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Homer

Odyssee

22. Gesang - deutsch

Freiermord

 

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Odysseus erschießt den Antinoos, und entdeckt sich den Freiern. Eurymachos bittet um Schonung. Kampf. Telemachos bringt Waffen von oben, und lässt die Türe offen. Der Ziegenhirt schleicht hinauf, und wird von den treue Hirten gebunden. Athene erscheint in Mentors Gestalt, dann als Schwalbe. Entscheidender Sieg. Nur der Sänger und Medon werden verschont. Der gerufene Eurykleia Frohlocken gehemmt. Reinigung des Saales, und Strafe der Treulosen. Odysseus räuchert das Haus, und wird von den treuen Mägden bewillkommt.
Jetzo entblößte sich von den Lumpen der weise Odysseus,
Sprang auf die hohe Schwell', und hielt in den Händen den Bogen
Samt dem gefüllten Köcher; er goss die gefiederten Pfeile
Hin vor sich auf die Erd', und sprach zu der Freier Versammlung:
Diesen furchtbaren Kampf, ihr Freier, hab' ich vollendet!
Jetzo wähl' ich ein Ziel, das noch kein Schütze getroffen,
Ob ich's treffen kann, und Apollon mir Ehre verleihet.
Sprach's, und Antinoos traf er mit bitterm Todesgeschosse.
Dieser wollte vom Tisch das zweigehenkelte schöne
Goldne Geschirr aufheben, und fasst' es schon mit den Händen,
Dass er tränke des Weins; allein von seiner Ermordung
Ahnet' ihm nichts: und wer in der schmausenden Männer Gesellschaft
Hätte geglaubt, dass einer, und wenn er der Tapferste wäre,
Unter so vielen es wagte, ihm Mord und Tod zu bereiten!
Aber Odysseus traf mit dem Pfeil ihn grad' in die Gurgel,
Dass im zarten Genick die Spitze wieder hervordrang.
Und er sank zur Seite hinab; der Becher voll Weines
Stürzte dahin aus der Hand des Erschossenen; und aus der Nase
Sprang ihm ein Strahl dickströmendes Bluts. Er wälzte sich zuckend,
Stieß mit dem Fuß an den Tisch, und die Speisen fielen zur Erde;
Brot und gebratenes Fleisch ward blutig. Aber die Freier
Schrien laut auf im Saale, da sie den Stürzenden sahen,
Sprangen empor von den Thronen, und schwärmten wild durcheinander,
Schaueten ringsumher nach den schöngemauerten Wänden:
Aber da war kein Schild und keine mächtige Lanze!
Und sie schalten Odysseus, und schrien die zürnenden Worte:
Übel bekommt dir, Fremdling, das Männerschießen! Du kämpftest
Heute den letzten Kampf! Nun ist dein Verderben entschieden!
Wahrlich du tötetest hier den Jüngling, welcher der größte
Held in Ithaka war! Drum sollen die Geier dich fressen!
Also rufte der Schwarm; denn sie wähnten, er habe den Jüngling
Wider Willen getötet: die Toren! und wussten das nicht,
Dass nun über sie alle die Stunde des Todes verhängt war.
Zürnend schaute auf sie und sprach der weise Odysseus:
Ha! ihr Hunde, ihr wähntet, ich kehrete nimmer zur Heimat
Aus dem Lande der Troer! Drum zehrtet ihr Schwelger mein Gut auf,
Und beschlieft mit Gewalt die Weiber in meinem Palaste,
Ja ihr warbt sogar, da ich lebte, um meine Gemahlin:
Weder die Götter scheuend, des weiten Himmels Bewohner;
Noch ob ewige Schand' auf eurem Gedächtnisse ruhte!
Nun ist über euch alle die Stunde des Todes verhänget!
Also sprach er. Da fasste sie alle bleiches Entsetzen;
Jeder sahe sich um, wo er dem Verderben entflöhe.
Nur Eurymachos gab aus dem Haufen ihm dieses zur Antwort:
Bist du denn jetzt Odysseus der Ithaker wiedergekommen,
O so rügst du mit Recht die Taten dieser Achaier!
Viel' Unarten geschahn im Palast, und viel' auf dem Lande:
Aber er liegt ja schon, der solches alles verschuldet!
Denn Antinoos war der Stifter aller Verwüstung:
Und ihn trieb nicht einmal die heiße Begierde der Hochzeit,
Sondern andre Gedanken, die Zeus Kronion vernichtet!
Selber König zu sein in Ithakas mächtigem Reiche
Strebt' er, und deinen Sohn mit Hinterlist zu ermorden.
