Nach Kodros herrschte kein König mehr in Athen. Diesen Tribut zahlte man
dem Andenken seines Namens. Die Staatsregierung übertrug man
Jahresbeamten. Aber die Bürgerschaft hatte damals keine Gesetze,
weil die Willkür der Könige als Gesetz galt. Man wählt
also Solon, einen
besonders gerechten Mann, damit er gleichsam eine neue Bürgerschaft
auf gesetzlicher Grundlage aufzubaue. Dieser fand einen so maßvollem
Ausgleich zwischen Volk und Rat, - denn wenn er einen Antrag
zugunsten einer der beiden Partei eingebracht hätte, hätte
er der anderen offenbar missfallen - dass er von beiden Seiten
gleich große Anerkennung erzielte. Unter vielen herausragenden
Leistungen dieses Mannes ist besonders jene denkwürdig: Die Athener
und Megarenser hatten um den Besitz der Insel Salamis fast bis zu
ihrem Untergang Krieg geführt. Nach vielen Niederlagen stellte
man es in Athen zuerst unter Todesstrafe, einen Gesetzesantrag über
die Aneignung der Insel zu stellen. Solon war also beunruhigt und
fürchtete, entweder dem Staat durch sein Schweigen zu wenig zu
dienen, oder sich selbst durch eine öffentliche Stellungnahme.
Also spielt er einen Wahnsinnsanfall, unter dessen Schutz er, was
verboten war, nicht nur sagen, sondern auch tun wollte. Äußerlich
entstellt, stürzt er nach Art von Wahnsinnigen in die Öffentlichkeit;
es bildet sich ein großer Menschenauflauf; um seine Absicht
besser zu verbergen, beginnt er mit für ihn ungewohnten Versen,
dem Volk zu dem zu raten, was verboten war. In der Tat konnte er alle
so für sich einnehmen, dass man auf der Stelle Krieg gegen die
Megarenser beschloss, und die Insel nach der völligen Niederlage
der Feinde in den Besitz der Athener überging. (Üb.: E.Gottwein) |
(2,7)
Post Codrum nemo Athenis regnavit; quod memoriae nominis eius tributum
est. Administratio rei publicae annuis magistratibus permissa. Sed
civitati nullae tunc leges erant, quia libido regum pro legibus habebatur.
Legitur igitur Solon, vir iustitiae insignis, qui velut novam civitatem
legibus conderet. Qui tanto temperamento inter plebem senatumque egit
- cum, si quid pro altero ordine tulisset, alteri displiciturum videretur
-, ut ab utrisque parem gratiam traheret. Huius viri inter multa egregia
et illud memorabile fuit: inter Athenienses et Megarenses de proprietate
Salaminae insulae prope usque interitum armis dimicatum fuerat. Post
multas clades capitale esse apud Athenienses coepit, si quis legem
de vindicanda insula tulisset. Sollicitus igitur Solon, ne aut tacendo
parum rei publicae consuleret aut censendo sibi, subitam dementiam
simulat, cuius venia non dicturus modo prohibita, sed et facturus
erat. Deformis habitu, more vaecordium in publicum evolat factoque
concursu hominum, quo magis consilium dissimulet insolitis sibi versibus
suadere populo coepit quod vetabatur, omniumque animos ita cepit,
ut extemplo bellum adversus Megarenses decerneretur insulaque, devictis
hostibus, Atheniensium fieret. |