos ante rogemus,
    Femina iam partes victa rogantis agat.
Mollibus in pratis admugit femina tauro:
    Femina cornipedi semper adhinnit equo.
Parcior in nobis nec tam furiosa libido:
    Legitimum finem flamma virilis habet.
283-284: Byblis
Byblida quid referam, vetito quae fratris amore
    Arsit et est laqueo fortiter ulta nefas?
285-288: Myrrha
Myrrha patrem, sed non qua filia debet, amavit,
    Et nunc obducto cortice pressa latet:
Illius lacrimis, quas arbore fundit odora,
    Unguimur, et dominae nomina gutta tenet.
289-326: Pasiphae
Forte sub umbrosis nemorosae vallibus Idae
    Candidus, armenti gloria, taurus erat,
Signatus tenui media inter cornua nigro:
    Una fuit labes, cetera lactis erant.
Illum Cnosiadesque Cydoneaeque iuvencae
    Optarunt tergo sustinuisse suo.
Pasiphaë fieri gaudebat adultera tauri;
    Invida formosas oderat illa boves.
Nota cano: non hoc, centum quae sustinet urbes,
    Quamvis sit mendax, Creta negare potest. 
Ipsa novas frondes et prata tenerrima tauro
    Fertur inadsueta subsecuisse manu.
It comes armentis, nec ituram cura moratur
    Coniugis, et Minos a bove victus erat.
Quo tibi, Pasiphaë, pretiosas sumere vestes?
    Ille tuus nullas sentit adulter opes.
Quid tibi cum speculo, montana armenta petenti?
    Quid totiens positas fingis, inepta, comas?
Crede tamen speculo, quod te negat esse iuvencam.
    Quam cuperes fronti cornua nata tuae!
Sive placet Minos, nullus quaeratur adulter:
    Sive virum mavis fallere, falle viro!
In nemus et saltus thalamo regina relicto
    Fertur, ut Aonio concita Baccha deo.
A, quotiens vaccam vultu spectavit iniquo,
    Et dixit 'domino cur placet ista meo?
Aspice, ut ante ipsum teneris exultet in herbis:
    Nec dubito, quin se stulta decere putet.'
Dixit, et ingenti iamdudum de grege duci
    Iussit et inmeritam sub iuga curva trahi,
Aut cadere ante aras commentaque sacra coegit,
    Et tenuit laeta paelicis exta manu.
Paelicibus quotiens placavit numina caesis,
    Atque ait, exta tenens 'ite, placete meo!'
Et modo se Europen fieri, modo postulat Io,
    Altera quod bos est, altera vecta bove.
Hanc tamen implevit, vacca deceptus acerna,
    Dux gregis, et partu proditus auctor erat.
327-330: Aerope
Cressa Thyesteo si se abstinuisset amore
    Et quantum est uno posse carere viro?,
Non medium rupisset iter, curruque retorto
    Auroram versis Phoebus adisset equis.
331-332: Skylla
Filia purpureos Niso furata capillos
    Pube premit rabidos inguinibusque canes.
333-334: Klytaimnestra
Qui Martem terra, Neptunum effugit in undis,
    Coniugis Atrides victima dira fuit.
335-336: Medea
Cui non defleta est Ephyraeae flamma Creüsae,
    Et nece natorum sanguinolenta parens?
337: Phtia
Flevit Amyntorides per inania lumina Phoenix:
338: Phaedra
    Hippolytum pavidi diripuistis equi.
339-340: Eidothea
Quid fodis inmeritis, Phineu, sua lumina natis?
    Poena reversura est in caput ista tuum.
Omnia feminea sunt ista libidine mota;
    Acrior est nostra, plusque furoris habet.
Ergo age, ne dubita cunctas sperare puellas;
    Vix erit e multis, quae neget, una, tibi.
Quae dant quaeque negant, gaudent tamen esse rogatae:
    Ut iam fallaris, tuta repulsa tua est.
Sed cur fallaris, cum sit nova grata voluptas
    Et capiant animos plus aliena suis?
Fertilior seges est alienis semper in agris,
    Vicinumque pecus grandius uber habet.
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Jeder, ihr Männer umher, merk' auf mit gelehrigem Sinne,
    Nimm, o Menge, mit Gunst meine Verheißungen auf!
Erstlich hege dein Geist die Zuversicht, dass du alle
    Könnest gewinnen; du wirst's, spanne die Garne nur aus!
Eher schwiegen die Vögel im Lenz, die Zikaden im Sommer,
    Jagte der Has' in die Flucht einen mänalischen Hund,
Als dass sich, zärtlich bestürmt, ein Weib versagte dem Manne.
    Die auch, von welcher du nicht dächt'st, dass sie wolle, sie will.
Und wie dem Mann, so behagt verstohlene Liebe dem Mädchen;
    Schlecht verhehlet der Mann, besser das Weib die Begier.
Kommen wir überein, dass nicht erst eine wir bitten,
    Sondern das Weib, besiegt, spiele die Bittende jetzt!
Auf weichrasigen Au'n brüllt seine Gattin den Stier an;
    Ihrem behufeten Hengst wiehern die Gattinnen zu.
Mäßiger ist bei uns und nicht so wild die Begierde:
    Ein gebührendes Ziel setzt sich die Flamme des Manns.
283-284: Byblis
Ist nicht Byblis bekannt, in verbotener Liebe zum Bruder
    Glühend, die dann mit dem Strick mutig den Frevel gerächt?
285-288: Myrrha
Myrrha liebte, doch nicht, wie der Tochter ziemet, den Vater,
    Und es umgibt und verbirgt jetzt sie die Rinde des Baums.
Mit den Tränen, die sie aus dem duftenden Baume vergießt,
    Salben wir uns, und es heißt noch nach der Herrin der Saft.
289-326: Pasiphae
Unten im schattigen Tal des waldbewachsenen Ida
    War zufällig, des Viehs Zierde, ein blendender Stier.
Zwischen den Hörnern war durch ein Flecklein schwarz er gezeichnet,
    Einer nur war der Fleck, jegliches andre wie Milch.
Dieser erregte den Wunsch der Kydoner und gnossischen Färsen,
    Dass ihr Rücken mit ihm näher sich manche vertraut.
Und der Pasiphae kam mit dem Stier zu buhlen die Lust an:
    Neidisch wurden von ihr staatliche Kühe gehasst.
Wahrheit sing' ich; es kann auch Kreta, welches der Städte
    Hundert enthält, dies nicht leugnen, so sehr es auch lügt.
Selber schnitt für den Stier mit ungewohneter Hand sie,
    Saget man, junges Laub ab und das zarteste Gras.
Sie begleitet das Vieh, und kein Gedank' an den Gatten
    Hält sie zurück, und es war Minos vom Stiere besiegt.
Wozu legest du dir, Pasiphae, köstlich Gewand an?
    Hat dein Buhle doch nicht irgend für Schätze Gefühl!
Was soll dir, die du Herden des Bergs aufsuchest, der Spiegel?
    Wozu schmückest so oft du dein geordnetes Haar?
Glaube dem Spiegel jedoch, der nicht als Färse dich zeiget.
    Wie gern möchtest der Stirn Hörner gewachsen du sehn!
Wenn dir Minos gefällt, darfst keinen Buhlen du suchen;
    Täuschest du lieber den Mann, täusche mit Männern ihn doch!
Eine Königin treibt's aus dem Bett in Wald und Gebirge,
    Wie die Bacchantin, erregt von dem aonischen Gott.
Wie oft sagte sie nicht mit feindlichem Blick auf die Kühe:
    "Woher kommt es, dass die meinem Gebieter gefällt?
Siehe nur, wie sie vor ihm auf den zarten Kräutern umherspringt,
    Und die Törin gewiss glaubet, ihr stehe das wohl."
Sprach's und ließ nun sogleich aus der mächtigen Herde sie führen
    Und in das krumme Joch schleppen, das nicht sie verdient,
Oder sie vor dem Altar vorgeblich fällen als Opfer,
    Und der Rivalin Herz hielt sie erfreut in der Hand.
Wie oft sühnete sie durch den Tod der Rivalin die Götter
    Und sprach höhnisch, ihr Herz haltend: "Gefallet ihm noch!"
Und Europe bald, bald Io wünscht sie zu werden,
    Die, weil ein Rind sie war, jene, getragen vom Rind.
Doch sie belegte, getäuscht durch eine Färse von Ahorn,
    Und ward kund als der Frucht Vater der Führer des Viehs. –
327-330: Aerope
Wenn die Kretenserin sich enthielt der thyestischen Liebe –
    Ach, wie ist es so schwer, einem zu Willen zu sein! –,
Hätt' auf der Mitte des Wegs mit umgewendetem Wagen
    Nicht zu Aurora zurück Phoebus die Rosse gelenkt. –
331-332: Skylla
Sie, die das purpurne Haar geraubt dem Nisus, die Tochter,
    Trägt an dem Weichenteil wütende Hund' und am Schoß. –
333-334: Klytaimnestra
Ihn, der zu Lande dem Mars, dem Neptun entrann auf den Wogen,
    Hat, den Atriden, sein Weib grausig zum Opfer gemacht. –
335-336: Medea
Wer nicht hätt' um den Brand der Ephyräer Kreusa
    Und die vom Kindermord blutige Mutter geweint? –
337: Phtia
Phoenix, Amyntors Sohn, hat aus leeren Augen geweinet. –
338: Phaedra
    Scheue Rosse, geschleift habt den Hippolytos ihr. –
339-340: Eidothea
Phineus, warum raubst du unschuldigen Söhnen die Augen? –
    Auf dein eigenes Haupt fällt es als Strafe zurück.
Nur durch der Weiber Begier ward dieses alles veranlasst.
    Heißer und rasender ist noch, als die unsrige, sie.
Auf denn und nicht steh' an, auf alle Mädchen zu hoffen!
    Wird von den vielen doch kaum eine Versagende sein.
Ob sie gewährt, ob versagt, sie freut's doch, dass du sie batest.
    Täuschetest jetzt du sich auch, ohne Gefahr ist dein Korb.
Aber warum dich täuschen? Man liebt ja neues Vergnügen,
    Und das Fremde berückt mehr, als das Seine, das Herz.
Stets fruchtbarer erscheint die Saat auf fremden Gefilden,
    Und bei dem Nachbar ist größer das Euter des Viehs. –
2.) 351-398: Stelle dich gut mit der Dienerin deiner Angebeteten




