Römisches Lagerleben auf dem Weilberg in Ungstein
für meine alten und neuen Sextaner im nächsten Schuljahr
Die Legio VI Victrix ist auf ihrem Weg von Spanien nach
Xanten (am Niederrhein), wohin sie zur Niederschlagung des Bataveraufstandes abgeordnet wurde, in
Ungstein auf dem Weilberg eingetroffen und hat dort für zwei Nächte ihr Lager aufgeschlagen. Wir werfen einen Blick hinein.
Die Zelte (tentorium) sind schon aufgeschlagen. Die Schilde (scutum) stehen an den Speer (pilum, hasta) gelehnt friedlich davor. Der Helm (cassis,
galea) liegt, als wolle er sich ausruhen, faul auf dem Boden. Doch wo ist der Brustpanzer (lorica)? Wo der Legionär?
Der Metallhelm ist schon etwas Besonderes. Er heißt eigentlich cassis. Normalerweise war aber ein Helm aus Leder und hieß galea, allerdings ein so übliches Wort, dass man es auch für unseren Metallhelm verwenden darf.
Der rechteckige Langschild ist das scutum. Er hatte sich gegen den kleineren Rundschild, den clipeus durchgesetzt. Die Unterlage war aus Brettern, dann kam anderes Zeug, oben bemaltes Lederfell. Jede Legion hatte ihre Farbe und ihr Bildmotiv. Der Kranz spielt wohl auf den Beinamen victrix (Siegerin) an. Beachte den schönen Schildbuckel (umbo)!
Tentorium ist das übliche Wort für jedes Zelt. Wenn man es genau nimmt, darf man nur ein Zelt, das über Stricke gespannt (tentum) ist, so nennen. War es über Holz ausgespannt, hieß es tabernaculum. Ein drittes Wort, papilio (Schmetterling), kommt daher, dass man die beiden Vorhänge des Eingangs wie Schmetterlingsflügel zur Seite ausbreitete.
Da steht ja der Legionssoldat (miles
legionarius oder einfach legionarius oder einfach miles). Richtig, der Helm fehlt, der liegt ja auf dem Boden; auch sein Wurfspeer (
pilum). Doch sein Schwert (gladius) hängt noch am Gürtel (cinctorium, cingulum). Und den vermissten Brustpanzer (thorax,
lorica) hält er in der Rechten (dextra
manus). Der Soldat sieht etwas nachdenklich aus, als überlege er, was er zuerst tun solle ("quidnam prius
faciam?"). Was überlegt er nur?
Der Metallpanzer (thorax) ist ebenfalls kostbarer als der übliche Lederpanzer (lorica). Thorax ist ein Lehnwort aus dem Griechischen, und die Sache kommt wohl auch von dort.
Solche reich verzierten Beinschienen (ocrea) aus Bronze schützten die Beine vom Knöchel bis über das Knie. Sie hatten an den hinteren Rändern Schnallen oder Löcher zum Binden.
Der gladius ist das kurze römische Allzweckschwert. Denn mit ihm lässt sich beidseitig schneiden und, weil er spitz ist, auch stechen und stoßen. Hier ist es am Gürtel befestigt. Ist unser miles
legionarius ein Linkshänder?
Linkshänder? Wieso? - Ach, er trägt sein Schwert rechts. Also zieht er es mit der Linken! - Links trugen in der Regel die Offiziere (legatus, tribunus oder sogar der imperator) ihr Schwert am Gürtel (
cinctorium, cingulum), während es der einfache Soldat an einem Schulterriemen (balteus) auf der rechten Seite hängen hatte. Also ist unser
miles
entweder wirklich Offizier (legatus) und Linkshänder, oder er steht kurz vor einer Beförderung; oder der Gürtel ist ihm beim Ablegen der Rüstung einfach verrutscht! Oder...? - Übrigens waren die Schwerter eines Reiters (eques) etwas länger. Sie kamen im Nahkampf ja auch nicht so nahe an ihren Feind heran, also brauchten sie ein längeres Schwert!