Doch nun hat er sein Teil empfangen! Du aber verschone
Deines Volks! Wir wollen forthin dir willig gehorchen!
Aber was hier im Palast an Speis' und Tranke verzehrt ward,
Dafür bringen wir gleich, ein jeglicher zwanzig Rinder,
Bringen dir Erz und Gold zur Versöhnung, bis wir dein Herz nun
Haben erfreut! So lang' ist freilich dein Zorn nicht zu tadeln!
Zürnend schaute auf ihn und sprach der weise Odysseus:
Nein, Eurymachos, brächtet ihr euer ganzes Vermögen,
Das ihr vom Vater besitzt, und legtet von anderm noch mehr zu:
Dennoch sollte mein Arm von eurem Morde nicht eher
Rasten, bevor ihr Freier mir allen Frevel gebüßt habt!
Jetzo habt ihr die Wahl: entweder tapfer zu streiten,
Oder zu fliehn, wer etwa den Schrecken des Todes entfliehn kann.
Aber ich hoffe, nicht einer entrinnt dem Todesverhängnis!
Also sprach er; und allen erzitterten Herz und Kniee.
Aber Eurymachos sprach noch einmal zu der Versammlung:
Nimmer, o Freunde, ruhn die schrecklichen Hände des Mannes;
Sondern nachdem er den Bogen und vollen Köcher gefasst hat,
Sendet er seine Geschosse herab von der zierlichen Schwelle,
Bis er uns alle vertilgt! Drum auf! gedenket des Kampfes!
Hurtig, und zieht die Schwerter, und schirmt euch alle mit Tischen
Gegen die tötenden Pfeile! Dann dringen wir alle mit einmal
Gegen ihn an! Denn vertrieben wir ihn von der Schwell' und der Pforte
Und durchliefen die Stadt; dann erhübe sich plötzlich ein Aufruhr,
Und bald hätte der Mann die letzten Pfeile versendet!
Als er dieses gesagt, da zog er das eherne scharfe
Und zweischneidige Schwert, und sprang mit grässlichem Schreien
Gegen Odysseus empor. Allein der edle Odysseus
Schnellte zugleich den Pfeil, und traf ihm die Mitte des Busens:
Tief in die Leber fuhr der gefiederte Pfeil; aus der Rechten
Fiel ihm das Schwert; und er stürzte, mit strömendem Blute besudelt,
Taumelnd über den Tisch, und warf die Speisen zur Erde
Samt dem doppelten Becher, und schlug mit der Stirne den Boden,
In der entsetzlichen Angst; mit beiden zappelnden Füßen
Stürzt' er den Sessel herum, und die brechenden Augen umschloss Nacht.
Aber Amphinomos sprang zu dem hochberühmten Odysseus
Stürmend hinan, und schwung das blinkende Schwert in der Rechten,
Ihn von der Pforte zu treiben. Doch mitten im stürmenden Angriff
Rannte Telemachos ihm von hinten die eherne Lanze
Zwischen die Schultern hinein, dass vorn die Spitze hervordrang.
Tönend stürzt' er dahin, und schlug mit der Stirne den Boden.
Aber Telemachos floh, und ließ in Amphinomos' Schulter
Seinen gewaltigen Speer; denn er fürchtete, dass ein Achaier,
Wenn er die Lanze herausarbeitete, gegen ihn stürzend,
Ihn mit geschliffenem Schwert durchstäche, oder zerhaute.
Eilend lief er, und floh zu dem lieben Vater Odysseus,
Stellte sich nahe bei ihn, und sprach die geflügelten Worte:
Vater, ich hole geschwinde dir einen Schild und zwei Lanzen,
Und den ehernen Helm, der deiner Schläfe gerecht ist;
Rüste mich selber alsdann, und bringe den Hirten Eumaios
Und Philoitios Waffen. Man kämpft doch besser in Rüstung.
Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Lauf und bringe sie, eh' ich die tötenden Pfeile verschossen:
Dass sie mich nicht von der Pforte vertreiben, wenn ich allein bin!
Sprach's; und eilend gehorchte Telemachos seinem Gebote:
Stieg in den Söller empor, wo die prächtige Rüstung verwahrt lag.
Wählte sich vier gewölbete Schild', acht blinkende Lanzen,
Und vier eherne Helme, geschmückt mit wallendem Rossschweif;
Trug sie hinab, und eilte zum lieben Vater Odysseus.
Jetzo bedeckt' er zuerst den Leib mit der ehernen Rüstung;
Und dann waffneten sich der Rinderhirt und der Sauhirt:
Und sie standen zur Seite des weisen Helden Odysseus.
