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M.Minucius Felix

Octavius

1 - 4

Prooemium

 
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Als die drei Feunde Marcus Minucius, Octavius und Caecilius morgens nach Ostia spazieren, entspinnt sich unterwegs in heiterer Umgebung eine ernste philosophische Diskussion

I. (1) Cogitanti mihi et cum animo meo Octavi, boni et fidelissimi contubernalis, memoriam recensenti tanta dulcedo et adfectio hominis inhaesit, ut ipse quodam modo mihi viderer in praeterita redire, non ea, quae iam transacta et decursa sunt, recordatione revocare: (2) ita eius contemplatio, quantum subtracta est oculis, tantum pectori meo ac paene intimis sensibus inplicata est. (3) Nec inmerito discedens vir eximius et sanctus inmensum sui desiderium nobis reliquit, utpote cum et ipse tanto nostri semper amore flagraverit, ut et in ludicris et seriis pari mecum voluntate concineret eadem velle vel nolle: crederes unam mentem in duobus fuisse divisam. (4) Sic solus in amoribus conscius, ipse socius in erroribus: et cum discussa caligine de tenebrarum profundo in lucem sapientiae et veritatis emergerem, non respuit comitem, sed, quod est gloriosius, praecucurrit. (5) Itaque cum per universam convictus nostri et familiaritatis aetatem mea cogitatio volveretur, in illo praecipue sermone eius mentis meae resedit intentio, quo Q. Caecilium superstitiosis vanitatibus etiamnunc inhaerentem disputatione gravissima ad veram religionem reformavit. I. (1) Immer wenn ich nachdachte und bei mir das Andenken an meinen lieben und treuesten Jugendfreund Octavius vor Augen führte, beseelte mich eine so wundervolle Zuneigung zu dem Mann, dass ich glaubte, mit meinem ganzen Selbst sozusagen in die Vergangenheit zurückzukehren, mich nicht bloß an die Erlebnisse zu erinnern, die bereits abgetan und abgeschlossen waren. (2) So ist das Bild des Freundes, wie es meinem leiblichen Auge entrückt ist, in meinem Herzen, ich darf sagen, meinem innersten Wesen verwurzelt. (3) Und ganz natürlich ließ uns der vortreffliche und gottgefällige Mann bei seinem Scheiden eine so unermessliche Sehnsucht nach seiner Person zurück; war er ja ebenfalls stets von einer solchen Liebe zu uns entbrannt, dass er mit mir in heiteren wie in ernsten Dingen gleiche Gesinnung und Stimmung teilte, ein und dasselbe zu wollen oder nicht zu wollen: man musste glauben, eine Seele sei auf zwei Personen verteilt gewesen. (4) So wusste Octavius allein, was ich liebte; er ging mit mir die gleichen Irrwege. Und als das Dunkel schwand und ich aus tiefer Geistesnacht ans Licht wahrer Weisheit emportauchte, da verschmähte er nicht meine Begleitung, sondern eilte, was noch ruhmvoller ist, sogar voraus. Als daher meine Gedanken all die Tage unseres Zusammenlebens und unserer innigen Freundschaft überflogen, verweilte meine Aufmerksamkeit besonders bei der Unterredung meines Freundes, in der er Caecilius, der noch an abergläubischem Unsinn festhing, durch seine wuchtige Dialektik zur wahren Religion bekehrte.

 