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Sed prius ancillam captandae nosse puellae
    Cura sit: accessus molliet illa tuos.
Proxima consiliis dominae sit ut illa, videto,
    Neve parum tacitis conscia fida iocis.
Hanc tu pollicitis, hanc tu corrumpe rogando:
    Quod petis, ex facili, si volet illa, feres.
Illa leget tempus (medici quoque tempora servant)
    Quo facilis dominae mens sit et apta capi.
Mens erit apta capi tum, cum laetissima rerum
    Ut seges in pingui luxuriabit humo.
Pectora dum gaudent nec sunt adstricta dolore,
    Ipsa patent, blanda tum subit arte Venus.
Tum, cum tristis erat, defensa est Ilios armis:
    Militibus gravidum laeta recepit equum.
Tum quoque temptanda est, cum paelice laesa dolebit:
    Tum facies opera, ne sit inulta, tua.
Hanc matutinos pectens ancilla capillos
    Incitet, et velo remigis addat opem,
Et secum tenui suspirans murmure dicat
    'At, puto, non poteras ipsa referre vicem.'
Tum de te narret, tum persuadentia verba
    Addat, et insano iuret amore mori.
Sed propera, ne vela cadant auraeque residant:
    Ut fragilis glacies, interit ira mora.
Quaeris, an hanc ipsam prosit violare ministram?
    Talibus admissis alea grandis inest.
Haec a concubitu fit sedula, tardior illa,
    Haec dominae munus te parat, illa sibi.
Casus in eventu est: licet hic indulgeat ausis,
    Consilium tamen est abstinuisse meum.
Non ego per praeceps et acuta cacumina vadam,
    Nec iuvenum quisquam me duce captus erit.
Si tamen illa tibi, dum dat recipitque tabellas,
    Corpore, non tantum sedulitate placet,
Fac domina potiare prius, comes illa sequatur:
    Non tibi ab ancilla est incipienda venus.
Hoc unum moneo, siquid modo creditur arti,
    Nec mea dicta rapax per mare ventus agit:
Aut non temptaris aut perfice! tollitur index,
    Cum semel in partem criminis ipsa venit.
Non avis utiliter viscatis effugit alis;
    Non bene de laxis cassibus exit aper.
Saucius arrepto piscis teneatur ab hamo:
    Perprime temptatam, nec nisi victor abi.
[Tunc neque te prodet communi noxia culpa,
    Factaque erunt dominae dictaque nota tibi.]
Sed bene celetur: bene si celabitur index,
    Notitiae suberit semper amica tuae.




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Mühe dich aber vorher, die Magd des zu fangenden Mädchens
    Kennen zu lernen; sie wird leichter dir machen den Weg.
Siehe, dass diese zunächst im Rate stehe der Herrin
    Und beim heimlichen Spiel treu als Vertraute dir sei!
Diese verführe du nun durch Versprechungen, diese durch Bitten;
    Was du erstrebest, erreichst leicht du, wenn diese das will.
Sie ersiehet die Zeit, – auch die Ärzte nehmen die Zeit wahr –
    Wann der Gebieterin Herz willig berücken sich lässt.
Leicht zu berücken ist dann ihr Herz, wenn, das frohste der Wesen,
    Ãœppig sie sich wie die Saat zeigt auf fettem Gefild.
Während das Herz sich freuet und nicht von Schmerzen beengt ist,
    Ã–ffnet's sich selbst; dann naht Venus mit schmeichelnder Kunst.
Ilion ward, als traurig es war, mit den Waffen verteidigt;
    Fröhlich, nahm es das Ross auf, das die Krieger verbarg.
Dann versuche sie auch, wenn ein Nebenweib sie verletzt hat;
    Dein Werk lass es sodann sein, dass sie werde gerächt.
Reize die Magd sie auf, wenn die Haare morgens sie kämmet,
    Und mit des Ruderers Kraft helfe den Segeln sie nach;
Seufzend sage sie dann für sich mit leisem Gemurmel:
    "Wiedervergelten könnt'st, glaub' ich, du nicht es genug."
Dann erwähne sie dein, mit überredenden Worten
    Schwöre sie dann, du stürbst, rasend vor Liebe zu ihr,
Eile jedoch; dass das Segel nicht sinkt und die Winde sich legen.
    Wie zerbrechliches Eis schwindet der Zorn durch Verzug.
Möchtest du wissen, ob's frommt, die Dienerin selbst zu verführen?
    Ein gefährliches Spiel lieget in solchem Versuch.
Durch die Umarmungen wird die eifrig, lässiger jene,
    Diese will dich für sich, die für die Herrin zum Dienst.
Zufall liegt im Erfolg, der kann das Wagnis gestatten;
    Mein Rat ist es jedoch, dass du dich dessen enthältst.
Nicht will Abgründ' ich und spitze Gipfel durchschreiten,
    Keinen der Jünglinge soll's trügen, dass ich ihn geführt.
Aber wofern die Magd, wenn Briefe sie bringet und abholt,
    Dir durch den Körper und nicht nur durch den Eifer gefällt,
Musst du der Herrin zuvor dich bemächtigen; folge sie dieser!
    Nicht mit der Dienerin hast du zu beginnen das Werk!
Das nur rat' ich dabei, wenn der Kunst nur etwas geglaubt wird
    Und mein Wort nicht ins Meer treibet der reißende Wind,
Dass entweder du nie den Versuch machst oder ihn ausführst;
    Wenn Sie auch einmal nur sündigte, schweigt der Verrat.
Nicht ist's gut, wenn der Vogel entflieht mit beleimeten Flügeln,
    Schlimm, wenn der Eber entkommt aus dem geöffneten Netz;
Halte die Angel, erschnappt einmal, den verwundeten Fisch fest;
    Lass die berührete nicht, geh nur als Sieger davon!
[Dann verrät sie dich nicht, die schuldig gleichen Vergeh'ns ist;
    Und du erfährst, was getan und was die Herrin gesagt.]
Aber verbirgt dies wohl, wenn du wohl verbirgst den Verräter,
    Wirst du in Kenntnis stets über die Freundin gesetzt. –

