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Staatsphilosophie

  1. Definitionsversuche von "Staat" aus dem 20. Jahrhundert

    1. W.R. Beyer: Staatsphilosophie, München 1959, S.11: Über die Entstehung des Staates (genauso wie über seine Definition) bestehen die verschiedensten Mutmaßungen. Auch gegenteilige Behauptungen, der Staat sei überhaupt nicht entstanden, das staatliche Zusammenleben sei vielmehr eine dem Menschen inhärente Form seines Wesens, werden vertreten. Andere meinen, der Staat sei [...] undefinierbar. Christliche Lehre sagt, die Frage nach der Genesis des Staates sei eine falsch gestellte Frage, weil es sich bei der Staatlichkeit um ein unableitbares "Urphänomen" (oder um die Ausfüllung eines göttlichen decretums) handele. - Alle diese Lehren beruhen auf einem zweckgebundenen und politisch ausgerichteten Denkansatz. Jede Aussage über den Ursprung des Staates bleibt Teil einer auch für den gegenwärtigen Staat geltenden Staatstheorie und muss in Verbindung mit dieser gewertet werden.
    2. W. Eckhardt: Allgemeine Staatslehre, Stuttgart (1931) 1957, S. 9f.: Der Staat ist die Gestalt, in der eine durch gemeinsame Geschichte, Kultur und in der Regel auch Sprache verbundene Gruppe von Menschen, das Volk, handelnd in Erscheinung tritt. Er ist, wie der schwedische Forscher Kjellen gesagt hat, die Lebensform des Volkes. [...]
      Drei Elemente müssen gegeben sein, wenn wir einen Staat annehmen sollen:
      1. Ein Staatsgebiet, das durch Grenzen gegen die Gebiete anderer Staaten abgeschlossen ist und innerhalb dessen die Regierung und Verwaltung des Staates in der Lage erscheint, Recht und Wirtschaft zu ordnen.
      2. Ein Staatsvolk, das auf dem Staatsgebiet ansässig ist und die persönliche Grundlage des Staates bildet.
      3. Eine Staatsgewalt, kraft deren die politischen Verhältnisse des Volkes durch bindendes Gebot geordnet werden können.
    3. E.F.Sauer: Staatsphilosophie, Köln 1965, S. 8f.: Welche Definition würden wir - schon an dieser Stelle - für den modernen Staat vorschlagen? In möglichst einfacher Wesensbetrachtung gewinnen wir seine schlichte Begriffsbestimmung. Wir erkennen im Staat ein Gebilde, das die Menschen auf einem bestimmten Landgebiet für ihre eigenen gemeinschaftlichen Bedürfnisse errichtet haben. Es ist auf Einheitlichkeit und Kontinuität angelegt, dient den mehr oder weniger gesteigerten Anforderungen seiner Angehörigen und hat den Zweck ihrer Sicherstellung und Erhaltung gegenüber äußeren und und inneren Feinden. - Hiernach dürfte klar sein, dass der Staat eine auf Dauer eingerichtete territoriale Organisation ist, die seinen Angehörigen, seinen Menschen dient. Er bildet so eine Ordnung sozialer Werte. Diese bezieht sich auf das von ihm beherrschte Staatsgebiet und Staatsvolk. Man kann schlicht definieren: Der moderne Staat ist die aus Staatsvolk und Staatsgebiet bestehende Ordnung der sozialen Werte. Absichtlich ist von Rechtsordnung nicht die Rede, weil das Staatsganze auch die nichtjuristischen Werte umfasst.

     

  2. Gliederungsschema staatsphilosophischer Theorieansätze 

    (nach A. Diemer: Grundriss II S. 365ff)

