3. Lykische Bauern (6,313-381) | ||
Tum vero cuncti manifestam
numinis iram femina virque timent cultuque inpensius omnes |
Da nun fürchten
gesamt so Männer wie Frauen der Gottheit Sichtbar rächenden Zorn, und eifriger dienend verehren |
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magna gemelliparae venerantur
numina divae; utque fit, a facto propiore priora renarrant. e quibus unus ait: 'Lyciae quoque fertilis agris non inpune deam veteres sprevere coloni. res obscura quidem est ignobilitate virorum, |
Alle die göttliche
Macht der Zwillingsmutter Latona. Und, wie es geht, man kommt von dem Neuen auf Altes zu sprechen. Einer von ihnen beginnt: "In des fruchtbaren Lykiens Äckern Trotzeten auch vordem nicht straflos Bauern der Göttin. Zwar ist's wenig bekannt ob des niedrigen Standes der Männer, |
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mira tamen: vidi praesens
stagnumque locumque prodigio notum. nam me iam grandior aevo inpatiensque viae genitor deducere lectos iusserat inde boves gentisque illius eunti ipse ducem dederat, cum quo dum pascua lustro, |
Doch merkwürdig
genug. Selbst sah ich den See und die Stätte, Wo sich das Wunder begab. Mir hatte der Vater befohlen, Schon zu alt und zum Weg untüchtig, erlesene Rinder Herzuholen von dort, und mir als Führer gegeben Einen vom Lykiervolk. Als wir durchschritten die Triften, |
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ecce lacu medio sacrorum
nigra favilla ara vetus stabat tremulis circumdata cannis. restitit et pavido "faveas mihi!" murmure dixit dux meus, et simili "faveas!" ego murmure dixi. Naiadum Faunine foret tamen ara rogabam |
Sieh, da stand inmitten
des Sees, von der Asche der Opfer Schwarz, ein alter Altar, umgeben von schwankendem Rohre. Stehn blieb jener und sprach: 'Sei gnädig!' mit scheuem Geflüster, Und ich sprach es ihm nach: 'Sei gnädig!' mit gleichem Geflüster. Ob den Naiaden der Herd, ob Faunus gehörete, fragt' ich, |
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indigenaene, dei, cum
talia rettulit hospes: "non hac, o iuvenis, montanum numen in ara est; illa suam vocat hanc, cui quondam regia coniunx orbem interdixit, quam vix erratica Delos orantem accepit tum, cum levis insula nabat; |
Ob einheimischem Gott,
und also versetzte der Fremde: ,Diesen Altar hat nicht, o Jüngling, inne ein Berggott: Für sie steht er erhöht, der Iuno die Königin weiland Untersagte die Welt, der Zuflucht kaum auf der Irrfahrt Delos die irrende gab, als leicht noch die Insel umherschwamm. |
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illic incumbens cum Palladis arbore palmae edidit invita geminos Latona noverca. hinc quoque Iunonem fugisse puerpera fertur inque suo portasse sinu, duo numina, natos. iamque Chimaeriferae, cum sol gravis ureret arva, |
Dort kam endlich, gestemmt
an der Pallas Baum und die Palme, Der Stiefmutter zum Trotz mit Zwillingen nieder Latona. Aber von dort auch floh vor Iuno die Wöchnerin, sagt man, Während sie trug an der Brust die beiden unsterblichen Kinder. Lykiens Fluren betrat, das Land der Chimaira, die Göttin, |
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finibus in Lyciae longo
dea fessa labore sidereo siccata sitim collegit ab aestu, uberaque ebiberant avidi lactantia nati. forte lacum mediocris aquae prospexit in imis vallibus; agrestes illic fruticosa legebant |
Matt von der langen Beschwer,
und sie lechzte, da drückende Sonne Sengte das Feld, vor Durst von der dörrenden Glut des Gestirnes, Und leer hatten die Brust ihr gesogen die hungrigen Kinder. Sieh, da zeigt sich dem Blick mit mäßigem Wasser ein Weiher Unten im Tal. Dort sammelten ein Landleute mit Binsen |
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vimina cum iuncis gratamque
paludibus ulvam; accessit positoque genu Titania terram pressit, ut hauriret gelidos potura liquores. rustica turba vetat; dea sic adfata vetantis: 'quid prohibetis aquis? usus communis aquarum est. |
Buschiges Weidengesträuch