3.) 399-436: Wahl des richtigen Zeitpunktes


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Tempora qui solis operosa colentibus arva,
    Fallitur, et nautis aspicienda putat;
Nec semper credenda ceres fallacibus arvis,
    Nec semper viridi concava puppis aquae,
Nec teneras semper tutum captare puellas:
    Saepe dato melius tempore fiet idem.
Sive dies suberit natalis, sive Kalendae,
    Quas Venerem Marti continuasse iuvat,
Sive erit ornatus non ut fuit ante sigillis,
    Sed regum positas Circus habebit opes,
Differ opus: tunc tristis hiems, tunc Pliades instant,
    Tunc tener aequorea mergitur Haedus aqua;
Tunc bene desinitur: tunc siquis creditur alto,
    Vix tenuit lacerae naufraga membra ratis.
Tu licet incipias qua flebilis Allia luce
    Vulneribus Latiis sanguinolenta fluit,
Quaque die redeunt, rebus minus apta gerendis,
    Culta Palaestino septima festa Syro.
Magna superstitio tibi sit natalis amicae:
    Quaque aliquid dandum est, illa sit atra dies.
Cum bene vitaris, tamen auferet; invenit artem
    Femina, qua cupidi carpat amantis opes.
Institor ad dominam veniet discinctus emacem,
    Expediet merces teque sedente suas:
Quas illa, inspicias, sapere ut videare, rogabit:
    Oscula deinde dabit; deinde rogabit, emas.
Hoc fore contentam multos iurabit in annos,
    Nunc opus esse sibi, nunc bene dicet emi.
Si non esse domi, quos des, causabere nummos,
    Littera poscetur — ne didicisse iuvet.
Quid, quasi natali cum poscit munera libo,
    Et, quotiens opus est, nascitur illa, sibi?
Quid, cum mendaci damno maestissima plorat,
    Elapsusque cava fingitur aure lapis?
Multa rogant utenda dari, data reddere nolunt:
    Perdis, et in damno gratia nulla tuo.
Non mihi, sacrilegas meretricum ut persequar artes,
    Cum totidem linguis sint satis ora decem.

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Wer da vermeint, dass allein die das müheheischende Feld bau'n
    Müssten beachten die Zeit, oder die Schiffer, der irrt.
Weder ist immer das Korn zu vertrau'n den trüglichen Feldern,
    Noch das brauchige Schiff immer der grünlichen Flut,
Noch ist sicher es stets, auf zärtliche Mädchen zu fahnden;
    Oft wird, lässt man sich Zeit, besser dasselbe gescheh'n.
Wenn entweder sich naht der Geburtstag oder der Festtag
    Jener Kalenden, die gern Venus verbindet mit Mars,
Oder der Zirkus nicht, wie zuvor, mit Bildchen geschmückt ist,
    Sondern Schätze, die ihm Könige spendeten, hat,
Friste das Werk; dann drohe die Sturmzeit, dann die Plejaden,
    Dann in die Fluten der See tauchet das Böckchen hinab.
Dann lässt klüglich man ab; vertraut dann einer dem Meere,
    Hält des verstümmelten Schiffs brechende Glieder er kaum.
Wählen magst zum Beginn du den Tag, der von latischen Wunden
    Einst, des Beweinens wert, blutig die Allia sah,
Den auch, der wiederbringt das dem palästinischen Syrer
    Heilige Sabbatfest, nicht zu Geschäften geschickt.
Sei besonders in Furcht vor deiner Freundin Geburtstag,
    Und sei schwarz dir der Tag, der zu Geschenken dich zwingt.
Wenn du auch wohl sie vermied'st, sie erpresst sie doch; zu ersinnen
    Wissen die Weiber die Kunst, wie man den Liebenden rupft.
Schlumpig kommt ein Hausierer zur kaufbegierigen Herrin
    Und holt, während du dort sitzest, die Waren hervor;
Du musst, die sie begehrt, dir beschau'n, damit du Geschmack zeigst;
    Küsse gibt sie dir dann, bittet dich dann, dass du kaufst.
Damit, schwöret sie dir, sei jahrelang sie zufrieden,
    Jetzt just brauche sie's, jetzt, saget sie, kaufe man gut.
Schützest du vor, Du hab'st kein Geld, so wird sie die Handschrift
    Fordern, damit du bereu'n magst, dass du schreiben gelernt.
Wie, wenn durch Kuchen, als wär' ihr Geburtstag, sie ein Geschenk heischt
    Und sie geboren so oft wird, als es nötig ihr scheint?
Wie, wenn sie tief betrübt erlogenen Schaden beweinet
    Und erdichtet, ein Stein sei aus dem Ohr ihr entschlüpft?
Vieles erbitten sie sich zum Gebrauch, um es dann zu behalten;
    Du verlierst es, und nicht hast vom Verluste du Dank.
Wollt' ich die schmähliche List der Buhlerinnen verfolgen,
    Wären der Zungen mir zehn nicht und der Munde genug. –
4.) 437-458: Schmeichelbriefe, Bitten und Versprechungen
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Cera vadum temptet, rasis infusa tabellis:
    Cera tuae primum conscia mentis eat.
Blanditias ferat illa tuas imitataque amantem
    Verba; nec exiguas, quisquis es, adde preces.
Hectora donavit Priamo prece motus Achilles;
    Flectitur iratus voce rogante deus.
Promittas facito: quid enim promittere laedit?
    Pollicitis dives quilibet esse potest.
Spes tenet in tempus, semel est si credita, longum:
    Illa quidem fallax, sed tamen apta dea est.
Si dederis aliquid, poteris ratione relinqui:
    Praeteritum tulerit, perdideritque nihil.
At quod non dederis, semper videare daturus:
    Sic dominum sterilis saepe fefellit ager:
Sic, ne perdiderit, non cessat perdere lusor,
    Et revocat cupidas alea saepe manus.
Hoc opus, hic labor est, primo sine munere iungi;
    Ne dederit gratis quae dedit, usque dabit.
Ergo eat et blandis peraretur littera verbis,
    Exploretque animos, primaque temptet iter.
Littera Cydippen pomo perlata fefellit,
    Insciaque est verbis capta puella suis.
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Prüfe den Boden durch Wachs, auf glatte Tafeln gegossen;
    Melde zuerst durch Wachs deine Gefühle du an!
Trag' es die Schmeichelei'n und geheuchelten Worte der Liebe;
    Und sei, wer du auch bist, nicht mit den Bitten zu karg.
Priamus' Bitte bewog den Achill, ihm Hektor zu schenken.
    Zornige Götter erweicht wieder der flehende Mund.
Mach' ihr Versprechungen; denn was kann das Versprechen dir schaden?
    An Versprechungen reich kann ja ein jeglicher sein.
Hoffnung, wenn man einmal drauf baut, hält längere Zeit aus;
    Eine Göttin, die trügt, ist sie, die aber doch nützt.
Hast du etwas geschenkt, so kann sie mit Grund dich verlassen;
    Etwas Vergangenes bringt nichts und verlieret auch nichts.
Aber was nicht Du geschenkt, schein' immer schenken zu wollen.
    So hat mageres Feld oft den Besitzer getäuscht.
So verlieret, um nicht zu verlieren, ferner der Spieler,
    So ruft häufig das Spiel gierige Hände zurück.
Dahin trachte, zuerst sie ohne Geschenk zu umarmen,
    Dass nicht umsonst sie gewährt habe, gewähret sie stets.
Gehe darum ein Brief, mit schmeichelnden Worten geschrieben,
    Und erforsche das Herz, prüfe die Straße zuerst!
Eine Schrift, durch den Apfel gebracht, betrog die Kydippe,
    Und sie ward durch ihr Wort, ohn' es zu wissen, berückt.
5.) 459-486: Dezente Beredsamkeit und Durchhaltevermögen

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Disce bonas artes, moneo, Romana iuventus,
    Non tantum trepidos ut tueare reos;
Quam populus iudexque gravis lectusque senatus,
    Tam dabit eloquio victa puella manus.
Sed lateant vires, nec sis in fronte disertus;
    Effugiant voces verba molesta tuae.
Quis, nisi mentis inops, tenerae declamat amicae?
    Saepe valens odii littera causa fuit.
Sit tibi credibilis sermo consuetaque verba,
    Blanda tamen, praesens ut videare loqui.
Si non accipiet scriptum, inlectumque remittet,
    Lecturam spera, propositumque tene.
Tempore difficiles veniunt ad aratra iuvenci,
    Tempore lenta pati frena docentur equi:
Ferreus adsiduo consumitur anulus usu,
    Interit adsidua vomer aduncus humo.
Quid magis est saxo durum, quid mollius unda?
    Dura tamen molli saxa cavantur aqua.
Penelopen ipsam, persta modo, tempore vinces:
    Capta vides sero Pergama, capta tamen.
Legerit, et nolit rescribere? cogere noli:
    Tu modo blanditias fac legat usque tuas.
Quae voluit legisse, volet rescribere lectis:
    Per numeros venient ista gradusque suos.
Forsitan et primo veniet tibi littera tristis,
    Quaeque roget, ne se sollicitare velis.
Quod rogat illa, timet; quod non rogat, optat, ut instes;
    Insequere, et voti postmodo compos eris.