    1. Allgemeine Bereichsbestimmung: Der Staatsbegriff
      Zur Bestimmung des Staatsphänomens konkurrieren zwei Theoriegruppen:
      1. Soziologische Theorie: Sie geht von der faktischen Gegebenheit aus.
        G. Jellinek: "Der Staat ist die mit ursprünglicher Herrschermacht ausgerüstete Verbandseinheit sesshafter Menschen". (Drei Elemente: Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsmacht). Offen bleibt, wie die Zugehörigkeit begründet ist (rassisch, sprachlich, kulturell (religiös)).
      2. Juristische Theorie: Staat ist nicht durch positive Gegebenheiten, sondern durch juristische Struktur (Verfassung) bestimmt.
        H. Kelsen: "Eine Begriffsbestimmung des Staates endet bei einer Definition des Rechts."
    2. Staatstheorien:
      1. Metaphysische Theorien: Alle Theorien, die den Staat in einem absolut metaphysischen Bereich gründen lassen.
        1. kosmisch: im altchinesischen Denken
        2. Naturrechtstheorien: Bei faktischer Ableitung des Staates aus einem absoluten vorstaatlichen Rechtsbegriff:
          • genetisch: "entsprungen aus..."
          • final: "zum Zwecke, dass..."
        3. theokratisch: Irdisches Abbild der überirdischen Gottesherrschaft über die Schöpfung. Daraus ergibt sich als natürliche Herrschaftsform die Monarchie (Dante, De mon.). In der Neuzeit sind auch andere Herrschaftsformen als gottgewollt hingestellt worden. Theokratische Ideen auch im Deutschen Idealismus (Hegel: "Es ist der Gang Gottes in der Welt, dass der Staat ist.")
      2. Organismus-Theorien:
        1. Bereits für Platon war der Staat gleichsam ein großer Mensch: Aus seiner Anthropologie (Seelenlehre) erg9bt sich der Schichtungsgedanke im Staatsaufbau.
        2. Bekannt ist die Parabel des Menenius Agrippa vom Magen und den Gliedern.
        3. Jüdisch-christliche Ideen: Gemeinde als "Leib Christi", "Weinstock und die Reben".
        4. An das MA anknüpfend die Romantik und weitgehend der Deutsche Idealismus (bes. Hegel).
        5. in der Neuzeit Gegenposition zum mechanistisch-kausalen Denken, das den Staat aus atomaren Individuen und den zwischen ihnen herrschenden Kräften aufbaut (Hobbes - Aufklärung).
      3. Rechtstheorien: Begriff des Rechtsstaates
        1. Der Staat ist das Gebilde, in dem sich das Recht verwirklicht.
          • Prinzip der Legalität: Der Rechtsstaat ist derjenige, der auf dem Rechtsweg, also durch freie Wahl, Verfassung etc. zustande gekommen ist.
          • Prinzip der Legitimität: Rechtsstaat ist das Gebilde, dessen Struktur identisch ist mit der (materialen) "gerechten Ordnung" der Menschen untereinander.
        2. Der Staat ist die Rechtsordnung, sonst nichts (Kelsens "Reine Rechtslehre"). Somit ist die Definition des Rechts entscheidend. Aristot. Pol. 1,2: "Rechts ist nichts anderes als die Ordnung der staatlichen Gemeinschaft." (Identität von Recht und Staat äußert sich somit als Zirkelschluss (Tautologie).
        3. Jellinek: Als Rechtsbegriff ist der Staat ... die mit ursprünglicher Herrschermacht ausgestattete Gebietskörperschaft.
        4. Herleitung des Staates aus speziellen Rechtsbereichen:
          • Patriarchaltheorie (Familienrecht): Herrschaft als das Verhältnis des Landesherrn (Landesvaters) zu den Landeskindern: besonders zur Begründung der monarchischen Gewalt absoluter Fürsten (Anknüpfungen: Abraham, Adam, römische Gentilverfassung).
          • Patrimonialtheorie (Sachenrecht: Besitz an Sachen): erst im 19. Jh. entwickelt: Herrschermacht entspringt dem Eigentumsrecht. Besonders zur Begründung feudaler Staatsstruktur.
          • Vertragstheorie (Vertragsrecht): s. dort
          • moderner Rechtsstaatsbegriff:Alle Staatshandlungen (Exekutive, Legislative) müssen durch die obersten Gerichte hinsichtlich ihrer Verfassungsmäßigkeit überprüfbar sein. Gegenbegriff zu Willkür-, Polizeistaat, Staatstotalitarismus). Gefahr der Übertreibung: Richterstaatlichkeit.
      4. Soziale Theorien: Wesen des Staates ergibt sich aus der Identität mit sozialen Sachverhalten:
        1. Identifizierung von Staat und Volk (Nation). Paulsen: "Im Gegensatz zu den auf freier Vereinbarung beruhenden und spontanen Organisationen der Gesellschaft bildet der Staat die mit Zwangsgewalt ausgestattete Organisation ein4es Volkes für die politischen Zwecke."
          Probleme bei der Bestimmung (des Begriffsumfangs) des Begriffes "Volk":
          • Separatistenbewegungen (Stamm, Clan)
          • Pan-Bewegungen (Panslavismus, Panafrikanismus)
        2. Identifizierung von Staat und Herrscher (Antagonismus von Staat und Gesellschaft)