Dieser, solang' es ihm noch an Todesgeschosse nicht fehlte,
Streckte mit jeglichem Schuss hinzielend einen der Freier
In dem Palaste dahin, und Haufen stürzten bei Haufen.
Aber da's an Geschoss dem zürnenden Könige fehlte,
Lehnt' er gegen den Pfosten des schöngemauerten Saales
Seinen Bogen zu stehn an eine der schimmernden Wände.
Eilend warf er sich jetzo den vierfachen Schild um die Schulter,
Deckte sein mächtiges Haupt mit dem schöngebildeten Helme,
Welchen fürchterlich winkend die Mähne des Rosses umwallte,
Und ergriff zwei starke mit Erz gerüstete Lanzen.
Rechts in der zierlichen Wand war eine Pforte zur Treppe.
Und von der äußern Schwelle der schöngebaueten Wohnung
Führt' ein Weg in den Gang, mit festverschlossener Türe.
Diesen befahl Odysseus dem edlen Hirten Eumaios
Nahe stehend zu hüten; denn einen nur fasste die Öffnung.
Und Agelaos begann, und sprach zu der Freier Versammlung:
Freunde, könnte nicht einer zur Treppentüre hinaufgehn,
Und es dem Volke sagen? Dann würde plötzlich ein Aufruhr,
Und bald hätte der Mann die letzten Pfeile versendet!
Ihm antwortete drauf der Ziegenhirte Melantheus:
Göttlicher Held Agelaos, das geht nicht! Fürchterlich nahe
Ist die Pforte des Hofes, und eng der Weg nach dem Vorsaal.
Selbst ein einzelner Mann, wenn er Herz hat, wehret ihn allen.
Aber wohlan! ich will euch Waffen holen vom Söller,
Dass ihr euch rüsten könnt! Denn dort, sonst nirgends, vermut' ich,
Hat sie Odysseus versteckt, nebst seinem glänzenden Sohne.
Also sprach er, und stieg, der Ziegenhirte Melantheus,
Durch die Stufen des Hauses empor zu den Kammern des Königs.
Und zwölf Schilde holt' er, und zwölf weitschattende Lanzen,
Und zwölf eherne Helme, geschmückt mit wallendem Rossschweif,
Stieg dann wieder hinab, und brachte sie eilig den Freiern.
Aber dem edlen Odysseus erzitterten Herz und Kniee,
Als sie um Schultern und Haupt sich rüsteten, und in den Händen
Lange Speere bewegten; ihm drohte die schrecklichste Arbeit.
Und er wandte sich schnell mit geflügelten Worten zum Sohne:
Sicher, Telemachos, hat uns eine der Weiber im Hause
Jenen furchtbaren Kampf bereitet, oder Melantheus!
Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
O mein Vater, das hab' ich selber versehen, und niemand
Anders ist schuld! Ich ließ die feste Türe des Söllers
Unverschlossen zurück; und das hat ein Lauscher bemerket.
Aber, Eumaios, eil' und verschließ die Türe des Söllers,
Und gib acht, ob eine der Mägde dieses getan hat,
Oder Dolios' Sohn Melantheus, wie ich vermute.
Als sie mit diesen Worten sich untereinander besprachen,
Stieg in den Söller von neuem der Ziegenhirte Melantheus,
Schöne Waffen zu holen. Ihn merkte der treffliche Sauhirt,
Eilete wieder zurück, und sprach zum nahen Odysseus:
Edler Laertiad', erfindungsreicher Odysseus,
Siehe, da geht er schon wieder, der Bösewicht, den wir vermutet,
Nach dem Söller hinauf! Nun sage mir eilig, Odysseus:
Soll ich selber ihn töten, wenn ich mich seiner bemeistre?
Oder bring' ich ihn dir, damit er büße die Frevel,
Deren der Bube so viel' in deinem Hause verübt hat?
Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Ich und Telemachos wollen die Schar der trotzigen Freier
Hier im Saale schon halten, wie sehr sie auch gegen uns anstürmt.
Aber ihr beiden dreht ihm Händ' und Füß' auf den Rücken,
Werft ihn hinein in den Söller, und schließt von innen die Pforte;
Knüpfet darauf an die Fessel ein starkes Seil, und zieht ihn
Hoch an die ragende Säule hinauf, bis dicht an die Balken:
Dass er noch lange lebe, von schrecklichen Schmerzen gefoltert!
Also sprach er; ihm hörten sie beide mit Fleiß, und gehorchten;
Eilten zum Söller empor, und fanden Melanthios drinnen:
Dieser suchte nach Waffen umher im Winkel des Söllers.