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Wissenschaften erlern', ich rat' es dir, römische Jugend,
    Nicht nur, damit du Schutz bangen Beschuldigten leih'st!
Wie der erwählte Senat und das Volk und der Richter, der ernste,
    Reicht, der Beredsamkeit weichend, die Hand ihr das Weib.
Aber verbirg die Macht und zeige dich nicht als Beredten!
    Fliehen möge dein Mund jegliches schwülstige Wort!
Wer, als ein schwacher an Geist, hält zärtlichen Freundinnen Reden?
    Oft hat Ekel ein hochtrabendes Schreiben erregt.
Führe glaubliche Red' im Mund und gewohnete Worte,
    Zärtlich jedoch, so dass selber zu sprechen du scheinst.
Wenn sie den Brief nicht nimmt und ihn ungelesen zurückgeschickt,
    Hoffe, dass lesen Sie ihn wird, und beharre beim Ziel!
Kommt mit der Zeit in den Pflug doch der widerspenstige Jungstier,
    Lernt mit der Zeit doch das Ross dulden den schmeidigen Zaum;
Reibt doch der eiserne Ring sich ab vom steten Gebrauche,
    Gehet die Pflugschar doch, stets in der Erde, zu Grund.
Was kann härter als Stein, was weicher sein als die Woge?
    Weiches Wasser jedoch höhlet das harte Gestein.
Ãœber Penelope selbst, harr' aus nur, siegst mit der Zeit du.
    Spät sah fallen man zwar Pergamon, fallen jedoch.
Las sie und will sie dir nicht antworten, zwinge sie nimmer;
    Lasse beständig sie nur lesen dein schmeichelndes Wort!
Eine, die lesen gewollt, wird wiederschreiben auch wollen;
    Kommen wird stufenweis' und nach der Reihe das einst.
Kommen wird auch vielleicht zuerst ein trauriges Schreiben,
    Welches dich bittet, dass nicht Du sie belästigen mög'st.
Sie wünscht nicht, was sie hat; was sie nicht hat, wünscht sie, du drängest;
    Lass nicht nach, und es wird später dein Wunsch dir gewährt. –
6.) 487-504: Suche möglichst oft ihre Nähe
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Interea, sive illa toro resupina feretur,
    Lecticam dominae dissimulanter adi,
Neve aliquis verbis odiosas offerat auris,
    Qua potes ambiguis callidus abde notis.
Seu pedibus vacuis illi spatiosa teretur
    Porticus, hic socias tu quoque iunge moras:
Et modo praecedas facito, modo terga sequaris,
    Et modo festines, et modo lentus eas:
Nec tibi de mediis aliquot transire columnas
    Sit pudor, aut lateri continuasse latus;
Nec sine te curvo sedeat speciosa theatro:
    Quod spectes, umeris adferet illa suis.
Illam respicias, illam mirere licebit:
    Multa supercilio, multa loquare notis.
Et plaudas, aliquam mimo saltante puellam:
    Et faveas illi, quisquis agatur amans.
Cum surgit, surges; donec sedet illa, sedebis;
    Arbitrio dominae tempora perde tuae.
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Lässt sie während der Zeit, auf dem Polster liegend, sich tragen,
    Mach' an der Herrin Sänft' unter der Hand dich heran;
Und dass mit lästigem Ohr nicht jemand lausche den Worten,
    Birg durch Zeichen, die nicht merken man kann, sie geschickt!
Oder wofern sie allein im geräumigen Portikus wandelt,
    Dann vereinige dort du auch dein Weilen mit ihr;
Und bald schreite vor ihr voraus, bald folg' ihr im Rücken,
    Langsam gehe du bald, bald auch beeile den Schritt;
Mitten heraus auch vorbei vor einigen Säulen zu gehen,
    Scheue dich nicht, noch mit ihr Seite zur Seite zu geh'n! –
Sitze sie ohne dich auch nicht in dem runden Theater,
    Dass du schauest, sie wird's schieben auf Ihre Person.
Blicken wirst du auf sie, sie wirst bewundern du können;
    Vieles sprich durch die Brau'n, vieles durch Zeichen zu ihr!
Und wenn ein Mädchen spielt ein tanzender Mime, so klatsche;
    Spend' auch jedem die Gunst, welcher den Liebenden macht!
Sitze, solange sie sitzt: wenn sie aufsteht, stehe du auch auf!
    Wie es die Herrin für gut findet, verschwende die Zeit! –
7.) 505-524: Tadelloses aber kein geckenhaftes Outfit
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Sed tibi nec ferro placeat torquere capillos,
    Nec tua mordaci pumice crura teras.
Ista iube faciant, quorum Cybeleïa mater
    Concinitur Phrygiis exululata modis.
Forma viros neglecta decet; Minoida Theseus
    Abstulit, a nulla tempora comptus acu.
Hippolytum Phaedra, nec erat bene cultus, amavit;
    Cura deae silvis aptus Adonis erat.
Munditie placeant, fuscentur corpora Campo:
    Sit bene conveniens et sine labe toga:
Lingula ne rigeat, careant rubigine dentes,
    Nec vagus in laxa pes tibi pelle natet:
Nec male deformet rigidos tonsura capillos:
    Sit coma, sit trita barba resecta manu.
Et nihil emineant, et sint sine sordibus ungues:
    Inque cava nullus stet tibi nare pilus.
Nec male odorati sit tristis anhelitus oris:
    Nec laedat naris virque paterque gregis.
Cetera lascivae faciant, concede, puellae,
    Et siquis male vir quaerit habere virum.
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Aber gefall' es dir nicht, dein Haar mit dem Eisen zu kräuseln,
    Noch mit des Bimssteins Zahn glatt dir zu reiben das Bein.
Lasse jene das tun, die der kybeleischen Mutter
    Heulend ihren Gesang weihen in phrygischer Art.
Männern geziemt nachlässige Form. Die Minois gewann sich
    Perseus, welchem das Haupt nimmer ein Eisen gekräust.
Nicht wahr schön Hippolyt geschmückt und entflammt die Phädra,
    Trotz des Jägergewands ward ein Adonis geliebt.
Fess'le durch Sauberkeit dein Körper, bräun' ihn das Marsfeld;
    Flecklos sei er und wohl passend die Toga gelegt.
Halte die Zähne dir frei von Rost, nicht starre die Zunge,
    Und nicht schwimme dein Fuß locker im Leder herum;
Lass auch durch schlechten Schnitt nicht störrisches Haar dir entstellen;
    Bart und Haar verschneid' eine gegübete Hand.
Ragen auch nicht hervor und von Schmutz frei seien die Nägel;
    Und nicht stehe das Haar dir aus den Nüstern heraus.
Sei nicht lästig der Hauch unlieblich duftenden Mundes,
    Noch von der Herde Mann werde die Nase verletzt.
Mögen das übrige tun, - lass ihnen es! - lockere Mädchen
    Oder die Männer, die sich schmählich um Männer bemühen. -
8.) 525-630: Bacchus fördert die Liebe (Intermezzo: Bacchus und Ariadne, 527-564)
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Ecce, suum vatem Liber vocat; hic quoque amantes
    Adiuvat, et flammae, qua calet ipse, favet.
Cnosis in ignotis amens errabat harenis,
    Qua brevis aequoreis Dia feritur aquis.
Utque erat e somno tunica velata recincta,
    Nuda pedem, croceas inreligata comas,
Thesea crudelem surdas clamabat ad undas,
    Indigno teneras imbre rigante genas.
Clamabat, flebatque simul, sed utrumque decebat;
    Non facta est lacrimis turpior illa suis.
Iamque iterum tundens mollissima pectora palmis
    'Perfidus ille abiit; quid mihi fiet?' ait.
'Quid mihi fiet?' ait: sonuerunt cymbala toto
    Litore, et adtonita tympana pulsa manu.
Excidit illa metu, rupitque novissima verba;
    Nullus in exanimi corpore sanguis erat.
Ecce Mimallonides sparsis in terga capillis:
    Ecce leves satyri, praevia turba dei:
Ebrius, ecce, senex pando Silenus asello
    Vix sedet, et pressas continet ante iubas.
Dum sequitur Bacchas, Bacchae fugiuntque petuntque
    Quadrupedem ferula dum malus urget eques,
In caput aurito cecidit delapsus asello:
    Clamarunt satyri 'surge age, surge, pater.'
Iam deus in curru, quem summum texerat uvis,
    Tigribus adiunctis aurea lora dabat:
Et color et Theseus et vox abiere puellae:
    Terque fugam petiit, terque retenta metu est.
Horruit, ut graciles, agitat quas ventus, aristae,
    Ut levis in madida canna palude tremit.
Cui deus 'en, adsum tibi cura fidelior' inquit:
    'Pone metum: Bacchi, Cnosias, uxor eris.
Munus habe caelum; caelo spectabere sidus;
    Saepe reges dubiam Cressa Corona ratem.'
Dixit, et e curru, ne tigres illa timeret,
    Desilit; inposito cessit harena pede:
Implicitamque sinu (neque enim pugnare valebat)
    Abstulit; in facili est omnia posse deo.
Pars 'Hymenaee' canunt, pars clamant 'Euhion, euhoe!'
    Sic coeunt sacro nupta deusque toro.