und sumpfanwohnendes Schilfrohr. Dahin lenkte den Schritt die Titane und beugte zur Erde Nieder das Knie, zum Trunk sich kühlende Wellen zu schöpfen. Aber das Landvolk wehrt. Zu den Wehrenden redet die Göttin: ,Wasser verweigert ihr mir? Zu aller Gebrauch ist das Wasser. |
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nec solem proprium natura
nec aera fecit nec tenues undas: ad publica munera veni; quae tamen ut detis, supplex peto. non ego nostros abluere hic artus lassataque membra parabam, sed relevare sitim. caret os umore loquentis, |
Sonne und Luft schuf
nicht die Natur zu besondrem Besitze, Noch das flüssige Nass. Ich kam zum gemeinsamen Gute. Dennoch fleh' ich zu euch: o gebt es mir. Nicht ja gedacht' ich Hier zu spülen den Leib und die abgematteten Glieder, Sondern zu löschen den Durst. Dem Mund fehlt Feuchte zum Reden; |
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et fauces arent, vixque
est via vocis in illis. haustus aquae mihi nectar erit, vitamque fatebor accepisse simul: vitam dederitis in unda. hi quoque vos moveant, qui nostro bracchia tendunt parva sinu,' et casu tendebant bracchia nati. |
Trocken ist Gaumen und
Schlund, und kaum ist Weg für die Stimme. Trunk wird Nektar mir sein, und dass ich das Leben empfangen, Werd' ich bekennen mit Dank. Ihr gebt mir im Wasser das Leben. Sie auch rühren euch wohl, die an meinem Busen die Ärmchen Halten gestreckt.' Und eben ausstreckten die Arme die Kleinen. |
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quem non blanda deae
potuissent verba movere? hi tamen orantem perstant prohibere minasque, ni procul abscedat, conviciaque insuper addunt. nec satis est, ipsos etiam pedibusque manuque turbavere lacus imoque e gurgite mollem |
Wen nicht hätten
gerührt die dringlichsten Bitten der Göttin? Aber der Haufe beharrt bei der Weigerung; scheltende Worte Fügen sie zu und drohn, wenn nicht sie hinweg sich begebe. Solches genügt noch nicht; sie machen mit Händen und Füßen Trübe den See auch selbst, und mit Bosheit übenden Sprüngen |
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huc illuc limum saltu
movere maligno. distulit ira sitim; neque enim iam filia Coei supplicat indignis nec dicere sustinet ultra verba minora dea tollensque ad sidera palmas 'aeternum stagno' dixit 'vivatis in isto!' |
Wühlen sie hier
und dort aus dem Grund den weichen Morast auf. Durst wich nun vor dem Zorn. Nicht flehte die Tochter des Koios Mehr die Verworfenen an, und unter der Würde der Göttin Redete länger sie nicht. Zu den Sternen gehoben die Hände Sagte sie: "Lebt denn hier für ewige Zeit in dem Teiche!" |
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eveniunt optata deae:
iuvat esse sub undis et modo tota cava submergere membra palude, nunc proferre caput, summo modo gurgite nare, saepe super ripam stagni consistere, saepe in gelidos resilire lacus, sed nunc quoque turpes |
Und es geschah, wie
die Göttin gewünscht. Im Wasser zu weilen Freut sie und bald mit dem Leib ganz unterzutauchen im Sumpfe, Bald hervorzustrecken das Haupt, bald oben zu schwimmen, Oft an dem Ufer des Teichs zu sitzen und oft in die kalte Lache zurückzuspringen in Hast. Schmähsüchtige Zungen |
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litibus exercent linguas
pulsoque pudore, quamvis sint sub aqua, sub aqua maledicere temptant. vox quoque iam rauca est, inflataque colla tumescunt, ipsaque dilatant patulos convicia rictus; terga caput tangunt, colla intercepta videntur, |
Üben sie jetzt
auch noch und schreien mit schamloser Frechheit; Ob auch Wasser sie deckt, keck zanken und keifen sie immer. Heiser erschallt ihr Ruf, und es schwillt der geblähete Hals auf; Ihr weit offenes Maul schreit Lästerung noch in die Weite. Schulter berührt sich und Kopf, und der Hals scheint mitten zu fehlen. |
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spina viret, venter,
pars maxima corporis, albet, limosoque novae saliunt in gurgite ranae."' |
Grün ist der Rücken
und weiß der Bauch, an dem Leibe das Größte, Und so hüpfen sie nun als Frösche im schlammigen Wasser." |