Und sie standen erwartend an beiden Pfosten des Eingangs.
Als nun über die Schwelle der Ziegenhirte Melantheus
Trat, in der einen Hand den prächtigen Helm, in der andern
Einen großen veralterten Schild des Helden Laertes,
Den er als Jüngling trug; doch jetzo lag er im Winkel,
Ganz von Schimmel entstellt, und es barsten die Nähte der Riemen.
Siehe da stürzten sie beide hervor, und ergriffen und schleppten
Ihn bei den Haaren hinein, und warfen den Jammernden nieder,
Banden ihm Händ' und Füße mit schmerzender Fessel, gewaltsam
Hinten am Rücken zusammengedreht, wie ihnen befohlen
Hatte Laertes' Sohn, der herrliche Dulder Odysseus;
Knüpften darauf an die Fessel ein starkes Seil, und zogen
Ihn an die ragende Säule hinauf, bis dicht an die Balken.
Höhnend sprachst du zu ihm, Eumaios, Hüter der Schweine:
Jetzo wirst du hier wohl die Nacht durchschlummern, Melantheus,
Wann du im weichen Lager dich ausdehnst, wie dir gebühret;
Und du siehest gewiss die schöne Morgenröte
Aus des Okeanos Fluten hervorgehn, dass du den Freiern
Treffliche Ziegen bringest, im Saale den Schmaus zu bereiten.
Also ließ man ihn hangen, gespannt in der folternden Fessel.
Jene nahmen die Rüstung, und schlossen die schimmernde Pforte,
Eilten dann wieder zum tapfern erfindungsreichen Odysseus.
Kriegsmut atmend standen die Streitenden: hier auf der Schwelle
Vier, und dort in dem Saale so viel' und so rüstige Männer!
Siehe da nahte sich Zeus' blauäugige Tochter Athene,
Mentorn gleich in allem, sowohl an Gestalt wie an Stimme.
Freudig erblickte die Göttin der Held Odysseus, und sagte:
Mentor, stehe mir bei, und rette deinen Geliebten,
Der dir Gutes getan, und gleiches Alters mit dir ist!
Also sprach er, Athene die Völkererhalterin ahnend.
Aber die Freier erhoben ein lautes Geschrei in dem Saale;
Und vor allen droht' ihr Damastors Sohn Agelaos:
Mentor, lasse dich nicht durch Odysseus' Worte verleiten,
Dass du jetzt mit den Freiern zu seiner Verteidigung kämpfest!
Denn wir geloben dir an, und ich meine, wir werden es halten:
Haben wir diese getötet, den Vater und Sohn, dann wollen
Wir mit ihnen auch dich umbringen, der du so mutig
Hier zu schalten gedenkst; mit dem Haupte sollst du es büßen!
Aber nachdem wir euch mit dem Erze des Geistes beraubet,
Wollen wir alle dein Gut, im Haus und außer dem Hause,
Alles, vermischt mit den Gütern Odysseus', unter uns teilen!
Weder die Söhne sollen, noch Töchter, in dem Palaste
Leben, noch deine Gemahlin im Lande von Ithaka wohnen!
Also sprach er; da zürnte noch heftiger Pallas Athene.
Und sie strafte Odysseus mit diesen zürnenden Worten:
Hast du denn völlig den Mut und die Stärke verloren, Odysseus?
Du, der um Helena einst, die lilienarmige Tochter
Zeus', neun Jahre hindurch, mit den Troern so tapfer gekämpft hat,
Und so viele Männer getötet in schrecklicher Feldschlacht?
Siehe, durch deinen Rat sank Priamos' türmende Feste!
Und nun, da du dein Land und Erbteil wieder erreicht hast,
Nun wehklagest du so im Streite gegen die Freier?
Auf! komm näher, mein Freund, steh' hier, und schaue mein Tun an:
Dass du erkennest, wie dir, im Kampfe mit feindlichen Männern,
Mentor, Alkimos' Sohn, Wohltaten pflegt zu vergelten!
Also sprach sie; allein noch schenkte nicht völlig die Göttin
Ihm den wankenden Sieg; sie prüfte noch ferner die Stärke
Und den Mut Odysseus' und seines rühmlichen Sohnes.
Plötzlich entschwand sie den Blicken, und gleich der Schwalbe von Ansehn
Flog sie empor, und saß auf dem rußigen Simse des Rauchfangs.