Jetzt wird klar, welche Wahl unserem Freund (amicus) so schwer gefallen ist: Er hat Blasen an den Füßen und furchtbaren Hunger. Welcher Not soll er also früher abhelfen? - Er entscheidet sich für den Arzt. Das ist auch vernünftig so! Denn mit Schmerzen schmeckt das beste Essen nicht! Also geht er zu Celsus, dem Lagerarzt.
Celsus ist ein alter Fuchs (vulpes). Er weiß, wo seine Kameraden (commilito) der Schuh drückt, und hat seine Geräte schon ausgebreitet: Fläschlein, Messerchen und Tinkturen; und dazu das Handbuch, pardon: die Handrolle des Meisters Hippokrates.
Ah, Celsus nennt unseren römischen Freund "Titus". So viel verstehe ich. "Titus" heißt also unser Freund. Titus ist römischer Legionär und unser Freund ("Titus,
legionarius Romanus et amicus noster est"). - Aber was sagt Celsus sonst noch? - Ich kann nicht so gut Latein, aber sicher sagt er, dass Titus jetzt wieder gesund ist und sich in aller Ruhe sein Essen (
cena) zubereiten (parare) kann.
Das lässt sich Titus nicht zweimal sagen. Im Nu sitzt er an der Handmühle (mola manuaria oder mola trusatilis) seiner Zeltgemeinschaft (
contubernium), schüttet Getreide (
frumentum) oben auf und mahlt und mahlt und mahlt... Dann die Pfanne (sartago), das Mehl (farina) hinein, etwa Honig (mel), Rosinen (uvae passae) und andere leckere Zutaten. Das ganze auf dem Feuer (ignis) rühren und - der schmackhafte Brei (puls) ist fertig! Lecker! -
Was, Du isst Brei nicht gern? - Ich auch nicht! Aber die Puls des Titus ist ein Hochgenuss. Glaube es mir, ich habe sie probiert. Das kannst Du auch daran sehen, dass jetzt die Zeltkameraden (contubernalis) des Titus ankommen und gar nicht genug bekommen können.
Sogar ein kleiner germanischer Blondschopf hat sich von dem Duft der Puls anlocken lassen und sich still und heimlich (
clam
- heimlich) unter die Zeltgemeinschaft geschmuggelt. Warum wohl?
Aber wir wollen beim Essen nicht weiter stören!
Zwei Dinge wolltest Du noch wissen. Dachte ich es
mir doch:
- Wo liegt Ungstein? - Sieh Dir doch einfach die Karte an: Genau auf halbem Weg zwischen Spanien und
Xanten
(am Niederrhein), am Römerlehrpfad an der Deutschen
Weinstraße.
- Wer sind unsere Römer wirklich? - Du hast Recht. Jetzt muss die Schwindelei aufhören und ich muss Dir klaren Wein einschenken: Unsere liebenswerten Römer gehören alle zur 1. Römerkohorte
Opladen. Wenn Du Dich näher für sie interessierst und wissen willst, wo sie am nächsten Wochenende ihr Lager aufschlagen, so informiere Dich auf ihrer Homepage! Es lohnt sich. Sie haben viel mehr zu bieten, als ich Dir hier zeigen konnte.
- Übrigens, wenn Du gerade in der Nähe bist, vergiss nicht, auch das Herrenhaus (villa rustica) in Wachenheim aufzusuchen!
Sententiae excerptae:Literatur:zu "Römer" und "Germanien"
2041
Filtzinger, Philipp
Die Römer in Baden-Württemberg
Stuttgart; Aalen : Theiss 3/1986
2042
Jung, Julius
Römer und Romanen in den Donauländern
Innsbruck 1887 (Ndr. Aalen : Scientia, 1969)
1988
Ternes, C.M.
Die römerzeitliche Civitas Treverorum im Bilde der Nachkriegsforschung. Von der Gründung bis zum Ende des dritten Jahrhunderts
in: ANRW II.4 (1975) 320-424
2043
Zapf, Georg Wilhelm
Muthmassungen über den Ursprung und das Alterthum des Heil. Römischen Reichs Stadt Aalen in Schwaben am Kocherfluss, und einem dortig gestandenen Lager der Römer : als einem Beweiss, dass sich die Macht derselben auch in diese Gegend erstreckt ; Mit einer Kupfertafel.
Schwabach, 1773
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