Ergo ubi contigerint positi tibi munera Bacchi,
    Atque erit in socii femina parte tori,
Nycteliumque patrem nocturnaque sacra precare,
    Ne iubeant capiti vina nocere tuo.
Hic tibi multa licet sermone latentia tecto
    Dicere, quae dici sentiat illa sibi:
Blanditiasque leves tenui perscribere vino,
    Ut dominam in mensa se legat illa tuam:
Atque oculos oculis spectare fatentibus ignem:
    Saepe tacens vocem verbaque vultus habet.
Fac primus rapias illius tacta labellis
    Pocula, quaque bibet parte puella, bibas:
Et quemcumque cibum digitis libaverit illa,
    Tu pete, dumque petis, sit tibi tacta manus.
Sint etiam tua vota, viro placuisse puellae:
    Utilior vobis factus amicus erit.
Huic, si sorte bibes, sortem concede priorem:
    Huic detur capiti missa corona tuo.
Sive erit inferior, seu par, prior omnia sumat:
    Nec dubites illi verba secunda loqui.
Tuta frequensque via est, per amici fallere nomen:
    Tuta frequensque licet sit via, crimen habet.
Inde procurator nimium quoque multa procurat,
    Et sibi mandatis plura videnda putat.

Certa tibi a nobis dabitur mensura bibendi:
    Officium praestent mensque pedesque suum.
Iurgia praecipue vino stimulata caveto,
    Et nimium faciles ad fera bella manus.
Occidit Eurytion stulte data vina bibendo;
    Aptior est dulci mensa merumque ioco.

Si vox est, canta: si mollia brachia, salta:
    Et quacumque potes dote placere, place.
Ebrietas ut vera nocet, sic ficta iuvabit:
    Fac titubet blaeso subdola lingua sono,
Ut, quicquid facias dicasve protervius aequo,
    Credatur nimium causa fuisse merum.
Et bene dic dominae, bene, cum quo dormiat illa;
    Sed, male sit, tacita mente precare, viro.

At cum discedet mensa conviva remota,
    Ipsa tibi accessus turba locumque dabit.
Insere te turbae, leviterque admotus eunti
    Velle latus digitis, et pede tange pedem.
Conloquii iam tempus adest; fuge rustice longe
    Hinc pudor; audentem Forsque Venusque iuvat.
Non tua sub nostras veniat facundia leges:
    Fac tantum cupias, sponte disertus eris.
Est tibi agendus amans, imitandaque vulnera verbis;
    Haec tibi quaeratur qualibet arte fides.
Nec credi labor est: sibi quaeque videtur amanda;
    Pessima sit, nulli non sua forma placet.
Saepe tamen vere coepit simulator amare,
    Saepe, quod incipiens finxerat esse, fuit.
Quo magis, o, faciles imitantibus este, puellae:
    Fiet amor verus, qui modo falsus erat.
Blanditiis animum furtim deprendere nunc sit,
    Ut pendens liquida ripa subestur aqua.
Nec faciem, nec te pigeat laudare capillos
    Et teretes digitos exiguumque pedem:
Delectant etiam castas praeconia formae;
    Virginibus curae grataque forma sua est.
Nam cur in Phrygiis Iunonem et Pallada silvis
    Nunc quoque iudicium non tenuisse pudet?
Laudatas ostendit avis Iunonia pinnas:
    Si tacitus spectes, illa recondit opes.
Quadrupedes inter rapidi certamina cursus
    Depexaeque iubae plausaque colla iuvant.
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Siehe, Lyäos ruft jetzt seinen Sänger; auch er steht
    Liebenden bei und beschützt Flammen, die ihn auch durchglüh'n.
Sinneberaubt durchirrt die Gnosserin fremde Gestade
    Dort, wo die wogende See Dia, das kleine, bespült.
Und wie vom Schlafe sie war, im entgürteten Untergewande,
    Nackenden Fußes, gelöst flatternd das goldene Haar,
Schrie sie zur tauben Flut nach dem unbarmherzigen Theseus,
    Während es unverdient troff auf ihr zartes Gesicht.
Und sie schrie und weinte zugleich; doch es zierte sie beides:
    Nicht wahr weniger schön sie durch die Tränen zu schau'n.
Und sich die zarte Brust mit der Hand fortwährend zerschlagend,
    Sagte sie: "Treulos ging jener; wie wird's mir ergehn?"
Sprach: "Wie wird's mir ergehn?" und vom ganzen Ufer ertönten
    Cymbeln, und Paukenschall klang von begeisterter Hand.
Nieder sank sie vor Furcht, mit den letzten Worten verstummend,
    Und kein Tropfen des Bluts war im entseeleten Leib.
Siehe, Mänaden, das Haar im Rücken fliegend, erscheinen;
    Flüchtige Satyrn, sieh, gehen dem Gotte voraus;
Siehe, der trunkene Greis Silen auf sich krümmendem Esel
    Kann kaum sitzen und hält vorn an der Mähne sich fest.
Während den Weibern er folgt, die Weiber ihn fliehe'n und haschen,
    und mit der Gerte das Tier übel der Reiter bedrängt,
Fiel er nieder aufs Haupt von dem lang geöhreten Esel;
    "Vater, erhebe dich, auf!" riefen die Satyrn ihm zu.
Und in dem Wagen jetzt, der mit Trauben oben umkränzt war,
    Ließ den Tigern der Gott schießen den goldenen Zaum.
Und die Farbe verging und die Stimm' und Theseus dem Mädchen;
    Dreimal wollte sie fliehn, immer verwehrt's ihr die Furcht.
Sie erbebte, wie Wind die tauben Ähren durchschüttelt,
    Wie in dem feuchten Sumpf zittert das schwankende Rohr.
Zu ihr sagte der Gott: "Ich komm' als treuere Liebe,
    Lasse die Furcht; du wirst, Gnosserin, Bacchus' Gemahl.
Nimm den Himmel geschenkt; am Himmel leucht' als ein Sternbild;
    Lenk' als 'Kretische Kron' oft ein gefährdetes Schiff!"
Sprach's und sprang, dass sie nicht die Tiger fürcht', aus dem Wagen;
    Und wohin er den Fuß setzete, wich ihm der Sand;
Und in den Busen gehüllt - um zu kämpfen fehlte die Kraft ihr -
    Trug er sie fort; leicht ist's, alles zu können, dem Gott.
Ein Teil singt: "Hymenäus!", ein Teil ruft Euhios: "Euhö!"
    So in das heilige Bett steigen die Braut und der Gott. -

Werden dir also bei Tisch des Bacchus Gaben gespendet
    Und nimmt dort ein Weib teil an dem nämlichen Bett,
Flehe den nächtlichen Gott und die heiligen Feste der Nacht an,
    Dass nicht deinem Haupt schaden sie lassen den Wein!
Hier darfst Heimliches Du mit verdeckten Worten ihr sagen,
    Welches sie merken lässt, dass du es sagest für sie,
Flüchtige Schmeichelei'n mit Wein aufschreiben behende,
    Dass sie da les', es sei deine Gebieterin sie,
Und in die Augen ihr schau' n mit die Glut bekennenden Augen;
    Stimm' und Worte besitzt häufig ein stummes Gesicht.
Schnell ergreife zuerst die von ihren Lippen berührten
    Becher und trinke da, wo sie getrunken zuvor;
Und um die Speise, wovon ihr Finger hatte genommen,
    Bitt' auch du, und berührt werd' ihr beim Bitten die Hand!
Habe den Wunsch auch, dem Mann der jungen Frau zu gefallen;
    Nützlicher ist's, dass er euch werde zum Freunde gemacht.
Diesem gewähre das Los vor dir, wenn du trinkst nach dem Lose,
    Diesem reiche den Kranz, den du vom Haupte dir nahmst.
Alles nehm' er zuerst, ob er gleich dir sei, ob geringer;
    Scheu' auch, ihm nach dem Mund immer zu reden, dich nicht.
Sicher und bräuchlich ist's, durch des Freundes Namen zu täuschen.
    Sicher und bräuchlich auch sei's, Tadel verdienet es doch.
Darin wird auch zu viel von Geschäftsverwaltern verwaltet;
    Sorgen zu müssen für mehr glauben sie, als man sie hieß. –