Aber die Freier reizte Damastors Sohn Agelaos,
Demoptolemos, und Amphimedon, und der entschlossne
Polybos, und Eurynomos an, und der edle Peisandros:
Diese waren die ersten und tapfersten unter den Freiern,
Aller welche noch lebten und ihre Seele verfochten;
Jene lagen getötet vom pfeileversendenden Bogen.
Und Agelaos begann, und sprach zu der Freier Versammlung:
Freunde, gewiss bald ruhn die schrecklichen Hände des Mannes!
Schon verließ ihn Mentor, nachdem er vergebens geprahlet;
Und sie stehen allein an der großen Pforte des Saales!
Darum sendet nicht alle zugleich die langen Lanzen;
Sondern wohlan! ihr sechs werft erstlich, ob euch Kronion
Gnade verleiht, Odysseus zu treffen, und Ruhm zu gewinnen!
Denn mit den anderer hat es nicht Not, wenn jener nur daliegt!
Also sprach er. Da warfen sie alle, wie er befohlen,
Wütend; doch aller Würfe vereitelte Pallas Athene.
Einer durchbohrte den Pfosten der schöngebaueten Wohnung,
Jenes Lanze durchdrang die festeinfugende Pforte,
Jener traf in die Wand mit der erzgerüsteten Esche.
Und nachdem sie die Lanzen der Freier hatten vermieden,
Da begann zu ihnen der herrliche Dulder Odysseus:
Jetzo wär' es an mir, ihr Lieben, euch zu befehlen,
Dass ihr die Schar der Freier mit scharfen Lanzen begrüßet,
Die zu dem vorigen Frevel uns noch zu ermorden gedenken.
Also sprach er; da warfen sie alle zielend die Lanzen.
Demoptolemos traf der göttergleiche Odysseus,
Und Euryades traf Telemachos, aber der Sauhirt
Elatos, und Peisandros der Oberhirte der Rinder:
Diese fielen zugleich, und bissen die weite Erde.
Aber die Freier entflohn in den innersten Winkel des Saales,
Jene sprangen hinzu, und zogen die Speer' aus den Toten.
Und von neuem warfen die Freier schimmernde Lanzen,
Wütend; aber die meisten vereitelte Pallas Athene.
Einer durchbohrte den Pfosten der schöngebaueten Wohnung,
Jenes Lanze durchdrang die festeinfugende Pforte,
Jener traf in die Wand mit der erzgerüsteten Esche.
Nur Amphimedon streifte Telemachos' Hand an dem Knöchel
Sanft; die obere Haut ward kaum von dem Erze verwundet.
Und Ktesippos ritzte Eumaios über dem Schilde
Leicht die Schulter; der Speer flog über, und fiel auf die Erde.
Aber die Schar des tapfern erfindungsreichen Odysseus
Zielte von neuem, und warf die Lanzen unter die Freier.
Und Eurydamos traf der Städteverwüster Odysseus,
Und Amphimedon traf Telemachos, aber der Sauhirt
Polybos; und Ktesippos durchbohrte der Hirte der Rinder
Mit der Lanze die Brust, und sprach die höhnenden Worte:
O Polytherses' Sohn, du Spötter! rede nicht ferner,
Durch Mutwillen verleitet, so prahlerisch; sondern befiehl es
Alles den Göttern an: denn sie sind stärker als Menschen!
Nimm dies Ehrengeschenk für den Kuhfuß, welchen du neulich
Gabst dem edlen Odysseus, der bettelnd im Saale herumging!
Also sprach der Hirte der Rinder. Aber Odysseus
Sprang auf Damastors Sohn, und erstach ihn mit eherner Lanze,
Und Telemachos sprang auf Leiokritos wütend, und rannt' ihm
Seinen Speer durch den Bauch, dass hinten die Spitze hervordrang:
Vorwärts fiel er dahin, und schlug mit der Stirne den Boden.
Aber Athene erhob an der Decke den leuchtenden dunkeln
Menschenverderbenden Schild, und schreckte die Herzen der Freier.
Zitternd liefen sie rings durch den Saal, wie die Herde der Rinder,
Welche auf grasiger Weide die rasche Bremse verfolget,
Im anmutigen Lenz, wenn die Tage heiter und lang sind.
Aber gleich scharfklauigen krummgeschnabelten Falken,
Welche von dem Gebirg' herstürmend auf fliegende Vögel
Schießen; sie flattern voll Angst aus den Wolken herab auf die Felder,
Doch die verfolgenden Stößer ereilen sie würgend; da gilt nicht
Streiten oder Entfliehn; es freun sich die Menschen des Schauspiels:
Also stürzten sie wütend sich unter die Freier, und würgten
Links und rechts durch den Saal; mit dem Krachen zerschlagener Schädel
Tönte das Jammergeschrei, und Blut floss über den Boden.