II. (1) Nam negotii et visendi mei gratia Romam contenderat, relicta domo, coniuge, liberis, et -- quod est in liberis amabilius -- adhuc annis innocentibus et adhuc dimidiata verba temptantibus , loquellam ipso offensantis linguae fragmine dulciorem. (2) Quo in adventu eius non possum exprimere sermonibus, quanto quamque inpatienti gaudio exultaverim, cum augeret maxime laetitiam meam amicissimi hominis inopinata praesentia.
(3) Igitur post unum et alterum diem, cum iam et aviditatem desiderii frequens adsiduitatis usus implesset et, quae per absentiam mutuam de nobis nesciebamus, relatione alterna comperissemus, placuit Ostiam petere, amoenissimam civitatem, quod esset corpori meo siccandis umoribus de marinis lavacris blanda et adposita curatio; sane et ad vindemiam feriae iudiciariam curam relaxaverant. Nam id temporis post aestivam diem in temperiem semet autumnitas dirigebat.
(4) Itaque cum diluculo ad mare inambulando litori pergeremus, ut et aura adspirans leniter membra vegetaret et cum eximia voluptate molli vestigio cedens harena subsideret, Caecilius simulacro Serapidis denotato, ut vulgus superstitiosus solet, manum ori admovens osculum labiis pressit.
II. (1) Octavius hatte sich nämlich Geschäfte halber und um mich zu besuchen nach Rom begeben und zu diesem Zweck Haus, Weib und Kinder verlassen, und zwar Kinder, die noch, was an ihnen am liebenswertesten ist, unschuldig waren und sich mit dem Aussprechen halber Wörter abmühten, ein Geplauder, das gerade durch das Radbrechen der anstoßenden Zunge an Lieblichkeit gewinnt. (2) Ich finde keine Worte dafür, in welch großer und ungestümer Freude ich nun bei seiner Ankunft geschwelgt habe, da der unerwartete Besuch meines Busenfreundes meine Freude in höchstem Maße steigerte. (3) Als nun nach einem und dem andern Tag der stete Genuss des Beisammenseins die Unersättlichkeit der Sehnsucht bereits ausgefüllt hatte, und wir untereinander ausgetauscht hatten, was wir über uns wegen unserer Trennung nicht wussten, beschlossen wir, das reizend gelegenen Ostia aufzusuchen, um meinen Körper durch die Beseitigung schädlicher Körpersäfte in den Seebädern auf angenehme und ersprießliche Weise zu kurieren; allerdings brachten jetzt auch die Ferien zur Zeit der Weinlese eine Entspannung in meiner gerichtlichen Tätigkeit; denn jetzt brachte das Herbstwetter nach der Sommerzeit eine kühlere Temperatur.
(4) Als wir nun bei Morgendämmerung am Tiberufer auf unserer Wanderung dem Meer zugingen, so dass einerseits die Morgenluft mit ihrem milden Hauch den Gliedern Erfrischung gewährte, andererseits die sandige Unterlage besonderes Vergnügen bereitete, indem sie dem weichen Tritt nachgab und unter dem Fuß einsank, bemerkte Caecilius ein Serapis-Bild, worauf er nach heidnischem Volksbrauch seine Hand zum Mund führte und einen Kuss daraufdrückte.
 
III. (1) Tunc Octavius ait: Non boni viri est, Marce frater, hominem domi forisque lateri tuo inhaerentem sic in hac inperitiae vulgaris caecitate deserere, ut tam luculento die in lapides eum patiaris inpingere, effigiatos sane et unctos et coronatos, cum scias huius erroris non minorem ad te quam ad ipsum infamiam redundare.
(2) Cum hoc sermone eius medium spatium civitatis emensi iam liberum litus tenebamus. (3) Ibi harenas extimas, velut sterneret ambulacro, perfundens lenis unda tendebat: et, ut semper mare etiam positis flatibus inquietum est, etsi non canis spumosisque fluctibus exibat ad terram, tamen crispis tortuosisque ibidem erroribus delectati perquam sumus, cum in ipso aequoris limine plantas tingueremus, quod vicissim nunc adpulsum nostris pedibus adluderet fluctus, nunc relabens ac vestigia retrahens in sese resorberet. (4) Sensim itaque tranquilleque progressi oram curvi molliter litoris iter fabulis fallentibus legebamus. Haec fabulae erant Octavi disserentis de navigatione narratio. (5) Sed ubi eundi spatium satis iustum cum sermone consumpsimus, eandem emensi viam rursus versis vestigiis terebamus et, cum ad id loci ventum est, ubi subductae naviculae substratis roboribus a terrena labe suspensae quiescebant, pueros videmus certatim gestientes testarum in mare iaculationibus ludere. (6) Is lusus est testam teretem iactatione fluctuum levigatam legere de litore, eam testam plano situ digitis comprehensam inclinem ipsum atque humilem, quantum potest, super undas inrotare, ut illud iaculum vel dorsum maris raderet enataret, dum leni impetu labitur, vel summis fluctibus tonsis emicaret emergeret, dum adsiduo saltu sublevatur. Is se in pueris victorem ferebat, cuius testa et procurreret longius et frequentius exsiliret.
III. (1) Das sagte Octavius: Mitnichten ziemt es einem braven Mann, Bruderherz Marcus, jemanden, der in und außer Haus stets an deiner Seite ist, in solch blinder und verächtlicher Unwissenheit zu lassen, dass du es mit ansehen kannst, wie er sich an so hellem Tag an Steine hängt, mögen sie auch geformt, gesalbt und bekränzt sein. Weißt du doch, dass die Schande, die aus diesem Irrtum entspringt, dich ebenso sehr treffen muss wie ihn selbst. (2) Bei diesen Worten des Octavius hatten wir die Hälfte des Weges zwischen Ostia und der See hinter uns und betraten bereits das freie Ufer. (3) Hier breitete die sanfte Woge überflutend weithin Sand aus, als wollte sie einen Spaziergang schaffen. Wie ja das sanfte Meer immer, auch bei Windstille, unruhig ist, trat es, freilich nicht in grauer und schäumender Brandung, doch in kräuselnden und wirbelnden Irrwellen über die Ufer ans Land. Wir hatten eine kindliche Freude, indem wir an der Schwelle des Meeres unsere Sohlen befeuchteten, da es wechselweise bald heranflutend unsere Füße bespritzte, bald zurücktretend und seine Spuren zurückziehend seine Wasser in sich selbst einsog. (4) Daher schritten wir gemach und ruhig weitergehend am Rand des sanft gekrümmten Gestades hin und merkten infolge unserer Unterhaltung nichts von der Länge des Weges. Diese Unterhaltung bestand in einer Erzählung des Octavius von seiner Seereise. (5) Als wir jedoch in solcher Unterhaltung eine ziemliche Strecke Weges zurückgelegt hatten, kehrten wir um und gingen denselben Weg wieder zurück. Als wir da an eine Stelle kamen, wo kleine Schifferboote ans Land gezogen waren und durch untergelegte Eichenbohlen dem feuchten Bodenschlamm entrückt, der Ruhe pflegten, sahen wir Knaben spielen, die, wie um die Wette, sich daraus einen Spaß machten, Scherben ins Meer zu werfen. (6) Das Spiel geht so: Man nimmt eine runde, vom Wogenschwall geglättete Scherbe vom Ufer, fasst sie in ebener Lage mit den Fingern, neigt sich vor, bückt sich und lässt sie dann so weit als möglich über die Wellen hinlaufen. Der Wurfgegenstand streicht nun entweder den Rücken des Meeres, indem er in sanftem Stoß dahingleitet, oder er durchschneidet die Spitzen der Fluten und blitzt daraus hervor, indem er fortwährend aufspringt und sich erhebt. Der, dessen Scherbe am weitesten fortlief und am häufigsten aufsprang, sah sich unter den Knaben als Sieger.
 