Doch ein bestimmtes Maß im Trinken will ich dir raten;
    Bleiben fähig zum Dienst Füße sowohl, als Verstand.
Nimm dich besonders in Acht vor Streit erreget vom Weine
    Und dass zu wildem Kampf werde die Hand zu bereit!
Fiel doch Eurytion einst, weil unbesonnen er Wein trank;
    Besser für süßen Scherz passet der Tisch und der Wein. –

Singe, wenn Stimme Du hast; wenn gelenkige Arme, so tanze;
    Und gefalle, mit was immer für Gaben du kannst. –
Wirkliche Trunkenheit ist schädlich, nützlich verstellte;
    Lasse die Zunge schlau stocken mit stammelndem Laut,
Dass man von dem, was du tun und sagen mögest zu Keckes,
    Glaube, der Grund sei nur lauteren Weines zu viel.
Und "Wohl", sage der Frau, "Wohl ihm, mit welchem sie ruhet!"
    Aber "Wehe dem Mann!" wünsch' ihm im Inneren still. –

Doch wenn entfernt der Tisch und die Gäste gehn auseinander,
    Wird dir zum Zutritt Raum selber gewähren die Schar.
Mische dich unter die Schar und, der Gehenden leise dich nahend,
    Zupf mit dem Finger den Leib, streife den Fuß mit dem Fuß!
Jetzt ist's Zeit zum Gespräch; entflieh' einfältige Scheu jetzt
    Weit von dannen; es hilft Wagenden Venus und Glück.
Deine Beredtheit ist nicht meiner Lehren bedürftig;
    Machst du den Anfang nur, wirst du von selber beredt.
Spiele den Liebenden jetzt und heuchele Wunden mit Worten;
    Diesen Glauben erwirb schlau dir durch jegliche Kunst!
Und leicht glaubt sie; es hält für liebenswürdig sich jede;
    Wäre die hässlichste sie, jegliche dünket sich schön.
Häufig aber beginnt ein Heuchelnder wirklich zu lieben;
    häufig ward, was zu sein er sich gestellt, er nachher.
Und umso mehr, ihr Frau'n, seid Liebe Heuchelnden willig!
    Wirkliche Liebe wird werden, die eben noch falsch.
Dringe nun unvermerkt durch Schmeichelei'n in ihr Herz ein,
    Gleichwie der fließende Bach unter das Wasser sich wühlt.
Und es ermüde dich nicht, das Gesicht und die Haare zu loben
    Oder der Finger Form oder den winzigen Fuß.
Ihre Gestalt gelobt zu hören, freut auch die Keuschen,
    Jungfrau'n lieben und wohl pflegen Sie Ihre Gestalt.
Warum schämen sich denn auch jetzt noch Juno und Pallas,
    Dass sie vom Spruch sich getäuscht sahen im phrygischen Wald?
Wenn man sie lobet, so zeigt der junonische Vogel die Federn;
    Wenn du schweigend auf ihn blickst, verbirgt er die Pracht.
Unter des reißenden Laufs Wettkämpfen freut es die Rosse,
    Wenn man die Mähnen herab kämmet und klopft auf den Hals.
9.) 631-658: Geize nicht mit Versprechungen und Schwüren
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Nec timide promitte: trahunt promissa puellas;
    Pollicito testes quoslibet adde deos.
Iuppiter ex alto periuria ridet amantum,
    Et iubet Aeolios inrita ferre notos.
Per Styga Iunoni falsum iurare solebat
    Iuppiter; exemplo nunc favet ipse suo.
Expedit esse deos, et, ut expedit, esse putemus;
    Dentur in antiquos tura merumque focos;
Nec secura quies illos similisque sopori
    Detinet; innocue vivite: numen adest;
Reddite depositum; pietas sua foedera servet:
    Fraus absit; vacuas caedis habete manus.
Ludite, si sapitis, solas impune puellas:
    Hac minus est una fraude tuenda fides.
Fallite fallentes: ex magna parte profanum
    Sunt genus: in laqueos quos posuere, cadant.
Dicitur Aegyptos caruisse iuvantibus arva
    Imbribus, atque annos sicca fuisse novem,
Cum Thrasius Busirin adit, monstratque piari
    Hospitis adfuso sanguine posse Iovem.
Illi Busiris 'fies Iovis hostia primus,'
    Inquit 'et Aegypto tu dabis hospes aquam.'
Et Phalaris tauro violenti membra Perilli
    Torruit: infelix inbuit auctor opus.
Iustus uterque fuit: neque enim lex aequior ulla est,
    Quam necis artifices arte perire sua.
Ergo ut periuras merito periuria fallant,
    Exemplo doleat femina laesa suo.
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Und nicht ängstlich versprich; Versprechungen locken die Mädchen;
    Ruf' als Zeugen dazu jeden beliebigen Gott!
Jupiter lacht von der Höhe herab ob der Liebenden Meineid,
    Und dem äolischen Süd gibt er den nichtigen preis.
Jupiter pflegte falsch beim Styx der Juno zu schwören.
    Anderen siehet er jetzt nach, was er selber getan.
Nützlich ist's, dass Götter es gibt; drum lasst sie uns glauben.
    Weihrauch werde und Wein alten Altären gebracht.
Und nicht hält sie zurück sorglose Ruhe, dem Schlaf gleich;
    Lebet von Schuld frei, nah ist euch die göttliche Macht.
Gebt auch vertrautes Gut zurück; treu haltet Verträge;
    Fern sei auch der Betrug, rein auch die Hände von Mord!
Straflos treibet ein Spiel, wenn ihr klug seit, nur mit den Mädchen!
    Minderer Treue bedarfs einzig bei diesem Betrug.
Täuscht die Täuschenden selbst; sie sind ein arges Geschlecht meist;
    Lasst in die Schlingen sie selbst fallen, die euch sie gelegt!
Als in Ägypten das Feld des befruchtenden Regens entbehrte
    Und neun Jahre hindurch trocken gewesen es war,
Heißt's, ging Thrasius hin zum Busiris, welchem er kund tat,
    Eines Fremdlings Blut söhne den Jupiter aus.
"Opfere dich man zuerst dem Jupiter," sagte Busiris,
    "Gib als ein Fremdling du Wasser ägyptischem Land."
Und in dem grausigen Stier ließ Phalaris rösten Perills Leib;
    Sein unseliges Werk hat der Erfinder erfüllt.
Beide waren gerecht; nichts kann für billiger gelten,
    Als dass Erfinder des Tods sterben durch eigene Kunst.
Also, damit Meineide mit Recht Meineidige täuschen,
    Treffe des Beispiels Schmerz, das sie gegeben, die Frau. –
10.) 659-722: Tränen, Küsse, sanfte Gewalt, Deckmantel der Freundschaft

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Et lacrimae prosunt: lacrimis adamanta movebis:
    Fac madidas videat, si potes, illa genas.
Si lacrimae (neque enim veniunt in tempore semper)
    Deficient, uda lumina tange manu.
Quis sapiens blandis non misceat oscula verbis?
    Illa licet non det, non data sume tamen.
Pugnabit primo fortassis, et 'improbe' dicet:
    Pugnando vinci se tamen illa volet.
Tantum ne noceant teneris male rapta labellis,
    Neve queri possit dura fuisse, cave.
Oscula qui sumpsit, si non et cetera sumet,
    Haec quoque, quae data sunt, perdere dignus erit.
Quantum defuerat pleno post oscula voto?
    Ei mihi, rusticitas, non pudor ille fuit.
Vim licet appelles: grata est vis ista puellis:
    Quod iuvat, invitae saepe dedisse volunt.
Quaecumque est veneris subita violata rapina,
    Gaudet, et inprobitas muneris instar habet.
At quae cum posset cogi, non tacta recessit,
    Ut simulet vultu gaudia, tristis erit.
Vim passa est Phoebe: vis est allata sorori;
    Et gratus raptae raptor uterque fuit.
Fabula nota quidem, sed non indigna referri,
    Scyrias Haemonio iuncta puella viro.
Iam dea laudatae dederat mala praemia formae
    Colle sub Idaeo vincere digna duas:
Iam nurus ad Priamum diverso venerat orbe,
    Graiaque in Iliacis moenibus uxor erat:
Iurabant omnes in laesi verba mariti:
    Nam dolor unius publica causa fuit.
Turpe, nisi hoc matris precibus tribuisset, Achilles
    Veste virum longa dissimulatus erat.
Quid facis, Aeacide? non sunt tua munera lanae;
    Tu titulos alia Palladis arte petas.
Quid tibi cum calathis? clipeo manus apta ferendo est:
    Pensa quid in dextra, qua cadet Hector, habes?
Reïce succinctos operoso stamine fusos!
    Quassanda est ista Pelias hasta manu.
Forte erat in thalamo virgo regalis eodem;
    Haec illum stupro comperit esse virum.
Viribus illa quidem victa est, ita credere oportet:
    Sed voluit vinci viribus illa tamen.
Saepe 'mane!' dixit, cum iam properaret Achilles;
    Fortia nam posita sumpserat arma colo.
Vis ubi nunc illa est? Quid blanda voce moraris
    Auctorem stupri, Deïdamia, tui?
Scilicet ut pudor est quaedam coepisse priorem,
    Sic alio gratum est incipiente pati.
A! nimia est iuveni propriae fiducia formae,
    Expectat siquis, dum prior illa roget.
Vir prior accedat, vir verba precantia dicat:
    Excipiet blandas comiter illa preces.
Ut potiare, roga: tantum cupit illa rogari;
    Da causam voti principiumque tui.
Iuppiter ad veteres supplex heroïdas ibat:
    Corrupit magnum nulla puella Iovem.
Si tamen a precibus tumidos accedere fastus
    Senseris, incepto parce referque pedem.
Quod refugit, multae cupiunt: odere quod instat;
    Lenius instando taedia tolle tui.
Nec semper veneris spes est profitenda roganti:
    Intret amicitiae nomine tectus amor.
Hoc aditu vidi tetricae data verba puellae:
    Qui fuerat cultor, factus amator erat.