Und nun eilte Leiodes, umschlang Odysseus die Kniee,
Jammerte laut um Erbarmen, und sprach die geflügelten Worte:
Flehend umfass' ich dein Knie: erbarme dich meiner, Odysseus!
Denn ich habe ja keine der Weiber in dem Palaste
Weder mit Worten noch Taten verunehrt, sondern beständig
Andere Freier gewarnt, wenn einer dergleichen verübte.
Aber sie folgten mir nicht, die Hand vom Bösen zu wenden:
Darum traf die Frevler das schreckliche Todesverhängnis!
Aber soll ich, ihr Opferprophet, der nichts getan hat,
Sterben wie sie; so ist ja des Guten keine Vergeltung!
Zürnend schaute auf ihn und sprach der weise Odysseus:
Bist du Opferprophet bei den Freiern gewesen, so hast du
Ohne Zweifel auch oft in diesem Saale gebetet,
Dass ich ferne verlöre den Tag der fröhlichen Heimkehr,
Und dass meine Gemahlin dir folgt' und Kinder gebäre!
Darum wünsche nur nicht den schrecklichen Tod zu vermeiden!
Als er dieses gesagt, da nahm er mit nerviger Rechte
Von der Erde das Schwert, das Agelaos im Tode
Fallen lassen, und schwung es, und haut' ihm tief in den Nacken:
Dass des Redenden Haupt hinrollend mit Staube vermischt ward.
Aber Terpios' Sohn entrann dem schwarzen Verhängnis,
Phemios, der bei den Freiern gezwungen wurde zu singen.
Dieser stand, in den Händen die hellerklingende Harfe,
Nahe der Seitentür, und sann in zweifelndem Herzen:
Ob er heimlich entflöh, und an des großen Kronions
Schönem Altar auf dem Hofe sich setzte, auf welchem Laertes
Und Odysseus die Lenden so vieler Stiere geopfert;
Oder um Mitleid flehend Odysseus zu Füßen sich würfe.
Dieser Gedanke schien dem Zweifelnden endlich der beste,
Flehend die Kniee zu rühren des göttergleichen Odysseus.
Und er setzte zur Erden die schöngewölbete Harfe,
Zwischen dem großen Kelch und dem silberbeschlagenen Sessel;
Lief dann eilend hinzu, umschlang Odysseus die Kniee,
Jammerte laut um Erbarmen, und sprach die geflügelten Worte:
Flehend umfass' ich dein Knie; erbarme dich meiner, Odysseus!
Töte mich nicht! Du würdest hinfort es selber bereuen,
Wenn du den Sänger erschlügst, der Göttern und Menschen gesungen!
Mich hat niemand gelehrt; ein Gott hat die mancherlei Lieder
Mir in die Seele gepflanzt! Ich verdiene, wie einem der Götter,
Dir zu singen! Drum haue mir nicht mit dem Schwerte das Haupt ab!
Siehe dein lieber Sohn Telemachos kann es bezeugen,
Dass ich nie freiwillig und wegen schnödes Gewinstes
Kam in deinen Palast, den Freiern am Mahle zu singen;
Sondern es führten mich viele und Mächtige hier mit Gewalt her!
Also sprach er. Ihn hörte Telemachos' heilige Stärke,
Eilte hinzu, und sprach zu seinem Vater Odysseus:
Halt, verwunde nicht diesen; er ist unschuldig, mein Vater!
Lass uns auch Medon verschonen, den Herold, welcher mich immer
Sorgsam in unserem Hause gepflegt hat, als ich ein Kind war;
Wo ihn Philoitios nicht schon tötete, oder Eumaios,
Oder du selber ihn trafst, den Saal mit Rache durchstürmend!
Also sprach er; ihn hörte der gute verständige Medon:
Unter dem Throne sich schmiegend, vermied er das schwarze Verhängnis,
Eingehüllt in die Haut des frischgeschlachteten Rindes.
Eilend kroch er hervor, und hüllte sich schnell aus der Kuhhaut,
Sprang zu Telemachos hin, umschlang die Kniee des Jünglings,
Jammerte laut um Erbarmen, und sprach die geflügelten Worte:
Lieber, da bin ich selbst! O schone, und bitte den Vater,
Dass mich der Wütende nicht mit scharfem Erze vertilge,
Zürnend wegen der Freier, die alle Güter im Hause
Ihm verschwelgten, und dich mit törichtem Herzen entehrten!