IV. (1) Igitur cum omnes hac spectaculi voluptate caperemur, Caecilius nihil intendere neque de contentione ridere, sed tacens, anxius, segregatus dolere nescio quid vultu fatebatur. (2) Cui ego: Quid hoc est rei? Cur non agnosco, Caecili, alacritatem tuam illam et illam oculorum etiam in seriis hilaritatem requiro?
(3) Tum ille: Iam dudum me Octavi nostri acriter angit et remordet oratio, qua in te invectus obiurgavit neglegentiae, ut me dissimulanter gravius argueret inscientiae. (4) Itaque progrediar ulterius: de toto integro mihi cum Octavio res est. Si placet, ut ipsius sectae homo cum eo disputem, iam profecto intelleget facilius esse in contubernalibus disputare quam conserere sapientiam. (5) Modo in istis ad tutelam balnearum iactis et in altum procurrentibus petrarum obicibus residamus, ut et requiescere de itinere possimus et intentius disputare.
(6) Et cum dicto eius adsedimus, ita ut me ex tribus medium lateris ambitione protegerent: nec hoc obsequii fuit aut ordinis aut honoris, quippe cum amicitia pares semper aut accipiat aut faciat, sed ut arbiter et utrisque proximus aures darem et disceptantes duos medius segregarem.
IV. (1) Während wir uns nun alle dem Vergnügen, das dieses Schauspiel bot, hingaben, hatte Caecilius weder Augen noch Ohr dafür, lachte auch nicht über den Wettkampf, sondern war schweigsam und bekümmert, blieb für sich und verriet in seiner Miene einen eigentümlichen Schmerz. (2) Da sprach ich zu ihm: Was soll das? Warum, lieber Caecilius, sehe ich nicht deine gewohnte Munterkeit? Und warum vermisse ich deinen selbst in ernsten Dingen heiteren Blick? (3) Caecilius erwiderte: Schon lange beunruhigt und verwundet mich das Wort unseres Octavius, mit dem er gegen dich losfuhr und dich der Nachlässigkeit zieh, um mich unter deinem Namen noch schwerer der Unwissenheit zu beschuldigen. (4) Daher will ich noch weiter gehen; die ganze Streitfrage haben ich und Octavius auszumachen. Seid ihr einverstanden, dass ich als Jünger gerade einer philosophischen Schule mit ihm diskutiere, so wird er gewiss bald einsehen, dass ein Gedankenaustausch unter Freunden leichter ist als eine streng philosophische Erörterung. (5) Wollen wir uns nur auf diesem Steindamm da niederlassen, der zum Schutz der Bäder aufgeworfen ist und ins Meer vorspringt; da können wir von unserem Spaziergang ausruhen und sorgfältiger sprechen.
(6) Kaum hatte er dies gesagt, so setzten wir uns hin, so dass sie mich in die Mitte nahmen und von beiden Seiten schützten. Damit war nicht dem Anstand, dem Rang oder der Ehre gedient, da ja die Freundschaft immer nur Gleiche entweder aufnimmt oder aber zu Gleichen macht, sondern damit ich als Schiedsrichter und Nachbar eines jeden zuhören und als Vermittler die beiden Streithähne auseinanderhalten könnte.
Deutsche Übersetzung nach: Aloys Bieringer, 1871, bearbeitet von E.Gottwein
Sententiae excerptae:
Lat. zu "Minuc"