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Tränen auch sind von Wert; du bewegst Demante durch Tränen:
    Lasse die Wangen sie nass sehen, wofern du es kannst!
Wenn dir die Tränen – sie sind nicht stets zur gehörigen Zeit da –
    Fehlen, mit feuchter Hand mache die Augen dir nass. –
Welcher Vernünftige mischt mit kosenden Worten nicht Küsse?
    Gäb' auch jene sie nicht, nimm die verweigerten doch!
Kämpfen wird sie vielleicht zuerst und "Frecher" dich nennen;
    Aber sie wünschet besiegt dennoch zu werden im Kampf.
Hüte dich nur, dass plump den zarten Lippen du weh tust,
    Und dass sie klage, du hab'st ohne Geschick sie geküsst.
Wer sich Küsse geraubt und nicht auch das übrige raubet,
    Ist zu verlieren auch das, was er erlangte, wert.
Wie viel hätte gefehlt zum vollen Wunsch nach den Küssen?
    Wehe mir, Ungeschick ist es gewesen, nicht Scheu.
Rufe Gewalt auch zu Hilfe; dem Weib ist solche Gewalt lieb;
    Oftmals lässt sie sich gern zwingen zu dem, was sie wünscht.
Jegliche, welche besiegt durch der Liebe plötzlichen Raub ward,
    Freut sich, und Keckheit ist wie ein Geschenk ihr so lieb.
Aber wenn unberührt, die du zwingen konntest, davon ging,
    Ist sie, wenn auch im Gesicht Freude sich zeiget, betrübt,
Phöben geschah Gewalt; der Gewalt erlag auch die Schwester;
    Aber ihr Schänder war beiden Geschändeten lieb.
Eine bekannte Mär, doch wert, berichtet zu werden,
    Ist's, wie die skyrische Maid ward dem haemonischen Mann.
Schon für der Schönheit Lob war der Lohn von der Göttin gegeben,
    Der am idäischen Berg zwei zu besiegen gelang;
Schon zu dem Priamus war die Schnur aus der Fremde gekommen,
    Und das griechische Weib war in der ilischen Stadt.
Alle hatten den Eid dem beleidigten Gatten geschworen,
    Denn in des einen Schmerz fühlten sich alle gekränkt.
Schmachvoll – hätt' er es nicht getan auf Bitten der Mutter –
    Barg Achilles den Mann heimlich in langem Gewand.
Was machst du, Äakide? Dein Dienst ist nicht bei der Wolle.
    Suche dir anderen Ruhm von der palladischen Kunst.
Was hast du mit den Körben? Der Schild geziemt für die Hand sich;
    Was in der Rechten, die einst Hektor erlegt, das Gespinst?
Wirf die Spindeln von dir, mit fleißigem Faden unwunden!
    Schleudern mit dieser Hand musst du den pelischen Speer,
Just in dem nämlichen Bett war auch die fürstliche Jungfrau.
    Sie erkannt' ihn als Mann, als er sie hatte geschwächt.
Zwar ward jene besiegt durch Gewalt; so muss man es glauben;
    Aber sie wollte besiegt werden doch auch durch Gewalt.
Oftmals sagte sie: "Bleib!", als davon schon eilte Achilles –
    Denn mit Waffen und Wehr hatt' er den Rocken vertauscht.
Wo bleibt nun die Gewalt? Was hältst mit schmeichelnder Stimme
    Ihn, der geschändet dich hat, Deidameia, du auf? –
Traun, wie eine sich schämt' zuerst zu beginnen Gewisses,
    Also duldet sie's gern, wenn es ein andrer beginnt. –
Ach! Es vertrauet zu sehr auf seine Reize der Jüngling,
    Wartet er, bis er zuerst werde gebeten von ihr.
Nahe der Mann sich zuerst; er spreche flehende Worte;
    Sie empfange des Manns Flehen mit freundlichem Sinn!
Bitte, damit du siegst; sie wünscht nur, dass man sie bitte.
    Vorwand gib ihr für das, was du begehrest, und Grund!
Jupiter nahete sich den alten Heldinnen bittend;
    Einen Jupiter hat nimmer ein Mädchen verführt.
Siehst von den Bitten jedoch du aufgeblasenen Hochmut
    Kommen, so magst du dein Werk sparen und wenden den Fuß!
Viele begehren, was sich abwendet, hassen, was dränget.
    Wehre dem Ãœberdruss dadurch, dass minder du drängst!
Und nicht immer gesteh' ein Liebender, Liebe zu hoffen;
    Unter der Freundschaft Schein nahe die Liebe verdeckt!
Auf dem Weg ist oft ein sprödes Mädchen berücket;
    Zum Liebhaber hernach ward der Verehrer gemacht. –
11.) 723-738: Die geziemende Gesichtsfarbe


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Candidus in nauta turpis color, aequoris unda
    Debet et a radiis sideris esse niger:
Turpis et agricolae, qui vomere semper adunco
    Et gravibus rastris sub Iove versat humum.
Et tibi, Palladiae petitur cui fama coronae,
    Candida si fuerint corpora, turpis eris.
Palleat omnis amans: hic est color aptus amanti;
    Hoc decet, hoc stulti non valuisse putant.
Pallidus in Side silvis errabat Orion,
    Pallidus in lenta naïde Daphnis erat.
Arguat et macies animum: nec turpe putaris
    Palliolum nitidis inposuisse comis.
Attenuant iuvenum vigilatae corpora noctes
    Curaque et in magno qui fit amore dolor.
Ut voto potiare tuo, miserabilis esto,
    Ut qui te videat, dicere possit 'amas.'


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Schändlich ist für den Schiffer ein milchweißer Teint; geschwärzt sein
    Muss er vom Sonnenstrahl und von der Woge des Meeres.
Schande bereitet er auch dem Landmann, der mit der Pflugschar
    Und mit dem schweren Karst Felder im Freien durchwühlt.
Dir auch, der auf den Sieg des palladischen Kranzes du ausgehst,
    Bringet es Schande, wofern weiß auf dem Körper du bist.
Bleich sei jeder, der liebt; die Farb' ist Liebenden schicklich.
    Dieses geziemt; dadurch halt' ihn die Menge für krank.
Irrte bleich doch umher in Linkes Wäldern Orion,
    Hatte den Daphnis doch bleich seine Najade gemacht.
Zeig auch die Magerkeit dein Gefühl; und scheue dich auch nicht,
    Ãœber dein glänzendes Haar eine Kapuze zu ziehn.
Hager machen den Leib durchwachete Nächte dem Jüngling
    Und die Sorg' und der Schmerz, heftiger Liebe Geleit.
Deinen Wunsch zu erlangen, erschein' elenden Gesichtes,
    Dass, wenn einer dich sieht, sagen er könne: "Du liebst!" –
12.) 739-754: Hüte dich vor Freunden und Verwandten

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Conquerar, an moneam mixtum fas omne nefasque?
    Nomen amicitia est, nomen inane fides.
Ei mihi, non tutum est, quod ames, laudare sodali;
    Cum tibi laudanti credidit, ipse subit.
At non Actorides lectum temeravit Achillis:
    Quantum ad Pirithoum, Phaedra pudica fuit.
Hermionam Pylades quo Pallada Phoebus, amabat,
    Quodque tibi geminus, Tyndari, Castor, erat.
Siquis idem sperat, laturas poma myricas
    Speret, et e medio flumine mella petat.
Nil nisi turpe iuvat: curae sua cuique voluptas:
    Haec quoque ab alterius grata dolore venit.
Heu facinus! non est hostis metuendus amanti;
    Quos credis fidos, effuge, tutus eris.
Cognatum fratremque cave carumque sodalem:
    Praebebit veros haec tibi turba metus.