Lächelnd erwiderte drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Sei getrost, denn dieser ist dein Beschirmer und Retter:
Dass du im Herzen erkennst, und andern Menschen verkündest,
Wie viel besser es sei, gerecht als böse zu handeln.
Aber geht aus dem Saal, und setzt euch aus dem Gewürge
Draußen im Hofe, du selbst und der liederkundige Sänger;
Bis ich alles im Hause vollendet, was mir gebühret.
Also sprach er. Da gingen sie schnell aus dem blutigen Saale,
Setzten sich draußen im Hof' am Altare des großen Kronions
Nieder, und blickten umher, den Tod noch immer erwartend.
Jetzo schaute Odysseus umher im Saale, ob irgend
Noch ein Lebender sich dem schwarzen Tode verberge.
Aber er sahe sie alle, mit Blut und Staube besudelt,
Weit den Boden bedecken: wie Fische, welche die Fischer
Aus dem bläulichen Meer ans hohle Felsengestade
Im vielmaschigen Netz aufzogen; nun liegen sie, lechzend
Nach den Fluten des Meers, im dürren Sande verbreitet,
Und die sengende Hitze der Sonne raubet ihr Leben:
Also lagen im Saale die Freier Haufen bei Haufen.
Und zu Telemachos sprach der erfindungsreiche Odysseus:
Auf, Telemachos, rufe die Pflegerin Eurykleia;
Denn ich habe noch was auf dem Herzen, das ich dir sage.
Sprach's; und Telemachos eilte, wie ihm sein Vater befohlen,
Pocht' an die Tür, und rief der Pflegerin Eurykleia;
Eile geschwinde hierher, du alte redliche Mutter,
Welche die Aufsicht hat der Weiber in unserem Hause!
Komm! dich ruft mein Vater, er hat dir etwas zu sagen!
Also sprach er zu ihr, und redete nicht in die Winde.
Als sie die Pforten geöffnet der schöngebaueten Wohnung,
Ging sie hinaus, und folgte Telemachos, welcher sie führte.
Und sie fanden Odysseus, umringt von erschlagenen Leichen,
Ganz mit Blut und Staube besudelt, ähnlich dem Löwen,
Der, vom ermordeten Stiere gesättiget, stolz einhergeht;
Seine zottige Brust, und beide Backen des Würgers
Triefen von schwarzem Blut, und fürchterlich glühn ihm die Augen:
Also war auch Odysseus an Händen und Füßen besudelt.
Als sie die Toten nun sah und rings die Ströme des Blutes,
Da frohlockte sie jauchzend; denn schrecklich und groß war der Anblick.
Aber Odysseus hielt sie, und zähmt' ihr lautes Entzücken;
Und er redte sie an, und sprach die geflügelten Worte:
Freue dich, Mutter, im Herzen; doch halte dich, dass du nicht frohlockst!
Über erschlagene Menschen zu jauchzen, ist grausam und Sünde!
Diese vertilgte der Götter Gericht und ihr böses Beginnen:
Denn sie ehrten ja keinen von allen Erdebewohnern,
Vornehm oder geringe, wer auch um Erbarmen sie ansprach.
Darum traf die Frevler das schreckliche Todesverhängnis.
Aber nenne mir jetzo die Weiber in dem Palaste,
Alle, die mich verachten, und die unsträflich geblieben.
Ihm antwortete drauf die Pflegerin Eurykleia:
Gerne will ich dir, Sohn, die lautere Wahrheit verkünden,
Fünfzig sind der Weiber in deinem hohen Palaste,
Welche wir alle die Kunst des Webestuhls und der Nadel
Lehrten, und Wolle zu kämmen, und treu und fleißig zu dienen.
Aber zwölfe verüben die unverschämtesten Greuel,
Und verachten mich ganz, ja selber Penelopeia.
Zwar seit kurzem erwuchs Telemachos; aber die Mutter
Wollte nimmer gestatten, dass er den Mägden beföhle.
Jetzo geh' ich hinauf, und bringe deiner Gemahlin
Botschaft; eben erquickt sie ein Gott mit lieblichem Schlummer.

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Wecke sie jetzo noch nicht; lass erst die Weiber des Hauses
Kommen, welche bisher so viel' Unarten verübten.
Also sprach er; da ging die Pflegerin aus dem Gemache,
Brachte des Königs Befehl, und trieb die Mägde zu eilen.

Aber Telemachos und die beiden trefflichen Hirten
Rief er zu sich heran, und sprach die geflügelten Worte:
Traget jetzo die Toten hinaus, und befehlt es den Weibern;
Und dann reiniget wieder die zierlichen Sessel und Tische
Von der Erschlagenen Blute mit angefeuchteten Schwämmen.