      5. Vertragstheorien: Der Staat (oder eine bestimmte Herrschaftsform) wird auf einen Vertrag zurückgeführt.
        Die Vertragstheorie wird in der Regel rein aus der Vernunft kosnstruiert, mitunter auch auf den Nachweis historischer Existenz Wert gelegt. Er wird in der Moderne durch Hinweis auf die geschriebene Verfassung geführt (= Staatsgründungsvertrag).
        Die Vertragstheorie drückt sich heute noch in vielen (bes. demokratischen) Institutionen aus: Verfassung, Plebiszit, Wahl, Rechtsvorbehalt gegen den Staat (Grund-, Menschenrechte).
        1. Erzählungen des AT: Verträge zwischen Gott und seinem Volk (oder bestimmten Herrschern).
        2. Griechische Vorstellungen (bes. Epikur): Staatsgründung durch Schutzverträge verstreut lebender Individuen.
        3. Justinian Digesten (de const.princ. 4): Das römische Volk habe dem Kaiser seine Gewalt durch Gesetz übertragen: Wichtig für das Staatsdenken des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit.
        4. Varianten:
          • Annahme eines Vertrages: Hobbes: Vertrag alle mit allen außer dem Herrscher über die Aufgabe des natürlichen Rechts auf alles, welches allein der Souverän erhält.
          • Annahme mehrerer Verträge: Pufendorf: 1.) Unionsvertrag zur Bildung eines Volkes, 2.) Vertrag zur Festsetzung der Staatsform, 3.) Subjektionsvertrag mit dem Herrscher.
          • Annahme eines Vertrages mit mehreren Funktionen: Rousseau: Gesellschaftsvertrag, der zugleich Unterwerfungsvertrag ist.
        5. Die Konsequenz der Kündbarkeit von Verträgen hat nur Fichte durchdacht:
          • Philosophische Theorie der Staatsauflösung
          • Rechtmäßigkeit von Revolutionen (Lossagung vom alten und Vereinigung unter neuem Vertrag aufgrund freier Willensentscheidung).
      6. Machttheorien: Macht als Wesenselement des Staates
        1. rein: Treitschke: "Das Wesen des Staates ist zum ersten Macht, zum zweiten Macht, zum dritten nochmals Macht".
        2. zur Begründung der herrschenden Staatsmacht (Diktatur): Das Individuum ist bedeutungslos gegenüber der herrschenden Macht, es hat sich wortlos zu fügen (Führeridee des nationalsozialistischen Staates).
      7. Liberale Theorien: Staatsliberalismus als Gegensatz zu allem Staatstotalitarismus. Oberstes Prinzip: Individuelle Freiheit aller Bürger; freie Konkurrenz aller Individuen und Gruppen (kein Dirigismus, freie Marktwirtschaft). W.v.Humboldt reduziert die staatliche Wirksamkeit streng auf die Gewährleistung der äußeren (politischen und rechtlichen) Sicherheit der Bürger. Das "positive Wohl" (heute: "soziale Sicherheit") ist nicht Aufgabe des Staates, sondern der Gesellschaft allein. ("Nachtwächterstaat")
      8. Finale Theorien: Der Staatszweck allein ist grundlegend (bei allen anderen Theorien mitgegeben). Er erwächst jeweils aus anthropologischer , kultureller, sozialer Grundlage:
        1. biologisch ("Leben")
          • ökonomische Staatstheorien: Zweck ist Sicherung des "Lebens"
          • Wohlfahrtsstaat: Zweck ist Wohlfahrt aller oder mehr der Einzelnen (Cicero, Bentham, St. Mill). (Wohlstandsstaat)
          • Rassenstaat: Zweck ist Förderung der jeweiligen Rasse (s. soziale Theorien) 
        2. geistig:
          • Kulturstaatstheorie: Zweck ist Ermöglichung, Verwirklichung und Sicherung der Kultur
          • ethische Theorie: Zweck ist die unmittelbare sittliche Förderung des Individuums; der Staat untersteht unmittelbar dem Gesetz der Ethik (Platon, Hegel)
            Beseitigung aller Faktoren, die die sittliche Entfaltung des Individuums hindernd.
        3. sozial:
          • Zweck ist die Überwindung der natürlichen Asozialität des Individuums durch Staatsvertrag (Hobbes). Der Staat hat nur die Koexistenz der Menschen zu garantieren (Kant).
 
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Sententiae excerptae:
Lat. zu "Politologie"
Literatur:
zu "Politologie"
4623
Bergmann, Justus / Kolb, Thomas
Politik einfach erklärt - Wie Sie endlich mitreden, Ihr Wissen über die deutsche Politik auffrischen und das Land mitgestalten können | Das Politik Buch für Einsteiger von Justus Bergmann und Thomas Kolb
Kindle

4294
Merleau-Ponty, M.
Humanismus und Terror
Frankfurt (Main) 1966

2136
Pöschl, V. / Klinz, A.
Zeitkritik bei Tacitus: Tacitus als Politologe. Agricola
Heidelberg (Kerle, DR 6) 1972

4301
Spaemann, R.
Zur Kritik der politischen Utopie. Zehn Kapitel politischer Philosophie
Stuttgart 1977

4302
Spieker, M.
Neomarxismus und Christentuum. Zur Problematik des Dialogs
München / Paderborn / Wien 1874


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