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Klag' ich es oder rüg's, dass sich Recht stets mischet mit Unrecht?
    Freundschaft, so wie die Treu', eitele Namen nur sind's.
Weh mir, gefährlich ist's, was man liebt, dem Genossen zu preisen!
    Wenn er dem Lobenden glaubt, macht er sich selber daran.
Aktors Enkel jedoch befleckete nicht des Achill Bett;
    Keusch warf Phädra, soviel an dem Pirithous lag.
Pylades liebt Hermionen so, wie Phöbus die Pallas,
    Und war, Tyndaris, was Castor, der Bruder, dir war.
Wer auf das nämliche hofft, mag Obst auch von Tamarisken
    Hoffen und Honigseim suchen sich mitten im Strom.
Schlimpfliches nur ergötzt; für sein Vergnügen nur sorgt man:
    Dieses kommet erwünscht auch von des anderen Schmerz
O des Frevels! Den Feind nicht hat der Verliebte zu fürchten;
    Jene, die treu du glaubst, fliehe, so bist du geschützt.
Sieh vor Verwandten dich vor, dem teueren Freund und dem Bruder;
    Die Schar wird dir den Grund geben zu wirklicher Furcht. –
13.) 755-770: Berücksichtige Individualität und Alter des Mädchens
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770
Finiturus eram, sed sunt diversa puellis
    Pectora: mille animos excipe mille modis.
Nec tellus eadem parit omnia; vitibus illa
    Convenit, haec oleis; hac bene farra virent.
Pectoribus mores tot sunt, quot in ore figurae;
    Qui sapit, innumeris moribus aptus erit,
Utque leves Proteus modo se tenuabit in undas,
    Nunc leo, nunc arbor, nunc erit hirtus aper.
Hi iaculo pisces, illi capiuntur ab hamis:
    Hos cava contento retia fune trahunt.
Nec tibi conveniet cunctos modus unus ad annos:
    Longius insidias cerva videbit anus.
Si doctus videare rudi, petulansve pudenti,
    Diffidet miserae protinus illa sibi.
Inde fit, ut, quae se timuit committere honesto,
    Vilis ad amplexus inferioris eat.
755




760




765




770
Enden wollt' ich. Das Herz bei den Fraun ist aber verschieden;
    Nimm auf tausenderlei Weise der Tausende Sinn!
Trägt ein Boden doch auch nicht jegliches; passend zu Wein ist
    Dieser, zum Ölbaum der, jener gedeihlich für Spelt.
Sinne gibt's in den Herzen so viel, wie auf Erden Gestalten;
    Fügen nun wird, wer klug ist, sich in jeglichen Sinn
Und, wie ein Proteus, bald sich in flüchtige Wogen verwandeln,
    Bald auch ein Leu, bald Baum, borstiger Eber dann sein.
Fische fangen sich hier durch den Wurfspeer, dort durch die Angel,
    Hier mit umschlungenem Seil ziehet das Netz sie herauf.
Eine Weise genügt für jegliches Alter auch dir nicht:
    Alte Hindinnen seh'n schon aus der Ferne das Netz.
Zeigst Unwissenden du dich gelehrt, leichtfertig Verschämten,
    Werden die Armen sogleich irre dann werden an sich.
So kommt's, dass die sich scheut, Anständigen sich zu ergeben,
    Menschen von niedrigem Stand oft in die Arme gerät. – 770
14.) 771-772: Ãœberleitung zum dritten Lernziel
771
Pars superat coepti, pars est exhausta laboris.
    Hic teneat nostras ancora iacta rates.
771
Ein Teil meines Werks ist übrig noch, einer erschöpfet:
    Möge den Anker nun hier werfen und weilen mein Schiff!
Sententiae excerptae:
Lat. zu "Ovid" und "ars"
Literatur:
zu "Ovid" und "ars"
1629
Binroth-Bank, Christine
Medea in den Metamorphosen Ovids : Untersuchungen zur ovidischen Erzähl- und Darstellungsweise
Frankfurt am Main [u.a.] : Lang, 1994

1682
Braun, L.
Kompositionskunst in Ovids "Fasti"
in: ANRW II.31.4 (1981) 2344-2383

1529
Büchner, K.
Römische Literaturgeschichte. Ihre Grundzüge in intrpretierender Darstellung
Stuttgart (Kröner, TB 199) 1967

1545
Burck, Erich (Hg.)
Das römische Epos (Grundriss der Literaturgeschichten nach Gattungen)
Darmstadt (WBG) 1979

1624
Daams, Susanne
Epische und elegische Erzählung bei Ovid : Ars amatoria und Metamorphosen
München : M-Press, 2003

1631
Dippel, Manfred
Die Darstellung des trojanischen Krieges in Ovids Metamorphosen (XII 1-XIII 622)
Frankfurt am Main : P. Lang, c1990

1733
Fauth, W.
Römische Religion im Spiegel der "Fasti" des Ovid
in: ANRW II.16.1 (1978) 104-186

1627
Granobs, Roland
Studien zur Darstellung römischer Geschichte in Ovids "Metamorphosen"
Frankfurt am Main [u.a.] : Lang, 1997

1837
Küppers, E.
Ovids "Ars amatoria" und "Remedia amoris" als Lehrdichtungen
in: ANRW II.31.4 (1981) 2507-2551

3067
Lamm, Sebastian
Die Darstellung des Augustus bei Tibull und Ovid
Berlin : Mensch-und-Buch-Verl., 2006

4239
Ovid / Bömer
Die Fasten / P. Ovidius Naso. Hrsg., übers. und komm. von Franz Bömer. (Text. Übers. Komment.)
Heidelberg : Winter, 1957ff

4183
Ovid / Divjak / Ratkowitsch
Ovid, Textband, Kommentar
Wien, Hölder-Pichler-Tempsky / München, Oldenbourg

4235
Ovid / Gerlach
Publius Ovidius Naso. Fasti, Festkalender Roms. Lat.-dtsch. ed. Wolfgang Gerlach
München, Heimeran, 1, 1960

4237
Ovid / Gerlach / Holzberg
Fasti : lateinisch - deutsch = Festkalender / Publius Ovidius Naso. Auf der Grundlage der Ausg. von Wolfgang Gerlach neu übers. und hrsg. von Niklas Holzberg
Düsseldorf : Artemis & Winkler, 3, 2006

4238
Ovid / Green
Ovid, Fasti 1 : a commentary Green, Steven J.
Leiden [u.a.] : Brill, 2004

4210
Ovid / Hertzberg
Die Kunst der Liebe: Liebeselegien, Liebeskunst, Heilmittel gegen die Liebe. Aus dem Lateinischen von Wilhelm Herztberg, bearbeitet von L. Huchthausen, mit einem Kommentar v. W. Ritschel
Köln, Anaconda, 2005

4190
Ovid / Hoeber
Ovid, Ausgewählte Gedichte aus den Metamorphosen und Elegien, für den Schulgebrauch herausgegeben von Dr. Karl Hoeber, 17. u. 18. Auflage von Anton Pesch. Text- und Kommentarband
Münster, Aschendorff, 18/1949

4203
Ovid / Siebelis, Polle, Stange
P. Ovidii Nasonis Metamorphoses. Auswahl für die Schulen mit Anmerkungen und eienm mythologisch-geographischen Register. Nach Joh.Siebelis und Frdr. Polle besorgt von O. Stange I: Buch 1-9; II: Buch 10-15.
Leipzig (Teubner) 1904

4205
Ovid / Suchier
Ovids Werke, deutsch im Versmaß der Urschrift v. Suchier, Klußmann, Berg. Ovid II. Festkalender (Fasten) - Klagelieder (Tristien) - Briefe aus Pontus. - Haleutika - Ibis - Verzeichnis der Eigennamen.
Berlin-Schöneberg (Langenscheidt) 6.A.

1628
Spahlinger, Lothar
Ars latet arte sua : Untersuchungen zur Poetologie in den Metamorphosen Ovids
Stuttgart [u.a.] : Teubner, 1996

2623
Steudel, Marion
Die Literaturparodie in Ovids Ars Amatoria
Meisenheim (Olms) 1992


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