Aber sobald ihr alles umher im Saale geordnet,
Führt die Weiber hinaus vor die schöngebauete Wohnung,
Zwischen das Küchengewölb' und die feste Mauer des Hofes,
Und erwürgt sie dort mit der Schärfe des Schwertes, bis aller
Seelen entfliehn, und vergessen der ungebändigten Lüste,
Welche sie oft gebüßt, in geheimer Umarmung der Freier.
Also sprach er; da kamen die Weiber alle bei Haufen
Lautwehklagend herein und heiße Tränen vergießend.
Und sie trugen hinaus die abgeschiedenen Toten
Unter die tönende Halle des festverschlossenen Hofes,
Legten übereinander sie hin; es trieb sie Odysseus
Hurtig zu eilen, und traurig vollendeten jene die Arbeit.
Hierauf reinigten sie die zierlichen Sessel und Tische
Von der Erschlagenen Blute mit angefeuchteten Schwämmen.
Aber Telemachos, der Rinderhirt und der Sauhirt
Säuberten eilig mit Schaufeln des schönen gewölbeten Saales
Estrich; den Unrat trugen die Mägde hinaus vor die Türe.
Und nachdem sie alles umher im Saale geordnet,
Führten sie jene hinaus vor die schöngebauete Wohnung
Zwischen das Küchengewölb' und die feste Mauer des Hofes,
Trieben sie dort in die Enge, wo nirgends ein Weg zum Entfliehn war.
Und der verständige Jüngling Telemachos sprach zu den Hirten:
Wahrlich den reinen Tod des Schwertes sollen die Weiber
Mir nicht sterben, die mich und meine Mutter so lange
Schmäheten, und mit den Freiern so schändliche Greuel verübten!
Sprach's; da band er ein Seil des blaugeschnäbelten Schiffes
An den ragenden Pfeiler, und knüpft es hoch am Gewölbe
Fest, dass die Hangenden nicht mit den Füßen die Erde berührten.
Und wie die fliegenden Vögel, die Drosseln oder die Tauben,
In die Schlingen geraten, die im Gebüsche gestellt sind;
Müde eilten sie heim, und finden ein trauriges Lager:
Also hingen sie dort mit den Häuptern nebeneinander,
Alle die Schling' um den Hals, und starben des kläglichsten Todes,
Zappelten noch mit den Füßen ein wenig, aber nicht lange.
Jetzo holten sie auch den Ziegenhirten Melantheus;
Und sie schnitten ihm Nas' und Ohren mit grausamem Erze
Ab, entrissen und warfen die blutige Scham vor die Hunde,
Hauten dann Händ' und Füße vom Rumpf mit zürnendem Herzen.
Und nun wuschen sie sich die Händ' und Füße, und gingen
Wieder hinein zu Odysseus im Saal; und das Werk war vollendet.
Aber Odysseus sprach zu der Pflegerin Eurykleia:
Alte, bringe mir Feuer und fluchabwendenden Schwefel,
Dass ich den Saal durchräuchre. Dann sage Penelopeien,
Dass sie geschwind herkomme mit ihren begleitenden Jungfraun;
Auch die übrigen Weiber im Hause rufe mir eilig.
Ihm antwortete drauf die Pflegerin Eurykleia:
Gut, mein geliebter Sohn, du hast mit Weisheit geredet,
Aber ich will dir ein Kleid herbringen, Mantel und Leibrock;
Dass du nicht, mit den Lumpen die rüstigen Schultern umhüllet,
Hier in dem Saale stehst. Wie hässlich würde das aussehn!
Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Erstlich bringe mir Schwefel, und zünde Feuer im Saal an.
Also sprach er. Da eilte die Pflegerin Eurykleia;
Und nun brachte sie Feuer und Schwefel. Aber Odysseus
Räucherte rings im Saal, im Vorhaus und in dem Hofe.
Und die Alte stieg aus Odysseus' prächtiger Wohnung,
Brachte des Königs Befehl, und trieb die Mägde zu eilen.
Und sie gingen hervor, in den Händen die leuchtende Fackel.
Jetzo umringten sie alle den wiedergekommenen König,
Hießen ihn froh willkommen, und küssten ihm Schultern und Antlitz,
Küssten und drückten die Hände mit Inbrunst. Aber Odysseus
Weint' und schluchzte vor Freude; sein Herz erkannte noch alle.
   
  Übersetzung nach J.H.Voß bearbeitet von E.Gottwein

 

 

 

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